Julius erwachte. Er schlug die Augen auf und wusste nicht, wo er war oder was passiert ist, nachdem er anscheinend das Bewusstsein verloren hatte. Er versuchte sich aufzurichten, jedoch hatte er nicht genug Kraft. Er fühlte sich, als hätte er ewig geschlafen. Er drehte den Kopf und konnte zumindest schonmal einen Blick auf seine Umgebung werfen. Er befand sich in einem Raum, indem alles weiß war. Die Wände, die Decke, sogar die Möbel. Selbst das Bett in dem er lag, war vollständig weiß. Soweit er das beurteilen konnte, lag er in einem Bett in der Ecke des Raumes. Rechts vom Bett, an der Wand stand ein Schreibtisch. Dort standen auch ein Strauß Blumen und mehrere Bücher. Der Stuhl, welcher normaler Weiße vor dem Schreibtisch stand, war gedreht und zu dem Bett bewegt worden. Er sah so aus, als ob jemand erst vor Kurzem dort gesessen hatte. Links vom Schreibtisch, gleich nach der Ecke, war eine weiße Tür eingelassen worden. Zu seinem Fußende konnte Julius sowas wie eine Kommode und einen Schrank ausmachen. Genauso weiß wie der Rest. Der Raum hatte etwas Beängstigendes an sich. Neben dem Bett war ein kleines Fenster eingelassen worden. Dadurch konnte Julius erkennen, dass es irgendwann früher morgen war. Erneut versuchte er seine Gliedmaßen zu bewegen. Langsam und unter großer Anstrengung schaffte er es sich aufzurichten. Plötzlich fuhr ihm ein Schmerz durch die Brust. Jetzt erinnerte sich daran, dass Paimon ihm die Hand in die Brust gesteckt hatte. Er schaute an sich herunter, konnte aber keine Narben oder Wunden erkennen. Nachdem sich der Schmerz gelegt hatte, versuchte er sich ans Bett aufzusetzen. Mit einiger Mühe, aber weniger als zuvor, schaffte er es. Er fühle sich schwummrig. Sein Kopf war schwer, seine Gedanken zäh. Erst jetzt bemerkte er, dass jemand ihn ausgezogen und weiße Kleidung angezogen hatte. Er trug ein T-Shirt und eine Hose, aber mehr nicht. Sein Blick viel auf einen kleinen Standspiegel, der auf dem Schreibtisch stand. Irgendwie hatte er das Bedürfnis, sich in dem Spiegel anzusehen. Er versuchte aufzustehen und schaffte es nach ein paar Anläufen. Musste sich aber auf der Stuhllehne abstützen. Langsam setzte er einen Fuß vor den anderen. Es war als müsste er jeden Muskel einzeln bewegen. Als hätte er sie seit Jahren nicht mehr bewegt. Nachdem Julius sich einigermaßen sicher fühlte bewegte er sich Richtung Schreibtisch. Er ließ den Stuhl los und schaffte es eher schlecht als recht zu dem Schreibtisch zu torkeln. Er stützte sich auf die Tischplatte, griff nach dem Spiegel und schaute hinein.
Aeron ging durch die Gänge des Ordens. Immer wieder begegnete er Ridern oder Leuten des Wissenschaftsteams oder Verwaltungsangestellten. Sein Ziel waren die Krankenzimmer. Vor einer Woche wurde ein verletzter Zivilist eingeliefert worden. Er hatte die Begegnung mit einem Dämon knapp überlebt. Doch seine Situation war weiterhin kritisch. Auch wenn er keine Schäden am Körper erlitten hatte, außer vielleicht ein paar Schrammen. Der Schaden an seiner Seele war schlimmer. Bisher war er bewusstlos, was ein Wunder ist. Aeron fragte sich, ob er überhaupt wieder aufwachen würde. Und wenn ja, als was. So etwas war noch nie vorher passiert. Die Einherjar berieten sich bereits, was mit ihm im Falle eines Falles zu tun wäre. Was am Ende zu tun ist, wird die Zeit zeigen. Mittlerweile hatte er den Gang mit dem Zimmer erreicht. Vor der Tür sollte eigentlich immer ein Rider positioniert sein. Aber von dem fehlte jede Spur. Aeron seufzte. Aber das konnte warten. Aeron wollte gerade die Tür öffnen, als er ein Geräusch und einen Schrei hörte. Er hechte hinein und fand eine Person neben dem Schreibtisch sitzen. Vollkommen verstört sah er Richtung Boden. Dort wo er hinsah, lag der Spiegel vom Schreibtisch. Er ging auf ihn zu und berührte ihn sanft an der Schulter.
