Der nächste Tag wurde der reinste Horror für mich. Nicht nur das mich die Krankenschwestern um 6 Uhr weckten um mich zu irgend einer unangekündigten Untersuchung zu bringe, nein, auch jetzt am Tag lies mich mein unliebsamer Verfolger namens Tod, nicht gänzlich in ruhe.

Die Untersuchung, bei welcher es sich mal wieder um eine Lungenspiegelung handelte, vertrieb mir fürs Erste allen Hunger, im Gegenteil: Mir war schlecht und eigendlich hatte ich weder auf Tee-, noch auf Haferschleim lust. Da kam es mir zu Gute dass ich nach der Spiegelung ohnehin erst einmal nichts essen durfte. Die zwei Stunden bis dieses Verbot aufgehoben wurde, vertrieb ich mir auf meinem Zimmer mit dem durchblättern von irgendwelchen Zeitschriften, deren Aktualität jedoch bereits seid einer Woche abgelaufen war. Als ich endlich wieder feste Nahrung zu mir nehmen durfte, hatte ich immer noch keinen richtigen Hunger.

Doch die beiden Krankenschwestern, zwei Damen welche mit großen Schritten auf 55 zugingen, redeten so lange auf mich ein bis ich zusagte dass sie mich in den menschenleeren Speisesaal bringen und mir dort eine Schüssel mit Haferschleim und eine Kanne Kamilentee geben durften.

Danach bat ich daraum alleine zu sein. Ich brauchte nach dieser Untersuchung und vor allem nach dieser Nacht meine Ruhe. Zu meiner Erleichterung kamen sie meiner Bitte nach, jedoch nicht ohne mir zuvor ein kleines, elektronisches Gerät auf den Tisch zu legen mit welchem ich sie, sollte ich irgend welche Probleme beim Atmen oder anderer Natur bekommen, jeder Zeit rufen konnte. Ich konnte ja nicht ahnen das mein größtes Problem schon, breit grinsend und von den Schwestern unbemerkt, in der hinteren Ecke des Speisesaals auf mich wartete.

Doch obwohl sie ihn nicht gesehen hatten, erblickte ich den Tod sofort. Er stand mit verschränkten Armen, in einer Hand seine Sense haltend, neben einem der schweren, dunkelgrünen Vorhänge, welche die Fenster auf der westlichen Seite des Raumes zierten.

Ich schüttelte den Kopf. Langsam kam der Tod durch den Raum auf mich zu. Ich sah ihn an und verfolgte jeden seiner Schritte mit den Augen, während er jetzt nicht einmal zwei Tische weit von mir entfernt war und unaufhaltsam immer näher kam.

"Darf ich....mich zu dir setzen?" seine Frage überraschte mich. "Ja..." gab ich nach einigen Sekunden Bedenkzeit als Antwort und deutete auf den Stuhl neben mir. Doch erst nach dem sich der Tod gesetzt hatte fiel mir ein dass sich genau auf dieser Seite auch die mobile Beatmungsstation befand, an welche ich durch einen dünnen Schlauch, welcher von der Maschine bis zu meiner Nase führte, angeschlossen war.

Eine Weile blieb es vollkommen still. Wir saßen nebeneinander, bedrachteten den jeweils anderen und hingen unseren jeweiligen Gedanken nach.

"Schmeck das?" fragte der Tod, anscheinend um eine Unterhaltung anzustoßen, und schaute auf meinen Haferschleim.

Ich schüttelte langsam den Kopf. "Nein..." gab ich als Antwort "...schon lange nicht mehr."

Anscheinend war ich in der Gegenwart des Todes nicht wirklich in der Lage zu lügen, meine Worte bestanden aus der ungeschminkten Wahrheit.

Langsam, und ohne dass ich es zunächst bemerkt, sank die Sense des Todes hinab zu dem Schlauch. Erst als ich ein seltsames Zipeln an meiner Nase spürte, blickte ich zu dem Gerät.

Nicht nur dass die Klinge der Sense weniger als einen Finger breit neben dem Schlauch in der Luft hing, der Tod hatte zudem eine Hand an den Ausschaltklopf des Geräts gelegt.

"B-Bitte nein" flehte ich leise, während mir die Tränen über das Gesicht rollten. Jetzt hatte er mich und es gab keine Möglichkeit mich abzuwenden.

Ein Schnitt, ja sogar ein einfacher Knopfdruck würden jetzt reichen dass er mich bekam.

"Das Gerät wird..." setzte ich an, doch der Tod wusste anscheinend was ich sagen wollte und zerstörte meine Hoffnung "Keinen Alarm von sich geben."

Normalerweise würde es einen lauten Alarm geben sobald das Gerät seine Funktion nicht mehr ordnungsgemäß ausführte und mich mit Sauerstoff versorgte, doch anscheinend hatte der Tod dies bereits außer Kraft gesetzt.

Auch das Gerät, mit welchen ich die Schwestern zur Hilfe rufen konnte, lag nicht mehr vor mir auf dem Tisch, statt dessen erblickte ich es ganze 4 Tische von mir entfernt, weit außerhalb meiner Reichweite.

Ich konnte nichts weiter tun außer die Sekunden abzuwarten und zu HOFFEN dass er weder das Gerät abschalten, noch den Schlauch durchtrennen würde.

Endlich lehnte sich der Tod zurück, stellte seine Sense wieder am Tischrand ab und verschränkte die Arme. "Danke" sagte ich und spürte dass die Anspannung von mir fiel wie ein zu Boden segelndes Handtuch.

"Bitte" antwortete der Tod, sein Blick verharrte dennoch kurz auf dem Gerät. "Es währe...so einfach" sagte er.

"Wie lange?" fragte ich schließlich. Ich wollte wissen wie lange ich im Fall eines Falles noch zu leiden hatte wenn...das Gerät versagte.

"Ein paar Augenblicke" sagte der Tod "Wenn es hochkommt vielleicht 3 Minuten."

"Drei Minuten " antwortete ich und schloss meine Augen. Eine Minute konnte bereits verdammt lang sein. Doch 3 Minuten? Nein. So lange wollte ich nicht leiden.

Ich konnte wirklich nur hoffen dass er nicht das Gerät abstellte bevor er mich holte, sondern dass ich auf schnellere Art und Weise aus dem Leben scheiden würde.


© koto7001


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