Noch hatte ich gute Freunde und noch war ich in der Lage sie für einen für mich guten Zweck zu mobilisieren. Meine Holde kam im Hintergrund allen finanziellen Verpflichtungen nach, die erfüllt werden mussten, denn einfach soo wollte ich niemanden arbeiten lassen!

Die Gartenhütte z.B. nahmen Senfjo sen. Und Senfjo jun. in Angriff. Die beiden Senfjos werkelten vorbildlich und zuverlässig bis zur Erschöpfung. Senfjos Vater, der kluge alte Mann mit der schier unerschöpflichen Energie machte sich ans Auskleiden und Isolieren der Holzhütte, die ja immerhin ein zu jeder Jahreszeit nutzbarer Arbeitsraum werden sollte.
Sie hatte ein wunderbares Stahlgerüst, das mir noch größte Dienste erweisen sollte! Und sie war groß genug, daß ich den kleinen, ererbten Kunstschatz meiner Vorfahren dort, zusammen mit meinen eigenen Sammlungen, sowie einer nicht unansehnlichen Bibliothek, unterbringen konnte.

Im Haus selber arbeitete der Mann von Senfjos Schwägerin Nasjo an der Elektroinstallation. Auch er erwies sich als überaus fleißig und präzise! Wunderle verteilte die Gelder für diverse Material-Einkäufe und organisierte die Auszahlung von Belohnungen an die einzelnen Helfer. Jedenfalls dachte ich das... Wie es in Wirklichkeit war fiel ja momentan noch nicht auf!
Mir selbst waren bestimmte Grenzen gesetzt. Die Malerei musste hintanstehen und die Schreiberei konnte ich nur abwickeln wenn gerade mal Zeit dafür war.

Zu meinem Trost und zur inneren Erbauung von der zeitweise wieder in meinem Dunstkreis auftauchenden Morry, bewegte ich nachts die Sterne. Ich ließ sie über den Himmel gleiten, auftauchen wo ich wollte und Kreise beschreiben, wenn Zweifel geäußert wurden, daß ich das gewesen sei, der die Lichter zum Tanzen brachte.
Das gab mir Kraft, konnte jedoch nur in Angriff genommen werden wenn Wunderle aus dem Haus war – bei einem Damenabend, oder bei ihrem behinderten Freund Gigis, den sie regelmäßig aufzusuchen pflegte.

Zu genau dieser Zeit, quasi kurz nach unserem Einzug ins neue Nest und nach dessen Verteidigung gegen den Angreifer aus dem Morgenland, fiel es Matsoh, Wunderles mittlerem Bruder ein, mir ein ein seltsames Geschenk zu machen: Es handelte sich dabei um einen Wegweiser durchs Internet. Darin stand praktisch alles womit man sich beschäftigen konnte als hilfreiche Adresse vermerkt. Es gab Versandhäuser, Museen, Parteien, Vereine und Clubs in denen man seine Lebenszeit totschlagen konnte.
Aber es gab auch einen Club, der anbot die womöglich tote Lebenszeit erheblich beleben zu können. Er hieß „Spaßclub“ und beherbergte auf seinen für mich unendlich wirkenden Seiten auch einen Literaturkreis, der wiederum einige Unterabteilungen aufwies...ich war begeistert!

Sollte ich hier ein Talent beweisen können das ich zu haben glaubte? Natürlich meldete ich mich sofort an und wurde wärmstens empfangen. Da gab es mehrere Leute die schreiben konnten. Einer davon war sogar Internationaler Schachmeister und angesehener Schriftsteller, er nannte sich „Schamane“ und er war – wie sollte es anders sein?! - mit einer Verlagsbesitzerin verheiratet. Dort hatte ich vor mich wohlzufühlen und mich, unter dem Diktat meiner immer noch kindlichen Naivität ausbreiten zu wollen.

Nach ein paar ungeschickten Versuchen in der Abteilung „Geschichten und Essays“, die man mir wohlwollend nachsah, fing ich an lawinenartig Gedichte zu verfassen, mit denen ich die Gedichte-Seite förmlich überschwemmte.
Gleichzeitig stellte ich meine Gemälde im Bereich „Kunst und Gestaltung“ ein und siehe da...obwohl ich kein zahlendes, also nur Untermitglied war...stieg ich zur VIP (verry importend person) auf, die sich sogar die, allein den zahlenden Mitgliedern vorbehaltenen Fotos aus der Abteilung „Akt und Erotik“ anschauen durfte.

Nahezu außer mir vor Glück passte ich in meine Profilseite nun ebenfalls durch von mir geknipste Aktfotos an und erstellte sogar, erstmals in meinem Leben, faszinierende Montagen, die eher an Gemälde als an Fotografien erinnerten.
Parallel dazu verbesserte ich meine Schreibtechnik und erhielt dafür nach kurzer Zeit sogar die Goldene Feder verliehen...dann geriet ich auf Abwege!

