Salea – Der Stein der Drachen

Prolog

Tief in den Bergen von Samaranth gibt es Höhlen unter dem Eis, verschlossen durch Schmelzwasser und gefroren durch die eisigen Temperaturen die dort oben herrschen. Niemand weiß ob es dort Leben gibt, Kreaturen die sich ein Mensch nicht vorstellen kann. Doch seit jeher sind wir von Sagengestalten wie Drachen, Lindwurm und Co begeistert. Dem menschlichen Verstand sind keine Grenzen gesetzt. Salea ist ein Mädchen von 18 Jahren. Sie ist schon lang aus dem Alter raus in welchem man an solche Geschichten glaubt, doch wird die junge Frau schon bald erkennen, dass nicht alle Geschichten einfach nur Geschichten sind.

Es war kurz vor ihrem Geburtstag als Salea etwas herausfand das ihr gesamtes Leben auf den Kopf stellen sollte. Der Sommer war außergewöhnlich warm und die Höhlen tauten auf. Die Menschen von Samaranth ahnten zu diesem Moment nicht was ihnen noch bevorstand.

Kapitel 1

Sie war gerade im Wald unterwegs, um Kräuter und Pilze zu sammeln als von den Berghängen ein Brüllen wiederhallte, dass nicht aus dieser Welt zu sein schien. Noch lange nachdem das Echo verhallt war, suchte Salea mit den Augen den Himmel ab während sie den kleinen Korb nah am Körper hielt. Ähnlich wie die junge Frau sahen alle in das blaue Firmament. Angst keimte in manchen Herzen, da nicht wenige die Geschichten von feuerspeienden, fliegenden Echsen kannten, die ganze Landstriche vernichten konnten. Langsam atmete sie ein und entspannte die Muskeln wieder. „Wird schon nichts Gefährliches gewesen sein…“ murmelte Salea leise, aber die junge Frau wusste das sie ihrer eigenen Worte Lügen strafte. Aber manchmal war es einfach besser sich die bevorstehende Gefahr schöner zu reden als sie wirklich war. Denn es verhinderte zumindest ein Stück weit die aufkeimende Panik. So lief die junge Frau gemächlich zurück zu ihrem Dorf, um die Kräuter abzugeben und einige vielleicht auch zu verkaufen. Allerdings hatte Salea die Rechnung wohl ohne die erwachten Wesen gemacht. Im nächsten Moment purzelte ein grün-braun schillerndes Knäul vor ihre Füße. Erschrocken wich die junge Frau ein wenig zurück und blinzelte überrascht. Die Kräuter und Pilze hatten sich dabei halb über den Boden verstreut. „ Na was bist du denn?“ Neugierig und doch vorsichtig näherte sich Salea wieder etwas und begutachtete das Knäuel. Nach und nach offenbarten sich vier kurze Beine, ein langer Schweif und ein kleiner, mit winzigen Hornauswüchsen versehener Kopf. Als letztes klappten 2 Auswüchse auf dem Rücken auf. Flügel? Was um Astea‘s Willen bist du kleiner? dachte die junge Frau im Stillen und beobachtete das augenscheinliche Jungtier weiterhin.

