Nachdem ich mich von Sorvina verabschiedet und den Regierungsbezirk hinter mir gelassen habe, gehe ich in den Militärbezirk von Shal. Überall waren Schwadrone und Ritter zu sehen. Auch einige Nekromantinnen und Matriarchinnen waren dort. Einige Spinnenherrscherinnen waren hier anwesend. Beeindruckend. Die Norcaine hatten unter der Führung Craigs eine wahre militärische Stärke aufgebaut. Jetzt war ich sehr gespannt wie Dragh’Lur aussehen würde. Die große Festung der Norcaine, von der man sagt, sie wäre uneinnehmbar. Ich erreiche das Portal nach Dragh’Lur. Ich ziehe eine der Karten hervor. Laut dieser würde ich direkt an der Spitze der Hauptanlage herauskommen. Hoffentlich würde es nicht zu Problemen kommen, während ich im Land der Norcaine unterwegs bin. Ich lache leise in mich hinein und gehe durch das Portal. Kaum hatte ich einen Fuß durch das Portal auf die andere Seite gesetzt wurde ich nach vorne gezerrt und zu Boden gedrückt. Außerdem spürte ich mehrere Klingen in meinem Genick. Soviel zu keinen Problemen. Ich höre, wie schwere Plattenstiefel auf mich und die Soldaten, die mich am Boden hielten, zu. Eine tiefe Stimme hallte mir entgegen. „Wer seid ihr und was wollt ihr in Dragh’Lur, Mensch?“ Schonwieder dieser angewiderte Unterton bei dem Wort Mensch. „Ich bin im Auftrag von Craig Un’Shallach hier. Ich bin ein Runenkrieger.“ „Männer hebt ihn hoch.“ Ich wurde etwas unsanft wieder auf die Beine gebracht, jedoch verschwanden die Klingen von meinem Hals nicht. Jetzt konnte ich mir das Gesicht des Ritters anschauen. Er war abgehärtet und vernarbt. Sein schwarzes Haar war kurz, bis auf einen kleinen Zopf, der ihm links vom Gesicht herunterfällt. Nicht weit, nur bis zur Schulter. Seine Augen waren ernst. Eine Narbe lief direkt durch die Nase und das linke Auge. Aber das Augenlicht hatte er behalten. Erstaunlich. „Habt ihr einen Beweis für eure Aussage.“ Ich nicke. „Ich habe ein Emblem.“ „Gut, holt es mit zwei Fingern hervor.“ Dieser Norcaine war erfahren. Mit Daumen und Zeigefinger greife ich in meine Tasche und reiche ihm das Schmuckstück. Auch wenn die Klingen um meinen Gaumen doch sehr störend waren. Er nimmt mir das Emblem ab und betrachtet es genau. Nach einer Weile gibt er es mir wieder. „Männer senkt eure Klingen. Er gehört zu uns.“ Endlich waren die Schwerter weg. Und die Männer kehrten auch wieder an ihre Posten neben dem Portal zurück. Ich entspannte mich wieder. „Willkommen, Runenkrieger, auf Dragh’Lur, die Uneinnehmbare. Ich bin Kommandant Azrial.“ „Sehr erfreut, Kommandant. Gibt es einen bestimmten Grund, warum ihr mich angegriffen habt?“ „Zuerst möchte ich wissen, ob unser Anführer euch etwas mitgegeben hat.“ Etwas unzufrieden mit seiner Haltung reichte ich ihm die Dokumente, die Craig mir gab. Azrial nimmt sie in die Hand, bricht das Siegel und entfaltet den Brief. Ein leises „Verdammt“ entweicht seinen Lippen. Nach einer Weile steckt er sie weg und wendet sich wieder zu mir. „Verzeiht mir erneut, für unseren Angriff auf euch.“ „Was ist hier los? Was geschieht in Shal?“ Er deutet auf die Treppen hinter sich und gemeinsam laufen wir runter. Die Festung war riesig. Und es war auch keine Festung im üblichen Sinne. Dragh’Lur war aufgebaut wie eine große Treppe. Es gab verschiedene Ringe und je näher man der Spitze kam, desto höher wurde es. In der Nähe des Sumpfes war die Festung eben und stieg dann langsam an. Und auf jedem Ring standen große Türme in denen schwarze, summende Kugel lagen. Egal, wer oder was diese Festung versucht zu erklimmen die Stufen und die Türme würden es demjenigen schwer machen. Die Festung selbst war riesig und überstreckte sich über die halbe Insel. Und selbst das war noch nicht alles. Am Fuße der Festung, auf dem sumpfigen Boden, stand noch ein Militärlager, wie es allerlei Kleinere in der Festung gab. Ich wendete mich wieder dem Kommandanten zu. „Wie gefällt euch Dragh’Lur?“ „Ich bin beeindruckt. Und ich verstehe nun, warum man sie die Uneinnehmbare nennt.“ Ich mache eine Pause. „Was geht in der Hauptstadt vor, Kommandant?“ Es dauert eine Weile, bis er antwortet. Wir haben mittlerweile die Spitze verlassen und den obersten Ring erreicht. „Es braut sich ein Bürgerkrieg zusammen. Eine uns unbekannte Person wiegelt das Volk der Norcaine gegeneinander auf. Diese Person meint, dass die Dunkelelfen weit mächtiger sein könnten, als die Lichtvölker. Uns stehe es zu, die Welt zu beherrschen. Kompletter Blödsinn.“ „Habt ihr keine Informationen zu diesem Unruhestifter?“ Er schüttelt den Kopf. „Nein. Die ersten Gerüchte tauchten kurz nach dem Erlass auf, indem beschlossen wurde, dass Frauen der Norcaine ebenfalls Kämpfen dürfen.“ Ich erinnerte mich. Für mich war das schon zu Alltag geworden. „Was hat Craig in seinen Briefen geschrieben?“ Azrial holte die Dokumente nochmal hervor, hielt sie aber in der Hand. „Er warnt uns. Es könnte sein, dass sich Dragh’Lur im Zweifel eines Bürgerkrieges zu einer Kampfzone verwandeln könnte. Und er hat uns befohlen euch nach Kräften zu unterstützen solange ihr in Dragh’Lur oder Tuscari seid.“ Ich folge ihm zu einem Batallion von Soldaten. Er bestand aus zwanzig Schwertkämpfern, fünf Hexerinnen und fünf Todesrittern. „Diese Kämpfer werden euch zur Seite gestellt.“ Er wandte sich an einen der Todesritter. Seine Rüstung war verziert und er stand als einziger neben seinem Pferd. „Dies ist Leutnant Lucien. Ihm untersteht dieses Batallion. Leutnant, dies ist der Runenkrieger, von dem uns Craig berichtet hat. Ihr seid ihm unterstellt bis er Tuscari verlässt. Falls er einen Umweg gehen muss begleitet ihr ihn bis er das Tor der Schwerter erreicht. Verstanden?“ Er nickte einmal knapp. „Zu Befehl, Kommandant.