Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  50

© Alf Glocker

Mir blieb nur noch übrig mich für eine Stunde ins Bett zu legen. Da zog sich mir eine Decke über den Kopf! Ich fiel in einen waagrechten Schacht und sauste mit Überlichtgeschwindigkeit auf meine Vergangenheit zu. Als ich erwachte lag ich (stark verkleinert) in einem uralten Haus. Um mich knackten die Balken und draußen tobte ein Sturm. Immer wieder wurden wurden kleinere Äste von der riesigen Esche neben dem uralten Haus abgerissen und gegen die morschen Fensterkreuze geworfen. Es war als wollte etwas zu mir, dem Kind, herein.

Dann ging eine Türe meines Kleiderschranks auf, wo ich auch meine Sammlungen, die damals schon einigermaßen erstaunlich waren, aufbewahrte. Dort befanden sich in einem Regal die Werke des weltberühmten Schriftstellers Carl Barks und darunter ein paar hundert Figürchen aus der Zeit der Zeit der Antike, die ich auch heute noch besitze. Sie trösteten mich ein wenig. Dann geschah etwas unerwartetes: Gozzilla Gottshäuser trat aus der Kleiderabteilung meines Universalschranks und winkte mir zu. Er war aber nicht aus Glas, sondern aus Staub – und er zerfiel sogleich in eine transparenten Wolke, die durchdringend süßlich stank.

Ich erschrak zu Tode! Doch in diesem Augenblick kam ein seltsamer Jemand von der Seite und stellte sich zwischen meine Halluzination und mich. Das war ich selbst aus der Zukunft, ich, der Troll...und ich hob beschwörend die Hand.
Von da an wusste ich, daß ich nicht ich war und deshalb muss ich nun auch meinen Roman-tischen Bericht umstellen. Ich kann nicht mehr in der Ichform schreiben, denn ich bin mir fremd! Ich kann mich nicht mehr eindeutig erkennen, sondern glaube vielmehr, daß ich den Auftritt einer Person miterlebe(n muss), die hier etwas vertritt was ich weder begreife noch für mich (wer immer das ist) gutheißen kann. Ich werde also in Zukunft, wenn ich aus meiner Sicht rede, nur noch den Troll erwähnen.

Was mir in den Sinn kam mag so seltsam wie verrückt klingen, sollte jedoch vielleicht trotzdem erwähnt werden:

Das fremde Es


Es denkt und also ist es auch?
Mein Universum, Schall und Rauch,
dreht sich fatal um keinen Sinn?!
Wie gut, daß ich dies Es nicht bin.

Ich schau ihm zu wie es verläuft,
wie es die Mühsal auf sich häuft,
wie es sich Brüche hebt und lacht:
„Das hab ich alles selbst gemacht“.

Wie konnte ich das so erschaffen?
Es machte mich doch nur zum Affen,
der sich noch fragt, wie kann es sein,
daß ich entstand als bloßer Schein?

Dies Ab-Bild ist mein Avatar,
der ich nicht sein will, wirklich wahr.
Wer sagt hier „Du verkörperst mich“.
Das seltsam' Es bin also ich??


Das war mein letztes Lebenszeichen, dann verwandelte sich die ganze Szene in eine wabernde Ansammlung winziger Kügelchen, die mich von einer „Realität“ in die andere trugen – der Troll war wieder zurück!
Sofort versteckte er sich unter seinen schrägen Lebensträumen, die ihm unmöglich zu verwirklichen schienen und er machte sich an ein großes Ersatzwerk. Mit samtenem Blick starrte er zum Fenster seines kleinen Arbeitskämmerchen hinaus in eine für ihn seltsame Landschaft. Was passierte eigentlich da draußen? Wimmelten und wuselten dort Dämonen herum, die Beschäftigungen nachgingen, die kein Troll nachvollziehen konnte? Für den Troll existierte keine Vernunft die sich nur auf Sachen und Ansprüche, die wiederum hauptsächlich mit Dingen zu tun hatten, gab, für ihn existierte nur die Vernunft der klaren, einleuchtenden Sachverhalte, die zum größten Teil aus den Vorgaben der Natur kamen. Darin sollte sich der menschliche Geist ebenfalls entfalten wie der Geist aller Trolle. Oder konnten denn wirklich nur sie sich erklären was auf der Erde tatsächlich vor sich ging?