Noch immer stand Salea dem Kleinen gegenüber und beobachtete es. Auch ihr waren die Geschichten über die mystischen Wesen, die die Ältesten Drachen nannten, nicht fremd. Allerdings empfand sie keine Angst wie all die anderen Dorfbewohner, sondern eher eine gehörige Portion Respekt. Das Jungtier wirkte bei Weitem nicht gefährlich. Aber das konnte auch täuschen. Die winzigen Krallen waren gewiss messerscharf und die kleinen Zähne spitz genug, um auch Haut durchdringen zu können. Unbegreiflich war Salea nur was ein Jungtier, ein Baby, allein hier draußen tat. Wenn die Höhlen in den Bergen aufgetaut waren und das hatte das Brüllen durchaus bekräftigt, mussten irgendwo die Eltern des Kleinen sein. Sie ließen ihr Junges doch nicht einfach allein. Dennoch machte es die junge Frau durchaus stutzig. Das Drachenbaby war wirklich winzig. Vielleicht hatte die Kälte der Eismassen das Wachstum gestoppt oder dermaßen verlangsamt das die Entwicklung liegen geblieben war. Ob es überlebte war fraglich. Und aufnehmen? Nein das war sicherlich keine gute Idee. Die Dorfbewohner würden versuchen das kleine Wesen zu töten, noch ehe es die ersten Wochen seines Lebens bestritten hatte. Langsam schüttelte sie den Kopf. „Ich sollte dich wohl irgendwo unterbringen…dabei ist das alles keine gute Idee“ murmelte Salea zu sich selbst und musste schmunzeln als der kleine Drache den Kopf schief legte und ihr lauschte. Beinahe ergeben seufzte die junge Frau. Der Blick aus den blauen Augen konnte wahrlich Herzen erweichen. Hoffentlich hat das alles kein böses Nachspiel. Solche und ähnliche Gedanken wanderten durch ihren Kopf. Wenn die Eltern ihr Junges suchten würden sie vermutlich im Zorn Flammen und Tod über das Land bringen. Dennoch schien der Drache vor ihren Füßen, Salea zu vertrauen. Er lief nicht weg und zeigte ebenso wenig Anzeichen von Angst oder Furcht wie die junge Frau. Ohne hastige Bewegungen ging sie in die Hocke und streckte die Hand vorsichtig aus. Es war nicht sicher das der Kleine nicht vielleicht doch auf jene losging und Salea musste handeln bevor die Dorfbewohner auf die Idee kamen den Wald zu durchkämmen. Auch wenn es das Risiko bedeutete angegriffen zu werden. „Na komm mein Kleiner“ versuchte die junge Frau mit sanfter Stimme zu locken. „Ich helfe dir und dafür tust du mir nichts, einverstanden?“ Ein zaghaftes Lächeln schlich sich auf die jungendlichen Züge und blieb in den Mundwinkeln haften.





Beinahe schien es als verstünde der Drachenwelpe jedes einzelne Wort das Salea sprach. War das möglich? Man schrieb diesen Tieren nicht nur enorme Kräfte, sondern auch eine ausgesprochen hohe Intelligenz zu. Selbst im Nestlingsalter. Etwas zögerlich und vorsichtig tapste der Kleine auf sie zu und fiepste leise. Das Drachenkind musste sich gewiss einsam fühlen. „Ich helfe dir, auch wenn ich das noch immer nicht für eine gute Idee halte. Im Wald kann man dich aber auch nicht lassen. Die Dorfbewohner werden dir kein Haar krümmen, solange du dich nicht verrätst. Und das wird schwierig wenn du anfängst zu wachsen“ murmelte die junge Frau vor sich hin und bemerkte erst einen Moment später das der Nestling sich in dem Korb voller Kräuter und Pilzen zusammengerollt hatte. Na immerhin haben wir vorerst einen Schlafplatz für dich gefunden dachte Salea im Stillen und lächelte in sich hinein. Dann machte sie sich auf den Rückweg ins Dorf, hörte von weitem schon die aufgeregten Rufe der Bewohner und drückte den Behälter mit dem Jungtier an ihren Körper. Das Tuch darüber sollte ihn verbergen, die Dunkelheit ihn veranlassen das der Kleine keinen Laut von sich gab und die Dorfbewohner dem Körper nicht ansichtig wurden. Keiner hielt die junge Frau auf, niemand ahnte von dem Geheimnis das jene von nun an zu wahren hatte. Mit einem erleichterten Ausatmen ließ Salea sich gegen die geschlossene Tür sinken, stellte den Korb ab und nahm das Tuch weg. „Willkommen in deinem vorläufigen Zuhause Kleiner.“ Ihre Stimme war leise und sanft. Die Augen beobachteten gespannt wie der Drache zu Boden kullerte und sich neugierig umsah.




















