Der Anfang eines seltsamen Endes 4


So langsam rückte der Tag des Dreierurlaubs näher. Als alles geplant und gebucht war – ein Ferienhaus mit Garten – offenbarte Elidana ihr diplomatisches Intrigen-Geschick gnadenlos. Mir hätte jetzt sofort auffallen müssen was genau sie im Schilde führte, aber ich war verblendet vom „Glück“ und hoffte immer noch auf einen guten Ausgang des gewagten Abenteuers. Dabei waren die Hintergründe des Handelns mit Händen zu greifen!

Würde ich nun alle meine Troll-Titel abgeben müssen, weil Trolle einfach nicht ganz so dämlich sind wie ich? Was dagegen Männer sind ist wiederum den Frauen klar und deshalb hielt sich die Sache noch in der Schwebe wie eine Fliege. Aber bald landete ich in der Sch... Die Katastrophe begann sich abzuzeichnen.

Kurz vor unserer Abreise, am Abend zuvor tanzte Elidana plötzlich bei uns an und fragte, vor allem mich scheinheilig, ob es denn was ausmache, wenn sie ihren Freund mit ins Ferienhaus brächte. Natürlich fiel ich aus allen Wolken und sogar Dingsbums wunderte sich ein wenig. Wahrscheinlich hatte sie das was kommen sollte nicht erwartet, aber vielleicht nicht genau so. Zu mir sagte sie jedenfalls nur „ich vermute, daß Elidana eine falsche Schlange ist“, aber das sagte sie von jeder Frau, die mir wohlgesonnen schien oder war.

Daß Elidana derzeit einen Freund hatte wusste ich gar nicht – und sie hatte auch bis vor ein paar Tagen keinen gehabt. Nun aber musste sie sich einen besorgt haben, um ihr ausgeklügeltes Fernziel (was immer das gewesen war) anzupeilen. Später machte ich mir meine Gedanken, aber zu diesem Zeitpunkt war ich mal wieder so naiv wie ein neugeborenes Kind.
Man könnte sich jetzt fragen wo denn meine Fähigkeit zur Intuition geblieben war, doch genauso gut könnte man auch einen Penis fragen warum er sich zu seinem Gegenstück hingezogen fühlt...also zumindest solange sich die Welt noch „richtig“ rum dreht.
In solchen Fällen zählen weder Vernunft noch Intuition, da zählen nur Wunschträume und Hoffnungen!
Und so nahm das Schicksal seinen Lauf...

Man besprach sich nun zu viert wie die Tage in Ligurien, denn dort sollte es ja hingehen, zu verbringen seien. Elidana hatte einen raffinierten Vorschlag: „Einen Tag verbringen der Troll und ich zusammen, einen Tag ich und Dingsbums, einen Tag Dingsbums und Kaspar, mein Freund und einen Tag gestalten wir alle zusammen“.
Ich schmunzelte und Dingsbums zog die Stirn in Falten. Sie schielte nach meiner Kristallkugel und fragte sich sicher warum ich momentan keinen Blick hineinwerfen wollte. Aber bevor ich selbst auf diese naheliegende Idee kam fuhren wir auch schon ab.

Elidana und ich saßen zusammen in einem Auto und Kaspar und Dingsbums ebenfalls. Ich nannte das in meiner Umnachtung, die „charmante Variante“.
Gleich nach unserer Ankunft im Zielort und der Besichtigung des Ferienhauses schien sich die Verwirklichung von Elidanas Geheimplan bereits in die Tat umzusetzen... als wir in den Garten hinausgingen – es war ein heißer Herbst – entledigte sich Kaspar seines T-Shirts und hervor kam ein durchtrainiert aussehender Körper, mit dem man echt angeben konnte. Er lächelte überlegen und meinte nur „Das sieht zwar so aus als hätte ich jahrelang trainiert, die Wahrheit aber ist, daß es praktisch ein Himmelsgeschenk ist warum ich so aussehe. Ich musste gar nichts dafür tun“.

Als mich Elidana herausfordernd anschaute zog ich ebenfalls mein T-Shirt aus und legte dabei mächtige Muskelpakete frei. Dies kommentierte ich mit den Worten „Ich habe nichts geschenkt bekommen, ich habe tatsächlich jahrzehntelang trainiert – und dies ist nun das Ergebnis daraus“. Damit war er der erste, von Elidana initiierte Wettbewerb beendet und sogar Gozilla Gottshäuser flimmerte sich erst gar nicht in die Wirklichkeit des Holodecks.