Für die meisten Menschen war die „Liebe“ eine alles antreibende Schöpfungskraft, die aus der Tiefe fleischlicher Bedürfnisse kam, denen sich die seelischen anzuschließen hatten. Dem wollte sich der Troll natürlich nicht völlig verschließen, obwohl er doch stets zuerst auf die Seele zu hören gedachte. Was sagte sie ihm?
Er nahm sich ein Beispiel an dem im Spaßclub entdeckten Gesicht dieser außergewöhnlichen Frau namens Ekta und er beschloss sich ab sofort nicht mehr vor ihrem eindringlichen Blick zu fürchten. Dann schrieb er sie an – aber nicht ohne noch einmal in die Glaskugel geschaut zu haben. Anstatt jedoch etwas darin erspähen zu können hörte er eine ganz feine, sehr hohe Stimme „singen“. Sie intonierte den Sirenengesang auf eine bisher ungehörte und ja, auf eine unerhörte Weise, der nicht einmal der stärkste aller Tolle hätte je widerstehen können.

Der Troll – geben wir ihm jetzt einen bürgerlichen Namen: Olf, wie „Ominöse Lebensform“ – erstarrte in seinen Grundfesten, bereitete sich aber auf eine positive Antwort vor. Und da war sie auch schon: „Ich würde dich gerne treffen, damit wir zusammen kreativ tätig sein können!“ Was meinte dieses kuriose Kind, die Trägerin einer Engelsstimme, mit „kreativ“? War damit „erotisch“ gemeint? Olf, der Troll war sich nicht sicher! Aber er war bereit ein Risiko einzugehen, das weit über das hinausgehen sollte was er noch zu meistern fähig war.

Der Tag des Treffens kam. Olf stand vor dem Gebäude des Stadtateliers, indem sich auch noch ein Puppentheater befand und staunte Bauklötze als aus einem Kleinwagen etwas stieg das sich seiner Beurteilungsfähigkeit krass entzog. Etwas im Troll dachte verzweifelt an Flucht, etwas riet ihm zu bleiben und etwas war sehr neugierig auf die Verifizierung der winzigen Frau, mit den langen, bis zum Po reichenden schwarzen Haaren, die ihm da gegenüberstand.
„Wo ist denn dein Studio?“ flötete sie ihn geradezu hypnotisch an und der Widerstand des Trolls minimierte sich auf der Stelle zu einem nicht mehr registrierbaren Garnichts.

Im Atelier angekommen fackelten die beiden nicht lange: Sie fesselte ihn geistig und er sie - einvernehmlich - körperlich. Dann nahm er vor seinem „Opfer“ Platz und wusste ganz genau, daß nicht sie sein, sondern vielmehr er zu ihrem Opfer werden würde.
Was er sah war nicht aufregend schön, aber aufregend faszinierend – oder war es doch aufregend schön? Je länger er sie ansah desto schöner schien sie zu werden. Ihre Augen funkelten ihn aufmunternd an – wobei sie sich jedoch stets zurückhaltend präsentierte, was allerdings wiederum ihrer ganzen Haltung extrem widersprach!

Diese sagenhafte Attraktion hing lustig nackt vor dem Troll in den Seilen und im Troll selbst tobte ein Sturm der Gefühle. Dann konnte er nicht länger an sich halten, trat auf sie zu und „lackierte“ sie mit Babyöl! Sie stöhnte leicht und meinte „das geht aber so nicht, so haben wir nicht gewettet!“ Dabei strahlte sie ihn an wie ein Honigkuchenpferd und wand sich verführerisch, ohne sich aus der Situation befreien zu wollen...denn die Fesseln waren leicht geschnürt und die Knoten wären ohne Weiteres zu öffnen gewesen.