Noch nie hatte Salea etwas in ihrem kleinen Haus gehabt. Kein wildes Tier und noch weniger andere Menschen. Die junge Frau war eher der Einzelgänger, gern für sich und der Natur durchaus verbunden. Manchmal übermannte sie die Sehnsucht nach Freunden, doch es hielt nie lang an. Denn Freunde waren nicht immer zuverlässig. Sie konnten einen verraten und belügen. Die Natur und ihre Kinder taten das nicht. Leise seufzte sie. „Ich sollte dir wohl was zu fressen suchen, aber ich weiß nicht was du frisst. Wahrscheinlich Fleisch bei den spitzen Zähnen.“ Weiter dachte Salea nach und schritt dabei in dem Raum zwischen Bett und Tisch auf und ab. Noch konnte die junge Frau das Drachenbaby verbergen, aber sobald es wuchs musste ein anderes Versteck her. Irgendwann würde der Tag kommen an dem der Geschuppte nicht mehr in das Haus hinein passte. Allerdings war das eines der geringsten Probleme die sie hatte. Salea konnte das Drachenjunge ja nicht ständig mit kleiner anreden. Es passte nicht und war irgendwo auch unpersönlich gegenüber einem so intelligentem Wesen! Zumindest würde er es sein wenn er erwachsen war oder reif genug. „Erstmal ein Name. Dann sehen wir weiter.“ Ein Lächeln bildete sich auf ihren Zügen und der Blick wurde abwesend als die junge Frau in ihrem Gedächtnis nach einem passenden suchte. Der Drache war noch klein, vielleicht ein Wort das auf seinen momentanen Zustand passte? Später würde dieser vielleicht nicht mehr so richtig sein. Aber da es ein lateinischer war, würde das wohl niemanden und am wenigsten den kleinen Grünling stören. Stumm blieb Salea einen Augenblick vor dem Tisch stehen, stützte sich mit den Händen auf der Tischplatte ab und sah zu dem Welpen. „Was hälst du von Minor?“ fragte sie dann und beobachtete ihn aufmerksam.
Der Drache erwiderte ihren Blick, legte dann den Kopf schief und gab ein leises, nach Zustimmung klingendes Fiepen von sich.

Was das alles weiterhin mit sich brachte, konnte Salea trotz dem Wissen um die majestätischen Drachen, nicht wissen. Sie hatte ein Jungtier aufgenommen und ihm einen Namen gegeben. Damit entstand der erste Stein für eine Verbindung die irgendwann bis in den Tod hineinreichen würde. Sowohl der Drache als auch die junge Frau würden sich gegenseitig mit ihrem Leben beschützen wenn die Zeit gekommen war. „Na immerhin hab ich jetzt einen Namen für dich gefunden. Ich kann dich ja nicht die ganze Zeit Kleiner nennen. Das wäre seltsam.“ Noch immer lag das Lächeln auf ihren Zügen und wollte so wirklich auch nicht weichen. Eine Freundschaft begann, das spürte sie schon jetzt. Das Junge vertraute ihr auf unerklärliche Weise, dabei kannte es die Frau nicht. „Minor…“ sachte nickte Salea. Etwas zu Essen. Irgendwo hatte ich noch Fleisch. Suchend sah sie in die Körbe und zog die Stirn kraus. In allen waren Kräuter oder Pilze. „Ich bin mir sicher das ich irgendwo noch Fleisch hatte“ murmelte die junge Frau und gab ein Seufzen von sich das durchaus sauer klang.


Nach weiterem herumsuchen fand sie dann endlich ein wenig Fleisch. Trockenfleisch. Nichts was den Hunger des Jungtiers vollkommen tilgen würde, jenen aber eine Weile stillte. Ich sollte neues Fleisch kaufen, frisches Fleisch. Oder jagen. Allerdings muss der Knirps das auch selber lernen und im Wald gibt es ja auch Mäuse oder Hasen. Genau die richtige Größe an Jagdbeute für einen jungen Drachen dachte Salea und schob ihm die Trockenfleischstreifen hin. „Was anderes hab ich leider grade nicht“ rechtfertigte die junge Frau sich leise mit einem Schulterzucken, als der Drache nicht gerade glücklich zu ihr hinauf schaute. Im Licht der Sonne schimmerte sein Schuppenkleid wie frische Blätter und braune Rinde. Die Färbung war perfekt um sich im Wald zu tarnen, doch so jung und tapsig wie er war würde das Verstecken noch nicht funktionieren. Das Schnauben aus seinen Nüstern ließ die junge Frau aufschrecken und zu ihm schauen. Er fraß missmutig die mit Salz eingelegten Fleischstreifen und krabbelte dann wieder in den Korb. Die Pilze hatte Salea dort schon herausgenommen und zum Trocknen auf ein Regal gelegt. Abgesehen von diesem hingen auch einige Kräuter in Bündeln von der Decke und verstörmten ihren leichten, aromatischen Duft in der Hütte. „Bleibt nur die Frage was ich mit dir mache wenn die Dorfbewohner wegen den Kräutern kommen. So liegen bleiben kannst du jedenfalls nicht.“ Vorsichtig hob sie den Korb hoch und stellte ihn hinter das Bett. Die Ecke lag im Dämmerlicht, sodass der Inhalt des Weidengeflechts nicht zu erkennen sein würde.