Das Ausbleiben von Es, dem sensationellen Wesen, das ich einst in der Glaskugel erspäht hatte und das später dann Wirklichkeit auf dem Holodeck geworden war, schmerzte mich noch so sehr, daß es mich gelüstete mir einen geeigneten Ersatz zu verschaffen. Wunderle musste ja nicht unbedingt davon erfahren, obgleich es doch nahezu unmöglich war vor ihr meine unmoralischen Machenschaften zu verheimlichen.
Jetzt war ich bereit, leider immer noch als Taugenichts, sprich „Künstler“ unterwegs durch ein kurioses Leben, unter dem allen voran meine liebe Frau Wunderle zu leiden hatte und zusätzlich wünschte ich mir die Schönheit der Menschenwelt vor die Kamera. Das konnte doch nicht beim Erstellen von Kunst bleiben...und so war es denn auch.

Im Spaßclub inserierten natürlich auch zahlreiche Modelle, die ihre Dienste entweder für TFP (time for prints) oder für ein eher geringes Entgelt anboten. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Hier gab es von der wahren Miss Universum bis hin zum kleinen, einfachen Mädchen alles zu sehen. Und irgendwo dazwischen suchte ich Trost!
Leider wollen auch Trolle am realen Leben teilnehmen, auch wenn sie damit vielleicht etwas unkonventionell umgehen. Also machte ich mich ans Werk! Ein Ersatz für Schnatterata musste her, das glaubte ich meinem Stolz schuldig zu sein.

Ich ging das gesamte Angebot „gewissenhaft“ (Wunderle hätte gesagt „gewissenlos“) durch und entdeckte auf Anhieb ein sehr interessantes Geschöpf. Auf dem Foto lag sie rücklings am Fußboden von wo aus sie in die Kamera strahlte. Ihre Augen hatten eine ungeheure Ausstrahlung – am liebsten hätte ich sie sofort engagiert, aber irgend etwas hielt mich zunächst davon ab.
Wieder und wieder studierte ich diesen Blick, der mir durch Mark und Knochen ging. Dann hörte ich jemanden sagen: „Du wirst Schwierigkeiten bekommen wenn du sie triffst!“

Hatte da ein fremdes Wesen zu mir gesprochen, oder hatte sich mein Troll mal wieder verselbständigt um mich zu tangieren? Ich erlebte mich wie im Traum. War ich denn noch an diesem Leben, auf dem Holodeck, in meiner Zeitblase, unter meinen Zeit-Genossen, oder erlebte ich mit was ein Fremder tat, der wohl ich war?
Ich ging mit dem Fremden ins Gericht und als ich merkte, daß er mir sehr ähnlich war und dazu noch über mein Erinnerungsvermögen verfügte, nein, daß er meine Erinnerung verkörperte, kapitulierte ich und ließ die Schöne außen vor. Sie hieß Ekta!

Ich wandte mich zuerst einer sehr attraktiven Türkin zu, die mich auch bezauberte. Ihr Körper war die pralle Versuchung und ihr Geist erschien freundlich und wohlwollend. Sie sagte mir auf den Kopf zu, daß sie mich sympathisch fände und gerne wiederkommen würde. Doch zu allem Übel tauchte in dieser Zeit und zwar ganz unerwartet Strampel, die kuriose Verehrerin meines Cousins Berti, dem Doktor auf, um mit mir Kaffee zu trinken.
Wir redeten viel und ich plauderte sehr unüberlegt aus dem Nähkästchen meiner aktuellen Vorhaben – unter anderem eben auch von Tussa (so hieß das türkische Supermodel). Strampel erwähnte ganz nebenbei sie würde es niemals wagen sich vor einer Kamera auszuziehen, doch sie erkundigte sich beiläufig nach dem Namen ihrer Landsfrau...

Da ich mein Herz, besonders bei Frauen, früher stets und gerne auf der Zunge trug und Strampel vertraute wie einer Schwester gab ich nicht nur den Künstlernamen der besonderen Türkin preis sondern auch ihren bürgerlichen. Unverzeihlich!
Tussa verschwand auf einmal aus dem Spaßclub, von der Bildfläche, aus meiner Welt. Ich konnte sie nie wieder buchen!
Ich hoffe sie wurde „wenigstens“ zwangsweise mit einem Orientalen verheiratet und nicht gleich beiseite geschafft. Verziehen habe ich mir diesen Fauxpas bis heute nicht! Ihren zukünftigen Ehemann (sofern die Sache einigermaßen glimpflich ausgegangen sein sollte) beneidete ich jedenfalls ein gehöriges bisschen um sein wahrhaft unverschämtes Glück!

Doch ich wurde reichlich über den fulminanten Verlust hinweggetröstet, denn Jabba tauchte, zusammen mit Prinzessin Leas blonder Ausführung, in meinem Stadt-Atelier auf. Sie hieß „Lnymier“ und war eine Wucht! Jabba (sie kam mit ihrem Beschützer zu mir) war doppelt so groß wie sie, und vielleicht 5x so schwer! Dafür verfügte die grazile Linnymier über eine Anmut die ihresgleichen suchte. Sie tanzte vor meiner Kamera die Zaubertänze der Körperkunst! Es war eine Lust ihr zuzusehen...und je länger ich ihr zusah desto mehr vergaß ich was ich mit Tussa angestellt hatte und auch die schöne Es hatte keine Macht mehr über mich! Schnatterata ade und Sex ade? - Zuhause hatte ich einen schweren Stand: Wunderle war gewissermaßen „schweigend“ außer sich und versuchte immer neue Erziehungsstrategien anzuwenden, um mich von der Schiefen Bahn wegzudrängen.

Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman) 48

© Alf Glocker


© Alf Glocker


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