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Der Bockerbrehm-Skandal 1


Wunderle fing an sich wieder einmal zu verändern: Sie unterstützte den Wunsch Olfs quasi imaginär den Troll das Geschwätz eines befugten Spezialisten anhören zu lassen, damit eine Lösung in Sicht käme, auf dieser seiner, sich zur Höllenfahrt entwickelnden Lebensreise. Trotz aller faszinierender Zauberkräfte, die ihm bisweilen zur Verfügung standen, fühlte er sich machtlos gegen die kranke List einer mit sich selbst verschworenen Weiblichkeit letzten Ranges.

Doch die Suche nach einer für den Troll geeigneten Person erwies sich als äußerst schwierig! Entweder die entsprechende Anlaufstelle war schon auf viele Monate, oder gar Jahre völlig ausgebucht, oder die angesprochene Person zeigte sich höchst missgünstig dem Hilfesuchenden gegenüber.
Eine seltsam verschlagene Psychiaterin z.B. verzerrte, als sie den Troll eintreten sah, lächelnd ihr Gesicht zu einer hinterhältigen Fratze, um anschließend, als Olf seine Probleme mit einer Borderlinerin zu schildern begann, ihre negative Grundstimmung in offen erkennbaren Hass umschlagen zu lassen. Ihr Blick wurde giftig! „Männer haben mit Frauen grundsätzlich keine Probleme!“ schien diese furchtbare Miene zu sagen, „denn Frauen haben grundsätzlich Probleme mit Männern!“ Deshalb verließen Olf und der Troll nach einem kurzen demütigenden Gespräch fluchtartig das Haus des Schreckens, den diese Fachkraft in Sachen menschliche Psyche offensichtlich über ihm auszubreiten gewillt war.

Inzwischen hatte sich Wunderle eine ganz neue Methode ausgedacht ihre Launen noch sinnvoller zu gestalten...
Als Olf einmal, wegen zu großem Stress mit der wunderlichen Partnerin, etwas fahrig wurde und beim Tischdecken ein Glas zu Boden stieß, wo es in ca. 30 Stücke zersprang, da zeigte sie sich vordergründig allesverzeihend, obwohl sie aussah als würde sie gleich zu weinen anfangen. Hinter dieser Fassade jedoch brodelte es in ihr vulkanisch!

An Essen war jetzt mehr zu denken. „Geh sofort vom Tisch weg!“ rief sie zärtlich, „sonst trägst du die Scherben noch in der ganzen Wohnung spazieren!“ Dann fing sie an aufzuräumen. Danach putzte sie das Wohnzimmer gründlich, um später noch eine gute halbe Stunde lang staubzusaugen. Dabei wurden alle „verdächtigen“ Ecken und Flächen gründlich berücksichtigt. Essen gab es vorläufig jedenfalls nicht. Erst nach einer knappen Stunde durfte dann endlich aufgetragen werden.
Der Troll stand dabei wie ein begossener Pudel herum, da er weder das Zimmer noch die Umgebung des Tisches verlassen durfte, damit die Gefahr unbemerkt mitgenommener Glassplitter wirksam gebannt werden konnte.

Konnte ihm EIN Mensch etwas Nützliches dazu sagen? War er auf dem besten Weg wahnsinnig zu werden und wie lange würde es noch dauern bis das für jeden sichtbar war? Vielleicht hatte jemandem das Studium der Psychologie doch etwas genützt – so viel, daß er oder sie sogar einem Troll helfen, oder raten konnte!
Die Suche dauerte an, doch endlich trudelten Olf und sein Troll in der Praxis einer beleibten Frau ein, die sofort den Troll im Menschen oder den Menschen hinter dem Troll erkannte. Es handelte sich um die wunderbare Frau Bockerbrehm, einem imposanten Geschöpf weiblicher Natur das in seiner Kindheit schon als Wunderkind galt und heute wohl ihrem guten Ruf mehr als gerecht zu werden schien.