Auch Elidana zog sich nun dezent in ihr Zimmer zurück, den glücklichen Kasper bei der Hand nehmend, und bald darauf ertönte ihr melodisch wilder Sirenengesang, bis spät in die Nacht hinein.
Das wiederholte sich gleich am nächsten Morgen, bevor wir gemeinsam zum Einkaufen fuhren. Die Stimmung zwischen den Frauen verbiesterte sich hingegen von Minute zu Minute.
Ekel und Abscheu schienen sich auszubreiten. Wohl auch ein Quentchen Angst von Dingsbums Elidana gegenüber.
Ich wiederum hatte keine Angst davor die gute Ausgangssituation vor der Abreise wieder herzustellen zu können und machte mich frisch ans Werk.
Meiner körperlichen Überlegenheit Kaspar gegenüber gesellte ich die geistige hinzu, brillierte mit Eloquenz und Witz und brachte ihn schließlich dazu sich klein zu fühlen.
Was war ich für ein Schwein?!

Doch meine Bemühungen blieben erfolglos, denn je öfter ich als Sieger aus den vielen kleinen Konfrontationen hervorging, desto mehr ergriffen Elidana und Dingsbums Partei für den Kasper, der sich mehr und mehr an den Sympathiebezeugungen der weiblichen Mitglieder des Teams erfreute, das längst kein Team mehr war.

Zuerst ging Dingsbums auf die Knie oder Elidana auf den Leim. Wenn da ein Wettkampf stattfinden sollte, dann doch um sie und nicht um die Sirene. Sie konnte es nicht mehr ertragen, daß ich mich fortgesetzt und dumm um den weiteren Zusammenhalt der ehemaligen kleinen Verschwörergruppe gegen die Welt bemühte. Deshalb ging sie „spazieren“. Sie verschwand einfach aus dem Häuschen, aus dem Sinn, wie sie glaubte, damit sie Vorbereitungen für ihr Abseilen treffen konnte.
Da ich keine Lust hatte meine, zwar schwierige aber angestammte Verbindung zu gefährden, setzte ich ihr nach und überraschte sie dabei wir sie mit einem ihrer Brüder (dem einzigen dem es gelungen war überhaupt einen Führerschein zu machen) telefonierte.

„Du musst mich abholen, hier läuft alles aus dem Ruder! Diese blöde Hexe macht mit meinem Troll was sie will und ich soll dabei auch noch zuschauen – kannst du dich ins Auto setzen und nach Ligurien fahren?“
Der Bruder, es handelte sich um den mittleren ihrer Brüder namens Matsoh willigte sofort ein. Er war längst von Nimmich, der Familienmatrone und selber Hexe par excellence oftmals gegen den Fremdkörper „Troll“ scharfgemacht worden. Aber auch sein Selbstwertgefühl verlangte eifrig danach in einen sinnlosen Vergleichskampf mit mir einzutreten.
„Na endlich siehst du ein was das für ein Arschloch ist, dem du da dein wertvolles Leben bisher geopfert hast“, quakte er ins Handy. „Ich hole dich natürlich sofort ab, aber dann trennst du dich auch umgehend von diesem Wüstling!“

Mein Troll hatte mir die Unterhaltung laut vor gespielt und deshalb schritt ich auch sofort ein. „Keine Diskussion!“ sagte ich, „ich fahr dich nach Hause!“ Sie sagte ihrem hilfreichen Brüderchen ab, ich versuchte Elidana die Situation klar zu machen – die Stimmung war unter dem Nullpunkt angekommen. Elidana lieh mir ihren Wagen, in der Annahme ich würde den Plagegeist in unserer Wohnung abliefern und dann als ganzer, ihr bedingungslos dienlicher Mann wieder nach Ligurien zurückkehren und Kaspar aus dem Feld schlagen.
Ich ließ sie glauben was sie wollte und machte mich mit Dingsbums auf den Weg.

Kurioserweise kamen fast während der ganzen Alpenüberquerung, Richtung Heimat, nur Lieder im Autoradio, die von Trennung und Herzschmerz tönten. Ich dachte mir, wie schön, daß wieder einmal alles so ausgesucht zusammenpasst, dann sagte eine dunkle Stimme in meinem Innern: „Na warte!“

Zuhause angekommen versuchte ich schleunigst alles grade zu rücken was sich in Schieflage befand. Das gelang mir nach einigen Hirnkrämpfen von Dingsbums und einer Alkoholtherapie meinerseits für 2 Tage. Dann, als es ausgestanden war ging ich ans Werk.
Natürlich war ich nicht wieder nach Ligurien zurückgekehrt, denn mir war ein Lichtlein aufgegangen, die güld'nen Sternlein prangten wieder in alter Frische am Himmelszelt und vor mir lag die dumme Welt, uneinsichtig wie sie nun einmal war, ist und sein wird.

