Der Regen läuft in Bahnen an den langen Fensterscheiben runter. Draußen ist es stockfinster. Nur wenige kleine rote Lichter, in regelmäßigen Abständen leuchten in Dreiergruppen übereinander am Fabrikturm. Es ist nass, die Holzplanken vom Balkon. Es ist längst Nacht. Im hellen Raum, weiße, neue kahle Wände steht die Stille. Die Deckenlampe macht kein Geräusch. In Ferne hört man Flugzeuge. Das Rauschen der Autos von der anderen Hausseite. Vor den Fenstertüren stehen Kartons, halb offen auf dem Laminat. Das müsste ich wegräumen, den Kram in den Kartons. Beschriftungen und Klebeband daran. Und Echos vom Umzug.
Unter der hellen Beleuchtung und dem Pladdern des Regens hat sich eine Atmosphäre von spätem Abend geformt, von Kopfschmerzen und müden Augen. Sie sind staubtrocken. Ich denke an meine Herrin. Ich bin nur körperlich hier, denn es zieht mich in die Fantasie.
Es ist reger Betrieb, grauer Asphalt am helllichten Tag. Ich knie vor ihr auf der Straße mitten in der Öffentlichkeit. Bremsen quietschen auf der Hauptstraße vorn und die Ampeln pochen gleichmäßig. Eine Stimmung von Geschäftigkeit und Shopping. Asiatische Filmmusik klingt durch die Glasscheiben.
Meine Herrin steht direkt vor mir. In schwarzen schlanken Stiefeln, mit hohen Absätzen, auf denen zu laufen es vermutlich eine Kunst ist. Sie trägt eine enge Hose, mattglänzend schwarz. Ein ebenso figurbetontes Oberteil und darüber einen langen Mantel. Ebenfalls schwarz. Ihre Haltung ist auf eine Art einschüchternd, die sich aus ihrer Figur, ihrem Auftreten und ihrer Schönheit ergibt. Dagegen bin ich hilflos. Und dieser Effekt kann mein Denken verlangsamen, in dieser Intensität so stark. Ich bin mir der Aufmerksamkeit der Menschen um uns bewusst. Doch das alles verblasst vor ihr.
Meine Ohren brennen. Ich habe den Kopf gesenkt. Aber ich spüre ihren vernichtenden Blick trotzdem in meinem Nacken. Er drückt mich Richtung Boden.
„Du bist erbärmlich, du dummer Hund. Wir sind keine Stunde unterwegs und schon enttäuschst du mich.“
Es überrascht nicht. Ich habe meinen Fehler bemerkt. Aber das sie das sagt, macht es fest.
„Es tut mir Leid, entschuldige bitte meine Herrin.“, versuche ich höflich zu formulieren. Und es ist viel schwächer als das, was ich damit ausdrücken will. Reue, das Bemühen besser zu sein, ist da noch wenig. Mir stellen sich die Nackenhaare auf, so intensiv ist ihr Blick.
Das Pflaster auf dem Gehweg ist hart und voller kleiner Steine. Meine Knie schmerzen, je länger ich dort verharre. Hinter alledem, gefällt mir die Lage. Aber, ich ringe eher darum es ihr recht zu machen.
„Hätte ich mir denken können. Doch im Nachhinein weiß man es besser.“, meint sie knapp.
Die Worte treffen mich im Inneren, wo es weicher ist. Ich kann nicht mal genau sagen, wieso aber es trifft schmerzhaft.
„Bitte meine Herrin…“, bettle ich, versuche das Gespräch zu retten.
Sie antwortete nicht. Weiter zu drängen ist dumm. Ich knie wie ein elender Hund da.