“ Er wendet sich zu mir. „Wir schwören euch mit unserem Leben zu beschützen.“ Er meint es ernst. Ich blicke zu seinen Männern – und Frauen. Sie alle waren sich der Situation voll bewusst. Ich habe jetzt einen Trupp von Norcaine. Ich setze ein Lächeln auf. „Ich danke euch sehr.“ Jetzt spreche ich so laut, dass alle mich hören können. „Und ich bin mir sicher, dass mit euch der erste Teil meiner Reise gelingen wird. Und nun schwöre ich euch, dass ich alles dafür tun werde, dass meine Reise gelingt. Sie wird gefährlich werden, das wissen wir alle. Doch solange ich es verhindern kann, werde ich dafür sorgen, dass ihr alle zurückkehren könnt.“ Keinen Moment später jubelten mir der Trupp entgegen. Der Kommandant lächelte ebenfalls und legt mir eine Hand auf die Schulter. „Ich sehe schon. Craig hat mit euch eine gute Wahl getroffen. Möge Nor mit euch sein.“ Ich lege ihm ebenfalls eine Hand auf die Schulter. „Möge er mit uns allen sein.“ Danach verabschiedete sich der Kommandant und ich stieg zusammen mit dem Trupp die Treppen hinab. Leutnant Lucien hat mir ein Pferd angeboten, aber ich habe abgelehnt. Ich reite nicht gerne. Nachdem wir die Festung und das Militärlager hinter uns gelassen und den Sumpf betreten haben, unterhielt ich mich etwas mit den Kriegern. Vor allem mit Lucien. Er war selbst nicht sehr alt. Jung, aber kein Jüngling mehr. Und er ist kampferfahren. Seit zehn Jahren war er nun beim Militär, seit drei Leutnant. Er war ein guter Mann. Auch wenn mir auffiel, dass er immer ernst blieb. Ich glaube er mag keine Runenkrieger, oder er hält nicht viel von mir. Die anderen Todesritter waren da etwas lockerer. Sie und die anderen Fußsoldaten haben mich, glaube ich, gleich nach meiner Rede für mich gewonnen. Die Hexerinnen waren eher neugierig über meine Fähigkeiten. Anscheinend hatte jemand ihnen gesteckt, dass ich weiße Magie beherrsche. Einige glaubten mir nicht, aber nachdem ich einen Schwertkämpfer das Handgelenk geheilt habe, er hat sich in die Handfläche geschnitten, vertrauten sie mir. Am Ende des Tages erreichten wir eine größere Lagerstätte. Hier machten wir Rast. Irgendwann, es war bereits dunkel, zog mich Lucien beiseite. Er führte mich etwas weg von der Lagerstätte. Nachdem wir um eine Bergflanke kamen, sah ich ein Dunkelelfenmonument. Das Monument war nicht groß. Hinten in der Mitte stand die Statue eines Dunkelritters. Links und rechts standen Kohlepfannen. In der Mitte am Boden war ein rotes Symbol eingraviert. Ich war verwirrt. „Was wollen wir hier?“ Er dreht sich zu mir um. „Ich möchte wissen, ob ihr wirklich der seid, der ihr vorgebt zu sein. Könnt ihr es? Könnt ihr eine Runenarmee beschwören?“ Ich schlucke. Seit meiner letzten Erweckung hatte ich keine Runen mehr beschworen. Das Monument war noch intakt und die Magie noch nicht verschwunden. Die Runensteine habe ich zum Glück mitgenommen. Ich ziehe die Runentafel hervor. Dann lasse ich meine Magie in die Dunkelelfenrune und das Monument. Es war nicht einfach die Verbindung zwischen Rune und Monument zu erschaffen. Plötzlich spürte ich etwas. Ich kannte dieses Gefühl. Ein Strom aus kaltem Wasser, reine Energie. Diese Energie verließ meine Körper und kletterte in die Rune und dann ins Monument. Einen Moment später leuchten die Augen der Ritterstatue auf. Die Verbindung steht. Als Nächstes taste ich in die Energie der Rune und beschwöre einen Ritter hervor. Die Rohstoffe in der Nähe des Monuments helfen mir dabei. Ein Lichtstrahl schießt aus den Augen hervor und trifft in die Mitte des Bodens. Nach einem Moment verschwinden der Strahl und der Ritter erscheint. Er geht vor mir auf die Knie. „Was wünscht die Rune?“ Lucien ist beeindruckt. Er geht auf mich zu. „Ihr habt es tatsächlich vollbracht. Verzeiht meinen Zweifel.“ Ich schaue zu ihm, ein neckisches Grinsen auf dem Gesicht. „Und, habe ich bestanden?“ Er nickt. „Jemanden wie euch, könnten wir gut gebrauchen.“ Darauf antworte ich nicht. Ich lasse die Verbindung versiegen. Ich sehe noch, wie das Leben aus den Augen des Kriegers weicht und er im nächsten Moment verschwindet. Dann gehe ich wieder zurück zum Lager. Lucien folgt mir. Nach einer Weile schließt er zu mir auf. „Sagt, wollt ihr nicht eure Kraft in den Dienst Craigs stellen?“ Ich bleibe stehen und schaue Lucien direkt in die Augen. „Nein, werde ich nicht.“ Er sieht mich verwirrt an. „Aber warum seid ihr dann hier? Warum geht ihr auf diese Mission?“ „Weil ich versuche die zu schützen, die mir wichtig sind.“ Darauf wusste er nichts mehr zu antworten. Ich lasse ihn stehen und gehe zurück ins Lager. Einige Minuten später kommt er nach, doch wir sprechen nicht miteinander. Er hat bei mir einen wunden Punkt erwischt. Die Meisten vergessen, dass Runensklaven auch Gefühle haben. Auch wenn ich es nicht muss, so lege ich mich schlafen. Mein Geist sinkt herab in die Dunkelheit eines traumlosen Schlafs. Der nächste Morgen war kühl. Aus dem Sumpfwasser stieg Nebel auf. Die Männer erwachten und Lucien ließ sie das Lager abbrechen. Danach gingen wir einer nach dem anderen, nach mir, durch das Portal nach Tuscari. Tuscari war ein Ödland. Sand und vertrocknete Erde. Hier und da wuchsen einige Sträucher und Bäume. Während die restlichen Krieger aus dem Portal kommen, erkunde ich die Umgebung um das Portal. Wir befinden uns auf einem Plateau. Weit oberhalb des Bodens. Nach westen führte ein Weg herunter und in die Berge. Nach Norden konnte ich nur Felsen erkennen. Nach Süden wurde das Land flacher. Ich ging zum Rand des Plateaus. Hier standen Ruinen von Wällen. Bereits stark verwittert. Den Umrissen nach zu urteilen stammen sie von einer Festungsanlage. Hier und da kann ich Turmruinen erkennen, trotz der Überwucherung durch Sträucher und vertrocknetes Moos. Ich stütze einen Fuß auf ein Mauerstück. Mein Blick schweift über die Umgebung nach Südwesten. Von dort hinten stieg Rauch auf. Eine Stadt? Dann viel mein Blick auf eine Staubwolke etwa am Fuße der Berge. Doch etwas war seltsam. Sie bewegte sich auf das Plateau zu. In diesem Moment kam Lucien zu mir gelaufen. „Alle sind durch.