Grüne Zweige, schimmernd, flatternd von fast gelb, Zitrone, über jadegrün bis zu sattgrün und einem dunklen smaragdgrün stechen in den klarblauen Himmel mit weißrauchigen, wolkigen Wolken. Ein warmer Sommerwind fährt durch die Straßen des Vororts. Es riecht nach Grün, Sonne und den Resten von Zigarettenrauch einer hastig gerauchten Zigarette unter dem Balkon.
Verdorrte Vorgärten schimmern nicht blau oder lila, sondern ocker und beige, nein, sandbraun. Vögel zwitschern fast penetrant aufdringlich, als wollten sie mir ins Ohr schreien: es ist Frühling! Ein kurzer Biltzregen duscht alles kräftig, gibt den Pflanzen aber kaum Erleichterung. Die Flut verschwindet eben so schnell, wie sie kam. Ich gehe in den unbeleuchteten Flur zur Garderobe, nehme die schwarze Lederjacke vom Hacken und gehe hinaus. Der Regen hat gerade aufgehört. Die Luft ist drückend, feuchtwarm.
Es ist ein wenig subtropische Luft, solche die man tief einatmet und aufnimmt, wenn man denn die Sinne dafür hat. Die Straße dampft unter der Wärme der Sonne.
Ich mache mich auf, gehe über den, noch vom Regen nassen Asphalt, steingrau, stahlgrau, schwarz, blauschwarz, matt und glänzend, zieht mir der Geruch von feuchtem Teer in die Nase. Eine Ölpfütze, Motoröl schillert wie die tausend Augen oder Flügel einer Libelle. Ich gehe an einigen Häusern vorbei. Kein neugieriger Prolet starrt mich an. Manchmal können sie es nicht lassen, einfältig über ihre Nussbaumhecken zu glotzen.

Ich habe ein Schreibblock und ein Stift in der Hand, voll mit schräger Handschrift beschrieben. Das kann nur ich lesen. Ich habe es eilig, meine Sneaker schleifen ein wenig auf dem bröseligen Untergrund, kleine Steine kugeln wie verspielte Mäuse über die Straße. Es hört sich nicht gerade ästhetisch an.
An monotonen Hauswänden in langweiligem weis oder grau vorbei, hängen Topfpflanzen und Hängepflanzen, Ranken, die an den schlichten Mauern emporklettern und sie ein klein bisschen sehenswerter machen. Die Nachbarschaft ist so kleinbürgerlich und gepflegt, das es zum kotzen ist. Aus gekippten Fenstern hört man Gemurmel und die eine oder andere Kinderstimme.
Die Straße hinunter spielen ein paar, machen Lärm mit ihren Kettcars und durchbrechen die „friedliche“ Atmosphäre. Ich gehe auf ein mittelgroßes Haus zu, welches neben den andren alt und ehrwürdig wirkt und die Züge einer Villa erahnen lässt, rüber zu meinem alten Nachbarn. Ich frag ihn um Rat wegen einem Text, einer Geschichte, die ich schreibe. Sein Haus ist rauchblau gestrichen. Aber er ist nicht kühl, ein wenig zurückhaltend, weise und sogar recht herzlich, vorausgesetzt das man ihm passt. Das erfuhr ich, als er mich hereinbat in seine saubere, leicht staubige altmodische Stube, Polster im Omastil, glatte dunkle Holzmöbel. Es riecht ein wenig nach Tabak. Manche Leute mag er einfach nicht, besonders Jugendliche, da wird er grantig. Gut also, das ich so sehr aus dem Bild steche, ich habe es irgendwie geschafft genug Sympathie zu erlangen, um ihn bei dieser Sache um Unterstützung bitten zu können. Aber den Text tu ich ihm nicht an. Das, was er aufgrund seiner, für dieses Alter bemerkenswerten Auffassungsgabe versteht, reicht. Wie sitzen zusammen an einem massiven Mahagonitisch, das einzige andere Geräusch in der Wohnung war die große Standuhr im Flur, die gleichmäßig hin und her schlug. Das Gespräch lief stockend, gedämpft. Eine Atmosphäre der Konzentration. Wenn er über den Inhalt verwundert ist, so zeigte er es nicht. Das Licht der kleinen Lampe spiegelt sich im geschwungenen Wohnzimmerschrank, in dessen Glasscheiben.
Als wir fertig waren, ich mir meine Notizen gemacht hatte, und den Stift auf den Block legte, sah ich, wie seine Augen schelmisch aufblitzten. „Ich sollte das wirklich deinem Vater erzählen, Junge. Aber du hast Glück, das ich so ein hinfälliger alter Mann bin.“ Er lächelt gutmütig. Ich senke den Blick und verstecke mich hinter meinen Haaren.
Schließlich brechen wir die Zusammenkunft ab. Ich stehe vom Stuhl auf, er begleitet mich noch in Flur. Vor der Tür drehe ich mich um, den Block in der Hand.
„Ich hoffe, ich konnte dir helfen.“, sagt der Alte. Ich verabschiede mich und bedanke mich. Er scheint nett, aber die Begegnung war etwas zu odd, als das ich es in Erwägung ziehen würde nochmal vorbeizuschauen. Ich gehe die Straße entlang zurück. Im Nebel meiner Gedanken gefangen, fällt mir nicht mal der Geruch nach verbrannten Waffeln auf, der vor einem der Häuser die Luft erfüllt.
Zurück, schmuggle ich das Script an meinem Vater vorbei, die Treppe hoch in mein Zimmer. Er saß im Arbeitszimmer und hörte es kaum.
Die beiden quatschen hin und wieder drei Sätze, so einmal im Monat, kleines Gespräch zwischen zwei alten Männern. Nur das mein Vater nichts aufm Kasten hat, der alte Mann schon. Er würde ihm nichts sagen. Na ja, womöglich würde er eine kryptische Andeutung machen, um meinem Vater auf die Sprünge zu helfen, was lief. Aber weiter würde es nie kommen. Dergleichen begreift er, mein Vater frühstens mit zwei Jahren Verzögerung. Ich hab das Gefühl, das der alte Nachbar durch meinen einen Besuch mehr über mich weiß/herausgefunden hat, als mir angenehm ist. Aber eines Kommentars hatte er sich enthalten. Als ich ihm später nochmal begegnete, sah ich an seinem Blick, das er mich hatte. Er wusste es. Er deutete auf meine Halskette und sagte nur: „Ich hoffe du wirst sie treffen.“ Ich hoffe es so sehr...


© D.M.


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