Plötzlich reißt sie an meiner Leine.
„Los steh auf! Du hast zu funktionieren für deine Herrin. Wofür habe ich dich sonst mitgenommen?!“
„Entschuldige bitte,“, sage ich langsam, „meine Herrin.“
Es tut mir leid, wortwörtlich. Und ich spüre das körperlich. Vielleicht sind allgemein es zu viele Sinne. Mir werfen sich einige Fragen auf, was ich tun kann, wie ich es besser machen kann und was ich ihr sagen soll. Und eine Lösung sollte schnell her. Der Druck lähmt etwas. Ich will unbedingt das Richtige sagen. Ich sehe sie an.
Sie schlägt mir unerwartet ihre Hand durchs Gesicht. Und sie zieht mehrmals kräftig durch. Mein Kopf fliegt zur Seite. Es geht zu schnell, als das ich noch denken kann. Es fängt an zu brennen. Ihre Krallen kratzen mir zusätzlich quer über die Wangen, wie glühende Nägel. Dann hält sie kurz inne. „Dann krieche, du dummer Hund!“
Ich gucke nur erschrocken. Die Stimmen und Spannung um uns, ist wie Überdruck auf meinen Ohren. Ein paar Passanten sind stehen geblieben und sehen zu. Deren Neugier liegt in der Luft.
Meine Herrin holt nochmals aus und verpasst mir vier weitere Ohrfeigen. In meinem Inneren steigt ein heißes Gefühl von Demütigung und Erregung hoch. Es ist wie eine eiskalte Dusche, während der sie fast nackt vor mir steht.
Ihr resoluter Blick bannt mich. Und sie macht mich schonungslos platt. Dann tritt sie mich fest auf den Boden.
Sie stellt ihren Heel auf meinen Kopf. Für einen unmessbaren Moment lässt sie ihn dort. Es ist eine enorme Spannung zwischen uns. Ich atme heftig. Ihre Macht ist so präsent, das es mich versengt. Ich gehöre ihr. Es ist ein unvergleichliches Gefühl, dort zu liegen. Die Details im Boden und die Form ihres anderen Stiefels, stechen mir in die Augen.
Eine graue Oma spricht meine Herrin von hinten an. Sie klingt ahnungslos und stereotyp. Und als würde sie stricken. Sie riecht, im Gegensatz zu meiner Herrin, nach gediegener alter Stube, in der wenig gelüftet wird. Jetzt muss ich an Mandel, Zitrone und warme, stellenweise feuchte Haut denken.
„Was tun Sie denn da?“, fragt sie.
Meine Herrin antwortet ihr nicht.
„Entschuldigen Sie mal!“, macht die Oma weiter.
In einer anderen Lage, hätte ich jetzt gegrinst. Es verspricht lustig zu werden. Dennoch grüble ich mehr darüber, wie ich meiner Herrin von Nutzen sein kann. Es zieht mich runter, wenn ich ein Fehler gemacht hab, mehr als normal.
„Wonach sieht es denn aus. Ich erziehe meinen Köter.“ Es ist eine rhetorische Frage. Und sie sieht die Seniorin nichtmal an.
„Sie machen - Ihr was?“, fragt diese, wobei ihre Stimme nach oben rutscht.
„Sie scheinen taub zu sein.“, stellt meine Herrin fest.
„Aber das können Sie so doch nicht in der Öffentlichkeit machen.“, meint die andere entrüstet.
„Darf ich ihr etwas sagen, meine Herrin?“, funke ich dazwischen.
Der Blick der alten Frau huscht zu mir. Sie wirkt erstaunt darüber, wie ich spreche. So als gefiele es mir da zu liegen.
„Nein, du hältst die Klappe, du Hund.“ Meine Herrin verstärkt den Druck auf meinen Kopf noch „Sie können doch auch So in der Öffentlichkeit rumlaufen.“, meint sie kühl zu der Alten.
Jetzt muss ich doch kurz die Mundwinkel verziehen.
Die Grauhaarige gibt auf und geht weiter.
„Was gibt es zu grinsen?!“, fragt meine Herrin scharf.
„Entschuldige bitte meine Herrin“, antworte ich sofort beschämt leise.
Sie hebt ihren Stiefel von meinem Kopf, und gibt Spannung auf meine Leine. Aufstehen. Ich stütze mich wieder hoch. Ihre Hand greift für einen Moment um meine Kette. Ich rieche ihren Duft. Und ich kann ihre Nägel auf meiner Haut spüren, die mich kratzen.


© D.M.


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