“ Er machte eine Pause. „Was seht ihr?“ Ich drehe mich zu ihm um. „Probleme.“ Ich mache mich auf den Weg zur Stiege des Plateaus, Lucien will mir folgen. „Leutnant, lasst eure Männer in Stellung gehen. Wir bekommen Gesellschaft. Aber haltet euch zurück. Keine Angriffe, die nicht absolut notwendig sind.“ Er bleibt stehen. „Was habt ihr vor?“ „Ich will unsere Gastgeber begrüßen.“ Der Leutnant reitet zur Truppe und ich höre, wie sie hinter mir hergerannt kamen. Ich selbst stelle mich zwischen zwei Ruinenstücke, die ich als ein früheres Tor erkenne. Hinter mir gehen die Soldaten in Stellung. Ich werfe einen Blick über die Schulter. Lucien und seine Todesritter kamen auf mich zu. Die Schwertkämpfer blieben in einigen Schritt Abstand stehen, während die Hexerinnen ihnen Rückendeckung gaben. Die Ritter blieben neben mir stehen. Ihre Pferde waren ruhig. Ein gutes Zeichen. Die Staubwolke hatten den Aufstieg erreicht, machte aber nicht halt. Als sie auf halben Weg langsamer wurde, zerfiel der Staubvorhang und gab den Blick auf ihren Inhalt frei. Es waren Orks. Ein Schamane auf seinem Warg, einige Fußkämpfer und Bogenschützen. Es waren etwa fünfzig an der Zahl. Mehr als wir. Der Trupp verlangsamte auf Schrittgeschwindigkeit und kam langsam näher. Hinter mir konnte ich hören, wie die Norcaine nervös wurden. Der Schamane blieb in einigen Schritt Entfernung von uns stehen. Seine Haut war grünlich, wie bei den meisten Orks. Seine Haut war übersäht mit Tattoos. Und er hielt ein seltsames Totem in der Hand. Es bestand aus einem steinernen Schaft, einigen Federn und einem großen Vogelschädel. Größer als eine Krähe, aber kleiner als ein Greif soweit ich sagen konnte. Er schaute grimmig durch unsere Reihen und sein Blick blieb am Ende bei mir. „Wer seid ihr? Was wollt ihr hier auf unserem heiligen Land?“ Heiliges Land? Verdammt, das hatte ich vergessen. Dieses Land hatten die Orks ihren Ahnen geweiht. Was denkt sich Craig uns durch dieses Land zu schicken? Lucien ging auf seinem Pferd einen Schritt nach vorne und stand nun gleich auf mit mir. „Mein Name ist Lucien. Leutnant dieses Trupps von Norcaine.“ Der Ork rümpfte die Nase, was eher nach einem Schauben klang. „Mein Name ist Thorak. Ich bin der Schamane hier. Sagt mir Norcaine, was wollt ihr hier? Und dazu noch mit einem widerlichen Menschen im Schlepptau. Lucien setzte einen finsteren Blick auf und seine Stimme wurde feindselig. „Ihr solltet eure Zunge hüten, Ork. Dies hier ist ein Runenkrieger im Dienste Craig Un’Shallach und der Anführer dieses Trupps.“ „Ein Runenkrieger ist euer Anführer? Pah! Habt ihr Norcaine keine Ehre mehr, dass ihr euch auf einen Runenkrieger verlasst um für euch die Kämpfe zu gewinnen?“ Lucien knurrte. Besser ich unternehme etwas, bevor sie sich an die Kehle gehen. „Schluss jetzt, Leutnant. Wir sind nicht hier um zu Kämpfen.“ Ich wende mich an den Schamanen und mache einen Schritt auf ihn zu. Sofort geriet eine Unruhe in die Orktruppe. „Ich bin in der Tat ein Runenkrieger. Und auch bin ich im Auftrag Un’Shallachs unterwegs. Diese Norcaine sind zu meiner Unterstützung hier. Wir haben kein Interesse mit euch zu kämpfen.“ „Was wollt ihr dann, Runenknecht?“ Ich seufze innerlich. Schon wieder diese Feindseligkeit gegenüber Runenkriegern. „Wir wollen dieses Land durchqueren bis zum Tor der Schwerter.“ Erneut ein Schnauben. „Und ihr denkt, dass wir einen Runenkrieger und einen bewaffneten Trupp Norcaine durchlassen?“ Lucien ergriff wieder das Wort. „Unser Auftrag lautet, diesen Runenkrieger bis zum Tor der Schwerter zu geleiten. Danach kehren wir nach Dragh’Lur zurück.“ Der Schamane wurde nachdenklich. Er schien etwas zu wissen, was er uns nicht sagen wollte. „Unsere Ahnen ruhen hier Runenkrieger. Viele davon haben Zeit ihres Lebens große Kämpfe gegen die Norcaine geschlagen. Und auch gegen Euresgleichen. Sie werden es nicht gutheißen, wenn wir ihre alten Feinde durch diese Länder ziehen lassen. Ihr müsst euch die Ehre der Ahnen verdienen, Runensöldner. Ansonsten können wir euch nicht durchlassen.“ Seltsam. Woher der plötzliche Sinneswandel. „Wie können wir die Ehre der Ahnen verdienen?“ Lucien trat zu mir. „Warum wollt ihr euch mit diesem Unsinn aufhalten? Wir müssen weiter.“ „Leutnant, wir sind hier als Gäste, nicht als Eindringlinge. Und als Gäste müssen wir die Bräuche unserer Gastgeber respektieren. Außerdem habe ich in der Vergangenheit bereits Bekanntschaft mit der Macht der Orkgeister gemacht.“ Lucien schaute überrascht. „Also sagt ihr, dass wir uns besser vor dem Zorn der Geister schützen sollten?“ Ich blicke zu den Bergen. „Spürt ihr es nicht, Leutnant? Hier ist mächtige Magie am Werk. Alte Magie. Wer weiß, was passiert, wenn wir hier ohne den Segen des Schamanen herumlaufen.“ Er senkt sein Haupt und beugt sich zu mir herunter, sodass nur ich ihn höre. „Ich spüre die Magie, aber darf ich euch daran erinnern, dass wir keine Zeit haben?“ Ich antworte genauso leise. „Ich weiß, aber ich habe geschworen, dass ihr und alle eure Männer leben zurückkehren. Und denke daran ihn zu halten.“ „Ich verstehe.“ Er richtet sich wieder auf. „Wie habt ihr euch entschieden, Runenkrieger?“ „Wir werden euch euren Bräuchen beugen, Thorak. Wir möchten nicht den Zorn eurer Ahnen erwecken.“ Er wirkte zufrieden. „Weiße Entscheidung. Dann folgt mir zum Schamanendorf. Dort werden die Ahnen euch prüfen.