Es duftet ein wenig nach Backwaren, ein Hauch von Zigarettenrauch und ein leichter Wind, der immer wieder durch die weitläufige Fußgängerzone der Stadt zieht. Aus der Ferne kann man den Verkehrslärm als gleichmäßiges Rauschen hören. Ab und zu sticht ein Hupen heraus.
Ich finde mich in einer breiten Einkaufsstraße, an welcher sich namhafte Läden und Geschäfte aneinanderreihen wieder und bin ein wenig orientierungslos. Das hektische Treiben der Stadt verwirrt mich etwas.

Zwischen den guten Alltagsklamotten der Normalos und den teuer gekleideten Geldsäcken, falle ich in meinen markenlosen und schlichten schwarzen Sachen dezent aus dem Schema.
So unauffällig, würde mich nur jemand wirklich sehen, der so ist wie ich, anders, jemand, dessen Sichtweise sich von der unserer mainstream Gesellschaft unterscheidet. Für alle anderen, wäre es allenfalls ein Grund komisch zu gucken. Schaut mal, was ein Freak.
Die breite Straße unter mir, eine Fläche aus gleichmäßig rechteckigen Steinplatten, auf denen sich der Staub und Dreck längst vergangener Tage und Jahre verteilt hat, wird an den Seiten hier und da von Sitzbänken und Mülleimern unterbrochen.
Das zischende Schließen automatischer Türen, Getrampel, Rufe und Stimmengewirr; entrüstete Senioren, schimpfende Mütter, schreiende Kinder und das Gitarrengeklimper zweier Straßenmusikanten dringen ungefiltert in meine Ohren.
Doch das alles ist auf einmal belanglos. Ich stehe völlig reglos da, fast erstarrt, weil ich sie sehe, wenige Meter vor mir. Meine Herrin.

Sie steht dort, ebenso bewegungslos, aber auf eine Art, wie ich niemanden sonst sah und wahrscheinlich jemals sehen werde, selbstbewusst und einschüchternd, aber mit einer Selbstverständlichkeit, die andere sich nur wünschen, stark und sicher, dennoch mit einer fließenden Eleganz, die dir den Atem raubt.
Ihre schlanke Gestalt hat sanfte Kurven, die von feminin geschnittenen engen Kleidern unterstrichen werden. Ihre Heels sehen aus, als könne sie die bei Bedarf auch als Waffe gebrauchen.

Ihr Blick ignoriert die Menschenmenge, als wären alle anderen weit unter ihr. Sie sieht zu mir hinüber, ihr Blick ist fordernd, aber verheißungsvoll, aber ich… jetzt… ich bin bloß sprachlos. Ich hätte es mir denken können… Mein Verstand ist wie gelähmt.
Wir schauen uns in die Augen, nur das. Ein Blick, der alles sagt und noch mehr. Wie eine Erscheinung steht sie vor mir. Ich bin gefangen davon.

Der Augenblick dehnt sich ins Unendliche. Es ist ein vertrauter und inniger Moment, ein Blick tiefer, als alle Worte, die ich je gesagt habe, so intim wie ein Kuss. Es ist ein Blick, der mich tief im Inneren packt und berührt.
Es scheint uns unmöglich sich voneinander loszureißen. Ihre Augen durchbohren mich, als könne sie nicht glauben, das ich da stehe… und ich bin fassungslos, wie ein Blinder, der zum ersten Mal die Sonne sieht.
So oft habe ich mir den Ausdruck in ihren Augen vorgestellt… ich hätte ebenso gut blind sein können. Einiges darin kannte ich schon, anderes ist neu für mich. Die Intensität, als könne sie auf den Grund meiner Gedanken sehen, lässt mich schaudern. Für einige Momente sieht sie mich an, als wolle sie mich auffressen.
Ihr Blick sagt auch, leg dich vor mich auf den Boden, da wo du hingehörst, zu meinen Füßen.

Es bedeutet, das ich in jeder Hinsicht vor ihr auf dem Boden liege, allein ihrer Gnade ausgeliefert. Ich komme gar nicht drum herum sie anzubeten. Dann ist es meine Bestimmung, dort zu liegen, wohl schon immer.
Ich habe dezent lange gebraucht, das zu erkennen. Aber nur die Sterne wissen, ob ich sie finden werde, ob meine Sehnsucht mich nicht zerstören wird und ob es eines unwirklichen Tages Realität wird. Bin ich nicht einfach nur ein Träumer?
Es ist mehr. Ich weiß es, denn das Gefühl verschwindet nicht, ganz gleich was passiert. Sie ist die Eine... und das wird sie immer sein. Egal was aus mir wird. Auch wenn es mich dann vielleicht nicht mehr gibt.
Meine Gedanken derart zu offenbaren fühlt sich an wie nackt sein, nackt vor ihr, geradezu blankzuziehen. Auch das ist eine Form der völligen Hilflosigkeit und Demütigung, und es zeigt mir einmal mehr auf, wem ich gehöre und wohin.

Während die Menge schnelllebig um uns herum fließt, nehmen wir sie längst nicht mehr wahr, stehen reglos im Strom, der geschäftig durch die Gegend hetzenden Normalos, in einer Stille, als hätte jemand den Straßenlärm ausgeschaltet oder für uns die Zeit angehalten… ich sehe nur sie.


© D.M.


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