Aus Kapitel 3 - Netze und Tentakel
Am Medusenhügel spitzte sich die Lage zu.
Die Attacken der Seesterne wurden immer wilder, sie wandten sich jetzt wütend hin und her, denn längst hatten sie die vielen Dolchstöße der Korallenwesen zur Weißglut getrieben.
Und natürlich bemerkten sie auch, dass man sie ihrer Giftstachel beraubte.
Die kreisenden Schatten der Riffhaie, die sie keine Sekunde aus den Augen
ließen, nahmen sie erst gar nicht wahr.
Dafür aber die Korallenwesen.
Sie schleuderten die kleinen Kugeln mit dem ätzenden Pollen der Medusenkoralle auf die Seesterne, und der Pollen fraß sich in die
offenen Stellen der obersten Hautschicht, wo vorher die Giftstacheln
Gesteckt hatten.
Der Pollen löste einen sehr starken Juckreiz aus, der die Seesterne ganz verrückt machte.
Und so verfingen sie sich immer mehr in den Leinen, die am Seeigelfelsen verankert waren.
General Schoni und seine Männer sahen mit grimmiger Genugtuung, dass ihre Taktik aufging, so mancher Korallenkrieger jubelte innerlich bereits.
Aber der zweite Feind – die Quallen – forderte immer mehr Todesopfer.
Schoni sah besorgt zur Meeresoberfläche, die gar nicht so weit weg war, und hoffte, dass seine Hilfstruppe bald eintreffen würde.
Das Mondlicht schien von oben durch das Wasser, und während Schoni und seine Männer ihre Pollenkugeln schleuderten, konnten sie hier und da einen Blick nach oben zu den Quallen werfen.
Sie leuchteten wunderschön im Mondlicht, kaum zu glauben, dass sie so tödlich waren!
Der alte General dachte mit Kummer an die Aufgabe, die ihm noch bevorstand. Suram Olis Leiche lag noch immer in der Anemone, er würde sie persönlich zurück bringen und dem König Bericht erstatten. Das war er seinem alten Freund schuldig.

Suli Pem hatte indessen mit den drei Truppen die Hexenschlucht durchquert, nun begann der Aufstieg am Sonnenhügel hinauf.
Pfeilschnell schossen die Seepferdchen mit ihren Reitern nach oben, es war ein sensationeller Anblick!
Unterwegs hatten die Offiziere Rafan, Noser und Bogel besprochen, wie sich aufteilen und Aran Voltas Männer unterstützten wollten.
„Ich schlage mich mit meiner Truppe durch die Mitte, ihr nehmt die
Flügel“, schlug Rafan vor, die anderen nickten.
Mit ihren Speeren, die mit Widerhaken besetzt waren, wollten sie direkt auf
die Köpfe der Quallen zielen.
Sie wussten, dass diese Tiere zum großen Teil aus Wasser bestanden, die Wunden würden sie erheblich schädigen!
Aber selbst dann waren ihre Tentakel noch immer gefährlich, daher mussten sie Krieger vorsichtig zu Werke gehen.
Als sie Spitze des Hügels erreicht hatten, nahmen alle sechshundert Männer Stellung auf und beobachteten das Kampfgeschehen von oben. Suli versteckte sich mit seinem Seepferdchen Roki hinter einem großen Seegrasbüschel und blickte ebenfalls zum Schauplatz.

Zwei kleinere Seesterne waren in ihren Leinen gefangen, bissen wütend um sich, während Thora mit ihrer Truppe die Giftstachel aus ihren Rücken zog.
Hunderte anderer Krieger schleuderten ihre Pollenkugeln auf den Feind, und
die Riffhaie umkreisten das ganze Schlachtfeld mit gierigen Blicken.
„Wo sind die anderen Seesterne?“ fragte Noser und sah sich um.
Über den Meeresboden hatte sich eine trübe Schlammwolke gelegt, dort konnten die Krieger nichts entdecken.
„Möglicherweise halten sie da unten ein Festmahl ab“, antwortete Bogel mit angewidertem Gesichtsausdruck.
Der Gedanke, dass diese Untiere die eigenen Kameraden auffraßen, versetzte alle in Wut.
„Tod diesen Biestern!“ schrieen die Männer und schüttelten ihre Speere.
„Lasst sie uns aufspießen!“
„Ruhig, Männer, ruhig!“
Rafan trieb sein Seepferdchen an den Reihen der aufgestellten
Krieger entlang.
„Wir müssen Ruhe bewahren!“ sprach er mit lauter Stimme. „Wir haben uns nicht um die Seesterne zu kümmern, das machen die anderen Kameraden. Unsere Aufgabe sind die Quallen, wir müssen dafür sorgen, dass sie von hier verschwinden! Wir werden unsere Speere auf sie
schleudern und so dafür sorgen, dass sie für den Tod der Kameraden

