Wie Hänsel Hexen abknallte und Gretel ein Raumschiff freinaschte

"Knusper, knusper, knäuschen, verpisst euch aus meinem Häuschen, sonst schwing‘ ich mein Fäustchen, und bring euch ins Krankenhäuschen.“, sagte die dunkelhäutige, muskulöse Gestalt, die aus dem Lebkuchenhaus getreten war und Hänsel und Gretel mit einer Killer Laser Gun überraschte. Der Lauf der Waffe war direkt auf Hänsels Kopf gerichtet, sodass dieser ein Auge zukniff, um den Inhalt besser sehen zu können.
„Was ist das?“, fragte der magere Junge in einem kindlichen Ton und mampfte weiter an einem Schokokeks. „Was ist da drin? Was kommt da raus?“
„Pure Magie.“, sagte der mysteriöse Fremde. „Und wenn du weiterhin so neugierig bist, kommt am anderen Ende deines Kopfes dein geröstetes Gehirn raus. Verdammt, wie alt seid ihr überhaupt?“
Ruckartig riss das Mädchen, welches ihn die ganze Zeit hinter Hänsel‘s Rücken angestarrt hatte, die Zuckerstange aus ihrem Mund, die sie mehrere Minuten bearbeitet hatte und rief:
„Sag es ihm nicht, Hänsel. Er ist böse!“
Danach steckte sie sich das bunte Bonbonmaterial zurück in den Mund und setzte ihre Arbeit daran fort, als wäre nichts gewesen.
„Bist du eine böse Hexe?“, wollte der Bursche daraufhin wissen und biss wieder von seinem Keks ab.
Der in schwarzes Leder gekleidete Unbekannte rückte seine Sonnenbrille nach unten und sah den Knirps mit gehobenen Augenbrauen über den Brillenrand hinweg an. „Sehe ich etwa aus wie eine?“
„Nein.“, antwortete dieser schüchtern. Er sah zu Boden und bohrte mit seinem zerfledderten Schuh in der Erde herum. „Wir haben aber auch noch nie eine gesehen.“
„Pff“, stieß der Fremde aus und packte seine Killer Waffe weg. Intelligentes Leben gibt es hier schonmal nicht, dachte er sich und ging zurück ins Haus.
„Dürfen wir reinkommen?“, erschallte es hinter seinem Rücken. Doch die Antwort wurde nicht abgewartet – sie waren schon drin, diese Scheißbengel.
„Jesus fucking Christ, ihr seid ja wie Hämorriden – hängt mir am Arsch und ich werde euch nicht los. Verschwindet!“
Doch wie hungrige Küken, die darauf warteten, dass die Mutter sie fütterte, standen die Beiden mit gehobene Köpfen und weit aufgerissenen Mündern da. Ein lautes „Oooooh“-Duett folgte.
Ihre geweiteten Augen betrachteten die blau beleuchteten Hologramme und Glasbildschirme. Die glatte, schwarz-metallische Oberfläche des gesamten Innenraums schien ihnen so irreal und nicht aus dieser Welt zu sein. Zumal wirkte der Raum unwahrscheinlich gigantisch für diese kleine, süße Hütte. Auch die abgerundeten, teils wellenartigen Formen passten voll und ganz nicht zu der eckigen Außenansicht.
Der Besitzer dieses außergewöhnlichen Konstrukts hatte seine Sonnenbrille abgenommen, da es trotz der azurfarbenen Lichter recht dunkel war, und rollte mit den Augen.
„Was ist das?“, wollte Hänsel schließlich wissen.
„Die Frage hast du heute schonmal gestellt.“, kam als Antwort. „‘n Raumschiff.“
- „Ein was?“
- „Ein Flugobjekt, ein Satellit, eine fliegende Untertasse.“
- „Wie heißt du?
Der Gefragte stieß einen Seufzer aus. „Wesley“
„Ich bin Hänsel!“, antwortete Hänsel. “Und das ist Gretel.“ Er deutete auf das schweigsame Mädchen, die ihre Zuckerstange gegen Zuckerwatte getauscht hatte.
Hallo, Diabetes, dachte Wesley, als ihm plötzlich eine geniale Idee kam.
„Hanni und Nanni, ich brauche eure Hilfe!“, sprach er.
„Wir heißen Hänsel und Gretel.“, korrigierte ihn Gretel mit dem Mund voller Marshmallows.
„Fuck drauf!“ tat es Wesley schnell ab und lief rüber zu einem kleinen Schacht in der Wand. „Ok, passt auf. Mein Raumschiff ist auf dieses Lebkuchenhaus gekracht und dabei ist der Scheißsirup vom Dach ins Innere des Kontrollraums gelaufen.“ Er klappte den Verschluss auf und gab die Sicht auf eine Kapsel voller Kabel und Apparate frei. Die Jünglinge kamen näher ran und steckten ihre Köpfe rein. „Die Sensoren sind voll damit. Mein Raumschiff kann daher nicht starten. Und jetzt kommt ihr ins Spiel: Ihr klettert beide darein und leckt das süße Zeug runter bis alles blitzblank ist, verstanden?“
Voller Euphorie über seinen Einfall starrte Wesley die Kinder abwechselnd an.
„Warum kletterst du nicht selber rein?“, meldete sich Hänsel.
Hörst du irgendwann mal auf zu fragen?, flog es Wesley durch den Kopf. „Weil ich zu groß bin.“, erklärte er. „Ich passe da nicht mal annähernd rein, ihr hingegen schon.“

