Schnee knirscht unter meinen Stiefeln während ich meinen Weg über die alten Straßen fortsetze. Links von mir geht es steil bergab. Wer da runterfällt, hat mehr Probleme als nur ein paar gebrochene Knochen. Aber ich habe keine Angst. Oft genug bin ich diesen Weg gegangen. Ich weiß nicht, warum es mich immer wieder nach hier oben zieht. Außer dem Monument ist hier nichts. Ich kann bereits die Spitze sehen. Dann habe ich es erreicht. Etwas außer Atem bleibe ich stehen. Trotz des heftigen Schneefalls liegt nur eine ganz feine Schicht Schnee auf dem steinernen Bauwerk. Das Monument selbst war ein kreisrunder Säulenplatz. Nach vorne hin gab es eine Öffnung, während links und rechts große Steinsäulen standen, fast so wie Wände. Gegenüber vom Eingang standen zwei große Statuen aus weißem Stein. Die Statue eines Ritters links und das Abbild einer Priesterin rechts. Das Wetter schlägt um. Es beginnt zu schneien. Genauso wie damals. Ich mache mich auf den Rückweg, sonst wird der Weg zu unsicher. Gerne wäre ich noch etwas dortgeblieben. Während ich meinen Abstieg angehe, kommen Erinnerungen in mir hoch. Bilder von vergangen Schlachten. Einer Gruppe von Magier. Schmerz. Und Dunkelheit. Ich schüttle den Kopf um diese Bilder zu vertreiben. Diese Vergangenheit liegt mittlerweile viele Jahrzehnte hinter mir. Und doch kann ich sie nicht vertreiben. Die Erinnerungen an meine vergangenen Leben. Ich bin ein Mensch, oder zumindest war ich das, bevor mich der Zirkel zu dem machten, was ich heute bin. Der Zirkel war ein Zusammenschluss aus den mächtigsten Magiern des vergangenen Zeitalters. Ihre Aufgabe war es, den Völkern mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Doch das änderte sich bald, als die Magier das Allfeuer entdeckten und sich mit ihm verbanden. Es gab ihnen mehr Macht als jedem anderen Magier. Doch es veränderte sie auch. Sie fingen an nach noch mehr Macht zu streben. Versuchten der Welt ihren Stempel aufzudrücken, sogar zu beherrschen. Aus diesem Verlangen entstanden allerlei Wunder auf Eos. Die Portale wurden erschaffen und somit ein riesiges Netzwerk, dass die verschiedenen Inseln über die Elementsee hinweg verbinden. Aber es gab auch einigen dunklere Erfindungen. Eines davon waren die Eisernen. Hokan Ashirs Schöpfungen waren tödlich, gefährlich und dazu noch gewalttätig. Und der Einzige, der sie kontrollierte, war Hokan Ashir selbst. Als er und seine Kreaturen aus Metall und Magie, Eos bedrohten, wurden sie vom Rest des Zirkels vernichtet. Diese Krise einte die verbliebenen Magier ein letztes Mal. Gemeinsam erschufen sie eine neue Art der Magie. Die Runenmagie. Die Runenmagie erlaubte es einem Magier eine Armee der verschiedensten Völker zu beschwören. Dafür errichteten sie in den Ländern der Völker dazugehörige Monumente und erschufen Runensteine mit dem Abbild der Völker darin versiegelt. Auch suchten sie sich starke Kämpfer heraus um sie für sich kämpfen zu lassen. Krieger aus den allen Völkern riefen sie zu sich. Doch sie vertrauten ihren Kämpfern nicht. Also benutzen sie erneut ihre Runenmagie um die Seelen dieser Krieger an diese Runensteine zu fesseln. Dadurch hatten die Zirkelmagier Krieger, denen sie ihren Willen aufzwingen konnten und welche immer wieder erweckt werden können. Doch sie benutzten sie nicht nur um sich zu schützen. Häufig wurden die Runenkrieger zu einem Instrument der Herrschaft und Unterdrückung missbraucht. Im Auftrag der Zirkelmagier töteten und unterwarfen sie die freien Völker. So groß wurde der Machthunger des Zirkels. Doch die freien Völker ließen sich das nicht gefallen. Es kam zu dem größten Krieg in der Geschichte Eos. Die Konvokation. Die freien Völker erbeuteten