Der Anfang eines seltsamen Endes 3


Wie zum Trost häuften sich nun wieder meine Wunsch-Träume zur Nacht. Das Bild einer wunderschönen Frauengestalt (die mir zuerst in der Kristallkugel erschienen war) suchte mich häufiger denn je heim. Was sollte das bedeuten? Ich wusste, daß es eine Eigenart bestimmter Träume von mir war in Erfüllung zu gehen, aber diese verblüfften mich doch. Diese Lichtgestalt einer Frau hatte etwas von einer ganz bestimmten Ahnung im Schlepptau. Hinzu kam mein schlechtes Gewissen, das immer dann auftrat wenn ich versuchte mit dem bezaubernden Wesen näher in Kontakt zu kommen. Was steckte nun wieder dahinter??
Ich beschloss der Vision einen Namen zu geben...und ich überlegte bereits im Traum, vielmehr aber im Wachzustand wie er denn wohl lauten könne.
Da ich keinen passenden fand und mir die ganze Geschichte dann doch mit der Zeit zu mysteriös wurde, drängte sich mir die Bezeichnung „Es“ auf. Für eine Frau reichte die Intensität der Darstellung nicht aus: Es ergaben sich keinerlei „Berührungspunkte“. Um einen Mann konnte es sich nicht handeln, denn die weiblichen Körpermerkmale der Lichtgestalt waren deutlich zu sehen (sie war ausschließlich nackt aufgetreten).

Einen Phantasienamen wollte ich dem Geschöpf nicht geben, denn mir fiel allerlei Blödsinn ein, der einfach nicht passen wollte: Zögritt, Stolpera, Zwölfriede, oder auch Frigitte. Eine wilde Bezeichnung, in der Art von „Miss Verständnis“, „Miss Geschick“ oder „Miss Mutig“ schien mir ebenfalls nicht passend zu sein. Also dann eben einfach nur Es.

Doch bevor Es auf mich zukam waren noch etliche Hindernisse zu ertragen. Ereignisse die sich zunächst als besonders positiv ankündigten. Das Erste davon hieß „Kunstausstellung in der Landeshauptstadt“, der Stadt der Künste überhaupt...zumindest was die Vergangenheit betraf.
Also warum nicht auch jetzt?!
Ich war mal wieder voller optimistischer Euphorie, denn die Adresse schien perfekt. Die Exhibition sollte in Bayring stattfinden. Das sah vielversprechend aus und ich freute mich auf die Vernissage.

Da ich kein Automobil besaß, aber gute Freunde hatte die mir wohlgesonnen waren, kam ich trotzdem in die große Stadt an der Rasi. Würde ich dort meine Es treffen, würde jemand meine Bilder entdecken? Würde es vielleicht einen Mäzen geben, der Gefallen an meinen Werken fand? In meinem Kopf drehten sich die Gedanken in einem Circulus vitiosus der Daseinslüste – ich hoffte endlich einmal in Dingsbums' Augen gut dastehen zu können. Das Schicksal machte es wieder mal sehr spannend...
Zur Vernissage gab es Sekt und Knabbereien, superkluge Gespräche und ich als ich schon glaubte mich trollig ins Getümmel stürzen zu können gab es noch eine Überraschung: Die Galeristin hatte eine Performenskünstlerin eingeladen, die – wie sie behauptete - ihre Kommentare zu den einzelnen Kunstwerken „gesungen“ abgeben würde.

„Heute Kinder wird’s was geben“ dachte ich innerlich frohlockend, „heute werden wir uns freu'n!“, doch dann kam wieder einmal alles ganz anders!
Schon als die betreffende Person, die vorhatte das vorhandene gemalte und modellierte Material mit ihren Gesängen zu würdigen, hatte ich ein mulmiges Gefühl. Sie sah aus wie eine, vor gespielter Intelligenz strotzende Chimäre aus dem Film „Tanz der Vampire“ und als sie anhob zu „singen“ wurde mir schwindlig!
Dieser Gesang war nicht von purer Leidenschaft geprägt wie einst der von Elidana, der den Sirenen alle Ehre gemacht hätte. Er war von einer derartigen Scheußlichkeit, daß einem schlecht werden konnte.

Die Chimäre gab folgendes zum Besten: „UUUUUUUUUAAAAJJJAAAAHHIIIIIIIIIIIIIAAAHHUUUUUAUGAAAAHHHIIIEEEE!“ Mir stockte das Blut in den Adern! Dann kam zu allem Überfluss: IIIIIIIIIIIIIIIHHOOOOOOOOOOOOAAAAAÖÖÖÖÖÖLAAAAAAAAFAAAAAAAIIIIIIIH!“
Das konnte ich nicht mehr aushalten! In der Ausstellung hingen 30 Bilder und zu jedem hatte sie vor ihren Senf abzugeben.
Langsam und vorsichtig löste ich mich aus der staunenden Menge der Schaulustigen und bewegte mich rückwärts auf die Toiletten zu. Dort schloss ich mich in einer Kabine ein und hoffte, daß meine Schweißausbrüche ein baldiges Ende nehmen würden. Mein Blutdruck musste ganz nebenbei ins Unermessliche gestiegen sein, denn in meinen Ohren rauschte das Blut.

Bevor ich den Raum der akustischen Peinigung verlassen hatte, sah ich noch wie eine Person, von der Straße kommend, die Türe öffnete, angesichts des infernalischen Lärms aber sofort wieder die Flucht ergriff.
Ich setzt mich auf den Brillendeckel einer Kloschüssel und versuchte geduldig abzuwarten bis sich das Getöse gelegt haben würde. Leise hörte ich noch „OOOAAAUUUIIIIEEEEFFFFTTUURRRR“,
usw, dann endlich, nach einer guten halben Stunde stellte sich der Frieden ein, den ich mir erhofft hatte. Ich kehrte zu der verunsicherten Gesellschaft zurück.