Der Tag verging und schon bald zog das dunkle Band der Nacht seinen Mantel über das Firmament, hier und dort blitzen Sterne auf. Ein Mond schien nicht.
Eine Nacht perfekt für Jäger die nicht gesehen werden wollten und für die erwachten Drachen die noch immer benommen in den Höhlen weit oben in den Bergen hausten. Die lange Kältezeit hatte gewiss keinem von ihnen gut getan. Ob es dort wohl noch mehr Jungtiere gab? Vielleicht finde ich das früher als mir lieb ist heraus dachte Salea noch ,ehe die Müdigkeit sie mit sanften Klauen in die Schwärze des Schlafes zog und einbette.













Die Strahlen der aufgehenden Sonne weckten sie. Staubkörnchen flirrten in dem Licht und ließen es so aussehen als schwebten winzig kleine Diamanten durch die Luft. Erst nach einen Moment wurde sich Salea ihrem Zimmer gewahr und dem was am vorigen Tag passiert war. „Ich dachte das war alles nur ein Traum“ seufzte die junge Frau leise und richtete sich in ihrem Bett langsam auf. Das Drachenbaby war irgendwann in der Nacht aus dem Korb geklettert und lag als kleines Knäul neben ihr, schon fast an den Körper geschmiegt. Vielleicht hatte es gefroren und deswegen die körperliche Nähe zu ihr gesucht. Sicher war sich Salea da jedoch nicht. Beinahe zögerlich streckte sie sich und ließ den Blick noch einmal durchs Zimmer schweifen. Hier wirkte alles so wie es gestern abend gewesen war.