Aeron: Julius!? Julius Belmont!
Julius: Meine Augen. Was ist mit meinen Augen?
Aeron ging vor Julius. Dieser sah ihn an. Aeron erschrak. Julius Augen hatten eine gelbe Farbe angenommen.
Julius: Sie sehen aus, wie bei ihr.

Nachdem Julius sich einigermaßen wieder beruhigt hatte, half Aeron ihn zum Bett und setzte sich ihm gegenüber auf dem Stuhl. Eine Weile sagte keiner von Beiden etwas. Aeron konnte nicht mal erahnen, wie es in Julius aussehen musste. Seine Welt hatte sich in wenigen Stunden verändert. Und nun hatte sich sein Leben auf ewig verändert. Die meisten Menschen, die Kontakt mit einem Dämon hatten und heil rausgekommen sind, konnten danach kaum in ihr altes Leben zurückkehren. Viele der Menschen, die für den Orden arbeiten, hatten früher eine Begegnung mit einem Dämon. Doch dieser Fall war einzigartig. Am besten er versuchte erstmal Julius erstmal seine Situation zu erklären.
Aeron: Julius Belmont?
Julius richtete den Blick auf und sah Aeron direkt an. In seinem Blick lag Verzweiflung und Angst.
Aeron: Julius, mein Name ist Aeron. Ich gehöre zu dem schwarzen Orden.
Julius: Der schwarze Orden?
Aeron nickte.
Aeron: Wir sind ein Orden von Dämonenjägern, die Rider genannt werden. Einer dieser Rider hat sie vor einer Woche hierhergebracht. Ich weiß nicht, ob sie es verstehen, aber ich will trotzdem versuchen es ihnen zu erklären.
Julius nickte langsam und Aeron fuhr fort.
Aeron: Ich weiß, dass sie Professor an der Londoner Universität sind. Spezialist für Mythologien, Religionen und Geschichte. Das vereinfacht die Sache.
Julius: Was meinst du damit?
Aeron: Was wäre, wenn ich ihnen erzählen würde, dass einiges aus der Mythologie, dass sie studiert haben, wahr sind.
Julius musste lachen.
Julius: Wenn du vor einer Woche einer meiner Studenten gewesen wärst, hätte ich dir gesagt, dass du entweder zu viel getrunken hast oder, dass du zu viel Aberglauben besitzt. Aber jetzt…
Aeron: Jetzt fällt es ihnen schwer etwas anderen zu behaupten.
Julius: Ja. Ich sitze hier und hoffe, dass alles nur ein schlechter Scherz oder sowas ist. Ein Traum vielleicht. Aber nein. Ich weiß, dass das hier die Realität ist.
Aeron schwieg. Dieser Julius war doch noch nicht so nah an der Verzweiflung, wie zuerst gedacht. Er hatte die Situation als absolut akzeptiert.
Julius: Ich will nicht behaupten, dass ich alles verstehe. Deshalb möchte ich dich direkt fragen. Was ist mit mir passiert? Bin ich noch ein Mensch, oder einer von denen? Und was wird mit mir geschehen?
Aeron: Sie sind…
Julius: Lass das.