„Knusper, Knusper, Kneischen …“, erklang eine fremde Stimme durch die Tür. Eine alte Frau mit grässlichen Warzen auf der huckeligen Nase und einem Buckel auf dem Rücken kam auf einen Besen gestützt herein.
Sofort sprang Wesley auf. „EY, Lady, verpissen Sie sich aus meinem Raumschiff!“
„… WAS IST MIT MEINEM HÄUSCHEN?!?!“ Der Alten schienen die Augen aus den Höhlen zu fallen. Sie hatte sie weit aufgerissen und schaute perplex umher, bis sie sich schließlich geschockt Wesley zuwendete. Sofort verengten sich ihre bohrenden Augen zu Schlitzen und sie hob ihre, zu einer Klaue erstarrte Hand, in der etwas wie eine blaue Flamme aufflackerte. „DU!“, sprach sie zum Außerirdischen.
Ihre Klaue sprang auf, wie ein Krokodilmaul und der blaue Energieball schoss auf Wesley zu. Die Wucht der Energie beförderte ihn quer durch das Deck des Flugkörpers.
Sofort wechselte ihr Blick zu den beiden Knirpsen, die schmatzend den Marzipanfensterrahmen vernaschten und das Geschehen gespannt verfolgten.
Wieder entfachte sich eine Aktivität in ihrer Hand.
Wesley rappelte sich auf und blickte zu der ranzigen Hexe. Als er begriff, was sie vorhatte, stürzte er sich mit den Worten „Lass Ernie und Bert in Ruhe, die brauche ich noch!“ auf sie. Mit einem präzise angesetzten Judo Wurf, hätte er sie zu Fall gebracht, doch sie löste sich in einer einzigen großen, blauen Flamme auf und Wesley ging in der Asche zu Boden.
„Verdammter Dreck.“, rief er verstört. „Wo kam die Beißzange her? War die echt? Hab ich halluziniert?“
Doch die beiden, kleinen Geschöpfe aßen munter weiter an ihren Süßigkeiten und schienen kein Stück von der Situation angetan zu sein.
Bevor der Außerirdische sich aufrappeln konnte, zischte erneut ein blaues Feuer auf. Die Zauberin tauchte mitten im Raum auf und sammelte Energie für den nächsten Angriff, da erblickte Wesley seine Laser Gun. Er raffte sich schnell auf und manövrierte sich mit einem Überschlag auf sie zu, dabei wich er einer erneuten Attacke aus. In Sekundenschnelle hatte er die Waffe auf die Hexe gerichtet und feuerte.
Wieder weiteten sich die Augen der Alten und ihr Kinn klappte auf, während sie den Schuss mit einer abstreifenden Bewegung abwehrte. „NEIN! DAS KANN NICHT SEIN!“, schrie sie, bevor ein erneutes azurnes Feuer sie verschluckte.
„GENAU, BITCH! Leg dich nicht mit Wesley und seiner Killer Gun an!“, rief ihr Wesley hinterher.
Er lehnte die Waffe wieder an seine Schulte und blickte zu Hänsel und Gretel. „Los geht’s, wir haben noch viel vor!“
Bald darauf krabbelte Gretel in den Schacht. „Du bist die gefräßigste und hältst die Klappe im Gegensatz zu Hellboy. Wenn du nicht sprichst, kannst du mehr essen!“, hörte sie es aus dem Hauptraum hallen. Mit dem Finger strich sie einen Sensor ab. Das klebrige Zeug, welches sich davon löste, erinnerte sie an den Honig, den die Bienen ihrer Eltern gemacht hatten. Genüsslich schleckte sie es ab.
„Schmeckt’s?“, fragte der sympathische, ständig fluchende Fremde.
Gretel nickte nur, denn sie wollte keine kostbare Minute für‘s Reden vergeuden. Stattdessen machte sie sich an die Arbeit sich mit dem köstlichen, dickflüssigen Saft vollzustopfen. Am liebsten hätte sie ihn ganz für sich gehabt, doch bei Mama und Papa musste sie sich alles mit ihrem Bruder teilen.
Hänsel setzte an sich zu ihr zu gesellen, als es draußen mehrmals fürchterlich krachte.
