Ich starre aus dem Fenster auf die Straßen und Häuser von Grimring. Die ganze Stadt war auf den Beinen und traf die letzten Vorbereitungen für die Zeremonie. Heute würde der neue König gekrönt werden. Mein Blick wanderte über die große Hauptstraße, die vom Diamantenviertel über das Händler- und Schmiedeviertel bis hinauf zum Stadion führte. Das Stadion war in einen riesigen Stalaktit gehauen worden. Und zwar so, dass sich die äußere Mauer um den Felsen zieht. Sehr eindrucksvoll. Dort würde die Krönungszeremonie stattfinden. Es war extra die Tribüne mit dem Thron dort aufgebaut worden. Hunderte von Zwerge würden dabei sein. Selbst Zwerge aus anderen Ländern und Städten waren gekommen, hatten wochenlange Reisen durch die Thaige hinter sich. Es klopfte an meiner Zimmertür. Ich drehe mich zu ihr und rufe laut: „Herein“. Die Tür öffnete sich und mein Berater Malakit betritt mein Arbeitszimmer. Er verbeugte sich knapp. „Eure Majestät, es wird Zeit:“ „Ich weiß. Ich komme“. Ich verlasse meinen Platz an dem Fenster und folgte Malakit aus meinem Zimmer durch die Gänge des Anwesens. Er wendet sich zu mir. „Bist du nervös?“. Ich lache. „Selbstverständlich. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass ich so bald den Thron besteigen würde. Ich hätte noch so viel von meinem Vater lernen können.“ Ein Seufzen unterstrich meine Gedanken. „Ich fühle mich nicht bereit, mich mit den anderen Häusern zu schlagen.“ Malakit lachte über meine Wortwahl. „Das kann ich mir vorstellen.“ Schweigend setzten wir unseren Weg fort und machten als nächstes Halt vor der großen, eisernen Doppeltür. Ich nickte Malakit zu und er befahl den Wachen die Tür zu öffnen. Sie schwang auf und sofort wehte mir ein Jubeln entgegen. Ich ertrug ihn und schritt mit mäßigen Schritten aus dem Anwesen. Es war Tradition, dass sich der zukünftige König von seinem Volk begrüßen lässt, während er seinen ersten Schritt zum Amtsantritt macht. Also laufe ich erhobenen Hauptes an der Menge vorbei. In regelmäßigen Abständen hatte die Stadtwache Position bezogen, um die Menge unter Kontrolle zu halten, oder falls jemand vorhatte einen Anschlag auf mich zu verüben. Ich bettete im Stillen zu den Paragon und bat um Schutz. Ich wollte nicht sterben. Ich wollte auch nie König werden. Und doch beschreite ich nun den Weg um zum König gesalbt zu werden. Elendig langsam baute sich das Kolosseum vor mir auf. Während des ganzen Weges hatten mich dich Zwerge bejubelt. Aber das war nicht alles. Auch sind mir immer wieder Gesichter aufgefallen, die mich mit ernsten, fast schon hasserfüllten, Blicken ansahen. Doch das lag jetzt hinter mir. Ich betrat das Stadion. Aber ich wusste, dass das nur der einfache Teil war. Als Nächstes standen die Zeremonie und die Ernennung an. Meine Schritte halten durch den großen Haupteingang des Stadions. Ich bog in einen kleinen Gang ab und verschwand in ein Zimmer. Dort wurde ich bereits von Malakit erwartet. Er nickte mir zu und ich nickte zurück. Er reichte mir eine goldene Rüstung und einen blauen Umhang mit weißem Pelz. Ich halte die Rüstung einen Moment in meinen Händen. Es war nur eine Zierrüstung. Nicht wirklich für den Kampf geeignet, aber für die Zeremonie erfüllte sie ihren Zweck. Ich lege sie an. Malakit hilft mir mit dem Umhang. Ich betrachte mich im Spiegel. Mein rostbraunes Haar war glatt nach hinten gekämmt und in meinen Bart waren Perlen und Zöpfe geflochten. In der Rüstung, so fand ich, wirkte ich fast schon etwas prunkvoll. Malakit tippte mir auf die Schultern. Ich drehe mich um und er deutet auf die Tür. Ich seufze. Es war Zeit. Ich verließ das Zimmer und setze meinen Weg fort. Mit jedem Schritt rascheln die Platten der Rüstung und der Umhang schleift hinter mir her. Ich sehe das Ende meines Weges. Weiter vorne öffnete sich der Gang zur Arena und den Tribünen. Ich höre bereits die Stimmen von hunderten Zwergen, die alle darauf warten, ihren neuen König zu begrüßen. Ich amte noch einmal tief durch und schreite in die riesige Arena hinaus. Der Lärm war überwältigend. Überall auf den Tribünen scharrten sich die Zwerge und auch unten in die Arena hatte man noch zusätzliche Holzbänke herangeschafft. Nur ganz vorne war die große Fläche mit dem Steingerüst und dem Thron freigehalten worden. Ich schreite durch die Arena. Meine Beine fühlen sich wie weicher Lehm an. Ich schwitze und meine Hände zittern. Nur noch wenige Schritte. Plötzlich sehe ich etwas, was mich verwundert. Eine großgewachsene Gestalt sitzt am Ende der