Aeron stockte. Er schaute Julius an.
Aeron: Was?
Julius: Hör auf mich so höflich anzusprechen. Du und diese Rider haben mich gerettet. Ich schulde euch mein Leben. Deshalb können wir uns denke ich das „Sie“ und „ihnen“ sparen.
Aeron: Okay. Danke dir.
Julius nickte und bedeutete ihm fortzufahren. Aeron räusperte sich.
Aeron: Du bist noch ein Mensch. Zumindest teilweise. Der Dämon, Paimon, mit dem du Kontakt hattest, hat versucht dich in einen Dämon zu verwandeln. Inwiefern ihm das gelungen ist, können wir noch nicht sagen. Ich kann dir auch nicht sagen, was mit dir passieren wird. Nicht weil ich es nicht darf, sondern weil ich es nicht weiß. Auf jeden Fall wirst du vor eine Wahl gestellt.
Julius: Welche Wahl?
Aeron: Ob du uns beitreten möchtest. Dem schwarzen Orden.
Julius: Der schwarze Orden… Du sagtest ihr wärt Dämonenjäger.
Aeron: Nicht nur. Der schwarze Orden ist viel umfangreicher. Aber im Groben hast du recht. In erster Linie sind wir Dämonenjäger. Die Jagd an und für sich wird von den Ridern übernommen. Rider sind Menschen, wie du und ich, mit besonderen Fähigkeiten und Talenten. Der Rest von uns Normalen unterstütz die Rider. Jeder auf seine Weise.
Julius: Und ihr alle bildet den schwarzen Orden.
Aeron nickte bestätigend.
Aeron: Selbstverständlich umfasst der Orden noch ein Netzwerk von Behörden, Regierungen und anderen Einrichtungen auf der ganzen Welt.
Julius: Und wo bin ich hier?
Aeron: Im Hauptquartier des schwarzen Ordens im Raum Europa. Um genauer zu sein, noch in London. Wir haben in den meisten Ländern eine Einsatzzentrale. Und auf jedem Kontinent gibt es ein Hauptquartier. Aktuell befinden wir uns in deinem Krankenzimmer auf der Krankenstation.
Julius: Was ist die Aufgabe des Ordens. Ich weiß, dass ihr diese Dämonen jagt, aber was dann?
Aeron überlegte kurz, bevor er antwortete. Wie viel konnte er diesem Zivilisten erklären? Jedoch war sein Leben als normaler Mensch sowieso vorbei. Also sollte er ruhig alles erfahren.
Aeron: Das könnte länger dauern.
Julius schmunzelte.
Julius: Ich habe Zeit, denke ich.
Aeron: Also schön. Wie gut weißt du über die Legende der Tore nach Niflheim Bescheid?
Julius stützte den Kopf auf die Hände und überlegte einen Moment.
Julius: Nach der Geschichte trägt der Weltenbaum verschiedene Welten, oder auch Ebenen genannt. Die Welt der Götter, Asgard. Die Welt der Menschen, Midgard. Sowie die Welt der Toten und Verlorenen. Niflheim. Nach dem Glauben der Nordmänner, landen Männer und Frauen, die mit einer Waffe in der Hand, also im Kampf starben in Asgard oder genauer gesagt in Walhalla. Der Rest, der eines natürlichen Tods oder unehrenhaft gestorben sind, in Niflheim, wo sie ewige Qualen erwarten. Dunkelheit, Kälte, Einsamkeit. So wird die Hölle beschrieben. Nachdem einige der Seelen dieses Schicksal nicht akzeptieren wollten und einen Handel mit Hel, der Herrin von Niflheim eingingen, verschlossen Odin und seine Einherjar die Zugänge von Midgard nach Niflheim. Ist das so in etwa korrekt?
Aeron: Soweit alles richtig. Wie von einem Professor für Mythologie zu erwarten. Dann will ich dir mal etwas von dem Wissen geben, was nicht in den Schulbüchern steht.