„WAS ZUM GEIER!?“, rief Wesley und lief zur Tür um herauszuspähen.
Direkt über seinem Raumschiff tauchten fünf Wesen auf. Bei genauerem hinsehen, waren es alte Frauen. Vier von ihnen saßen auf Besen, die letzte hochte in einem Fass und ruderte mit ihrem Feger.
„Da ist er ja!“, schrie eine von ihnen mit einer sehr hohen Stimme, in einem blau-grauen Gewand. Es tat beinah in den Ohren weh.
„Er sieht doch gar nicht gefährlich aus.“, lachte eine andere. Sie war ganz in Schwarz gekleidet. „Nur scheußlich.“
„Schaut, was er mit meinem Haus gemacht hat!“, ertönte eine bekannte Stimme. Es war die Hexe, die Wesley zuvor angegriffen hatte. Sie deutete auf das gigantische Flugobjekt an dem lediglich eine Lebkuchenwandecke lehnte. Der Rest lag in Trümmern darunter.
„Slawischen Hexe sowas nicht passieren.“, kicherte die eigenartige Alte aus ihrem Fass. Sie hatte einen groben, russischen Akzent. „Haus hat Hühnerbeine. Wäre einfach weggelaufen. Haus schlau!“ In ihrer Stimme lag Stolz und Spott zugleich.
„Nja..“, winkte die Andere ab. „Halt‘ die Klappe, Baba Jaga!“
„Dann wollen wir mal Schabernack treiben, Mädels!“, rief die Zauberin im braunen Umhang. „Ich muss Schneewittchen noch einen köstlichen Apfel ausliefern.“
Die dunkle Hexe lachte. „Mein Dornröschen läuft mir nicht weg. Ich habe Zeit für ein bisschen Spaß!“
„Meine entkommt mir ebenfalls nicht.“, setzte die Alte im blau-grauen Gewand an. „Sie sitzt im Turm fest und kämmt sich fleißig die Haare.“
„Werdet ihr nun kämpfen, oder quatscht ihr? Ich muss wissen, ob ich meine Laser Gun hole oder mir weiterhin euer Gegacker anhören muss.“, störte Wesley die Plauderrunde.
„Sieh mal einer an.“, ertönte wieder die schrille Stimme, sodass der Außerirdische erschauderte. „Der Stinkstiefel kann ja reden.“
„Ich schieb dir gleich den Besen so tief in den Arsch, dass du ihn von innen deep throatest.“, konterte Wesley sichtbar gereizt. Noch nie hat ihn jemand beleidigt und so sollte es bleiben! „Und dann zünde ich ihn an, damit du mit deiner Arschrakete zum Teufel fliegst, wo du auch hingehörst! Verstanden!“
Als Antwort schoss eine blaue Feuerballlawine auf ihn zu.
„Scheiß Weiber mit ihrem Laune Umschwung!“, rief er und sprang in den Schutz des Flugkörpers.
Mit dem Rücken an die Wand gelehnt, beobachtete Wesley, wie die Eisflammen an dem Metall abprallten und draußen den Boden zertrümmerten. Er sah hinüber zu Hänsel, der ihn mit einem Keks in der Hand und Krümel im Gesicht anblickte. „Werden sie uns umbringen?“, fragte er leise.
„Nicht, wenn wir sie zuerst abknallen. Hier.“ Wesley reichte ihm eine Pistole. Als der Kleine sie in die Hand nahm, zog sie ruckartig seinen Arm zu Boden. „Leider hab ich nur das in deiner Größe. Hast du schon mal mit einer Heckler & Koch MK23 geschossen? Oder wird die erst noch erfunden? Hattet ihr schon 1991?“ Der Knirps schüttelte den Kopf und nahm sie mit beiden Händen hoch, ohne den Blick von Wesley zu nehmen. Dieser ging in die Hocke. „Nimm sie in beide Hände. So lädst du, so entsicherst du, so schießt du.“ Nach der Demonstration fiel ein Schuss. Der Jüngling krachte zu Boden, die Waffe noch in der Hand. „Du gewöhnst dich dran.“, motivierte ihn der große Fremdling. „Stell’ ein Bein nach vorne, dann stehst du stabiler. Ab geht’s!“