Draußen erwachte das Dorf ebenfalls zum Leben. Irgendwo krähte ein Hahn seinen Gruß zur Sonne und das Klappern von Eimern und anderen Sachen wehte durch die kühle Luft. Schon bald würde die Hitze jene zum flimmern bringen. Einige Minuten lehnte sich die junge Frau noch im Bett zurück und genoss die wärmenden Strahlen. Als sie das Knäul trafen bewegte auch dieses sich lang-sam, entrollte sich und die blauen Augen sahen zu ihr hoch. „Guten Morgen Kleiner. Hast du gut geschlafen?“ Sein Name war ihr nicht entfallen, sie würde ihn noch oft genug in späterer Zeit nutzen. Ein leises fiepen kam aus seiner Richtung, die Seelenspiegel blickten wach und interessiert. „Das nehme ich als ja“ erwiderte Salea und lächelte. Dann zog sie die Beine an den Körper und schwang sie über die Bettkante auf den Boden. Die junge Frau hatte Hunger und Minor sicher auch. Heute gibt es noch mal Trockenfleisch, aber ich werde versuchen etwas Frischfleisch auf dem Markt zu kaufen. Du sollst ja groß und stark werden. Der Blick des Welpen war wieder einmal vorwurfsvoll, doch Salea erwiderte nichts. Sie wusste selber das so ein Trockenfleischstreifen nicht unbedingt das leckerste war und Jäger lieber frisches Fleisch fraßen als gesalzenes und totes. „Ich hole heute frisches Fleisch, aber du musst dich noch etwas gedulden Minor.“ Die junge Frau näherte sich ihm und strich über den Kopf des kleinen Drachens, spürte das kurze kribbeln im Arm und hielt es doch nur für die morgendliche Müdigkeit nach dem aufstehen. Aber es war weit mehr. Das Band knüpfte sich stärker, die Verbindung wurde fester.
Etwas lustlos knabberte sie an ihrer Scheibe Brot herum ehe man sich aufraffte und aus den zerknitterten Kleidern in frische schlüpfte, das Haar in Ordnung brachte und sich kurz in dem kleinen Spiegel betrachtete. So konnte man wohl aus dem Haus gehen. „Du bleibst hier und wartest und machst keinen Unsinn! Ich bin bald wieder da und bringe frisches Fleisch mit.“ Mit ernstem Blick sah Salea zu dem Jungtier hinüber. Hoffentlich verstand der Kleine das und zerlegte ihr nicht die ganze Einrichtung. Auch wenn es Sommer war und dadurch dem-entsprechend warm, war der Boden so ganz ohne Bett oder Unterlage doch ziemlich kühl. Ein letzter Blick folgte noch, dann verließ die junge Frau das Haus und schloss die Tür hinter sich ab. Unter dem Arm trug sie wieder den Korb. Eine Weile schlenderte Salea durch das Dorf, besah sich die einzelnen Gegenstände auf den Verkaufsständen und ging dann weiter. Schmuck und anderer Schnickschnack waren nicht wichtig. Fleisch war das einzige was sie brauchte. Vielleicht noch etwas Käse für das Brot. Doch mehr nicht.. Die junge Frau wollte so schnell wie möglich zurück zu ihrem kleinen Haus. Sie hatte kein gutes Gefühl dabei Minor dort allein zu lassen. Was war wenn er sich unabsichtlich verriet und die Dorfbewohner anfingen ihn zu jagen…Nein! Bloß nicht daran denken. Das wird nicht passieren. Nicht so lange ich auf ihn aufpasse, bis er groß genug ist das selbst zu tun schoss es ihr durch den Kopf der daraufhin gleich geschüttelt wurde. Ohne erkennbare Hast, doch mit klopfendem Herzen erledigte sie ihre Einkäufe. Als Salea sich zum gehen wandte trat Markes auf sie zu.
Der Dorfälteste war ein ziemlich eigensinniger Kauz und auch ein recht schnell aufbrausendes Gemüt. Im grunde seines Herzens jedoch kein schlechter Mensch. „Hast du Zeit, mein Kind? Es gibt Dinge über die ich mit dir dringend sprechen muss.“ Seine grünen Augen blickten forschend in ihr junges Gesicht. Ob er etwas ahnte von ihrem Geheimnis? Markes hatte nie ein schlechtes Wort über die majestätischen Wesen verloren, aber was hieß das zu der Zeit schon. „Über was wollt ihr mit mir reden Ältester? Ich habe leider noch viel zu tun. Die Kräuter müssen sortiert und aufgehängt werden.“ Mit einem unsicheren Lächeln auf den Lippen zuckte sie leicht die Schultern und wandte sich zum gehen. Da griff seine so schwach wirkende Hand zu und umklammerte ihr Handgelenk so sehr das es schmerzte. Wieder traf die junge Frau der forschende Blick, noch etwas eindringlicher diesmal, dann ließ er ihr Handgelenk langsam los. „Wir reden später…dann wenn du Zeit hast“ murmelte Markes, sah sich kurz um und verschwand, als wäre nie etwas passiert, zwischen den Dorfbewohnern.Oh Got…was ist wenn er das mit Minor herausfindet? Würde er ihn verletzen, ihn töten? Angst flutete den Körper und das Gesicht wurde weiß wie Kalkstein. Noch ehe jemand anderes sie aufhalten konnte, eilte Salea zurück zu ihrem Haus, schloss die Tür auf, trat hinein und schloss jen mit schlotternden Knien ehe die Kräfte nachzugeben drohten und sie an dem Holz zu Boden sank. „Ich glaube sie wissen von dir…Ich weiß nicht wie und ich weiß nicht woher...“ Mit zitternder Stimme erzählte die junge Frau, schlug die Hände vor ihr Gesicht und schluchzte leise.

Das Drachenkind war noch nicht einmal zwei Tage bei ihr und Salea fühlte sich für den Knirps bereits verantwortlich. Wenn ihm etwas passierte würde sie sich das nie im Leben mehr verzeihen. Eine Weile blieb die junge Frau so zusammengekauert sitzen, hing ihren Gedanken nach und nahm die Welt nicht mehr wirklich wahr. Erst als das Jungtier mit leise klackernden Krallen zu ihr kam und mit den Zähnen an ihrem Kleid zog, sah sie auf. Er sah Salea lange an als wollte Minor etwas vermitteln, doch sie verstand ihn nicht. Seine Sprache war ihr fremd. Drachisch eben. Und er sprach ja nicht wirklich. Nein. Es war eher so etwas wie…ja wie Thelepathie. Bildfetzen blitzen hinter ihrem inneren Auge auf. Von den Höhlen in den Bergen und dem Wald zu ihren Füßen. Und es wirkte, dauerte eine Weile. Doch die junge Frau beruhigte sich langsam wieder.Alles würde gut werden. Zumindest irgendwie und irgendwann.









































