Aus Kapitel 5 - Zufall und Plan
Kurz darauf trafen Rafan, Noser und Bogel vor der Anemone ein, in der General Schoni seinen Posten bezogen hatte.
Die Truppe von Aran Voltas wartete vor der Anemone auf den nächsten Befehl, sie war deutlich kleiner geworden, wie Rafan erschrocken feststellen musste. Auch er selbst hatte viele Männer verloren.
Jetzt war es wichtig, die Männer zu beschäftigen, damit sie nicht mutlos
wurden. Noch war die Schlacht nicht gewonnen, und er musste seine Krieger bei Laune halten.
Er ließ absitzen und Nahrungsrationen verteilen, damit sich die Männer erholen konnten.
Jeder Krieger überprüfte seine Rüstung und seine Waffen, die Seepferdchen bekamen eine Sonderportion Seehafer und waren abgesattelt. Sie brauchten nach dieser Anstrengung genauso eine Pause wie ihre Reiter.
Rafan schnappte sich Suli und brachte ihn zur Wache am Eingang der Anemone.
„Dieser junge Soldat hat eine wichtige Nachricht für General Schoni“, sagte er zu dem Wachsoldaten, der mit einem Nicken zur Seite trat.
Suli rückte eilig seine Uniform und seinen kleinen Helm zurecht. Er hatte ein wenig Angst vor dieser Unterredung. Wie würde der General wohl reagieren?
„General Schoni, hier bringe ich dir deinen Boten zurück. Mit einer guten Nachricht“, rief Rafan beim Eintreten.
Sulis Herz pochte bis zum Hals. Er traute sich kaum, dem Kriegsherrn in die Augen zu schauen. Und irgendwie hatte er das Gefühl, der General könne seine Gedanken lesen!
„Nun, was hast du zu berichten?“ fragte ihn der alte Mann.
Suli räusperte sich mehrmals, salutierte und sagte dann kleinlaut:
„Ich…ich habe eine Seeschlange getötet“.
„Sie war riesig“, fügte Aran Voltas hinzu.
„Du hast…was?“ fragte Schoni den Boten ungläubig. Das war wohl ein Witz!
„Ich…ich habe sie wirklich getötet!“ verteidigte sich Suli. „Aus Versehen“.

„Aus Versehen?“ hakte der General nach. „Wie bitte soll ich das verstehen? Rede, Soldat!“
Sulis Knie zitterten und ein sehr flaues Gefühl machte sich in seinem Magen breit. Jetzt fühlte er sich wirklich wie ein Verbrecher!
Aran und Rafan, die sich genau vorstellen konnten, was in dem kleinen Boten vorging, sahen sich an und nickten. Dem Jungen musste geholfen werden!
„General Schoni, der junge Soldat hier hat vor einiger Zeit in der Hexenschlucht eine Pflanze entdeckt, deren Pollen absolut tödlich sind. Diesen Pollen hatte er bei sich und der Schlange ins Maul geworfen, als sie ihn angreifen wollte. Innerhalb weniger Minuten war sie tot“.
„Mit geschwollener Zunge und aufgeblähtem Körper. Ein ekelhafter Anblick“, fügte Rafan hinzu.
„Der junge Mann hat es allerdings versäumt, seinem Vorgesetzten von seiner Entdeckung Meldung zu machen, ihm blieb keine Zeit dazu. Daher mussten wir leider auf diese Waffe verzichten“.
Schoni holte tief Luft. Das war ja ungeheuerlich!
Er beugte sich zu dem jungen Boten hinunter, der wie ein Häufchen Elend vor ihm stand und kaum zu atmen wagte.
„Was hast du dazu zu sagen, Soldat?“ fragte er leise und seine Stimme klang dabei sehr bedrohlich.
Suli schluckte.
In diesem Moment wurde ihm klar, dass er dem Heer eine wichtige
Sache vorenthalten hatte, vielleicht wären ihre Feinde jetzt alle besiegt, vielleicht hätte niemand sterben müssen!
Tränen stiegen ihm in die Augen auf. Was hatte er sich bloß dabei gedacht?
Bestimmt würde der General ihn jetzt bestrafen! Sieben Jahre Putzdienst in den Schlafräumen der Wachsoldaten oder Stalldienst bei den Seepferdchen!
Und natürlich würden ihm die anderen Krieger ständig Vorwürfe machen, weil seinetwegen so viele hatten sterben müssen!
Suli konnte nicht antworten. Ein Schluchzen kam aus seiner Kehle, am liebsten wäre er davongelaufen! Er schlug die Hände vors Gesicht und fiel auf die Knie.
„Ich bin schuld, dass jetzt alle tot sind!“ rief er außer sich. „Ich ganz allein!“
Der alte General schaute erstaunt auf den kleinen Kerl herunter.
„Ach, hast du etwa die Seesterne auf uns gehetzt und ihnen befohlen, uns anzugreifen? Und hast du auch den Würfelquallen den Befehl dazu
gegeben?“ fragte er Suli gespannt.
Der junge Bote sah erstaunt zu dem General auf.
„Natürlich nicht!“ verteidigte er sich. Was sollte diese Frage?
„Dann bist du auch nicht für den Tod deiner Kameraden verantwortlich“, sagte Schoni langsam. Er musste diesem jungen Soldaten klarmachen, dass seine Vorwürfe vollkommen unnötig waren!
„Aber wenn wir die Waffe gehabt hätten“, wollte Suli protestieren, doch Schoni schnitt ihm das Wort ab.
„Sie hat bei der Seeschlange gewirkt, weil du den Pollen direkt in ihr Maul geworfen hast. Das funktioniert bei den Seesternen so nicht. Wir hätte mit dem Pollen die Korallen bestäuben müssen, über die sie gekrochen sind, und man weiß vorher nie, wo sie auftauchen. Und die Würfelquallen muss man auch auf andere Weise bekämpfen, wie du gesehen hast“, erklärte der General.
Das leuchtete Suli ein und er atmete erleichtert auf. Vielleicht würde seine Strafe nicht ganz so schlimm sein!
„Wo genau hast du diese Pflanze gefunden?“ fragte ihn Aran Voltas. „Ich habe einige Jahre als Heiler gearbeitet und kenne alle Pflanzen aus der Hexenschlucht. Von keiner ist mir eine solche Wirkung bekannt!“

