Nachricht von der Herrin:
Hallo Hund. Ich bin vom Shoppen zurück und ca. 1-2 stunden on.

Ich habe den ganzen Tag davor gebangt, stand unter Spannung deswegen. Und jetzt ist der Moment gekommen.
Ich weiß, was sie erwartet. - Jetzt kann ich nicht mehr off gehen und so tun, als hätte ich die Nachricht nicht gesehen, aber ich traue mich nicht ihr beizutreten. Also gehe ich zunächst in einen anderen Server. Ich setze mich ans Geländer der Aussichtsplattform der IKON Turm Lobby. Dort habe ich auch schon die letzte Nacht verbracht. Aber für den Turm hab ich kein jetzt Blick übrig. Meine Gedanken sind bei der Herrin. Sie verknoten sich zunehmend. Ich antworte ihr nicht, denn was soll ich darauf auch sagen?!

Wieder eine Nachricht. Ich stehe unter Strom. Ich öffne sie:
Du musst schon zu mir kommen Hund. Und das zügig!

Mist, sie hat mich bemerkt.

Ich antworte:
Ich habe tatsächlich gerade Schiss, Herrin.

Das ist die einzige Antwort, die möglich ist. Aber es trifft es nicht annähernd. Die Wahrheit ist manchmal nicht so blumig. Ich bin aufgeregt, habe Angst, stehe unter enormer Spannung, habe Sehnsucht, bin voller Demut und schäme mich. Und trotz allem brenne ich darauf, sie wieder zu sehen, lechze nach ihrer Härte, sehne mich nach ihrer Vergebung und nach dem Frieden vor ihr zu knien. Und doch ist es so schwer, das ich es nicht über mich bringe zu ihr zu gehen. Weshalb ich auch bewegungslos dasitze. Ich brauche wohl ein Arschtritt.

Nachricht von der Herrin:
Muss ich dir etwa erst an deiner Kette ziehen, damit du endlich deinen Hintern zu mir bewegst?!

Das war deutlich. Ich trete ihr bei.

Einem solchen Befehl (und es klingt fast wie eine Drohung), kann ich mich nicht widersetzen.
Ich lande im Sundown. Es ist viel los. Ich suche kurz den Raum mit den Augen ab. Die Herrin steht nicht unweit des kleinen runden Pools. Das Herz schlägt mir bis zum Hals. Alle Hoffnungen, alles Sehnen und alles Leid, vereinigt sich in diesem Augenblick. Ich bin für einen Moment wie gelähmt. Aber ich bin beigetreten, also sollte ich jetzt auch die Eier haben, sie um Vergebung zu bitten. Also laufe ich auf sie zu, zurück zu meiner Herrin. Dann knie ich mich etwa vier Meter vor sie, direkt neben den Pool, aus Respekt und weil ich mit dem Abstand etwas verschätzt habe, bzw. ich traue mich gerade auch nicht näher ran. Direkt vor ihr knien zu dürfen, ist ein Privileg, das nur brave Hunde haben.
Ich begrüße sie.
„Guten Tag, Herrin.“
Zu erst das Wort zu ergreifen, erscheint sinnig und das mache ich inzwischen auch häufig. Aber interessanterweise nur bei ihr.
„Hallo Hund.“
Sie klingt neutral, doch ihr Tonfall lässt ganz klar darauf schließen, wo sie mich gerade sieht. Sie geht zwei Schritte auf mich zu, sodass ich nun direkt vor ihr knie. Für die anderen, welche hier rumhängen also keine Fehlinterpretation mehr möglich.
„Wie war dein Tag?“
„Spannungsgeladen. Wie war dein Tag, Herrin?“ Ob das Smalltalk ist?
„Dann entlade dich doch jetzt. Ich bin ganz Ohr.“ Sie benutzt ihren Lieblingsemoji. „Mein Tag war soweit ganz schön. Ich war shoppen.“ Ja, weiß ich. Den Druck baut es aber nicht ab.
Ich platze fast, so dringlich fühlt es sich an. Es hat sich alles bis jetzt aufgestaut und nun muss ich loslassen? Ein Sprung ins Ungewisse. Ich atme tief ein und suche die richtigen Worte, das zu vermitteln, was ich sagen will.