Kapitel 2

Mehrere Tage vergingen. Tage in denen Salea kaum das Haus verließ. Nur für Wasser und einige wenige Nahrungsmittel verließ sie die vier Wände und dann auch nicht für lang. Die junge Frau hatte Angst. Fürchtete sich vor Markes und was er vielleicht wusste oder ahnte. Dieser Mann war unberechenbar. Nicht bösartig, aber schlecht einzuschätzen. Das vertrauen Minor gegenüber Salea wuchs dafür jedoch stetig. Oft saß sie auf ihrem Bett, den Rücken an die Wand gelehnt während der kleine Drache auf ihrem Schoß ruhte und schlief. Seine Veränderung ging dabei ungemein schleichend voran. Die erste Zeit fiel ihr nichts auf, doch nach und nach offenbarten sich Änderungen an seinem Schuppenkleid. Wo einstmals braune Flecken gessesen hatten schimmerte nun helles Grün. „Wirst du also doch zu einem Grünling was?“ murmelte die junge Frau recht amüsiert und sah mit schmunzelndem Blick zu ihm hinab. „Wenn du einmal groß bist, werden alle in Bewunderung zu dir aufschauen.“ Kurz sah der Drachenwelpe zu ihr hoch, schnaubte und kuschelte sich mit dem Kopf dann an ihre Beine. Wieder huschten Bildfetzen durch ihren Kopf. Ohne Ton oder Sprache. Salea wusste das das Jungtier somit die Verständigung suchte, doch musste sie dazu die Bilder wohl erst richtig deuten oder er lernen auf andere Art mit ihr zu kommunizieren.
Wenn ich dich doch nur verstehen würde. Was du mir mitteilen und sagen willst dachte sie und seufzte leise. Die Gefahr durch die Dorfbewohner war noch immer nicht gebannt. Sie hatten zwar aufgehört den Wald zu durchstreifen, doch machte das Minors Leben nicht gerade sicherer. Im Dorf konnte der kleine Drache nicht mehr lange bleiben. Er wuchs langsam. Vermutlich waren daran die Nahrung, die frische Luft und die Sonne schuld. Gute Bedingungen für einen jungen Körper um zu wachsen. Ob er die Differenzen im Wachstum jedoch am Ende ausgleichen konnte stand noch in den Sternen.














„Was hältst du von einem kleinen Spaziergang im Wald Minor?“ fragte die junge Frau nach einer gefühlten Ewigkeit schließlich leise. Ihr war nach Bewegung und frischer Luft zumute, außerdem konnte sie sich ja auch nicht ewig in ihrem Haus verstecken. Das Jungtier hob langsam den Kopf und blickte zu ihr hoch, dabei öffnete sich die Schnauze zu einem Gähnen und offenbarte die weißen Zähne. Verbunden mit einem kurzen Zögern erhob sich Salea von ihrem Bett und griff nach ihrem Mantel. Er war braun und unscheinbar. Wenn sie aufpasste würde niemand die junge Frau in den Wald gehen sehen und wenn doch…Nun die Dorfbewohner würden denken das jene Pilze und Kräuter sammeln ging. „Na komm, gehen wir. Aber vorher muss ich dich wieder verstecken, sonst geraten die Leute in Panik und Markes lässt mich nie wieder zurück.“ Vielleicht wär es aber auch besser so. Ich komme in der Natur besser zu Recht als manch anderer und ich bräuchte keine Angst haben das jemand versucht Minor zu töten dachte Salea. Einen Moment schloss sie die Augen und atmete tief durch. Der kleine Drache war schon wieder in den Korb geklettert und hatte sich darin eingerollt. Stumm legte die junge Frau ein Tuch darüber, hob ihn hoch und trat aus dem kleinen Haus hinaus. Mittlerweile war es bereits früher Nachmittag, die Sonne schien von einem fast wolkenlosen Himmel und die Luft flimmerte leicht in der Hitze. Das geschäftige Treiben des Dorfes blieb mit jedem Schritt weiter hinter ihnen zurück und verstumme schließlich ganz. Die Geräusche änderten sich. Leises rauschen war in den Bäumen zu hören, ebenso die Vögel die ihre Lieder sangen. Auf einer kleinen Lichtung mehrere Meter vom Waldrand entfernt ließ sie sich niedersinken und stellte den Korb auf dem Boden ab. Nur wenige Minuten später kletterte Minor heraus und sah sich mit großen Augen um. Er hatte den Anblick des Waldes wohl schon vergessen, aber wenn wunderte das. Vor zwei Tagen war er noch in Eis gefroren gewesen und hatte seine Umgebung wahrscheinlich auch nicht richtig wahrgenommen.