Sie hatte sich samt und sonders nunmehr um die „Klangkünstlerin“ versammelt, die sich ausgiebig bewundern ließ und offenbar auch noch einiges Wichtige zum Thema „Kunst“ zu sagen hatte.
Nach vier Stunden hatten meine Freunde endlich genug. Wir konnten nach Hause fahren. Meine Reste saßen schweigend auf dem Rücksitz des Wagens und ich versuchte zu sammeln was von mir noch übrig geblieben war...

Ob Nimmich dahinter steckte wagte ich nicht anzunehmen. Sicher hatte sie Karten gelegt und sicher war ihr die Möglichkeit für mich in der Hauptstadt auszustellen nicht recht gewesen, mir aber destruktive Gedankenwellen zu senden, die meine Pläne über den Haufen werfen und ungünstige Konstellationen entstehen lassen konnten...so wollte ich nicht spekulieren.
Lieber spekulierte ich „gewissenlos“, wie mich Dingsbums immer gerne sah, damit, mir selbst ein schönes Erlebnis zu bereiten: Ich dachte an eine Art Wiederholung des großen Foto-Events, diesmal mit Nassune, Elidana, die mir immer noch oberflächlich freundlich gesinnt war und mit Perta und Pansteh. Sie waren stets zu netten Streichen aufgelegt und würden wohl kommen.
Dazu konnte ich sogar Dingsbums für meine Interessen gewinnen. Es würde, wie ich nicht wusste, ihr letzter Auftritt vor der Kamera sein, denn sie wurde von ihren Gefühlen und einem Ereignis, das zunächst hauptsächlich ihren Bruder Matsoh betraf, in einen verhängnisvollen Schicksalsstrudel hineingerissen, der, was Dingsbums anging, durch eine hinterhältige Intrige Elidanas heraufbeschworen werden sollte.

Einige Tage, nachdem offenkundig geworden war, daß es sich bei der einst vielversprechenden Ausstellung im Hauptstadt-Teil Bayring um einen Flop handeln würde, herrschte bei mir schon wieder eitel Sonnenschein (denn der Optimist ist immer froh – egal unter welchen Umständen): Ich hatte es geschafft ein für mich wundervolles Shooting zu arrangieren, bei dem zunächst alles bestens aussah.
Um Uj aus Au, nach der Bauchtanzaffaire, nicht weiter zu belasten, hatte ich sie nicht in meine Planungen miteinbezogen. Das verhinderte automatisch auch Stehres Einsatz vor der Kamera. Rikan passte unter diesen Bedingungen auch nicht mehr in mein Konzept.
Dafür kam, völlig überraschend, eine andere schöne Frau hinzu, die Perta für einen Besuch in meinem Atelier begeistern konnte. Diese beschloss allerdings dann angezogen zu bleiben, denn es befanden sich immerhin, außer ihr noch 6 weitere Personen im Raum. Das war einfach zu viel für eine zwar gut aussehende aber biedere Frau mit klugen Absichten.

Als die Scheinwerfer angingen beleuchteten sie eine märchenhafte Szenerie: Pansteh war als Zauberer verkleidet, ein Eckpunkt des Geschehens. Am Boden kniete, leicht bekleidet, das biedere Model. Hinter ihr standen Elidana und Nassune, völlig nackt wie die Natur sie hervorgebracht hatte – und den anderen Eckpunkt bildete Dingsbums, die ich angewiesen hatte eine Maske zu tragen. Ihr mürrischer Gesichtsausdruck hätte sonst alles verpatzt! Dazu trug sie einen goldfarbenen Umhang. Perta überblickte von hinten goldig die berauschende Szene...

Alles glitzerte im Lampenlicht, alles strahlte mich an, von Dingsbums einmal abgesehen...doch auch die Neue hatte, am Boden kniend einen fragen Blick auf mich gerichtet. Was würde ihr geschehen?
Die Stellungen wechselten ein paar Mal – Kleidungsstücke wurden gewechselt, Umarmungen fanden statt und die Position der Lampen wurde verändert. Sonst geschah nichts!
Damit hätten alle zufrieden sein können, denn die Ergebnisse waren sensationell! Doch erfreut darüber schienen nur Pansteh und ich zu sein, von Nassune einmal abgesehen: sie freute sich grundsätzlich über gute Ergebnisse, denn sie besaß ein leichtes Gemüt an dem man als Maler und Troll seine Freude haben konnte.

Man verabschiedete sich gesittet voneinander und ging seiner Wege. Elidana kündigte sich für die nächsten Tage zu einem unerwarteten Gespräch an...

Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman) 38

© Alf Glocker


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman) 38"

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman) 38

Autor: Jens Lucka   Datum: 09.10.2022 10:37 Uhr

Kommentar: Lieber Alf, solche Erlebnisse sind zumindest nie von Lageweile geprägt. Grins...
Da würde ich doch auch glatt einmal in einem Atelier eine Rolle spielen ;-))

Herzliche Sonntagsgrüße aus Berlin von Jens

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman) 38

Autor: Sonja Soller   Datum: 09.10.2022 12:28 Uhr

Kommentar: Aufregend allemal!!!

Herzliche Grüße aus dem aufgeregten Norden, Sonja

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman) 38

Autor: Alf Glocker   Datum: 09.10.2022 19:00 Uhr

Kommentar: Herzliche Grüße zurück nach Berlin und in den Norden!

LieGrü
Alf

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