Er hob wieder seine Laser Gun auf und auch Hänsel fand zurück auf die Beine. Sie beide marschierten zur Tür und lehnten sich links und rechts von ihr an die Wand. Wesley nahm sein Gewehr hoch und drückte es sich an die Brust. Hänsel tat es ihm gleich. „Ziel genau. 3…2…1“
Zur selben Zeit drehten sich beide in die Tür hinein und stürmten raus. „FEUEEEEER!“, brüllte der Schwarze wie am Spieß. Dann ballerten sie drauf los.
Ein solches Gefecht hatte es in dieser Welt noch nie gegeben. Die fünf Zauberinnen trieben ihre Flugobjekte an und schwirrten in der Luft durcheinander. Sie umkreisten die beiden Gefährten und attackierten sie von allen Seiten. Doch die Kameraden schreckten kein bisschen zurück. „RÜCKEN AN RÜCKEN!“, befahl der Fremdling und sein kleiner Freund gehorchte. Die Laser Pistole zischte, die Mark23 donnerte durch den ganzen Wald. Blaue Sphären krachten auf die Erde herab und wurden mit ebenfalls blauen Geschossen und kupfernen Kugeln erwidert. Lediglich von Baba Jaga kamen altslawische Flüche, die niemand verstand.
Gerade als eine der Hexen ihre Flugbahn senkte und durch die beiden Kampfbrüder hindurchzufliegen drohte, ließ Hänsel sich ablenken. Sein Griff um die Mark23 lockerte sich und er streckte eine Hand nach einem Stück Mäusespeck aus, sodass die Alte stattdessen fluchend über seinem Kopf hinweg düste. Wesley bekam es nicht mit. „SCHIEß‘ ALS GING’S UM DEIN LEBEN!“, feuerte er seinen Kriegskumpanen an. „DENN ES GEHT IN ERSTER LINIE UM MEINS!!“ Schnell stopfte sich Hänsel die luftige Schaumzuckerware in den Mund und nahm die Schießerei wieder auf.
Plötzlich fiel Wesley etwas auf. Es war die ganze Zeit da, er hatte dem nur keine Beachtung geschenkt. Es war blau. Alles war blau. Die Feuerkugeln der Hexen hatten exakt dieselbe Farbe wie die Munition seiner Laser Gun, … denn sie waren beide aus derselben Substanz und Energie. Wesley‘s Augen weiteten sich, als seinem Kopf ein genialer Plan entsprang.
„GURKE, HAST DU DEN SIRUP SCHON AUF?!“, wandte er sich an Gretel.
„Fast.“, kam es zurück.
„DANN BEEIL‘ DICH!“, spornte er sie an. „BORDCOMPUTER, FAHR DAS RAUMSCHIFFSYSTEM HOCH!“
„Befehl wird ausgeführt.“, sprach die Maschine und kurz darauf stieg ein Surren auf. Am mattschwarzen Flugobjekt flackerten ebenfalls blaue Lichtlinien auf. „Das Raumschiff ist flugbereit.“
„YAAAS!!!“, schrie Wesley vor Freunde und seine Augen leuchtete. Er machte sich zum Rückzug bereit und bewegte sich rückwärts zum Eingang des Schiffs. „Hitman, zurück an Bord!“
„Waas?“, fragte Hänsel vollkommen verwirrt.
„BEWEG DEINEN ARSCH ZURÜCK IN DAS RAUMSCHIFF, DU ANFÄNGER!“, präzisierte er. Hänsel senkte wieder die Waffe und schlenderte ruhig durch die Tür.
„Ooooooh, verlässt ihr uns schoon?“, hallte die schrille Stimme wieder nach. „Wir haben uns doch grad erst kennengelernt. AHAHAHAHAAAA…“ Ihr grausames Lachen schmerzte in den Ohren und Wesley feuerte eine letzte Lazerpatrone, bevor er sich auf der Türschwelle umdrehte und in das UFO stürmte. Er betätigte einen Sensor an der Wand und die Tür schloss sich augenblicklich hinter ihm, vollkommen lautlos.
„Bordcomputer?“, rief er in den Raum. Selbstsicherheit füllte seine Stimme. Bald würde alles vorbei sein für die hässlichen Schabracken. Hatte er gerade ernsthaft das Wort „Schabracken“ in seinen Gedanken verwendet??
„Ja, Master Wesley?“, unterbrach die Computerstimme seine Gedankenreise.
„Jag‘ das EMP hoch!“, sprach er voller Genugtuung aus. Verdammte scheiße ist das ein intelligenter Schachmatt Move…