einige Runen und benutzten die Schöpfung der Zirkelmagier gegen sie selbst. Es gab trotzdem tausende von Toten. Doch am Ende siegten die freien Völker. Die meisten der Zirkelmagier starben, flohen oder stellten sich auf die Seite der freien Völker. Erneut kamen Erinnerungen in mir auf. Ich stehe an der Spitze des Turms, der das Zentrum des Zirkels war. Mein Meister, dessen Namen und Gesicht ich nie erfahren habe, redet mit mir. Sein Plan war es in einem günstigen Moment zu fliehen. Seinen wichtigsten Besitz hat er bereits wegschaffen lassen. Nur meine Rune war noch hier. Sie würde bald seinem treuesten Boten mitgegeben werden, um sie in Sicherheit zu bringen. Die Erinnerung verblasst. Eine Andere nimmt ihren Platz ein. Das Nächste an was ich mich erinnere ist die Schlacht. Der Zirkel wird belagert. Ich und meine Runenarmee kämpfen vor dem Turm gegen gesichtslose Kämpfer. Auch finde ich alte Kameraden von mir wieder und strecke sie nieder. Dann, nach vielen getöteten Freunden und Feinden, werde ich niedergestreckt. Ein Zauber traf mich im Rücken. Ich falle und erneut umschließt mich die Dunkelheit, wie so viele Male zuvor. Der Tod ist für einen Runenkrieger nur ein vorrübergehender Zustand. Er dauert so lange an, bis er wiedererweckt wird. Und doch fürchtet ein Runenkrieger den Tod. Oder besser gesagt, das Vergessen. Während ein Runenkrieger in seiner Rune schläft, frisst die Magie der Rune den Krieger langsam auf. Zu Erst verschwinden die Erinnerungen an vergangene Jahre, an das vergangene Leben als freies Wesen. Wenn eine Rune für lange Zeit nicht wiedererweckt wird, kann es passieren, dass der Krieger alle seine Fähigkeiten vergessen hat. Das ist der Preis, denn die Runenmagie verlangt. Das und die Gefangenschaft. Der, der die Rune eines Runenkriegers besitzt, kontrolliert den Krieger. Und es passiert selten, dass ein Runenkrieger in den Besitz seiner Rune kommt. Ich fasse mir an den Hals und berühre meinen Runenstein. Ich weiß nicht, was passiert ist, nachdem ich gestorben bin. Irgendwann schlug ich die Augen auf. Ich wusste nicht, wo ich war, aber vor mir stand eine Gruppe von Dunkelelfen. Zu ihren Füßen lag eine Leiche. Erfroren. Die Dunkelelfen sprachen miteinander. Ich verstand, dass sie überrascht waren, dass die Erweckung funktioniert hat. Dann stritten sie. Ein junger Dunkelelf sagte, es wäre besser, wenn er sie behalten würde. Ein älterer Dunkelelf sagte, er solle die Rune an mich geben. Sie dürfen die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. Am Ende übergab mir der Alte meine Rune und ich war frei. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten. Oder nach Jahrhunderten? Sie nahmen mich mit in ihr Dorf und erklärten mir, was geschehen war. Die Konvokation war vorüber und der Zirkel zerschlagen. Es waren einige Jahre seitdem ins Land gezogen und es herrschte Frieden, bis auf die Ungereimtheiten zwischen den Völkern. Aber das war ja nichts Neues. Nachdem sie mir berichtet hatten, was sich zugetragen hatte, boten sie mir an bei ihnen zu bleiben. Ich nahm ihr Angebot dankend an. Und so verbrachte ich die letzten Jahrzehnte bei den Dunkelelfen. Am Anfang war es schwer, da viele die Gräueltaten der Runenkrieger kannten. Zu erst kamen die Kinder. Vielen hatten nie einen Runenkrieger gesehen. Sie waren neugierig. Und schon bald kamen sie und fragten nach Geschichten. Die Legende vom Frostweber und der Fall der dunklen Prinzen wollen sie oft hören. Der nächste Umstand, der den Dörflern half mich zu vertrauen, war, dass ich weiße Magie beherrsche. Weiße Magie war unter dem Volk der Dunkelelfen überhaupt nicht verbreitet. Vor allem schwarze Magie und Nekromantie waren