Rot und Silber - Teil 1

„Alarm! Alarm!“
Gellend halten die Schreie des Wächters durch die zahlreichen Gänge des Korallenreiches.
Sämtliche Bewohner kamen aus ihren Höhlen, blickten erschrocken um sich. Es war mitten in der Schlafenszeit!
„Bringt euch in Sicherheit, schnell!“ rief ein zweiter Wächter ihnen beim Laufen zu. Bevor jemand Fragen stellen konnte, war er verschwunden.

Die Korallenwesen erlebten sehr häufig Angriffe ihrer Fressfeinde, den gefräßigen Schnecken und Fischen, die von außen an der Hülle der Korallen nagten und sie zerstörten.
Am schlimmsten waren jedoch die Dornenkronenseesterne, die aufgrund ihrer Färbung von allen nur „die rote Flut“ genannt wurden und das Reich immer wieder überfielen. Ohne jegliche Vorwarnung und in sehr großer Anzahl.
„Das ist schon das dritte Mal in diesem Mondzyklus“, rief einer der Frauen aufgebracht, „wie oft sollen wir denn noch umziehen?“
„Beruhige dich, Athea“, sagte ihr Mann und legte den Arm um sie, „die Baumeister werden uns neue Höhlen errichten. Du weißt doch, wie geschickt sie sind“. Die junge Frau nickte, ganz überzeugt schien sie jedoch nicht zu sein. Ständig mussten sie sich neu einrichten und wieder zurechtfinden, das war auch für ihre Kinder nicht ganz einfach! Der König musste endlich einen Weg finden, um diese Angriffe zu stoppen!
Sämtlich Korallenwesen eilten, so schnell sie konnten, durch die Gänge. Sie bestanden aus hellem Kalkgestein, blank poliert von
unzähligen Händen. Sie leuchten im sanften Blau der Quallensteine, die überall in die Wände eingelassen waren.
Zu dieser Stunde konnte sich jedoch niemand an dem geheimnisvollen Licht erfreuen, geschweige denn die wunderschönen Malereien an den Wänden bewundern. Alle hatten das nötigste eingepackt, keines der Korallenwesen wusste, ob seine Höhle nach dem Angriff noch bewohnbar war.

Und so eilten tausende Bewohner des Königreiches unter dem Meer mit ihren Familien voran, ihr Ziel war die geräumige Halle der Ahnen, die tief unter dem Königreich lag. Dort fanden sie Schutz und Unterkunft für die nächste Zeit.
Als Athea und ihre Familie dort eintrafen, herrschte bereits ein großes Gedränge. Die Kinder weinten, die Erwachsenen teilten ihre Besorgnis untereinander aus, und verschiedene Wächter sorgten in dem großen Durcheinander dafür, dass zumindest alle einen Platz fanden.

Die Halle der Ahnen war riesig, die verzierte Decke wölbte sich hoch über den vielen Säulen, die an den beiden Längsseiten angebracht waren. Zwischen den Säulen befanden sich unzählige Terrassen, dort hielten die Korallenwesen ihre Trauerfeiern ab. Die bedeutendsten Persönlichkeiten des Reiches fanden in den Gräbern im hinteren Teil der Höhle ihre letzte Ruhestätte. Jedes Grab war mit einem Standbild des Verstorbenen geschmückt, unzählige Quallensteine erhellten die Steinfiguren, die beinahe wie Wächter von ihren Terrassen auf die Korallenwesen hinunterblickten.
Es dauerte eine ganze Weile, bis Athea mit ihrer Familie einen Platz gefunden hatte, stumm blickten sie zu den Standbildern hinauf.
„Beschützt uns“, murmelte sie leise. „Poseidon steh uns bei!“
Ihr Ehemann Krofon wies die Kinder an, still auf den Bänken sitzen zu bleiben.
Um die Kleinen ein wenig abzulenken, begann er, ihnen die Geschichte von
Sachel, dem berühmtesten Baumeister der Korallenwesen zu erzählen. Der hatte vor tausenden von Jahren mit seiner Truppe
dieses Höhlenreich erschaffen. Und da Krofon ein sehr guter Erzähler
war, hörten ihm bald alle zu, die in seiner Nähe saßen. Und so wurden sie wenigstens ein bisschen abgelenkt.


© M.C.Foster


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