„Ich habe in dieser Nacht einige Fehler gemacht. Zusammengefasst war es einfach dumm. Der Teufel… der Ritter der Rose. Und am Ende hab ich völlig die Nerven verloren. Ich flehe dich an, mir zu vergeben.“
Meine Stimme bebt vor ungesagten Worten und nicht offenbarten Gefühlen. Ich will noch soviel mehr sagen, zügle mich aber. Manchmal sagen wenige Worte mehr als viele. „Gib mir bitte die Chance meinen Platz als dein Hund neu zu verdienen. Ich bereue es so bitter, ein dreckiger Köter gewesen zu sein. Es tut mir leid, Herrin.“
Ich kann nicht mehr sagen. Ich wusste, ich würde es bereuen und dennoch war ich davongelaufen. Eine sehr schmerzhafte Erfahrung, voller Abwegigkeit und Leid. Hätte ich das nur eher realisiert.
Sie um Verzeihung zu bitten, ist wie über einen umgefallenen Baum zu balancieren, welcher eine Brücke über einen Abgrund bildet und darauf zu warten, ob sie mich an der Leine zurückhält oder ob sie mich in den Abgrund stößt.
Für einen Moment sagt sie nichts. Die Spannung wird unerträglich.

„In der besagten Nacht sind wirklich viele Dinge aufeinander gekommen. Ich vergebe dir und nehme dich gerne wieder als mein Hund auf.“

Stille. Ich atme aus.

„Als ich deine letzten Texte gelesen habe, kam in mir ein großes Gefühl der Sehnsucht auf. Du bist für mich wirklich etwas ganz besonders.“
Also hat sie mich auch vermisst. Mir kommen fast die Tränen vor Glück. Es ist wie ein warmes Gefühl in mir, wo vorher Leere war.
„Ich danke dir von Herzen, Herrin. Ich hatte versprochen nicht mit dem Schreiben aufzuhören.“
Ich wollte ihr im Gedächtnis bleiben. Auch wenn ich nicht wusste, ob sie es überhaupt noch liest, so war es doch das, an was ich mich klammerte.
„Wenn ich deine Zeilen lese, kommt mir immer das Gefühl dich schon länger zu kennen.“
„Ich bin ziemlich erleichtert Herrin. Mir ist ein fetter Stein vom Herzen gefallen, aber dir beizutreten, war alles andere als leicht.“
Ich habe Mühe mit meinen Antworten hinterher zukommen und auch große Mühe zu sagen, was ich fühle. Es ist so viel, das ich bersten müsste vor Worten, doch ich kann es kaum in Worte fassen. Was ich sage, wirkt dagegen blass.
„Das habe ich gemerkt und mir auch gedacht, das du dich ggf. nicht traust zu mir zu kommen.“ Sie wusste es, na klar. „Ich bin gerade wirklich überglücklich dich wieder bei mir zu haben, mein Hund. Mein Herz pocht wie verrückt.“
So wie meins schon die ganze Zeit.

Ich bin ziemlich überrascht von so einer sanften Aussprache. Nicht das, was ich erwartet habe. Es berührt mich auf eine andere Weise, als es das getan hätte, wenn sie ihre gnadenlose Seite gezeigt hätte.
Sie macht mich zutraulich damit und das Gefühl des Friedens und der Geborgenheit bei ihr, hat sich während unseres Gesprächs zurückgeschlichen. Vor ihr zu knien, fühlt sich gut an und es fühlt sich richtig an. Als wäre es dieser Platz. Ich gehöre dorthin und ich gehöre ihr.

„Wo sind denn die ganzen Leute hin? Ich seh kaum welche.“, sagt sie auf einmal, dezent überrascht. Stimmt, die meisten sind inzwischen weg. Hab ich mal wieder nicht mitbekommen. Wahrscheinlich sind sie gegangen weil… Mir fällt nichts ein.

„Alles gut, mein Hund?“ Mir fällt jetzt erst auf, das sie wieder „mein Hund“ sagt.
„Ja Herrin, ich überlege was ich vorhin noch sagen wollte. Da war noch was.“ Geniale Ausrede, du Dummkopf.
„Hmmmm,“, meint sie nachdenklich, „ob ein Schlag in den Nacken helfen könnte?“
„Ja, ich denke ein Schlag in den Nacken wäre jetzt gut, Herrin.“ (das klingt unverschämt) ...damit ich wieder zu Besinnung komme, denn ich bin völlig berauscht.
Wir reden noch weiter, darüber was inzwischen passiert ist. Ich berichte und wir tauschen uns aus. Die Spannung ist verschwunden.

Nach dem Gespräch, als sie gegangen ist, knie ich noch einige Minuten da, um alles zu verarbeiten. Es interessiert mich nicht die Bohne, was die anderen Kinder hier denken. Ich bin nahezu verzaubert. Es war fast romantisch, genauso, wie es jetzt auch noch niederzuschreiben. Da quatscht mich irgendwer an und fragt, ob alles gut sei...


© D.M.


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