Spezialitäten dieses Volkes. Mit anderen Worten sie haben keine Heiler. Niemand, der sich wirklich effektiv um Verletzungen kümmern kann. So wurde ich so etwas wie der Heiler im Dorf. Mittlerweile gehöre ich zu einem von ihnen. Sie haben mich akzeptiert und wollen mich nicht mehr missen, genauso wie ich sie. Und sie respektieren mich aufgrund meiner Fähigkeiten als Heiler und Kämpfer, sowie meine Weisheit und Erfahrungen. Endlich erreiche ich den Fuß des Berges und der Weg wird wieder breiter. Unter dem Schnee spüre ich die Steinstraße, die zwischen den Portalen und dem Dorf verläuft. Ich setze meinen Weg an der Flanke des Berges fort. Der Berg Sha‘Nor ist der Mittelpunkt der Insel Sheogh. Das Portal, welches in der Richtung des Dorfes liegt, führt einen nach Shal, die neue Hauptstadt der Dunkelelfen. Die alte Hauptstadt Shal‘Dun war Schauplatz der Kämpfe geworden. Nachdem sich ihre Herrscher mit einem Fial’Darg verbündet haben, rebellierte das Volk der Dunkelelfen. Unter der Führung von Craig Unshallach wurden die alten Archonen gestürzt und eine neue Regierung eingesetzt und die Stadt wurde auf Shal umbenannt. Außerdem gab er den Bau einer neuen Festung in Auftrag. Dragh’Lur. Es dauerte fünfzehn Jahre sie zu errichten. Doch nun stand die Anlage. Am anderen Ende der Insel stand ein Portal in eine frostige Eisgegend die als Tirganach bekannt war. Doch das Portal war bereits vor einiger Zeit erloschen. Es funktioniert nicht mehr. Dank diesem Umstand ist es eine ruhige Insel. Ein Hinterland, könnte man sagen. Abgeschottet vom Rest der Welt. Doch gab es durchaus das eine oder andere Problem. Wilde Tiere, Stürme und das vor allem kalte Klima. Letzteres war eins der Hauptprobleme im Dorf. Landwirtschaft war kaum möglich und Tierzucht nur schwer. So waren die Dörfler auf Hilfslieferungen aus der Hauptstadt angewiesen. Nach einer Weile, der Wind hatte ein mörderisches Tempo angenommen, erreichte ich die ersten Häuser. Das Dorf war klein, nur etwa hunderte Norcaine die hier leben. Aber mehr würde ich gar nicht wollen. Es war friedlich. Friedlich genug, damit meine von Kämpfen verzerrte Seele etwas Ruhe finden kann. Es war bereits Abend und die meisten Dörfler waren in ihren Häusern. Was vermutlich eher dem Wetter geschuldet, als der Stunde. Mein Weg führte mich zu einer kleinen Blockhütte etwas weiter im Dorf. Sie war nicht groß, aber es reicht für meine Sachen und mich. Über der Tür hing ein Schild. Dort stand „Nors Heiler“ in der Sprache der Norcaine. Oder so in der Art würde man es in die Sprache der Nordländer übersetzen. Ich schloss auf und betrat mein Heim. Es war eisig. Ich ging zum Karmin und legte einige Holzscheite hinein. Mit einem einfachen gesprochenen Wort entfachte ich das Feuer. Sofort weichen die Kälte und eine angenehme Wärme breitet sich aus. Ich lege meinen Mantel und die Stiefel ab, hänge sie an einen Hacken neben der Tür. Kalter, geschmolzener Schnee fällt davon ab. Ich setze mich auf einen Stuhl vor dem Karmin und starre in die Flammen. Mein Blick fällt auf ein Schwert neben dem Karmin, dass in seiner Scheide ruht. Ich nehme es in die Hände, lege es auf meinen Schoß. Instinktiv wandert meine rechte Hand zum Griff. Fest umschließt sie den Griff. Ich seufze und entspanne meine Hand wieder. Noch ist der Kampf nicht aus meinem Körper gewichen. Ich weiß, dass er mich nie verlassen wird. Er ist ein Teil von mir. Ich greife an meinen Hals, an die Rune. Genauso, wie sie. Ich stehe auf, immer noch das Schwert in der rechten Hand, gehe zu meinem Schreibtisch und zu der darunter stehenden Truhe. Ich ziehe sie hervor. Sie ist nicht groß, muss sie auch gar nicht. Nachdem ich das Schwert danebengelegt