“ Ich nicke und der Schamane dreht sich um und reitet vorweg. Die Orkkrieger bilden eine Gasse. Anscheinend sollen wir vorgehen und die Krieger folgen uns. Ich setze mich in Bewegung. Hinter mir gibt Lucien den Befehl zum Folgen und Waffenwegstecken. Und so folgen wir dem Schamanen durch die Tuscariwüste. Nachdem wir die Berge hinter uns gelassen und die Ebenen erreicht hatten, laufe ich zum Schamanen. „Wie werden wir den Segen der Ahnen erhalten?“ „Ich traue euch Runenkrieger, aber nicht euren Gefährten. Alter Zorn sitzt tief, ihr versteht?“ Ich nicke. „Genauso ist es mit den Ahnen. Ich werde eine Zeremonie abhalten und dann werden die Ahnen über euch richten.“ „Und was, wenn wir uns als unwürdig erweisen?“ „Dann werdet ihr sterben.“ Er setzte seinen Weg fort. Und wir folgten ihm. Die Sonne hatte ihren Zenit seit einigen Stunden überschritten, als wir das Schamanendorf erreichen. Es bestand aus mehreren Zelten und einer großen Halle in der Mitte. Zum Dorf selbst kommt man nur über zwei steinerne Brücken. Im Dorf selbst lebten nur einige wenige Orks. Sie spähten aus den Eingängen ihrer Zelte auf uns. Angst oder Hass waren hier vertreten. Manchmal auch beides. Thorak führt uns in die große Halle. Sie war eher ein großes, längliches Zelt, als eine Halle. Die Krieger der Orks positionierten sich um das Zelt, während ich mich den Norcaine und Thorak hineingehe. Drinnen war es dunkel. Nur einige Kerzen erhellten den Raum. Und es war stickig. Lucien rümpfte die Nase. Es roch nach allerlei Kräuter und Blut. Und nach Magie. Thorak steigt vom Warg und der Wolf legt sich neben die große Feuerstelle in der Mitte. „Lasst eure Krieger draußen warten. Nur ihr und dieser Leutnant dürfen hierbleiben.“ Ich nicke Lucien zu und er bellt kurz einen Befehl. Unter Murren verließen die Krieger das Zelt. „Kommt tretet näher.“ Ich und der Leutnant folgen Thorak nach hinten. Hinter der Feuerstelle stand ein großer Altar mit grotesken Fresken und allerlei Opfergaben. „Setzt euch.“ Lucien wurde ungeduldig. „Was soll das Ganze? Bekommen wir nun den Segen der Ahnen, oder nicht?“ Thorak gibt ein Lachen von sich, was so klang als würde er knurren. „Ihr seid heißblütig, Leutnant.“ Er dreht sich zum Altar. „Ich werde sie rufen. Wartet solange.“ Thorak versinkt in eine Art Singsang. Ich erkenne Worte und Gesten, kenne aber ihre Bedeutung nicht. Von irgendwo im Zelt höre ich Trommeln. Auch Lucien schien sie zu hören, denn er schaute sich verwirrt im Zelt um. Ich setze mich auf eins der Felle um die Feuerstelle. Nach kurzem Zögern folgt Lucien meinem Beispiel. Der Musik und den Flammen lauschend, entspannt sich mein Geist. Unbewusst regt sich etwas in mir und ich lege ich mein Schwert vor mir hin. Auch Lucien folgte der Bewegung. Ein kalter Schauer läuft meinem Rücken herunter, als Magie den Raum erfüllte. Sehr alte Magie. Die Luft wurde elektrisch aufgeladen. Man kann das Knistern hören. Auch der Geruch veränderte sich. Der Kräutergeruch vermischte sich mit dem Gestank von altem Fleisch und Blut und Metall. Ich schaue in die Flammen und es wirkte, als würden sie sich zu den Trommelschlägen und dem Gesang bewegen. Dann fällt mein Blick auf eine Bewegung auf der anderen Seite. Dann spricht Thorak laut in das Zelt. „Ahnen unserer Kinder und Krieger. Ahnen von Tuscari. Ahnen des Eisensturmclans. Erhört meinen Ruf und schenkt uns eure Weisheit und euren Segen.“ Plötzlich veränderte sich die Bewegung. Die Luft beugte und bog sich. Sie nahm Gestalt an. Es war ein Orks. Oder besser gesagt ein Orkgeister. Durchsichtig und doch konnte man ihn sehen. Er setzte sich mir gegenüber ans Feuer. Er sah aus wie Thorak und doch anders. Doch die Kleidung und der Schmuck waren identisch. Also ein Schamanengeist. Thorak beendet seinen Singsang und setzt sich neben den Geist. Und der Geist spricht mit echoender Stimme. „Wir sind eurem Ruf gefolgt, mein Nachkomme. Was können deine Ahnen für dich tun?“ Wir? Waren noch andere hier? Thorak wendet sich zu dem Geist. „Ich danke euch fürs kommen, meine Ahnen. Ich erbitte eure Weisheit und Führung.“ „Welches Problem hat sich dir offenbart?“ Thorak deutet zu mir und Lucien herüber. „Dieser Runenkrieger möchte mit einem Trupp aus Norcaine durch eure Ruhestätte zum Tor der Schwerter reisen.“ Der Geist schlug mit der Faust auf dem Boden. „Ein Runenknecht und die Norcaine machen gemeinsame Sache?! Haben sich unsere alten Feinde verbündet?“ Ich denke, das wäre ein guter Zeitpunkt selbst mit dem Geist zu sprechen. „Verzeiht meine Dreistigkeit, ehemaliger Orkschamane. Aber ich bin derjenige mit dem ihr euch streiten wollt.“ Mit kalten und boshaften Augen blickt der Geist zu mir. „Was wollt ihr Runensklave?“ Ich räuspere mich. Langsam vermisse ich sogar die Offenheit von Sorvina. Mag wirklich niemand mehr die Runenkrieger? Aber gut. „Ich bitte euch mich anzuhören und für einige Momente meinen Worten zu lauschen.“ Sein Blick verändert sich. Er war überrascht. „Eos ist im Wandel. Portale verfallen, Runen sterben, die Völker kehren wieder zu den Streitigkeiten untereinander zurück. Alte Feindschaften leben wieder auf. Die Machenschaften des Zirkels verschwinden langsam aus der Welt.“ „Wir Ahnen spüren das, Runenknecht. Ihr erzählt mir also nichts Neues.“ „Ich bin im Auftrag eines großen Kriegers unterwegs.“ Jetzt wurde der Geist hellhörig. „Welches Kriegers?“ „Craig Un’Shallach.“ „Craig? Nie habe ich an der Seite eines größeren Kriegers gekämpft.“ Er schien sich zu erinnern. „Und ihr seid in seinem Auftrag unterwegs? Um was zu tun?“ Wie geahnt war Craig den Orks sehr gut bekannt. Auch hier erzählte man sich von seinem Heldenmut und seiner Stärke und Ehre. „Die Portale sterben. Craig bat mich ein Artefakt zu finden und die verfallenen Portale wieder zu erwecken. Sonst wird eines Tages kein Portal mehr stehen. Die Inseln werden wieder abgeschnitten sein. Eure Nachkommen werden nicht mehr nach Hause zurückkehren können.