Tribüne, mitten unter den Zwergen. Es war ein Mensch, oder zumindest denke ich, dass es ein Mensch ist. Was macht ein Außenseiter hier? Ich dachte die Stadt wäre abgeriegelt worden. Mehr Zeit bleibt mir nicht, um darüber nachzudenken. Ich erreiche das Steinpodium. Dort erwartet mich auf den oberen Stufen ein Priester des Steins. Ich mache auf der untersten Stufe halt und sinke auf die Knie. Der Priester läuft zu mir herunter und bleibt etwa auf der Hälfte der Treppe stehen. Ich neige das Haupt. Am Rande meines Blickfeldes kann ich erkennen, wie der Priester die Arme ausbreitet und somit die Zuschauer zum Verstummen bringt. Es wurde still. Dann sprach der Priester mit lauter, donnernder Stimme. „Verehrte Anwesenden. Wir haben uns heute hier versammelt um der Krönung eines neuen Königs beizuwohnen. Der alte König, Isegrim Silberhand, ist tot. Sein Sohn, Harathorn Silberhand, soll so war es der Wunsch des vorherigen Herrschers, den Thron besteigen. Er hat sich gegenüber dem Volk der Zwerge und seiner Ahnen mehr als ehrenhaft erwiesen. So bestätige ich, ein Priester des Steins, dass er den seinen Anspruch geltend gemacht hat.“ Er wandte sich an alle Zuschauer. „Falls sich unter den Anwesenden jemand befindet, der anderer Meinung ist, so möge er sich erheben und seine Beweise vorlegen.“ Dies war mein Zeichen. Ich durfte mich erheben und mich zu den Zuschauern zuwenden, um mich im Zweifel zu verteidigen. Was ich sah, beruhigte mich ungemein. Niemand hatte sich erhoben. Nach einigen Minuten wandte ich mich wieder dem Priester zu und sank erhobenen Hauptes auf ein Knie. Dieser erhob erneut die Stimme. „Volk der Zwerge. Niemand hat sich erhoben um gegen den Anspruch von Harathorn Silberhand anzukämpfen.“ Von der Seite kam Malakit mit der Krone auf einem Samtkissen zu dem Priester gelaufen. Der Priester legte eine Hand auf Malakits Schulter und segnete ihn damit. Danach nahm er die Krone in beide Hände, drehte sich wieder zu mir und hob die Krone in die Luft. „Damit, Kraft der Götter, die durch mich ihre Werke tun, segne ich Harathorn Silberhand und ich ernenne ihn hiermit zum König der Zwerge.“ Das war es. Mein Schicksal würde sich von nun an für immer verändern. Der Priester schritt langsam das Podium hinunter. Die Krone weiterhin erhoben. Wenige Schritte vor mir blieb er stehen. Langsam senkte er die Krone auf mein Haupt. Sie fühlte sich kalt auf meinem Kopf an, passte aber ansonsten genau. Der Priester trat erneut einige Schritte weg von mir und sprach erneut mit lauter Stimme. „Erhebt euch, Harathorn Silberhand, König der Zwerge.“ Langsam stand ich auf. Plötzlich auf halben Weg hörte ich das Surren einer Armbrustsehne. Und wie die Bolzen den Lauf verließen. Instinktiv wusste ich, dass ich ihr Ziel war. Die Zeit floss zähflüssig, als ich mich langsam umdrehte. Ich sah die Geschosse, drei kleine Bolzen. Ich habe nicht genug Zeit um auszuweichen, noch war niemand schnell genug um mich wegzuziehen. Ich würde sterben. Langsam schloss ich meine Augen, wissend, dass die Bolzen jeden Moment meinen Körper durchbohren würden. Ich schicke ein Stoßgebet zu den Ahnen, dass sie mich schnell töten mögen. Gleich war es so weit. Noch wenige Augenblicke. Ich höre wie Malakit meinen Namen rief. Aber er war so weit weg. Dann spürte ich, wie mich jemand wegdrückte. Danach das Einschlagen der Bolzen. Jemand schrie auf vor Schmerzen. Aber es war nicht ich. Ich lande unsanft auf den Stufen der Tribüne und schlug die Augen auf. Dann begann die Zeit wieder normal zu laufen. Chaos war ausgebrochen. Zwerge schrien. Wachen versuchten den Schützen ausfindig zu machen. Ich sah mich nach meinem Retter um. Eine große Gestallt lag am Fuße des Podiums, da wo ich vor wenigen Augenblicken gestanden hatte. Es war der Außenseiter. Die drei Bolzen ragen senkrecht aus seinem Rücken hervor. Er blickt zu mir. Seine Stimme war schwach. „Seid ihr unversehrt?“ Ich nicke, unfähig etwas zu sagen. Er lächelt. „Dann bin ich beruhigt.“ Seine Augen schlossen sich. Jemand rüttelte mich an den Schultern. Ich blickte auf und sehe in das sorgenvolle Gesicht von Malakit. „Eure Majestät seid ihr unverletzt?“ Ich fand meine Stimme und konnte ihm antworten. „Ja. Dank ihm.“ Ich deute auf den Außenseiter. Plötzlich erfasst mich Panik. Ich stürze zu ihm und versuche ihn wach zu rütteln, aber es half nichts. Er war bewusstlos. Ich brülle zu Malakit. „Schnell. Bringt ihn ins Anwesen. Er muss überleben.“


© Sora Hataki


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