Irritierend empfand der Troll, daß die gute Frau sofort mit einer Art Talisman zu pendeln begann als er das Behandlungszimmer betrat. Doch der Gesichtsausdruck von Frau Bockerbrehm war überaus freundlich, weshalb kein Anlass zum Misstrauen angesagt war.
Frei und humorvoll schilderte Olf, nachdem sich der Troll ein wenig zurückgenommen hatte, seine prekäre Situation und die intelligente Ärztin begann ihn zu testen...

Nun meldete sich der Troll wieder und erzählte hingebungsvoll, weil mit der neuen Zauberin sofort geistig verbunden, von seinen Abenteuern mit Schmarrtina, mit Schnatterata, mit seiner Frau und sogar von den Elfen, die ihn wohl auf Schritt und Tritt bei allem begleitet hatten. Von seinen Diplomen erwähnte er selbstverständlich nichts. Er konnte ja nicht mit der Türe ins Haus fallen...
Die Bockerbrehm pendelte währenddessen immer intensiver – immer eifriger versuchte sie sich vor der sofort registrierten und als für sie fälschlich als Bedrohung erkannten Macht des Trolls in Acht zu nehmen. Sie preschte nun ihrerseits mit Hinweisen auf ihre übersinnlichen Verbündeten vor. Sie sei ausgebildete Schamanin verriet sie dem lächelnden Troll, der sich sofort, sichtlich staunend, bemühte ihr seine Anerkennung zu erweisen.

Dies wiederum bestärkte sie in ihrer Überzeugung alles im Griff zu haben. „Sie sind besessen!“ sagte sie, kurz und bündig, zu Olf, der wie im Traum, ihren Ausführungen lauschte um dazuzulernen. „Aha“, meinte er, voller Bewunderung. „Und was kann,oder sollte man da machen?“
„Wir müssen den Teufel austreiben und sie wieder ins wahre Leben eingliedern“ meinte die Psychiaterin von Gottes Gnaden und natürlich auch von Doktors Graden. Der Troll lachte. Das konnte er sich nicht mehr verkneifen! „wie geht das?“ erkundigte er sich schelmisch.

„Ich habe da einen großen Lehrer. Er war früher einmal ein erfolgreicher Industrie-Manager in England. Sein Name ist John Oxford. Er praktiziert heute als Medium in Deutschland, ganz in der Nähe von hier. Da gehen wir hin und machen ein Exorzismus-Ritual, dann wird es ihnen sehr bald viel besser gehen. Von ihrer furchtbaren Frau werden sie sich dann endlich trennen können, nachdem sie neue Kraft und Herrlichkeit durch die helle Seite der Macht erfahren haben“.

Der Troll stöhnte hörbar auf und Olf schaute höchst amüsiert aus den Augen des Trolls (oder umgekehrt) in die lustige Welt derer, die sich selber gefunden haben. Natürlich willigte er sofort ein. Je schneller desto lieber meinte er zu sich selber, denn eine Teufelsaustreibung hatte er noch nie mitgemacht – das war eine echte Bildungslücke!
Als besonders günstig stellte sich die Tatsache dar, daß seine behandelnde Ärztin nun auch noch zu seiner Mentorin wurde, denn eine Teufelsaustreibung mit allen Schikanen kostete damals beim Oberschamanen ganze 160 Euro und die BoBre wollte alles aus ihrer eigenen Tasche bezahlen.

Sie machte den Troll noch darauf aufmerksam, daß dieses Vorhaben auf keinen Fall Teil ihrer Behandlung sei, sondern lediglich ein Bonbon: Gutgemeint und perfekt gekonnt, made in England und angewandt im nichtsahnenden Niemandsland einer deutschen Provinz.

Alle freuten sich auf den Tag der Erleuchtung durch den Wunderheiler von bösen Mächten, der gewillt war sich mit der Urkraft des Universums anzulegen. Wie würden die Elfen reagieren? Würden sie den Troll soweit zurückhalten können, daß er sich nicht vor lauter Lachen kugelte? Die Bockerbrehm und der Troll fingen an sich anzufreunden!
Nur eines störte den Troll und seinen Zwilling Olf noch an der Geschichte: Die beiden hatten den dringenden Verdacht die weise Frau würde sich ihnen auch körperlich annähern wollen. Kurioserweise irrten sie sich nicht!