habe, greife ich in mein Hemd, hole eine Kette hervor. Daran baumeln zwei Schlüssel. Ein kleiner Messingschlüssel und ein etwas größerer, schwarzer Schlüssel. Mit dem Messingschlüssel öffne ich die Truhe und nehme einen Sack heraus. Ich stelle ihn auf den Schreibtisch, breite ihn aus. Zum Vorschein kommen eine große Steintafel und mehrere Steine. Runensteine. Die Steine von Völkern und einigen Runenkriegern. Elfen, Menschen, Zwerge, Orks, Trolle und Dunkelelfen. Ich habe von jedem Volk einen. Ein Runenkrieger kann, genauso wie ein Magier Runen erwecken und für sich kämpfen lassen. Ich nehme die Steine und lege sie in die dazugehörigen Nischen auf der Steintafel. Dann nehme ich die Runenkrieger. Es sind drei. Drei Helden vergangener Zeit. Freunde aus einer Zeit des Krieges. Ich habe mich häufig gefragt, ob ich sie nicht erwecken sollte. Doch ich traue mich nicht. Ich will diese verfluchte Kraft nicht wiederverwenden. Schlimm genug, dass ich mich selbst nicht von der Rune lösen kann. Und ich weiß nicht, wie die Dörfler reagieren werden, wenn ich einen der Magier bitte sie zu erwecken. Ich lege die Runensteine in die Vertiefungen auf der Steintafel. Fünf Helden und sechs Völker. Das ist die höchste Menge an Runen, die ein Runenkrieger erwecken kann. Und jeder Runenkrieger, der erweckt wird bringt nochmal die gleiche Menge an möglichen Steinen mit sich. Ein unendliches Heer, könnte man sagen. Nur begrenzt durch die Menge an Runensteinen, die einem zur Verfügung stehen. Und wie viele Monumente es gibt. Ein Monument kann nur die Macht einer Rune eines Magiers zugeordnet werden. Für jede andere Rune muss ein weiteres Monument benutzt werden. Doch kann eine Rune auch an zwei oder mehr Monumente gebunden sein. Ausgenommen sind Runenkrieger. Ein Runenkrieger kann nur mit Hilfe von Heldenmonumenten andere Runenkrieger erwecken. Auch ist die Steintafel an die Insel gebunden auf der sie ist. Heißt, wenn der Runenkrieger die Insel verlässt, erlischt die Macht der Runen und sein Runenheer verschwindet mit ihm. Ich lege die Steintafel mit den Steinen wieder in den Sack und in die Truhe. Erneut verschließe ich sie mit dem Schlüssel. Dann nehme ich den schwarzen Schlüssel in meine Finger. Ich weiß nicht mehr, wofür dieser Schlüssel war. Genauso wie meine Ausrüstung und die Runensteine war er bei meinem letzten Erwachen bei mir. Leise frage ich in den Raum. „Was öffnest du?“ Dann ein Klopfen an meiner Tür. Ich lasse die Schlüssel wieder hinter mein Wams gleiten und erhebe meine Stimme. „Herein.“ Die Tür öffnet sich und ein Stoß Schnee wird mit hineingeweht. Ein älterer Norcaine betritt mein Heim und verschließt schnell wieder die Tür hinter sich. Sein Name ist Nihon. Sofort bemerke ich, dass er seinen Arm sonderbar hält. Ich ahne, was er möchte. Er hebt kurz die Hand und grüßt mich. „Nor zum Gruße, mein Freund.“ „Nor zum Gruße, Nihon.“ Er schenkt mir ein Lächeln und ich deute auf einen meiner Stühle, während ich mich wieder setze. „Habt ihr euch wieder beim trainieren der Jünglinge verletzt?“ Er schaut verlegen zur Seite und reibt sich mit der gesunden Hand den Hinterkopf. Ein sorgloses Lächeln umspielt seine Lippen. Ich seufze. „Ich habe dir schon oft gesagt, dass du besser aufpassen musst. Irgendwann verlierst du nochmal deinen Kopf.“ „Ich weiß, Ich weiß.“ Er war schon immer so. Seitdem ich ihn kenne hat er die jungen Norcaine im Kampf unterrichtet. Er ist gut. Zu gut könnte man denken. Obwohl er einer der älteren Norcaine ist, passierte es ihm immer wieder, dass er beim Training verletzt wird. Und zwar von seinen Schülern. Was nur zeigt, dass er ein sehr guter Lehrmeister ist. „Reich mir deinen Arm.