Während sich auf dem nicht zufällig entstandenen Planeten „Erde“ abzuzeichnen begann worauf die Schose hinauslaufen sollte, entspann sich 2 bis 3 Ereignishorizonte weiter weg, in den, von der Erde aus gesehenen, Tiefen des Universums eine lebhafte Diskussion über Sinn und Zweck einer künstlich geschaffenen Zivilisation, deren Erscheinungsbild mehr als fragwürdig aussah.

Doch auch auf der Erde machten sich die führenden Philosophen daran etwas anzuzweifeln, das für sehr einfache Kreaturen selbstverständlich und unbestreitbar aussah: die bloße Existenz! Beide Seiten – Götter und Menschen – fragten sich ob der Körper nicht vielleicht nur ein Erlebnisapparat für gefangene Seelen ist, denn die künstlich erzeugten Menschenwesen hatten, durch den Schicksalsgenerator, ja keinerlei Mitspracherecht an ihrer Zukunft – und die Götter fragten sich ob es nicht bei ihnen vielleicht sogar ähnlich sei. Waren sie nicht eventuell vom Universum einzig und allein dafür kreiert worden eine weitere, insgesamt völlig absurd erscheinende Lebensform zu entwerfen?!

Auf der Erde entgleisten natürlich (wie zu erwarten) die Überlegungen, das Sein betreffend,
denn es bestanden ja keinerlei gedankliche Verbindungen zwischen den Denkern auf den verschiedenen Planeten. Die Götter analysierten die Umstände sehr genau und kamen, in eher gemeinsamen Überlegungen, zu dem Schluss, daß ein Erdenleben absolut sinnlos sei, denn ein Menschenwesen konnte praktisch tun was es wollte – sein Handeln würde (aus seiner Sicht) praktisch immer sinnlos bleiben.

Dies war hauptsächlich dem Schicksalsgenerator zu verdanken, denn er teilte sowohl die Fähigkeiten als auch die Lebenswege ein. Wenn jemand für die augenblickliche Welt-Situation wenig bis gar nicht geeignet erschien, dann hatte er nichts zu erwarten! Es spielte keine Rolle, ob er gut oder schlecht, gewissenhaft und weitblickend, oder bescheiden, bzw. eingebildet, klug oder dumm war – er wurde ausschließlich nach seiner momentanen Verwendbarkeit beurteilt und eingesetzt. Da konnte man doch nur als „Sklaverei“, oder als „Betrug an der lebendigen Seele“ bezeichnen…

Doch die Götter mussten, was sie selber betraf, einräumen, daß aller Wahrscheinlichkeit auch sie „höheren“ Prinzipien zu folgen hatten, gegen die kein Kraut gewachsen war. Rückblickend mussten sie zwar zugeben „Unsere Entwicklung erfolgte tatsächlich in durchaus logischen Bahnen“, aber schlussendlich hatte diese Entwicklung auch nur zu, von außen eingestreuten, Ideen und deren Umsetzung geführt. Warum nur waren sie auf die fatale Idee gekommen dort künstlich Intelligenz zu erschaffen, wo nie eine entstanden wäre?! Wessen Absicht setzten sie damit um? Und: Konnte man der Kraft, die in der Lage war, solche Gedanken in Form einer Besessenheit einzugeben, überhaupt trauen?

War das jetzt der Augenblick das Universum an sich anzuzweifeln? Hatte ein Kosmos das Recht seine Kinder zu täuschen, zu enttäuschen, zu peinigen, in die Irre zu führen – oder handelte es sich dabei womöglich auch noch um eine Pflicht…irgendeines unverständlichen Zieles wegen? Der Vordenker 1, VR-00-00-69, wie auch der Vordenker 2, VR-DD8C-56 und sämtliche Teams, wie 77-OLKTG, oder 5JLL-DDS, wälzten sich in den schwersten Gewissensbissen, angesichts des gewaltigen Chaos das sie angerichtet hatten. Doch der Schicksalsgenerator war durch nichts zu erschüttern – er beharrte darauf, daß seine Entscheidungen richtig seien und das gewünschte Ziel dadurch erreicht werden würde…besser als es je ein göttliches Planungsgremium gestalten konnte.

Was aber ging in den Menschen vor? Wie gingen sie mit ihrem Schicksal um? Nun, sie verkünstelten sich geradezu in der Aufstellung hochintellektueller Denkmodelle, die allesamt nicht den Kern der Misere berührten. Sie dachten quasi um den heißen Brei herum, um sich die absolute Wahrheit nicht eingestehen zu müssen – und der Schicksalsgenerator ließ wieder einmal nur zu, was er gebrauchen konnte: ein begrenztes Wissen!