“ Der Geist wird nachdenklich und auch Thorak wirkt überrascht. Anscheinend war der Verfall noch nicht im Orkland angekommen. Woran das wohl liegt? „Stimmt es was ihr sagt? Aber warum schickt Craig einen Runenkrieger auf so eine wichtige Mission?“ „Weil ich keinem Volk angehöre. Wir Runenkrieger sind keinem König, keinem Gott unterstellt. Wer anderes kann dieser Aufgaben nachkommen?“ „Ihr sprecht weiße, Runenknecht. Und doch wundere ich mich.“ Ich weiß, dass ich die gleichen Argumente wie Craig benutze, aber was solls. „Craig würde selbst gehen. Jedoch ist ein neuer Feind erschienen, der die Norcaine bedroht. Er muss erst an sein Volk denken. Deshalb bin ich hier.“ „Ich verstehe Runenkrieger. Eure Worte klingen wahr und ehrlich. Und doch kann ich euch unseren Segen noch nicht geben. Die anderen Ahnen sind nicht überzeugt von eurer Rechtschaffenheit. Sie werden euch prüfen.“ „Was soll ich tun?“ Der Geist richtet sich auf. „Geht zum Zarachtempel in den Bergen von Tuscari. Betretet die Höhle der Spinne. Dort werden wir euch prüfen.“ Mit diesen Worten verschwand er und mit ihm die Magie. Alles kehrte wieder zur Normalität zurück. Die Luft, der Geruch. Auch Lucien schien aus seiner Trance zu erwachen. Er reibt sich die Arme, als wären sie kalt. Er dreht sich zu mir. „Was ist geschehen?“ „Ihr habt das nicht gesehen?“ Er schaut mich verwirrt an. „Was gesehen? Wollten wir nicht mit den Ahnen sprechen?“ Ich schaue zum Eingang des Zeltes. Draußen war bereits die Nacht hereingebrochen. Lucien folgt meinem Blick. „Was bei Nor…?“ Thorak erhebt sich. „Ihr solltet nun gehen. Tut was die Ahnen von euch verlangen und kehrt zu mir zurück.“ Lucien verstand nicht. „Was meint ihr? Was ist gerade passiert?“ Ich erkläre Lucien, was gerade geschehen war. Auch wenn ich ihm nicht erklären konnte, weshalb jetzt Nacht war. Als ich geendet habe, schaut er mich völlig unverständlich an. Thorak führt uns aus der Halle. Ich drehe mich zu ihm um. „Werdet ihr uns zu dem Tempel führen?“ Er schüttelt den Kopf. „Die Ahnen haben euch dorthin befohlen. Nur wer von ihnen dort erwartet wird, darf dorthin. Ich werde hierbleiben und eure Rückkehr abwarten. Falls ihr zurückkehrt.“ „Was ist mit meinen Kriegern?“ Er nickt. „Sie dürfen euch begleiten, aber die Höhle müsst ihr alleine betreten. So wollen es die Ahnen.“ Mit diesen Worten verschwand er wieder im Zelt. Ich schaue zu Lucien und sein Blick verrät Ratlosigkeit. „Ich denke es wäre besser, wenn wir das Dorf jetzt verlassen. Lasst uns ein Lager etwas außerhalb aufschlagen.“ Ich nicke und der Trupp verlässt das Dorf Richtung Berge. Wir schlagen unser Lager in einer Mulde am Fuße des Berges auf. Es war leicht zu verteidigen und vom staubigen Wind geschützt. Lucien nutzte die Gelegenheit den Männern zu erklären, was unser nächstes Ziel war. Ich konnte seinen Unmut hören, als er berichtete, dass ich alleine in die Höhle gehen würde. Auch warnte er alle, dass wir uns vor den Tieren der Gegend in Acht nehmen müssen. Riesenspinnen, Raptoren und Wölfe. Und wir mussten irgendwo im Gebirge einen Tempel und eine Höhle finden. Na großartig. Ich hoffe nur, dass nicht noch irgendetwas Unvorhergesehenes geschieht. Die Nacht selbst verlief ruhig. Nur das Geheul der Wölfe hallte durch die Landschaft. Auch hatte ich das Gefühl, als würden wir von allerlei Kreaturen beobachtet werden. Am nächsten Morgen brachen wir unser Lager ab und marschierten in die Berge von Tuscari. Die ersten Stunden verliefen ruhig. Anscheinend trauten sich die wilden Jäger dieser Berge nicht an eine große Truppe. Oder sie warten bis es dunkel wird. Ohne Anhaltspunkte oder grobe Richtung durchstreiften wir die Ödnis. Hin und wieder stießen wir über eine Höhle. Doch schauten wir nicht hinein. Mein Gefühl sagte mir, dass dort nur der Tod auf uns wartete. Irgendwann, die Sonne war bereits an ihrem Zenit vorbeigeschritten, kamen einige Ritter, die ich als Späher vorrausgeschickt habe mit Neuigkeiten zurück. Sie führten uns zu einem Steinhaufen mit einer Flagge darin. Es war eine Orkflagge. Und in etwa zwei Meter Entfernung standen noch mehr davon. Einige führen tiefer ins Gebirge, während die anderen Richtung Ebenen verliefen. Ein Zeichen? Ich ließ die Ritter in zweier Teams in jeweils beide Richtungen laufen. In der Zwischenzeit ging ich mit einigen Kämpfern die nähere Umgebung erkunden. Doch wir fanden nichts Interessantes. Nur einige Sträucher und Skelette von Tieren. Wir gingen zurück zu der ersten Orkflagge. Als wir gerade um eine Biegung gingen, hörten wir Kampfgeräusche. Und Lucien, der Befehle brüllt. Wir setzten einen Zahn zu, kamen aber nicht weit. Uns kamen einige Wölfe entgegen. Es waren etwa sieben. Graues Fell und sehr hungrig. Sie warteten nicht lange, sondern stürmten direkt auf uns zu. Zum Glück konnten wir schnell genug reagieren um nicht überfallen zu werden. Doch ein Kampf gegen Wölfe war nicht einfach. Es dauerte einige Zeit, bis wir sie niedergestreckt hatten. Vier fielen durch meine Hand. Zwei Schwertkämpfer hatten leichte Kratzwunden erlitten. Die konnten warten. Wir rannten weiter um die Felsbiegung. Wir fanden die restlichen Krieger und Lucien, die von etwa zwanzig Wölfen umzingelt waren. Ich konnte erkennen, dass noch keiner der Krieger verletzt war. Lucien und die Schwertkämpfer hatten einen Kreis um die Magierinnen gebildet. Die Wölfe umkreisten unruhig den Trupp. Warteten auf eine günstige Gelegenheit. Verdammt, das waren viele. Ich ließ meine Kämpfer sich etwas ausweiten. In einem Halbkreis rückten wir langsam vor, näherten uns dem Rudel von einer Seite. Einige der Wölfe lösten sich aus dem Hauptrudel und kamen auf uns zu. Genauso langsam wie wir. In der zwischen Zeit gingen die restlichen Wölfe auf Lucien und seine Männer zu. Mir lief die Zeit davon. Meine Gedanken gingen durch alle Zauber, die ich wusste. Ein alter Zauber kam mir ins Gedächtnis. Ein Zauber zum besänftigen von Tieren. Ich hoffe nur, er würde wirken. Schnell brülle ich zu Lucien. „Haltet euch bereit auszubrechen. Ich werde einen Zauber versuchen.