“ Er hält mir seinen Schwertarm hin und ich untersuche ihn vorsichtig. „Du hast Glück. Ein glatter Bruch.“ Ich schaue ihm in die Augen. „Schon wieder.“ Obwohl er bereits mehr als fünfzig Jahre gelebt hat, verhält er sich manchmal wie ein unbedachter Jüngling. Aber ich schätze ihn als sehr guten Freund. Seine Sorglosigkeit gemischt mit seinen Lebenserfahrungen sind bewundernswert. „Kriegst du das wieder hin?“ „Du kennst die Antwort.“ Ich lege eine Hand unter die gebrochene Stelle und halte die andere Hand drüber. Aus meinem Gedächtnis rufe ich die Formeln hervor. Die Worte für Heilung, Verbinden und Wiederherstellen hallen durch meinen Geist. Und ich beschwöre die Magie herauf. Meine obere Handfläche leuchtet auf und die Energie verlässt meine Hand. Nach einem Moment war es vorbei und ich ließ seinen Arm los. Sofort bewegte er den Arm wieder. „So gut wie neu. Vielen Dank.“ Ich gehe zum Kamin und hänge einen Kessel Wasser darüber. „Keine Ursache. Pass nur beim nächsten Mal besser auf.“ „Versteht sich von selbst.“ „Möchtest du eine Tasse Tee, bevor du dich wieder aufmachst?“ „Gerne.“ Bis der Tee fertig war, sagte keiner ein Wort. Erst als ich Nihon seine Teetasse aus Ton reiche und er an dem Tee nippte, bricht er das Schweigen. „Nochmals danke.“ Ich setze mich, nehme selbst einen Schluck, bevor ich antworte. „Was gibt es Neues aus der Hauptstadt?“ Seine Miene wird ernst. „Es gibt beunruhigende Neuigkeiten.“ Ich stelle die Tasse hin. „Was für Neuigkeiten?“ Er blickt gedankenversunken auf seine Tasse, nimmt einen Schluck. „Du erinnerst dich an den Vorfall vor ein paar Jahren?“ „Du meinst die Sache mit den wiedererweckten Zirkelmagiern?“ Er nickt. „Ich dachte, die Geschichte wäre erledigt.“ „War sie auch. Aber anscheinend hat die Freilassung des Phönix noch einige Nachwirkungen für die Welt.“ Er machte eine Pause und nimmt nochmal einen Schluck. „Es liegen Berichte vor, dass immer mehr Portale erlöschen.“ Ich traue meine Augen nicht. „Bitte was?“ Er nickt. Ich überlege. Der Phönix war ein Wesen von reinem Allfeuer, eingeschlossen im Phönixstein. Die Zirkelmagier benutzen seine Energie um mächtige Zauber zu wirken. Vor etwa vier Jahren haben zwei Runenkrieger den Phönix befreit. Und nun erlöschen Portale. Portale, die die Zirkelmagier mit Hilfe des Allfeuers erschaffen und offenhielten. Konnte das ein Zufall sein? Konnte es sein, dass die Zirkelmagier die Portale mit der Energie des gefangenen Phönix versorgt wurden? Ich weiß es nicht. „Welche Portale sind bisher ausgefallen?“ „Ein Portal von Lichtwasser nach Siebenburg. Das Portal nach Underhall, Dun’Mora, von Shal zum Kristallberg. Aber auch viele Inseln in der alten Welt sind nicht mehr erreichbar.“ „Graufurt und Fastholme?“ Er schüttelt den Kopf. „Komplett abgeschnitten.“ Ich stütze die Hände auf meine Beine. Draußen weht der Wind mit emsiger Stärke gegen die Hütte. „Bereits so viele.“ „Und das ist noch nicht alles.“ Ich schaue Nihon an. „Was noch?“ „Es wurde gemeldet, dass einige der Monumente verfallen und Runensteine nicht mehr funktionieren.“ Ich war schockiert. Sollte das bedeuten, das mit dem Ausbrechen des Phönix die Runenmagie betroffen war? „Wo ist das bereits vorgefallen?“ „Shal, Dragh’Lur, Siebenburg, Tirganach, um die Wichtigsten zu nennen.“ Ich verfalle wieder ins Nachdenken. Als ich gerade noch die Runensteine kontrolliert habe, ist mir keine Veränderung aufgefallen. Aber das war nicht, was mich beunruhigte. Ich fasste an meine Rune. Wenn meine Rune verfallen sollte, was wird dann aus mir? Nihon schien meine Gedanken zu erahnen. „Hast du etwas bemerkt in der letzten Zeit?“ Ich schüttle den Kopf. „Nein, aber das muss nichts heißen.