Suli blickte erschrocken zu dem Offizier herüber. Ach herrje, das auch noch!
„Na ja“, antwortete er stockend, „ich habe sie nicht direkt in der Hexenschlucht gefunden. Ich bin bei einer Patrouille einem Nautiliden gefolgt, durch einen kleinen Tunnel, der von der Schlucht wegführt. Als wir den Tunnel verlassen haben, war dort ein riesiges Feld mit Korallen, wie ich sie noch nie gesehen habe. Riesige lila Blüten haben sie, und einige davon habe ich gepflückt. Es war ganz leicht. Und dann habe ich die Pollen in einigen Säckchen gesammelt, ich dachte, vielleicht könnten sie ja nützlich sein“.
„Und bei der nächsten Gelegenheit hast du sie bei einer Muräne ausprobiert, und festgestellt, dass der Pollen tödlich ist“, schloss Rafan seinen Bericht.
Suli nickte.
„Das war vor zwei Tagen. Ich habe den Pollen vergessen, weil ich für einen Kameraden einspringen musste, der krank wurde. Als heute Abend die Schlacht losging, habe ich einfach den Beutel mitgenommen, ohne groß nachzudenken. Erst als die Seeschlange mich angegriffen hat, ist es mir wieder eingefallen. Und da dachte ich, wenn’s bei der Muräne gewirkt hat, dann vielleicht auch bei der Schlange“.
Suli holte tief Luft. So, jetzt war es raus!
General Schoni stand am Ausgang der Anemone und blickte auf das Schlachtfeld hinaus.
Die Würfelquallen waren besiegt, die Seesterne waren allerdings immer noch da. Nur war ihre Anzahl deutlich geschrumpft. Die Generäle Modama, Kapis und Broman hatten wirklich ganze Arbeit geleistet!
Viele Tote und Verwundete waren zu beklagen, am schlimmsten war der Verlust von Suram Olis, und viele Korallenhöhlen waren zerstört. Aber mitten in dieser Katastrophe hatte ihnen Poseidon ein unglaubliches Geschenk gemacht
und diesen jungen Soldaten eine tödliche Waffe entdecken lassen!
Trotz seiner Trauer musste der alte Haudegen grinsen.
Er befahl Rafan, Bogel und Noser, die Truppen draußen auf dem Schlachtfeld zu unterstützen.
Die Männer machten sich sofort auf den Weg.


© M.C.Foster


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