Die Krötenwanderung

© Alf Glocker

„Die paar Kröten“, sagte der „liebe“ Gott und schickte sie aus, die Welt nicht zu erobern – aber das wussten sie damals noch nicht. Der Weg war schwer und weit, wer unkte musste zurückbleiben, und die Elstern nahmen sich regelmäßig ihren Teil. Auch all die anderen Zeitgenossen, die den paar Kröten nicht gerade freundlich gegenüberstanden, bedienten sich an ihrem Fleisch. Und so kamen sie nur sehr schleppend vorwärts.

Entschlossen überquerten sie die Autobahnen des Todes, wo die geistigen Trampeltiere unterwegs waren, die sich wenig um die paar Kröten scherten…nein, sie lachten auch noch, wenn es des Öfteren quatschte, und eine der Kröten zermatscht wurde. Aber schon die ersten Kröten erwiesen sich als sehr findig. Immer wieder fühlten sie sich wie in ihrem Element. Deshalb überlebten sie generell, auch wenn sie sich stets in Gefahr befanden.

Denn ihre Wanderung hatte sich sehr schnell herumgesprochen – und jeder wollte teilhaben, an ihrem großen Zug durch die unbarmherzige Natur! Wer konnte machte Jagd auf sie, aber irgendwie waren sie einfach nicht zu stoppen. Immer wieder gelang es ihnen eine Generation weiter zu kommen, obwohl ihre Verluste hoch und ihre schier überkrötlichen Anstrengungen sogar ihnen selbst unsäglich erschienen.

Hungersnöte und Dezimierungen durch Feinde – manchmal ging es sogar Kröten gegen Kröten – brachten sie an den Rand ihrer Möglichkeiten, so daß ihr Aussterben manches Mal sehr wahrscheinlich wirkte…doch dann hatte eine nach der anderen gute Ideen. Sie erfanden das K-Rad und kamen schneller und schneller voran! Kröte um Kröte befreite sich aus dem tödlichen Sog des Verderbens und langsam entwickelten sie Ansprüche.

Mit der Zeit erlernten sie das Segeln, ja, sogar das Fliegen, sie wälzten sich nicht einfach mehr von Sumpf zu Sumpf, sondern bewegten sich zügig, auf den von ihnen gebauten Straßen, durch ihr kleines Universum. Regelrechte Krötenmetropolen entstanden, überall in der Krötenwelt, und schließlich profitierten auch die Nichtkröten, Ochsenfrösche, und Schönfärberfrösche, allerlei Lurche und Zündelsalamander von ihren Errungenschaften.

Aus den paar Kröten war ein stattliches Sümmchen geworden, das Konten besaß und Steueroasen hegte und einen derart freizügigen Lebensstil genoss, daß alle anderen Tiere, wie Terrorechsen, Müllratten und komische Vögel aller Art, vor Neid platzen, so, daß es an allen Ecken und Enden der Erde laut zu krachen anfing! Doch das beunruhigte die Kröten nicht und der „liebe“ Gott hatte anscheinend ebenfalls keine Bedenken.

Ober- und Unterkröten arrangierten sich mit der neuen Situation und der große Rat der Kröten entschloss sich schließlich Tributzahlungen an minderbemittelte Aasfresser zu bewilligen, damit man selbst nicht umgehend gefressen werde. Das Internationale Krötenrecht trat in Kraft und die feine Gesellschaft der Kröten konnte in aller Ruhe weiter ihre Partys feiern, sich auf Seerosenblättern betrinken und lustige Orgien veranstalten.

Wer mitmachen wollte war herzlich eingeladen und so kamen auf einmal Milliarden riesige Heuschrecken, schleimige Schlammspringer, Giftschlangen, blinde Schleichen und andere, die sich gut einschleichen konnten. Daraus entwickelte sich eine ganz neue Krötenmode: das Farbwechseln, wie sie es bei den Chamäleons Brauch ist. Chamäleons saßen schon längere Zeit in der Regierung und machten den Kröten gründlich was vor…

z.B. wie man, durch Mimikry, ungesehen absahnen konnte. Wie man seine Zunge gebraucht, oder wie man solange vor- und zurückpendelt, bis keiner mehr weiß wohin man eigentlich möchte, dann aber doch zuschlägt, um sich anständig satt zu fressen. Daraus lernten die Kröten sehr viel…so viel, daß sie sich eines Tages, sogar ganz locker, selbst austricksen konnten. Das aber war scheinbar schon immer ihr einziges Ziel gewesen.

Denn eines Tages, als es den Kröten drohte bald richtig gut zu gehen, machten sie ihren letzten Deal. Sie beauftragten die Chamäleons, sich selbst, also die Kröten, zum Kauf anzubieten. Den Zuschlag sollte der bekommen, der am wenigsten dafür zu tun imstande war, weil er nichts weiter besaß, als die Frechheit, alle Kröten den geistigen Trampeltieren zu überlassen! Abgesegnet wurde der faule Handel durch einen enorm weisen Schuhu.

Obwohl die Kröten nun also die Welt erobert hatten – allen Auseinandersetzungen und Widerständen zum Trotz – hatten sie Welt doch nicht erobert und nun kam es ans Licht, was nie vorher so gut erkennbar gewesen war, wie kurz vor ihrem Ende: Kröten sind eben doch nur Kröten! Was sie auch erlernt haben mochten, und was sie alles in Bewegung bringen konnten…ihr Schicksal war es eben doch nur zermatscht zu werden!


© Alf Glocker


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