“ Er nickt einmal kurz, ohne die Wölfe aus den Augen zu lassen. Schnell suche ich die Worte. Binden, beruhigen, Jäger, Angst und Instinkt. Ich streckte meine leere linke Hand nach vorne und beschwor die Magie herauf. Schon gingen die Wölfe in Lauer Position. Bereit auf mich zuzuspringen. Ich erfasste alle Wölfe mit meinem Geist und ließ die Magie los. Eine kalte Welle strich durch die Luft. Bereits nach kurzer Zeit jaulten die ersten Wölfe, die mir am nächsten war, und traten die Flucht in die entgegengesetzte Richtung an. Auch einige Wölfe aus dem Hauptrudel waren von der Magie betroffen. Am Ende waren nur noch zwölf Wölfe nicht betroffen worden. Lucien nutzte die Gelegenheit und stürmte auf die übrigen Wölfe zu und auch ich stürmte mit meinen Männern vor. Das restliche Gemetzel war schneller vorbei als gedacht. Es wurden noch acht Wölfe erschlagen, bevor der Rest die Flucht antrat. Es gab einige Verletzte, aber keine tödlichen. Ich behandelte sie mit Magie und danach waren alle wieder fit und einsatzbereit. Nachdem ich mit dem letzten Krieger fertig war, kommt Lucien zu mir. „Ein Glück, dass ihr so schnell gekommen seid. Als sich die ersten aus dem Rudel gelöst hatten, hatte ich gehofft ihr wärt in der Nähe.“ Ich richte mich auf und lege ihm eine Hand auf die Schulter. „Keine Ursache. Ich bin nur froh, dass es alle überlebt haben.“ Er nickt. „Sind die Späher bereits zurückgekehrt?“ „Nein sind sie nicht. Ich hoffe, dass ihnen nichts passiert ist. Diese Berge sind gefährlicher als wir angenommen haben.“ Ich nicke und im nächsten Moment hören wir Hufgetrampel. Die Späher waren zurückgekehrt und wohl auf. Und es gab gute Neuigkeiten. Weiter Richtung Berge hatten die Späher eine Art Gebäude gefunden. Nach einer Ruhepause für die Verletzten und die Pferde, setzten wir unseren Weg zu dem, wie ich hoffe, Tempel fort. Nach einiger Zeit hatten wir das Gebäude erreicht. Es war mehr eine Art Kampfplatz, als ein Tempel. Der Platz war kreisrund und durch Steine eingegrenzt. In der Mitte stand ein riesiger Schädelhaufen, die um einen spitzen Fels, gelegt worden waren. Auf dem Boden selbst war mit Blut mehrere Formen und Runen aufgemalt worden. Lucien beugt sich zu mir runter, als er mit mir zu dem Feld getreten war. „Glaubt ihr wir sind hier richtig? Das sieht aus wie eine Art Opferstätte.“ „Ich glaube schon. Seht.“ Ich deute auf eine höhlenartige Öffnung im Fels hinter der Stätte. Ich gehe mit Lucien zum Eingang. Die Männer gingen hinter uns in Stellung. Vor der Höhle lagen auch einige Knochen und Schädel. Neben der Höhle standen, in ich vermute Blut, einige orkische Schriftzeichen. Ich trete vor und lese es laut für alle hörbar. „Dies ist das Reich von Gultrablar. Die Herrin der Spinnen und die Wächterin der Ahnen.“ Dann drehe ich mich zu Lucien um. „Ich denke, das ist die Höhle von der der Geist gesprochen hat.“ Lucien schaut mich etwas skeptisch und leicht besorgt an. „Und da wollt ihr rein? Allein?“ Ich nicke. Er tritt zu mir und legt mir eine Hand auf die Schulter. „Hört mal. Ich weiß, dass ihr die Bräuche dieser Grünhäute respektieren wollt. Aber das ist Selbstmord. Da drinnen wartet nur der Tod auf euch. Ich weiß ihr könnt nicht sterben, aber eure Rune wird für immer darin gefangen sein. Wir werden sie nicht bergen können. Geschweige denn euch erwecken können.“ Ich sehe ihn an und versuche ihn zu beruhigen. „Macht euch keinen Kopf deshalb. Ich werde nicht sterben. Und sollte ich sterben…“ Ich deute auf einen blauen Felsen neben der Höhle, der leicht zu schimmern schien. „Werde ich dort wiedererweckt.“ Er schaut ich fragend an und schaut zu dem Felsen. „Was ist das? „Ein Seelenfels. Er müsste mich wiedererwecken, wenn ich mich nicht irre.“ „Wenn ihr euch nicht irrt?“ „Habe es noch nicht ausprobiert.“ Er schüttelt den Kopf. „Wartet wenigstens bis morgen, damit die Männer sich ausruhen können.“ Ich stimme ihm zu. Wir schlagen unser Lager ein gutes Stück von der Höhle und der Stätte auf. Den Männern war dieser Ort nicht geheuer. Und die Hexerinnen spüren seltsame Magie. Die Nacht verließ ruhig. Keine Tiere waren in unserer Nähe. Obwohl ich nicht weiß, ob das an diesem Ort oder an uns liegt. Dafür hätte ich mir einbilden können, wie irgendetwas unter dem Boden sich bewegt. Etwas Vielbeiniges. Doch es blieb unter der Erde. Am nächsten Morgen bereitete ich mich vor, die Höhle alleine zu betreten. Erneut versuchte Lucien mich davon abzubringen. Doch es war notwendig. Ich stehe vor dem Höhleneingang. Hinter mir sind Lucien und seine Männer. Er kommt zu mir und legt mir eine Hand auf die Schulter. „Möge Nor mit euch sein.“ Ich drehe mich um und lege ihm auch eine Hand auf die Schulter. „Und mit euch, Leutnant. Denkt daran. Ihr dürft mir nicht hinterherkommen. Wenn ich nach drei Tagen nicht zurückkehre, dann kehrt nach Dragh’Lur zurück. Sagt Craig, dass ich versagt habe.“ Ich lasse ihn los und gehe auf den Eingang zu. Er ruft mir hinterher „Wir werden fünf Tage warten.