Dann brannten Olf, dem Troll die Sicherungen durch – er fing an sie zu massieren. Je mehr er sich in der Landschaft ihres Körpers verlor desto deutlicher schwollen ihre süßen Töne zu einer Sinfonie der Lust an, die alles mit sich riss.
Der Troll schmolz dahin, er verirrte sich, in dem was er einstmals teilweise gewesen sein mochte und nun plötzlich wieder sein wollte: ein Menschenmann!

Und auf einmal war er es! Sich wie ein König zu fühlen fiel ihm jetzt federleicht und sein Beschützerinstinkt erlebte unglaubliche Höhepunkte. Da konnte seine innere Stimme in warnende Stakkatos verfallen wie sie nur wollte. Olf hörte nur noch Ektas feinen Gesang und er verwandelte sich. Aus Dr. Jekyll war Dr Superjekyll geworden – an einen Mr. Hyde war überhaupt nicht mehr zu denken und es bestand die Gefahr für den Troll aller seiner Titel und Philosophien verlustig zu gehen, wenn er sich weiter in diesem Sturm beugte wie ein biegsame Weide am rauschen Lebensbach.

Doch nach 3 Stunden war das schöne Opfer, die kleine Ekta, völlig erschöpft und er musste sie losmachen... Er half ihr mit einem Handtuch bei der Entölung und schaute ihr traurig nach, als sie wieder abgeholt wurde. Sie winkte ihm neckisch zu und verteile Kusshändchen.

Olf strebte gedankenversunken nach Hause, wo Wunderle anscheinend schon auf ihn gewartet hatte. „Wie war's?“ wollte sie wissen, aber ihr verrückter Troll meinte nur es sei schon spät und er sei völlig erschöpft und müsse sofort ins Bett.
Sie machte sich nicht die Mühe mitkommen zu wollen, denn wenn Olf nicht mehr genügend Mumm aufbringen würde sie zu begehren, dann soll ihn doch der holen mit dem er offensichtlich im Bunde war, der T... Wie sonst sollte es wohl angehen, daß ein einzelner Mitmensch immer wieder die Aufmerksamkeit unseliger Frauen dermaßen erregen konnte wie er? Es musste sich bei ihm also doch mehr um einen Unmenschen als um einen Menschen handeln – und außerdem waren wohl die meisten Frauen von schlechten Eltern und deshalb moralisch unbrauchbar.

Das redete sie sich wenigstens ein bevor sie sich über 2 Flaschen Rotwein hermachte und sie bis zur Neige austrank. Der Troll erlebt zum Glück nur noch schlaftrunken wie gegen 4 Uhr morgens ein brabbelndes, nicht wirklich mehr definierbares Etwas ins Bett fiel und sofort zu schnarchen anfing.


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman) 50"

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman) 50

Autor: humbalum   Datum: 23.11.2022 10:13 Uhr

Kommentar: Du hast eine reche Phantasie! Der Farbton von dem
Bild gefällt mir! Ich wünsche Dir einen himmlischen Tag!
Klaus

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman) 50

Autor: Alf Glocker   Datum: 23.11.2022 11:17 Uhr

Kommentar: dank dir klaus

alf

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman) 50

Autor: Wolfgang Sonntag   Datum: 23.11.2022 13:33 Uhr

Kommentar: Lieber Alf,
verlockendes Bild, viel Text, großes Können.
Liebe Grüße Wolfgang

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman) 50

Autor: Sonja Soller   Datum: 23.11.2022 16:22 Uhr

Kommentar: Ein Meisterwerk, lieber Alf, nicht nur das Bild!!!

Herzliche Grüße aus dem trolligen Norden, Sonja

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman) 50

Autor: Alf Glocker   Datum: 23.11.2022 17:36 Uhr

Kommentar: Vielen Dank liebe Freunde!

LieGrü
Alf

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