Er stellt sein Glas auf den Nachttisch. Während er mit geschlossenen Augen auf seinem Bett liegt ist es ihm egal ob er nun etwas verschüttet oder nicht. Er liegt da und hört nichts, weiß aber, dass er in seinem Zimmer ist. Er macht die Augen auf und schaut umher, aber er kann ihn nicht finden, obwohl er ihn schon so lange sucht. Er setzt sich auf die Bettkante und nimmt seinen letzten Schluck. Es geht ihm nicht besser aber er ist nun beruhigt. Er hat getan was in seiner Kraft liegt. Als er aufsteht und einen Schritt auf die Tür zu geht, weiß er es. Nun steht er hinter ihm. Er kann ihn nicht sehen, hören und auch nicht spüren aber er weiß es. Es muss er sein. Wer sonst?

Als er endlich den Entschluss gepackt hat sich umzudrehen, fällt er nach vorne.

Er wird immer schneller und er spürt ein Kribbeln im Bauch. Das Gefühl war dem ähnlich, als er sie das erste Mal gesehen hat. TICK.

Sie stieg in den Bus ein, um zur Arbeit zu gehen. Jeden Tag wartete er auf sie. Es gab keinen Tag an dem er nicht auf sie wartete. Es tat es auch Samstags und Sonntags, obwohl er wusste, dass sie nicht kommen wird. Wenn er sie dann sah, wurde ihm so wie jetzt. Ihm war ganz anders vor Aufregung und er musste sich zurückhalten. Nach langer Zeit, sie war doch immer so pünktlich, kam sie zu spät und stellte sich neben ihn um auf den Bus zu warten. Normalerweise kam sie so pünktlich, dass sie nur ein paar Sekunden warten musste. Sie hatte ihn noch nie bemerkt, auch nicht, dass er jeden Tag auf sie wartete. Sie fing das Gespräch an und sie beendete es als der Bus kam. Denn er ist noch nie in den Bus eingestiegen.

Zwei Wochen später passierte ihr es noch einmal. Sie kam zu spät.
Es ging ihr nicht gut und man sah es ihr an. Vor allem fiel es ihm auf, da er sie immer vor Augen hatte. Sie redete mit ihm und als der nächste Bus kam, verpasste sie diesen auch. Sie tranken einen Kaffee zusammen. Dann tranken sie noch zwei oder drei und redeten. Eigentlich redete sie, er hörte nur zu. Aber es gefiel ihm sehr.

Und nun fällt er. Unaufhaltsam und nicht in der Lage etwas dagegen zu tun. Er weiß, dass er zusieht und nur darauf wartet. So wie er selbst. Als der Boden näher kommt, kann er die Maserung erkennen. Sie erinnert ihn an ein Kleid was er ihr geschenkt hatte. TACK.

Ein Kleid mit verflochtenen Blumen. Es war sein erstes Geschenk an sie und sie freute sich sehr darüber. Sie kannten sich nun schon etwas länger als einen Monat. Er hatte erfahren, dass sie in einem Blumengeschäft arbeitete, deswegen hatte er ihr das Kleid gekauft. Er fuhr jeden Tag mit ihr in dem Bus und manchmal redeten sie, manchmal saßen sie einfach nur zusammen. Er kaufte jeden Tag Blumen bei ihr, die er ihr am Abend schenkte, als sie aus dem Bus ausstieg. Das ging über ein halbes Jahr so. Dann wollte er sie überraschen. Er hatte die Blumen nicht bei ihr gekauft, denn es waren Rosen. Er fuhr auch nicht Bus mit ihr. Er wollte sie fragen. Aber sie kam nicht zurück. Er wartete an der Busstation auf ihre Rückkehr aber sie kam nicht. Er wartete die ganze Nacht. Denn am Morgen musste sie ja kommen, um zur Arbeit zu gehen. Aber sie kam nicht. Hat sie den Bus verpasst?

Er wollte sie suchen, aber er wusste ihren Namen nicht. Er wollte sie besuchen, aber er wusste nicht wo sie wohnte. Er ging zum Blumenladen, aber er fand sie nicht. So jemand arbeite hier nicht, sagte man ihm. Er suchte sie ein Jahr lang ohne sie zu finden. Danach suchte er ihn.

Als sein Gesicht nur noch ein oder zwei Zentimeter vom Boden entfernt ist, sieht er ihr Gesicht im Holz. Er denkt an sie und er denkt an das leere Glas. Das Glas welches sein Ende enthielt. Er weiß, er wird gleich kommen. Er hat ihr Gesicht vor seinen Augen. Er wird sie finden.

Voller Zuversicht schlug er tot auf dem Boden auf.

TICK.


© Cayucos


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