Leben? Was bedeutet dies für euch? Ich für meinen Teil wusste es genau. Es bedeutete immer wieder vor dem Tod zu fliehen. Dem Tod welcher bereits kurz nach meiner Geburt seine langen, gierigen Hände nach mir ausgestreckt und welchem ich auch jetzt als Erwachsene kaum zu entkommen vermochte. Doch eines war sicher: Ich wollte Leben!

Doch diesmal sah es mal wieder nicht danach aus als könnte ich noch lange hier auf dieser Erde verweilen. Diese verflixte Krankheit welche mich jetzt schon das zweite mal förmlich von Innen auffraß wie ein Tier welches an jedem meiner Eingeweide nagte und nur darauf wartete mich endlich in die langen Hände des Todes zu treiben. Und in dieser Nacht schien es als währe sie am Ziehl.

Ich lag mal wieder im Krankenhaus. Alleine, schwitzend, nach Luft ringend. Die Maschine welche meine Atmung im Moment noch halbwegs im normalen Takt hielt stand, wie ein niemals ermüdender Wächter neben meinem Bett. Ihr lautes, monotones Geräusch, welches an eine leise Dampflok erinnerte, bländete ich so gut es ging aus und versuchte zu schlafen. Obwohl ich es ehr als Dämmern bezeichnen würde. Jeder Atemzug verlangte mir genau so viel Kraft ab als würde ich im Sprindtempo eine Treppe mit 100 Stufen erklimmen wollen.

Ein...Aus....E-Ein...A-Aus...E..Ein...A..Aus. Schön im Takt bleiben. Ein...Aus...Ein...Aus...

Immer wieder schien mein lebensnotwendiges Atmungsorgang seinen Dienst zu versagen und obwohl ich Unterstützung durch die Maschine neben mir hatte, fiel es schwer Sauerstoff in meine Lungen zu bekommen.

"Ich will leben!" schrie ich mich selber in Gedanken an. Wenn sonst sollte ich meine Gefühle mitteilen? Vielleicht einer Krankenschwester? Doch um 2 Uhr Nacht hatte die bestimmt keine offenen Ohren für mich.

Ein...Aus....E-Ein...A-Aus...E..Ein...A..Aus. Schön im Takt bleiben! Ein...Aus...Ein...Aus...

Leben. Ja. Ich wollte Leben. Und vor allem wollte ich im Moment nur...schlafen. Ich war müde. Doch das Beruhigungsmittel, welches ich jeden Tag zum Abendessen erhielt, hatte seinen Dienst in dieser Nacht irgend wie versagt. Ich wollte schlafen doch es ging und ging und ging einfach nicht.

Was für ein Zufall das mich ausgerechnet in dieser Nacht nichts beruhigen konnte.

Den plötzlich...die bläulichen Ziffern der Digitaluhr an der Wand gegenüber von meinem Bett , zeigten gerade 2 Uhr 15 an, hörte ich ein leises...Knack.

Ich zuckte bei dem Geräusch zusammen und begann mich in meinem dunklen Zimmer umzusehen. Knack! Da war es wieder! Diesmal klang es ein ganzes Stück näher als vorher.

Und schon wieder: Knack!

Das Geräusch klang wie brechendes, altes Holz oder...Knochen.

Knack!

Ich kroch wie ein kleines Kind, welches sich vor dem Monster in seinem Kleiderschrank fürchtete, unter die Bettdecke.

Doch durch den Stoff bekam ich noch weniger Luft, obwohl meine Nase und mein Mund mit einer durchsichtigen Atemmaske, von welcher aus ein langer Kunststoffschlauch bis zu der Maschine neben meinem Bett führte, bedeckt waren.

Knack!

Das Geräusch war mir jetzt so nah, dass sich seine Quelle nun genau neben meinem Bett befinden musste. Am liebsten hätte ich die Luft angehalten.

"Hab keine Angst vor mir." Die Stimme, deren Klang vollkommen ruhig und beinah musikalisch war, lies mich langsam unter der Decke hervorlugen.

Neben dem Bett stand...eine große menschenartige Gestalt in einem langen, tiefschwarzen Mantel. Ihr Gesicht war unter einer großen Kapuze verborgen und lag komplett im Schatten.

"Wer...wer bist du?" fragte ich, während mich das Geräusch der Maschine neben mir daran erinnerte zu atmen. Ein...Aus...Ein...Aus...

"Du kennst mich meine Liebe" antwortete die Gestalt, setzte sich auf die Kante meines Bettes und schob langsam ihre knöchernde Hand in meine Richtung.

Ich bewegte mich nicht, während ich weiter langsame Atemzüge machte.

Ein...Aus...Ein...Aus...E-Ein...A-Aus...

"Bemühe dich nicht..." sagte die Gestalt wieder vollkommen zart "...gleich wird alles besser."

"Alles...besser" wiederholte ich. Doch es wurde nicht besser, ehr hatte ich das Gefühl, um so länger dieses Wesen hier bei mir auf der Bettkante saß, das es schwerer wurde.

Atemzug um Atemzug...schwerer. Mein Herz begann zu rasen. Es versuchte den verbliebenen Sauerstoff so gut es ging im Körper zu verteilen.

Ein...Aus...E-Ein...A-Aus....E...Ein....A...Aus...

"Alles gut" sagte die Gestalt wieder "Gleich ist alles vorbei."

"Nein..." entgegnete ich diesmal "Ich will Leben..."

Ich wandt meinen Blick von der Gestalt ab.

Die Gestalt...der Tod, beugte sich langsam zu mir herüber.

"Es ist nur zu deinem Besten...glaube mir." "Nein. Nein. Nein. Nein" antwortete ich diesmal, auch wenn es mir noch so schwer fiel "Ich werde NICHT mit dir gehen!"

"Bit-te!" sagte der Tod nun deutlich lauter, doch ich blieb standhaft, schloss meine Augen und wartete. Die Gestalt beugte sich wie ein langer Schatten über mich, welcher seine dunklen Konturen auf die Bettdecke, die Wände und den Boden neben mir warf. Er streckte seine Hand nach mir aus, doch ich blieb von ihm abgewandt. Blieb standhaft, bis ich spürte dass der Tod mein Zimmer wieder verlassen und seiner Wege gegangen war.

Nein. Mich hatte er in dieser Nacht nicht bekommen können. Doch wusste ich dass er bei jeder sich bietenen Gelegenheit wieder nach mir sehen würde. Und bei jeder sich bietenen Gelegenenheit würde ich meinen Blick...meine Seele...von ihm abwenden und ihm so weit es ging fern bleiben.

Zumindest fürs erste.


© koto7001


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