Kurz darauf brachte ein dumpfer Schall das Objekt zum Erbeben, gefolgt von lautem Gruppengestöhne und einem Lauten „Twaju Matj“ (russ. Wörtlich übersetzt „deine Mutter“ – wird als fluchender Ausruf verwendet).
„Was ist das?“, erkundigte sich Hänsel.
Einen Punkt an der Wand fixierend, seufzte Wesley. „EMP steht für elektromagnetischen Impuls. Es ist…. Zu kompliziert für dich. Ihr kennt es in eurer Zeit noch gar nicht. Vergiss es!“ Er winkte mit der Hand ab und öffnete die Tür wieder einen Spalt. Auf dem Boden zerstreut lagen drei Besen, ein schwarzes Kleid, ein grau-blaues Gewand und ein brauner Umhang. In der Ferne zwischen den Bäumen erblickte Wesley einen davonfliegenden Bottich. Die darin sitzende Hexe ruderte wie verrückt und fluchte laut. „Nie wieder kommen deutschen Hexen zu Hilfe!“
„Sie sind weg!“, bemerkte Wesley. „Die alten Bitches sind weg! Ich glaub’s nicht, es hat funktioniert!“ Er lachte vor Freude auf.
„Ist das Böse nun vorbei?“, wollte sich der Knirps vergewissern. Er hatte wohl auf dem Weg zurück ins Versteck ein großes Stück Türrahmen mitgenommen und knabberte nun an einer massiven Lebkuchenecke. „Sind wir in Sicherheit?“
„Ja!“, beruhigte in Wesley. „Und hör jetzt endlich auf zu Fressen, das ist nicht gut für deine Zähne! Wo ist die Kleine? … G-Ge-Gerda? Bist du noch da drin?“
„Ja-ha“, schallte es aus der Kontrollkapsel. „Und ich heiße nicht Gerda, sondern…“
„Ja ja, ich weiß.“, tat der Große es ab. „Komm da raus, das Problem ist schon beho…“ Genau in dem Moment flammte eine Gestalt in bekannten blauen Fackeln auf. In der Glut erkannt der Fremde ein familiäres Gesicht, welches ihn hinterhältig angrinste. Die Knollennase kräuselte sich, sodass die Warze die Wange berührte. Wesley kamen bei dem Anblick fast die Chicken Wings hoch, die er mittags gefrühstückt hatte. Doch er schluckte den Ekel runter und schloss den Griff fester um seine Waffe. Bevor er sie zum Anvisieren hochnehmen konnte, hatte die Eigentümerin des Lebkuchenhauses bereits die Hand gehoben und wippte mit dem Zeigefinger hin und her. Zwischen den restlichen Fingern zischte bereits eine erneute Energiequelle auf. Diesmal breitete sie sich weit über ihre Faust hinaus aus. Sie wurde immer größer und größer. Wesley blieb keine Zeit. Er musste sofort handeln. Sie oder er. Er oder sie. Er riss seine Lazer Gun hoch und feuerte mit den Worten „Hasta la vista, baby!“ die Waffe. Im fiel nicht sofort auf, dass Gretel aus dem Kontrollschacht geklettert kam. Die üppige Nascherei hatte ihre Folgen und so ergoss sie ihren Mageninhalt vor die Füße der Hexe.
Ein Schrei entglitt dieser, als die Lazermunition sie traf und nach hinten katapultierte. Gleichzeitig flogen ihre Füße hoch, da sie sich auf der rutschigen Masse nicht halten konnten. Sie ruderte lustig mit den Armen, aber das half ihr nicht. Ihr Kopf traf als erstes hart auf dem schwarz-metallischen Boden auf und sie blieb reglos liegen. Ein Moment der Stille folgte, was keineswegs eine Schweigeminute darstellte.
„GUUT GEMACHT, KRÖTE!“, feierte Wesley strahlend.
Gretel, die immer noch neben der Hexe aus dem Kontrollraum hing und den nächsten Speiseröhrenausbruch erwartete, drehte sich wütend zu ihm um. „Ich heiße Gretel, du Knasterbart!“
Hänsel ließ seine Wandecke fallen und starrte sie geschockt an.
„Knasterbart?“, fragte Wesley überrascht. „Was hört ihr hier für Scheiß Musik?“