bezahlen! Aber ich will keine überstürzten Aktionen sehen, habt ihr das verstanden? Ich erwarte, dass ihr alle diesen Angriff überlebt, ist das klar?“
Rafan blickte seine Männer streng an. Er konnte keinen gebrauchen, der sich hier zum Held aufspielen wollte und diesen Übermut mit dem Leben bezahlte.
Die Männer beruhigten sich wieder.
Dann kam Aran Voltas mit seiner Truppe. Sie hatten die Seile besorgt, und ein großer Teil der Männer war bereits dabei, nach oben zur Wasseroberfläche zu schwimmen und die Netze auszubreiten.
Die Offiziere berieten sich eingehend, es war wichtig, dass alle gleichzeitig angriffen, um dem Feind möglichst wenig Raum zum Gegenangriff zu lassen.
„Ihr solltet euren Angriff erst dann starten, wenn wir die Netzte ausgebreitet haben“, schlug Aran vor und die anderen nickten.
„Wahrscheinlich wird uns dadurch das Einfangen der Tentakel erleichtert“.
Rafan blickte vom Hügel aus nach oben.
Die ganze Meeresoberfläche war von den Quallenköpfen bedeckt, ihre Tentakel hingen wie ein riesiger Vorhang herab.
„Aran, du gibst das Zeichen“, sagte er dann und ging mit Noser und Bogel zu seinen Männern zurück.
Wenig später senkten sich die Netze auf die Quallen herab, verwirrt
versuchten die Tiere zu entkommen.
Ceti und Telam schleuderten mit ihrer Truppe die mit Muschelleim getränkten Seile um die Tentakel, es war das reinste Himmelfahrtskommando, und keiner wusste mit Sicherheit, ob es wirklich gelingen würde. Aber der Leim sorgte zumindest dafür, dass sich die Tentakel ineinander verklebten.
Kurz darauf stürzten sich Rafan’s Männer kampfbereit und todesmutig auf die Quallenköpfe und stachen mit unerbittlicher Härte zu.
Es mochten etwa tausend Quallen sein, die natürlich nicht mit einem Angriff von oben gerechnet hatten.
Aber bevor sie noch recht wussten, wie ihnen geschah, war der Schaden schon angerichtet.
Ihre gelartige Haut platzte auf, das Wasser entwich, und die Quallen schrieen in Todesqualen auf.
Sie krümmten ihre Tentakel, schüttelten ihre Köpfe, die merkwürdig zusammenschrumpften und sanken nach einer Weile zu Boden.

Aran Voltas blickte zufrieden nach unten. Es klappte bisher ganz gut, aber noch war die Gefahr nicht vorbei.
Immer wieder schwammen seine Männer nach oben, die Netze im Schlepptau, um sie dann im geeigneten Moment herabsinken zu lassen.
Natürlich hatten die Quallen mittlerweile begriffen, dass sie von oben attackiert wurden und wehrten sich dagegen.
Leider hatten sie damit Erfolg, etliche Männer sanken in Todesqualen zu Boden. Aran befahl seinen Kriegern, sie liegen zu lassen. Sie würden sich später um die Toten kümmern und trauern, jetzt war dafür keine Zeit.
Es war ein grausamer Befehl, dass wusste Aran nur zu gut, aber ein Krieger durfte sich in einer Schlacht vom Tod eines Kameraden nicht ablenken lassen!
Die bereits gefüllten Netze mit den toten Quallen wurden von Ceti’s Männern zum Sachel-Schlund gebracht. Der Eingang des Schlundes lag direkt unterhalb eines Hügels, der mehrere tausend Meter steil zum Meeresboden abfiel, man konnte den gefährlichen Sog sogar noch hier
oben spüren!
Vorsichtig näherten sich die Krieger dem Abhang und ließen die Netze los.
Sofort wurden sie nach unten gezogen und in den Schlund hineingesaugt.
„Die sind wir los“, sagte Ceti und nickte. Er gab das Zeichen zur Rückkehr und wendete sein Seepferdchen.
Es wartete noch eine Menge Arbeit, noch hatten sie diesen Teil der Schlacht nicht gewonnen!

Währenddessen fielen weitere Krieger dem Gift der Quallen zum Opfer.
Es war ein grausiger Anblick, Suli Pem duckte sich mit seinem Seepferdchen Roki hinter dem Seegrasbüschel und überlegte, was er General Schoni berichten sollte.
Keinen Moment wünschte er sich, mitkämpfen zu müssen, er war froh, dass er auf dem Beobachterposten saß. Aber er bewunderte die anderen Krieger, die sich so mutig im Kampf zeigten, obwohl so viele ihrer Kameraden dabei starben.
Auch die Seepferdchen mussten Höchstleistungen vollbringen, um ihre Reiter aus der Gefahrenzone zu bringen.
Suli bewunderte die eleganten Tierchen, es waren sehr erfahrene Rösser, die besten des Reiches. Trotzdem starben viele von ihnen genau so qualvoll wie ihre Reiter.
Der junge Bote klammerte sich ängstlich an den Hals seines Reittieres.
So verbrachte er die nächsten Stunden. Er bemühte sich, die Truppen von Rafan, Noser und Bogel im Auge zu behalten, was sich aber als
schwierig erwies. Denn zum einen waren tausende Krieger am Angriff der Quallen beteiligt, andererseits wirbelten Staubwolken vom Meeresboden auf, die die Sicht einschränkten.
Suli Pem wurde müde, seine Augen vom angestrengten Hinschauen immer schwerer. Und so schlief er ein.


© M.C.Foster


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