Die Menschen bemühten sich um geistige Befreiung, indem sie versuchten Gerüste zu erschaffen, die geeignet waren die Ruinen ihrer Luftschlösser zu stützen. Richard Avenarius reduzierte alles auf die reine Erfahrung und behauptete, es gäbe keinen Unterschied zwischen innerer und äußerer Erfahrung. Paul Natrop bevorzugte die sogenannte „Tugendlehre“, wo der Einzelne nur eine untergeordnete Rolle in der Gemeinschaft spielt. Leider war für ihn die Religion ein Mittel zur Selbsterkenntnis… Ernst Crassierer meinte er müsse ein, an die Sinnlichkeit gebundenes A priori (als konstitutives Prinzip) ablehnen. Raum und Zeit seien von daher nicht mehr a priori, sondern erste Anschauungen. Cassirer erkennt nur noch das, an die Vernunft gebundene Apriori (zum Beispiel die Kausalität) als regulatives Prinzip an. Das Apriori ist eine Voraussetzung für jedes Tatsachenurteil, nicht aber feststehend. Apriori sind logische Invarianten, die jeder Bestimmung naturgesetzlicher Erfahrung zugrunde liegen. (Die Götter amüsierten sich darüber köstlich.)

Wie übrigens über so manche philosophische Überlegung von Geschöpfen die sich für klug hielten, höchstens aber, ihrer Entwicklungsstufe gemäß, gebildet waren. Sie glänzten im Verkomplizieren einfacher Zusammenhänge derartig, daß daraus ein kaum mehr verständlicher Kauderwelsch entstand, den ein weniger dressierter Artgenosse als unglaublich intellektuell bezeichnen musste, wenn er nicht von dieser Pseudo-Gemeinschaft selbsternannter Scheinheiliger ausgeschlossen werden wollte, die sich gern als „Homo sapiens“ bezeichneten. Als ein wahrer Meister des Intellektualismus erwies sich auch Theodor Lipps. Er behauptete gar „Menschen können nicht beschreiben, wie ihre Vorstellungen entstehen, auf die sie sich beim Denken beziehen“ Das zumindest hatten sie mit den Göttern bisweilen gemeinsam. Denn auch die Götter folgen ja, wie wir inzwischen wissen, höheren Eingebungen.

Da tauchen bisweilen Vorstellungen auf, die – ob wir wollen oder nicht – wieder verschwinden und wenn wir möchten, können wir sie erinnern. „Auch die üblichen Hinweise“ darauf, meint Lipps, „das Bewusstsein, der Verstand, die Phantasie u. a. Instanzen, die Vorstellungen ursächlich hervorrufen, helfen nicht weiter. Bestenfalls können wir schlussfolgernd auf etwas als Ursache schließen, doch nicht behaupten, es sei so, bzw. es gäbe derartige Instanzen. Da wir sie nicht wahrnehmen, gibt es keinen Grund sie vorauszusetzen; aus ähnlichen Gründen für unhaltbar halten Physiologen es heute, so Lipps, bestimmte seelische Prozesse an einem bestimmten Ort im Gehirn anzusiedeln. Die Lokalisationstheorie sei – wie auch die Instanzentheorie – nicht mehr vertretbar. Ähnlich sind auch Denken und alle weiteren Tätigkeiten, einschließlich Fühlen und Wollen, nicht isoliert wahrnehmbar“.

Die Menschen nannten das „einen autopoietischen Ansatz“, womit sie sich selbst bewiesen hatten, daß sie so gut wie gar nichts wussten. Ein Menschenwesen geht – nebenbei bemerkt – eben lieber davon aus für sich selbst verantwortlich zu sein, als anzunehmen es sei beispielsweise von einem Schicksalsgenerator gesteuert und könne überhaupt nichts an seinem Dasein verändern. Völlig frei, in seinen Launen und Gefühlen schwimmend, gehe sein Werden und Wachsen allein von dem winzigen Universum aus, welches es ausgesucht ist darzustellen. Letzteres zumindest konnten die Götter durchaus als teilweise richtig nachempfinden. Sie selbst aber dachten lieber in neutralen, logischen Zusammenhängen, die außerhalb jeder Bildung standen. Sie setzten auf echte Zusammenarbeit und wahre Erkenntnis, die letztlich allein darauf fußte, Erkennbares zu respektieren und Notwendiges zu vollziehen. Warum sie dabei auf die Schnapsidee kamen Säugetier-Intelligenzen erschaffen zu wollen, wurde ihnen jedoch immer schleierhafter – und der Schicksalsgenerator trug nicht gerade dazu bei Klarheit in das Dilemma zu bringen. War er womöglich ein Instrument der allerhöchsten Seelengewalt fundamentalster Kreativität??


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Als die Götter noch vierbeinige Ameisen waren -25- Die Schicksalsgenerator-Diskussion"

Re: Als die Götter noch vierbeinige Ameisen waren -25- Die Schicksalsgenerator-Diskussion

Autor: Bluepen   Datum: 14.01.2021 9:40 Uhr

Kommentar: Hervorragend geschrieben, lieber Alf aber ist nicht jedermann/frau seines Glückes Schmied und nimmt er/sie nicht selber sein Schicksal in die Hand?

LG - Bluepen

Re: Als die Götter noch vierbeinige Ameisen waren -25- Die Schicksalsgenerator-Diskussion

Autor: Alf Glocker   Datum: 14.01.2021 13:01 Uhr

Kommentar: kaum bis selten, sehr selten...

lg alf

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