Von Elidana erfuhr ich telefonisch, daß Kaspar, einen Tag nach meiner Abreise dazu übergegangen war sie zu schlagen. Offensichtlich trug er an seiner sadistischen Veranlagung schwer, was mich allerdings nicht weiter tangierte.
Elidana hatte als Erste ihr Fett abbekommen! Befreien konnte ich sie leider nicht, denn ihren Wagen hatte ich in der Tiefgarage ihres Wohnblocks abgestellt und die Schlüssel dazu in ihren Briefkasten geworfen. Sie musste aushalten was sie sich eingebrockt hatte.

Nach dem ersten Streich, der sich sozusagen von selbst ideal erledigt hatte folgte mein zweiter. Vor dem Einschlafen machte ich mich jetzt grundsätzlich federleicht. Nicht einmal die neben mir schnarchende Dingsbums bemerkte wie ich unter den Federn zu schweben begann. Gleich nach dem Eintreten dieses Zustandes sammelte ich meine Energien in einem feurigen Zentrum der Seele, die nun zu einem riesengroßen Vakuum anwuchs in dem die Kräfte des Universums ihren Platz fanden – dann schoss ich Kugelblitz um Kugelblitz ab!
Nimmich, die Kartenmutter ließ ich außen vor. Sie wollte ich nicht bestrafen. Dafür wurde Matsoh von meinen Stoßwellen getroffen und erschüttert. Besser gesagt, nicht er, sondern seine direkte Lebensblase, die ein Teilchen des Holodecks darstellte.

Ich wartete ab... Eine Woche später gingen Dingsbums und ich am Fluss, unweit unserer Wohnung spazieren. Wir gelangten zu einer Alle, die den Flussdamm von einer Reihe Nobelhäuser trennte. Das war ein sehr romantischer Ort, den wir öfter aufsuchten, wenn wir uns erholen wollten, denn einen eigenen Garten hatten wir damals noch nicht und zu dem meiner Mutter, die Ein Stein war, aber nicht geistig, sondern mehr liegend, hatte ich ja nicht wirklich Zutritt.

Da bemerkten wir das „Wunder“. Also ich, der Troll wusste schon von ihm, Dingsbums bemerkte es später. Die ganze Alle summte wie von Millionen Bienen. Da musste eine riesige Anzahl von Völkern gleichzeitig schwärmen. „Ist das nicht gefährlich für uns?“ fragte mich meine Partnerin. Ich aber erwiderte: „Für mich sicher nicht mein Schatz – bleib nur schön an meiner Seite, dann passiert dir nichts!“ Dingsbums wunderte sich maßlos – über das Phänomen und über meine Aussage, sowie am nächste Tag dann auch über die Nachricht meiner Schwiegermutter, daß sich Matsoh im Unglück befand.
Seine Frau, die ich immer schon für verschlagen gehalten hatte, war ausgezogen! Sie hatte sich mit Matsohs Cousin Tirku eingelassen, sich Hals über gar keinem Kopf in ihn verliebt und ihrem Mann Matsoh den Laufpass gegeben. Daß sie Matsoh zwei Kinder geboren hatte musste sie nicht weiter gestört haben. Ein nie real existierendes Familienglück war zerbrochen!

„Weißt du“ sagte Nimmich später scheinheilig zu mir, Ich habe vorausgesehen, daß es einen meiner Söhne demnächst hart treffen würde. Ich habe auch gesehen, daß es sich um eine Trennung handeln würde, aber ich dachte immer es betrifft dich. Du bist ja in gewissem Sinne auch einer meiner Söhne: mein Schwiegersohn“. Ich wusste, daß sie damit nicht ganz ehrlich gewesen war, denn sie hatte es nicht nur vorausgesehen sondern gewünscht und daß ich es sein sollte hatte sie sich inständig erhofft! An diesem Abend feierte ich mit meinem Troll zusammen ein großes Wiedersehensfest mit meinem bisherigen Schicksal, welches da lautet: „Pass auf dich auf, denn du hast noch einiges zu erledigen!“

Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman) 40

© Alf Glocker


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman) 40"

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman) 40

Autor: Sonja Soller   Datum: 12.10.2022 11:18 Uhr

Kommentar: Wieder sehr aufschlussreich geschrieben, und nicht unspannend, lieber Alf,
wieder gerne gelesen!!

Herzliche Grüße aus dem trolligen Norden, Sonja

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman) 40

Autor: Alf Glocker   Datum: 12.10.2022 14:12 Uhr

Kommentar: dank!

liegrü
alf

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