“ Ich lächle. Er ist ein guter Mann. Ein Mann mit Fehlern, aber trotzdem ein guter. Dunkelheit umfasst mich, als ich die Höhle betrete. Ich bleibe stehen. Lucien meinte ich hätte eine Fackel mitnehmen soll, aber das brauche ich nicht. In meinem Geist spreche ich die Worte für Licht, folgen und begleiten. Kaum hatte ich die Magie gewirkt, erschien eine kleine Lichtkugel, die etwa einen halben Meter vor mir und über mir schwebt. Das helle Licht erhellt die Höhle und die Wände. Es geht nach unten und ich laufe langsam. Auch wenn ich mir nichts brechen kann, so kann ich mich in einer Felsspalte einklemmen. Und dann sitze ich in der Falle. Der Boden ist trocken und staubig, die Luft kühl. Aus der Dunkelheit höre ich, wie Ratten und Schlangen flüchten, wenn ich mit dem Licht näherkomme. Ich bin jetzt seit einigen Stunden, schätze ich, unterwegs. Am Anfang war die Höhle noch breit. Doch jetzt wurde sie auch noch sehr hoch. Mein Gefühl sagt mir, dass ich weit im Fels bin. Weit unter der Oberfläche. Nach etwa einer Stunde war der Weg flacher geworden. Jetzt verlief er fast gerade. Doch ich setze meinen Weg fort. Meine Schritte hallen durch die Leere des Felsens. Wie tief geht diese Höhle? Warum wollte der Geist, dass ich hierherkomme? Wie werden mich die Ahnen prüfen? Ich war nie wirklich gläubig gewesen. Dass es die Wächter gibt, war seit dem Phönixvorfall ein offenes Geheimnis. Der wiedererweckte Hokan Ashir hatte den Gott Ereon in seine Finger bekommen. Ereon hatte unter den Menschen in der Form des Schriftgelehrten Darius gelebt. Als er Hokan verfolgte um zu sehen, was dieser plant, wurde er gefangen genommen. Hokan fertigte dann aus dem Blut Ereons den Essenztrank um die anderen Zirkelmagier wiederzuerwecken. Die zwölf Wächter Eos. Von den Völkern als Götter verehrt. Sie wachten über Eos und stehen den Völkern im Notfall bei. Ansonsten sind sie eher zurückhaltend. Ereon ist einer der vermutlich aktivsten Götter. Er hegt eine gewisse Zuneigung für die sterblichen Völker. Ich richte meinen Blick wieder auf meinen Weg. Über Götter konnte ich später noch nachdenken. Erst jetzt bemerke ich die Veränderung in meiner Umgebung. Mein Licht war weg. Oder nein, der Raum war plötzlich hell. Bei Nor. Was geht hier vor? Ich sehe mich um. Ich bin noch in der Höhle, zumindest glaube ich das. Allerdings nicht mehr in einem Gang, sondern in einer kreisrunden Kammer. Der Raum war vielleicht dreißig Meter im Durchmesser. Und es gab keinen Eingang oder Ausgang. Wie zum Henker war ich hierhergekommen? Ich spüre, dass mein Zauber, der eine Lichtkugel erschafft, noch aktiv ist. Aber die Lichtkugel selbst ist fort. Von irgendwoher erhellt eine Lichtquelle den Raum in einem hellen weißen Licht. War das eine Illusion? „Ihr seid gekommen.“ Erschrocken schaue ich um mich. Langsam erschien vor mir der Geist eines Orks. Ich erkenne ihn. „Ihr seid der Geist, den Thorak gerufen hat.“ Er nickt. „Der bin ich. Und ihr seid meiner Aufforderung nachgekommen.“ „Mir blieb keine andere Wahl.“ Er setzt ein boshaftes Lächeln auf. „Ach wirklich? Ihr hättet einfach mittels eurer Runenmagie euch euren Weg freikämpfen können.“ Bevor ich etwas antworten kann, redet der Geist weiter. „Und dann euer Schwur. Ihr wollte niemanden durch euch sterben lassen. Schließt das auch andere Wesen mit ein? Wo ist euer Kampfgeist geblieben? Ihr seid ein Runenkrieger, oder nicht? Also verhaltet euch auch wie einer. Oder hat euch die Zeit unter den Dunkelelfen verweichlicht.“ „Schweigt! Ihr wisst nichts über mich.“ Ich balle die Hände zu Fäusten. „Oh, diese Wut. Lasst mich euch eine neue Frage stellen. Ihr lebt ein freies Leben. Ein Leben als Heiler. Immer hilfsbereit, immer zuvorkommend, immer einen guten Rat auf den Lippen. Wollt ihr damit für die Vergangenheit büßen? Obwohl ihr euch nicht mal an sie erinnern könnt?“ „Nein, das ist es nicht.“ Er spricht, was ich denke. Woher weiß er das alles? „Ihr flieht vor euren Sünden. Verdrängt die Erinnerungen und versucht sie mit guten Taten zu vergessen.“ Ich schüttle den Kopf. Es ist als würde er jeden meiner Gedanken lesen. „Und dann diese Mission auf der ihr seid. Warum habt ihr euch auf diese Reise begeben? Um die Dörfler zu beschützen? Oder, vielleicht habt ihr nur auf eine Gelegenheit gewartet, die Dörfler hinter euch zu lassen? Ihr wollt kein Leben in Frieden. Nein. Ihr seid eine Tötungsmaschine. Alles was ihr euch wünscht ist zu Kämpfen. Ihr seid kein Heiler. Sondern ein Mörder, wie ihr es immer wart!“ Jetzt brodelt die Wut in mir auf. Ich greife an meine linke Hüfte. Und ziehe mein Schwert. „Da seht ihrs. Ein Mörder, wie ich gesagt habe.“ Mit meinem Langschwert in der Hand gehe ich auf den Geist zu. Erhebe das Schwert um ihn zu erschlagen. Er lächelt mich an. „Los, gebt eurem inneren Verlangen nach. Seid der Runenkrieger, der ihr immer wart.“ Unter lauten Aufschrei lasse ich das Schwert niedersausen. Und dann kommt mir die Erkenntnis. Eine haarbreit vom Hals entfernt stoppe ich meine Klinge. „Was ist los? Seid ihr nicht stark genug? Fehlt es euch an Überzeugung? Oder habt ihr nicht den Mut dazu?“ Ich nehme das Schwert von weg und senke meinen Arm. Ein Lachen dringt aus meiner Kehle. Der Geist sieht mich verwirrt an. Dann fange ich mich wieder. „Erlaubt mir eine Gegenfrage, Geist. Dieser Raum selbst existiert nicht.“ Ich mache eine Pause und umschließe mein Schwert fester. „Ich stehe noch in der Höhle. Und…“ Mit einer schnellen Bewegung drehe ich mich um und führe einen Hieb von Hieb von oben. Ein quietschendes, schreiendes Geräusch ertönt und ich spüre, wie meine Klinge etwas Lebendiges schneidet. Dann, verschwindet der Raum und ich bin zurück in der Höhle. Vor mir auf den Boden gedrückt eine Riesenspinne. Mein Schwert steckt genau in ihrem Schädel. Sie zuckt noch einige Male, bevor sie zusammensackt. Tot. Ich ziehe mein Schwert aus dem Kopf der Spinne und schwinge das grünliche Blut von ihr. Dann drehe ich mich herum. Der Geist war noch da. Erstaunen auf seinem Gesicht. Auch war mein Licht wieder da, wo es sein sollte. „Nun, so können wir reden, Geist.