„Ist sie denn nun tot?“, fragte der kleine Junge, nachdem er sich vom Schrecken erholt hatte.
Der Riese schaute zum Kopf der Hexe und sprach gelassen. „Ja, Hirn-Fraktur ist Hirn-Fraktur – egal in welcher Welt!“
Pünktlich zu Ende des Gefechts lösten sich zwei Putzroboter aus der Wand und nahmen die Aufräumarbeiten auf. Einer von ihnen, der aussah, wie ein Drucker, fuhr eine Baggerschaufel aus, mit der er den frischen Leichnam aus der Tür schob. Der Zweite war klein, flach und rund und folgte dem großen, während er die Sauerei auf dem Boden beseitigte. Doch als der Bagger die Leiche über die Türschwelle schöb, holperte etwas über den Boden und kam in einer langen rotierenden Bewegung zum Stilstand.
Alle Drei starten zu dem kleinen goldschimmernden Objekt auf dem Boden.
Schließlich löste sich Hänsel und trat näher. Er beugte sich hinunter und sammelte den Gegenstand auf. Es war eine Münze.
„Stop!“, rief Wesley, als der Bagger seine Arbeit fortsetzen wollte. Sicher hatte die Alte noch mehr Münzen dachte er, auch wenn er nicht wusste, was er mit ihnen machen sollte. In seiner Dimension war Gold wertlos…
„Davon kann man sich ganz viel zu Essen kaufen!“, sprach Hänsel wieder.
Der Fremdling konnte nicht anders, als mit den Augen zu rollen. „Du hast den ganzen Tag gefressen und denkst immer noch an Fraß?“
Der Knirps schaute zu Wesley auf, wobei er seinen Kopf weit in den Nacken legen und seinen Rücken durchdrücken musste. „Mama und Papa würden nicht mehr hungern müssen.“, sagte er leise. Es war das erste Mal, dass sich bei Wesley alles zusammenzog. Die ganze Zeit über war er so fixiert darauf, wie nervig die Blagen waren, dabei wusste er gar nichts über sie. „Seid ihr… Seid ihr irgendwie arm, oder so?“, fragte er weitaus ruhiger als sonst. Seine Zurückhaltung kam durch die Scham die er spürte. Sie taten ihm leid, immerhin sind die kleinen Scheißer ihm ans Herz gewachsen.
Hänsel und Gretel nickten. Hänsel sah ihn dabei wie immer mit seinen großen Kulleraugen an, während in Gretel‘s Blick ein Hauch an Verachtung lag. Doch der Riese nahm es nicht mehr persönlich. Scheinbar hasste sie einfach jeden. Er löste sich aus seiner verkrampften Haltung und marschierte zielsicher zu den sterblichen Überresten seiner kurzlebigen Feindin und begann sie zu durchsuchen.
„Was machst du da?“, fragte sein kleiner, verfressener Freund und zog den letzen Laut der Frage lang.
Wesley ließ sich in seiner Arbeit nicht unterbrechen und merkte nur an: „Wenn sie eine Münze hat, hat sie auch zwei. Hier.“, er holte einen Beutel Gold aus ihrer Tasche hervor und warf es Hänsel zu. „Ka-chiiiing!“, rief er, dann ging er raus.
Die Kinder folgten ihm und beobachteten, wie er von einem Kleiderbündel zum nächsten ging. Auch die anderen Hexen hatten Gold hinterlassen, welches er Gretel überreichte.
„Bordcomputer?“, rief er schließlich.
„Ja?“, meldete sich die bekannte, mechanische Stimme.
„War in dem Haus, was wir umgenietet haben Gold drin?“, fuhr Wesley fort.
„Ja!“, kam es als Bestätigung zurück.
Wesley grinste. „Perfekt, dass gehört dann auch euch. Und da ihr mir so lange auf den Sack gegangen seid, fliege ich eure fetten, verfressenen Diabetesärsche nach Hause.“
„Und dann?“, fragte Hänsel.
„Dann?“, wiederholte der Fremde und zog sich lässig eine Sonnenbrille auf. „Dann ziehe ich los und kill ein paar fiese Hexen. Ab heute bin ich…

