Der Tag war ungewöhnlich schön, mit strahlend blauem Himmel, ohne eine Wolke weit und breit übertraf er das Wetter der letzten Woche bei weitem. Doch auch die Sonne, die bereits im Zenit stand, konnte nicht über die Kälte hinwegtäuschen. Am Straßenrand lag hoher Schnee, der mich dazu zwang die Augen zu zukneifen, um nicht geblendet zu werden. Das machte mir aber nichts aus, denn der Schnee glitzerte wunderschön in der Sonne und machte die Landschaft zu einer märchenhaften Umgebung. In dieser ging ich also die Straße entlang und je weiter ich kam, desto höher lag der Schnee und desto unwirtlicher wurde die Gegend. Immer noch in eine unbeschreibliche Schönheit gehüllt, merkte man jetzt, dass diese Schönheit nichts mit Sanftheit oder Freundlichkeit zu tun hatte. Im Gegensatz zu den bewohnten Gegenden war die Straße hier schon länger nicht mehr geräumt worden. Im Winter, vor allem in einem so strengen wie heuer, mieden die Menschen Orte wie diesen lieber.
Nichts desto trotz ging ich weiter, schließlich wollte ich zu Hause ankommen.
Es war anstrengend, es ließ mir keine Zeit an etwas andere zu denken und das war gut so. Ich setzte einen Schritt vor den anderen. Das einzige Geräusch, das in meinem Kopf blieb, war der Klang meines Atem. Nach kurzer Zeit schon begann mein Herz schneller zu klopfen und ich füllte meine Gedanken mit diesem Gefühl. So ging ich die Straße entlang, die gerade noch erkennbar war. Einfach weiter, weiter, weiter.
Da durchbrach ein lautes Geräusch meine Versunkenheit. Es dauerte nur Bruchteile einer Sekunde und ich war mir nicht sicher, ob es nicht ein Produkt meiner Fantasie gewesen war. Ich wendete mein Gesicht wieder dem Boden zu, um nicht zu stürzen, als ich ein weiteres Geräusch hörte. Diesmal war ich mir sicher, etwas gehört zu haben und warf einen langen Blick in die Umgebung um mich herum. Dabei vollführte ich eine ganze Drehung und nahm die Landschaft in mich auf. Die letzten Strahlen der niedergehenden Sonne reichten gerade noch über die Berge und ließen den Schnee funkeln. Zumindest dort wo sie hinkamen war es noch hell. Der Kontrast zwischen diesen Lichtflecken und den langen Schatten, welche die Bäume und Sträucher warfen, hätte nicht größer sein können. Und obwohl die Landschaft immer noch wunderschön anzusehen war, war es kein Bild für eine Postkarte mehr. Dazu fehlte ihr das Einladende, das Freundliche. Meine Neugierde war jetzt geweckt, ich wollte wissen, woher das Geräusch gekommen war. Aus diesem Grund ging ich einige Schritte in den Wald hinein, weg von der Straße.
Es war nicht leicht, die erste Reihe von dichtem Gebüsch zu überwinden, doch schließlich schaffte ich es. Dann stockte mir der Atem. Ich stand nur wenige Meter von dem eindrucksvollsten Tier entfernt, das ich je gesehen hatte. Seine gelben Augen blickten mich durchdringend an. Sein Fell war dunkelbraun, mit einem silbergrauen Stich und einigen helleren Schattierungen. Fast das gesamte Deckhaar sah etwas zersaust, aber sehr robust aus, nur bei den Ohren hatte er weiches Fell. Keiner von uns beiden rührte sich. Nach einer kleinen Ewigkeit drehten wir fast gleichzeitig den Kopf weg. Ich deutete es zuerst an, es war ein Angebot, um ihm zu sagen, dass ich keinen Kampf wollte. Er nahm das Angebot an, drehte zuerst den Kopf weg und dann den ganzen Körper. Kein letzter Blick zurück, er kontrollierte nicht ob ich dasselbe tat. Währenddessen stand ich weiterhin ruhig da und sah ihm zu, als er in den Wald verschwand.
Kurz darauf brach auch ich auf, denn ich musste nach Hause. Mir war kalt geworden, in dieser kleinen Ewigkeit mit dem Wolf. Jetzt ging ich schneller, teils um mich aufzuwärmen, teils um nach Hause zu kommen.
Kommentar:Du hast die Gabe, Worte zu finden und diese in anschaulicher, interessanter Form so zu formulieren, dass man das Gefühl bekommt, man ist mit dabei. Man kann vor seinem geistigen Auge alles genau sehen und erkennen. Genau das ist es, was einen guten Schreiber ausmacht! Genial!
Schönen Abend Maline
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