“ „Wie habt ihr erkannt, dass es sich um eine Illusion handelt.“ Ich deute lächelnd auf meine Lichtkugel. „Obwohl ihr sie verborgen habt, blieb sie aktiv. Sie bezog weiterhin Energie aus meinem Mana. Und was die hier betrifft…“ Ich deute auf die Spinne hinter mir. „So hatte ich das Glück, dass meine Lichtkugel sie berührte, als sie hinter mich schwebte.“ Eine Weile antwortet der Geist nicht. Dann plötzlich lacht er laut, fängt sich aber kurz darauf wieder. „Ihr seid gut, das muss ich zugeben.“ „Und jetzt?“ „Nun ihr seid noch am Leben. Nach orkischer Tradition habt ihr die Prüfung der Ahnen bestanden. Und doch beantwortet mir eine Frage. Fürchtet ihr euer altes Ich?“ „Ich fürchte es, ja. Aber es ist ein Teil von mir. Ein Teil, der mich zu dem gemacht hat, der ich heute bin.“ „Und doch versucht ihr es zu vergessen. Zu verdrängen. Warum?“ „Meine Vergangenheit hat mich geprägt, mich geformt. Aber sie beherrscht mich nicht. Ich bin mein altes Ich, aber auch mein jetziges Ich.“ „Ich verstehe.“ Ein zufriedenes Lächeln erscheint auf dem Gesicht des Geistes. „Ihr habt bestanden. Nehmt das Zeichen der Geister von dem Altar weiter hinten und kehrt zu meinem Nachkommen zurück. Möge Zarach euren Weg leiten.“ Und er verschwand. Ich war wieder alleine in der Höhle. Die Stille war vollkommen. Einen Moment bleibe ich noch stehen, aber dann gehe ich tiefer in die Höhle. Nach einigen Minuten erreiche ich das Ende. Dort steht ein kleiner Schrein mit einem Schädel und einer Krallenkette darauf. Was davon war jetzt das Zeichen? Wohl eher die Kette, als der Schädel. Ich nehme die Kette sachte vom Altar und halte inne. Keine Reaktion. Erleichtert atme ich aus. Ich werfe noch einen letzten Blick auf den Schädel. Dann drehe ich um und mache mich an den Rückweg. Der Aufstieg dauerte einige Stunden. Als ich endlich am Eingang ankomme, scheint der Mond über das Ödland. War ich einen ganzen Tag dort unten gewesen? Kaum hatte ich einen Schritt aus der Höhle gesetzt, wurde ich von einigen Soldaten begrüßt. Gemeinsam mit ihnen verlasse ich den Platz und gehe zu unserem Lager. Sehr zu meiner Freude waren alle in meiner Abwesenheit unverletzt geblieben. Als ich Lucien sah, breche ich in schallendes Gelächter aus. Irgendjemand hatte den Leutnant in meiner Abwesenheit mit Seilen gefesselt. Arme und Beine waren fest zusammengebunden. „Da seid ihr ja endlich. Wir haben uns schon Sorgen gemacht.“ Nachdem mich mein Lachanfall verließ, schaffte ich es ihm zu antworten. „Wieso seid ihr gefesselt?“ Einer der Männer tritt zu mir. „Der Leutnant wollte euch am Morgen des zweiten Tages aufmachen und euch in die Höhle folgen. Zehn Männer waren nötig um ihn davon abzubringen.“ „Ich bin gerührt.“ Plötzlich fällt mir etwas auf. „Am Morgen des zweiten Tages?“ Lucien nickt. „Ihr wart fast drei Tage dort drinnen. Was habt ihr dort getrieben?“ Ich fühle mich, als hätte mich jemand geschlagen. Was hat er gerade gesagt? „Drei Tage?“ „Ja. Was habt ihr denn auf einmal?“ Plötzlich werde ich von ein er großen Schwäche übermannt. Ich taumle und einer der Soldaten stütz mich. Er hilft mir mich hinzusetzen. „Das ist unmöglich.“ „Was habt ihr? Was ist dort drinnen geschehen?“ Ich berichte Lucien von meiner Begegnung mit dem Geist. In der Zwischenzeit wurde er von seinen Fesseln befreit und man gab ihm sogar sein Schwert wieder. Natürlich nicht, ohne von ihm eine Standpauke zu erhalten. Nachdem ich geendet habe, sieht mich der Leutnant besorgt an. „Seid ihr in Ordnung?“ Ich weiß es nicht. Etwas ist seltsam. „Ich bin nur etwas müde.“ „Ich wusste gar nicht, dass Runenkrieger müde werden können. Ich dachte immer, ihr bräuchtet keinen Schlaf, keine Nahrung.“ Da hat er recht. Und doch fühlt sich mein Körper so an, als wäre er schwer. So schwer wie noch nie. Dann erinnere ich mich an etwas, was Nihon mir erzählt hat und Panik ergreift mich. „Oh nein.“ Ich greife mir unter die Rüstung in mein Wams. Panisch ziehe ich die Kette mit meiner Rune hervor. „Was habt ihr?“ Ich hallte meine Rune in der Hand und kontrolliere sie genau. Zu meiner Erleichterung kann ich keine Schäden finden. Jedoch könnte ich schwören, dass das Schimmern darin etwas schwächer geworden ist. Vielleicht bilde ich mir das aber auch nur ein. Lucien kommt zu mir gelaufen und schaut auf die Rune in meiner Hand. „Ist das eure Rune?“ Ich nicke. „Ich hatte gedacht, dass mit meiner Rune vielleicht etwas nicht stimmt und ich deshalb so müde bin. Schließlich zerfallen Runen und Monumente überall auf den Inseln.“ Ich mache eine Pause und atme erleichtert aus. „Ich dachte schon, dass meine Zeit abgelaufen wäre.“ Hatte ich das gedacht, oder insgeheim gehofft? Lucien klopft mir auf die Schultern. „Dann bin ich ja beruhigt, dass das nicht der Fall ist.“ Dann richtet er sich auf und dreht sich zu seinen Männern um. „Ihr solltet versuchen etwas zu schlafen. Morgen sollten wir zurück zum Schamanendorf reisen.“ Ich setze ein Lächeln auf. Oder ich versuche es zumindest. „Ihr habt recht. Danke Leutnant.“ „Nichts zu danken.“ Mit diesen Worten verschwindet er vom Feuer und geht zu seinen Männern. Ich lege mich auf meine Schlafmatte und schließe die Augen. Kurz bevor ich in die Schwärze meiner Wachträume sinke, frage ich mich, was während dieser Reise noch auf mich wartet. Und, ob ich sie überhaupt bis zum Ende sehen kann.


© Sora Hataki


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Beschreibung des Autors zu "Die letzten Runen Kapitel 3"

Etwas größere erdachte Geschichte zu der Fantasy-Stratigie-Spielereihe Spellforce. Mal sehen, wer sie noch kennt




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