“ Nihon räuspert sich. „Auf jeden Fall, glauben Craig und die Anderen, dass es mit dem Phönix in Verbindung steht. Ich will nur deine Meinung zu dieser Sache hören. Als Runenkrieger und ehemaliger Diener des Zirkels.“ „Die Möglichkeit besteht. Der Phönix besteht aus reinem Allfeuer. Ich weiß nicht, ob die Zirkelmagier die Portale durch eine Allfeuerquelle versorgt wurden. Aber es wäre denkbar. Die Runenmagie bedient sich im Grunde ebenfalls der Allfeuermacht. Von daher könnte das das Sterben der Runen erklären. Aber das sind alles nur Möglichkeiten. Wir bräuchten schon einen Zirkelmagier um Gewissheit zu haben.“ Nihon Gesicht verzieht das Gesicht zu einer wütenden Maske. „Verdammt sollen sie sein. Im Leben haben sie uns gequält. Und selbst im Tod Sorgen sie noch für Unheil.“ Ich antworte nichts. Er hat recht, aber eben nicht ganz. Nihon hatte sich wieder beruhigt. Und er hatte noch etwas zu besprechen. „Ich hätte eine Bitte an dich, mein Freund.“ „Eine Bitte?“ Er nickt. „Ich weiß, dass du deine Vergangenheit hinter dir lassen möchtest, aber wir brauchen deine Hilfe. Als Runenkrieger.“ Ich lasse ihn weiterrede, auch wenn mir dir Richtung nicht ganz gefällt. „Wenn immer mehr Portale zerfallen, dann sind die Inseln bald alle wieder abgeschnitten. Und die Elementsee ist nicht mehr zu befahren. Craig befürchtet, dass wir nicht mehr viel Zeit haben, bis es soweit ist. Es gibt Legenden von sogenannten Portalsteinen, die ein Portal wiedererwecken können. Aber der Krieg mit den anderen Völkern und die Unruhen in der Hauptstadt machen es ihm im Moment nicht möglich jemanden auszusenden um nach ihnen zu suchen.“ Aha. Da weht also der Wind her. „Ich habe ihm von dir erzählt, er weiß auch, dass du ein Freund der Dunkelelfen bist. Und er weiß auch, dass wir das nicht von dir verlangen können. Deshalb bittet er dich zumindest ihn anzuhören.“ „Ihn anhören? Ich soll nach Shal reisen?“ Erneut nickt er. „Gib mir Zeit. Das ist nichts, was ich aus dem Bauch heraus entscheiden kann. Aber ich werde nach Shal gehen. Und Craig zumindest zuhören.“ Ein Lächeln umspielt seine Lippen. „Wann brichst du auf?“ „Morgen.“ Kurz darauf ging Nihon. Ich blieb noch vor dem Feuer sitzen und dachte nach. Die Welt befindet sich im Wandel. Das Allfeuer, das Wirken des Zirkels, Runenmagie. Alles war am Verschwinden. Als würde die Welt sich von all diesen Dingen, die wie Parasiten in der natürlichen Ordnung herumgepfuscht haben, reinigen. Meine Rune liegt in meiner linken Hand. Ich konnte keine Beschädigung oder Veränderung finden. Was gut ist. Auch die anderen Runen hatte ich erneut kontrolliert. Auch noch keine Veränderungen. Doch ohne sie zu erwecken, konnte ich mir nicht sicher sein. Außerdem glaube ich Nihon. Ein Teil von mir freute sich. Runen galten als unzerstörbar. Nur das Allfeuer, aus dem sie geboren waren, konnte sie vernichten. Seitdem der Zirkel erneut besiegt worden war, hatte ich jede Hoffnung auf Erlösung aufgegeben. Doch nun. Nun gab es ein Ende. Eine Möglichkeit. Eine Chance. Auf der anderen Seite war besorgt. Ich hatte hier bei den Dunkelelfen meinen Platz gefunden. Ich wollte sie nicht verlassen. Es ist, als wäre es meine Pflicht. Aber ich würde zumindest zu Craig gehen. Hoffentlich erwartet mich kein böses Erwachen.


© Sora Hataki


1 Lesern gefällt dieser Text.

Unregistrierter Besucher


Beschreibung des Autors zu "Die letzten Runen Kapitel 1"

Etwas größere erdachte Geschichte zu der Fantasy-Stratigie-Spielereihe Spellforce. Mal sehen, wer sie noch kennt




Kommentare zu "Die letzten Runen Kapitel 1"

Es sind noch keine Kommentare vorhanden

Kommentar schreiben zu "Die letzten Runen Kapitel 1"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.