Aeron räusperte sich.
Aeron: Mal schauen, ob ich es noch aus dem Gedächtnis zusammenbekomme. Wie du schon weißt, waren die ersten Dämonen, Seelen von Menschen, die durch Hel verwandelt wurden. Sie beneideten die Lebenden. Nachdem Odin und die Einherjar die Zugänge nach Niflheim auf Midgard mittels Toren verschlossen hatten, steckten die Dämonen in Niflheim fest. Aber nicht für lange. Denn Hel hatte das vorhergesehen. So verband sie die Dämonen mit den negativen Emotionen der Menschen auf Midgard. Somit drückten die Dämonen aus Niflheim, angespornt von der negativen Energie in Midgard, gegen die Tore und schafften es sie ein Stückweit zu öffnen. Dadurch konnten Dämonen und weitere negative Energie aus Niflheim nach Midgard sickern. Diese Dämonen sorgen in unserer Welt für Chaos und Zerstörung. Somit rufen sie noch mehr negative Energie hervor. Und je mehr negative Energie in dieser Welt vorherrschen, desto mehr werden die Dämonen aus Niflheim angespornt sich gegen die Tore zu stemmen und in unsere Welt zu kommen. Du siehst also, worauf ich hinauswill.
Julius nickte.
Julius: Irgendwann werden die Tore komplett offenstehen. Die Dämonen aus Niflheim werden nach Belieben über die Menschen herfallen. Die Welt wie wir sie kennen wird untergehen.
Aeron: Jedoch besteht Hoffnung. Die Einherjar, welche von Odin hiergelassen wurden um die Tore zu beschützen, erkannten diese Bedrohung und handelten. Sie suchten Menschen mit besonderen Fähigkeiten. Menschen, die bereit waren die Menschheit zu verteidigen. Zusammen bekämpfen, Menschen und Einherjar, die Dämonen und schicken sie und die negative Energie zurück nach Niflheim. Somit wurden die Tore über hunderte von Jahren geschlossen gehalten. Diese Menschen werden Rider genannt. Der schwarze Orden wurde viel später gegründet. Auf der einen Seite um die Rider zu unterstützen, als auch um die ein Auge auf die Tore zu haben.
Aeron machte eine Pause. Julius sah so aus, als wäre er in tiefen Gedanken versunken. Er konnte es verstehen. Das war viel zu verarbeiten. Nach einer Weile regte sich Julius.
Julius: Und ich soll mich diesem Orden anschließen? Zur Verteidigung der Menschheit?
Aeron: So gesagt… Ja.
Julius seufzte laut auf.
Julius: Eine Frage. Und ich möchte eine ehrliche Antwort.
Aeron nickte und bedeutete Julius seine Frage zu stellen.
Julius: Kann ich in mein normales Leben zurückkehren?
Aeron brauchte einen Moment. Was sollte er ihm sagen? Die Wahrheit? Dass er so eigentlich keine Chance mehr hatte? Am besten er erfährt es gleich.
Aeron: Vermutlich nicht. Das kommt drauf an, wie sehr deine Veränderung fortgeschritten ist. Aber wenn ich raten müsste, dann stehen deine Chancen schlecht. Du wurdest in einen Dämon verwandelt, wenn auch nur teilweise. Egal wie du es drehst. Du bist kein reiner Mensch mehr. Du steckst in dieser Sache mehr drin, als die Meisten.
Julius lächelte traurig.
Julius: Danke. Das hatte ich befürchtet.
Stille setzte zwischen ihnen ein. Keiner sagte ein Wort. Keiner wusste, was er sagen sollte. Nach einer Weile entschied Aeron, dass Julius Zeit für sich bräuchte, stand auf und ging zur Tür. Er wollte gerade die Tür öffnen, als Julius seine Antwort gab.
Julius: Also gut. Ich helfe euch.


© Sora Hataki


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