Der Tag, an dem der Teufel im Körper Olfs seinen letzten erleben sollte nahte „drohend“. Der Troll und sein Anhang fanden sich, zusammen mit der Psychiaterin bei Oxford ein und der begann mit seinem Ritual. „Bitte zuerst auf den Tisch dort legen“ sagte er grinsend und die Bockerbrehm fügte noch besessen hinzu „und wenn's geht dann bitte die Socken ausziehen – wir werden Hautkontakt brauchen“. Also doch, dachte der Troll, der zwar kein Teufel war, aber quasi schon irgendwie Besitz genommen hatte von diesem Erdenmenschen, der scheinbar alles mit sich machen ließ.

Olf hatte lange gebraucht um das zu werden was die Elfen von ihm verlangt hatten: ein Troll mit allen Schikanen. Eine dieser „Schikanen“ bestand darin Halluzinationen bei unschuldigen Opfern (wie beispielsweise der Bockerbrehm und ihrem kleinen Schamanen) hervorrufen zu können.
Aber zuerst einmal tanzte John der Schamane nur um den Tisch herum und machte Handbewegungen als wolle er unsichtbare Fesseln lösen. Das kitzelte den Geist des Trolls ein wenig. Die Psychiaterin hielt inzwischen Olfs Füße, leise stöhnend, umklammert – ein hauchdünnes erotisches Band entstand!

Dann war es endlich soweit...der Troll konnte gerade noch rechtzeitig den notwendigen Grad an Versunkenheit erreichen, um aufs Stichwort in Aktion treten zu können.
Und da kam es auch schon: „Ich befehle dem Dämon der dich besessen hat deinen Körper zu verlassen!“ So keuchte der Schamane vor lauter Anstrengung, die die scheinbar körperliche Abwesenheit des Entfesselungstänzers zu begleiten schien, dann erzeugte der Troll eine lustige Vision. Die Bockerbrehm und ihr „machtvoller“ Helfer in Sachen Teufelsaustreibung sahen wie sich eine gehörnte Gestalt aus dem Leib des Trolls erhob und missmutig das Zimmer verließ.

Was für ein Schauspiel?! „Haben sie ihn gesehen, haben sie ihn gesehen? fieberte die Seelenklempnerin mit der Schamanenausbildung dahin, aber der Troll stellte sich dämlich. „Ich bin mir nicht ganz sicher“ sagte er freundlich um die beiden großartigen Herrschaften nicht unnötig zu verwirren. Insgeheim aber wusste er, daß alles gut geklappt hatte: Er war jetzt völlig unbesessen und konnte getrost, aber wahrhaftig fröhlich seinen Lebensweg fortsetzen.

Denn die gute, mitfühlende Ärztin hatte ja immer wieder behauptet, Dämonen die in ihren Opfern ihr Unwesen treiben sorgten stets für schlechte Stimmung. Der Troll war da ganz anderer Meinung, aber das sagte er natürlich nicht...das hätte womöglich der Therapie geschadet. Er war sich längst darüber im Klaren wer hier wen therapierte, denn jemand, der vorbehaltlos gute Stimmung aus keinem Grund, sowie Liebe unter allen Umständen predigte, konnte wohl nicht mehr ganz bei Sinnen sein. Da standen doch der Einflussnahme von echten Dämonen wie der einer gesteuerten Werbebranche Türen und Tore weit offen.

Jedenfalls stand es nicht in der Absicht des Trolls sich hier nicht als „geheilt“ aus den Fängen der Bockerbrehm zu verabschieden, sondern womöglich weiterhin mit der weisen Frau in gutem Kontakt zu verbleiben. Doch wie immer im Leben sollte alles ganz anders kommen.

Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman) 58

© Alf Glocker


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman) 58"

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman) 58

Autor: Sonja Soller   Datum: 13.04.2023 16:48 Uhr

Kommentar: Ja, das passiert öfter als man glaubt


Interessant zu lesen, aber ein Olf- Troll möchte ich nicht sein!

Herzliche Grüße aus dem trollfreien Norden, Sonja

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman) 58

Autor: Alf Glocker   Datum: 14.04.2023 7:04 Uhr

Kommentar: Vielen Dank
aus dem trolligen Süden
LieGrü
Alf

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