Der Hexenjäger!“

The END


© Ronia Tading


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Beschreibung des Autors zu "Wie Hänsel Hexen abknallte und Gretel ein Raumschiff freinaschte"

Der naiv-freundliche Hänsel und die aggressive, zuckersüchtige Gretel ahnen gar nicht, was auf sie zukommt, als der dauerfluchenden, sarkastische Zeitwanderer Wesley sie darum bittet, sein Raumschiff freizunaschen, welches auf den Trümmern eines Hexenhauses parkt. Als die Hauseigentümerin mit einer Horde Hexen aus anderen Märchen und Ländern zurückkehrt, um Rache zu nehmen, entfacht sich ein Battle, welches diese Welt noch nie gesehen hat.

Kann Gretel rechtzeitig die Raumschiffsteuerung freifressen?

Hat Hänsel genug Munition für alle Hexen?



Es bleibt spannend...




Kommentare zu "Wie Hänsel Hexen abknallte und Gretel ein Raumschiff freinaschte"

Re: Wie Hänsel Hexen abknallte und Gretel ein Raumschiff freinaschte

Autor: Alf Glocker   Datum: 17.10.2019 12:10 Uhr

Kommentar: erfrischend!

Re: Wie Hänsel Hexen abknallte und Gretel ein Raumschiff freinaschte

Autor: Ronia Tading   Datum: 17.10.2019 12:49 Uhr

Kommentar: @Alf Glocker vielen Dank, das freut mich! :)

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