Einige Zeit blieb Salea auf der Lichtung sitzen und genoss die sanfte Brise in den langen Haaren. Hier war die junge Frau frei. Frei wie ein Vogel oder zumindest so ähnlich. Sie musste sich nicht verstellen oder irgendetwas verstecken. Dann jedoch erhob die junge Frau sich und sammelte den Korb auf. „Vielleicht finden wir noch mehr deiner Sorte hm?“ fragte Salea leise und mit einem schwachen Lächeln das irgendwo traurig aussah. Was war wenn sie seine Eltern fanden? Würde Minor zu ihnen zurückkehren und sie verlassen? Tief im Herzen tat ihr der Gedanke ziemlich weh. Sie hatte den kleinen Grünling lieb gewonnen und sich sehr an seine Anwesenheit in ihrer Hütte gewöhnt. Die junge Frau lief vorwärts, zwischen den Bäumen hindurch und an Büschen vorbei die sie mit der Hand streifte. Salea kannte den Wald. Sehr gut sogar. Ihre Eltern hatten sie als kleines Mädchen oft hierher mitgenommen und die Flora und Fauna erklärt. Nur aus diesem Grund kannte sich die junge Frau so gut mit den heimischen Pilzen und Kräutern aus. Eine Erinnerung die jedoch zur falschen Zeit kam. Schwach schüttelte sie den Kopf um den Gedanken zu vertreiben und sah nach vorne. Die ersten braunen Flecken der Berge offenbarten sich langsam zwischen all dem Grün. Weit war es nicht mehr. Blieb nur die Frage wie man dort hinaufkommen sollte. Die Berge waren nicht gerade dafür bekannt, leichte Wege zu besitzen die nach oben führten. „Bald sind wir dort wo du herkommst Minor. Ich hoffe nur das deine Eltern mich nicht angreifen, falls sie noch leben“ sprach Salea zu dem kleinen Drachen. Ihr Blick war weiterhin nach vorn gerichtet. Bald war es 12 Jahre her. 12 Jahre die seit dem Unglück, bei dem ihre Eltern gestorben waren, vergangen waren. Noch immer nagte das Erlebnis an ihr. Hatte sich eingebrannt in die Erinnerungen und ließ sich nicht vergessen. Weitere Meter führte sie der Schleichpfad durch den Wald, immer näher heran an die beeindruckenden Felsformationen die alsbald in ihrer ganzen Pracht und Größe vor der jungen Frau und Minor aufragten. Von da oben kommst du irgendwo. Und dorthin muss ich dich auch irgendwie wieder zurückbringen. Für dich wäre es das perfekte Versteck. Keiner der Dorfbewohner wagt sich auf die Felsen hinauf und die, die doch töricht genug sind es zu versuchen, sterben eines schlimmen Todes. Ein gezwungenes Lächeln zog für einen Augenblick über ihre Züge.
Vor dem Bergmassiv blieb Salea dann doch unschlüssig stehen. Sie sah keinen Weg nach oben, der leicht genug war das die junge Frau selbst das auch bewerstelligen konnte. Für den kleinen Grünling war das dagegen wohl weniger ein Problem. Mit seinen Krallen fand er an den Felsen Halt und der schlanke Körper trug nicht minder dazu bei. Mit einem letzten Blick zurück in den Wald nahm die junge Frau den Berg in Angriff. Sie versuchte mit den Fingern und Füßen Halt zu finden, was ihr auch halbwegs gelang. Dennoch rutsche Salea ab und an doch wieder ab, schürfte sich die Hände, Ellenbogen und Knie auf. Während des Aufstiegs kamen ihr dann und wann doch einige Zweifel. Seit die junge Frau Minor gefunden hatte, war kein Brüllen mehr zu hören gewesen oder ein Schatten der von den Tieren hätte zeugen können. Lebten sie dann überhaupt noch oder hatte die lange Kälteeinwirkung sie letzten Endes doch umgebracht? Eien gefühlte Ewigkeit verging bis sowohl der Jundrache als auch die junge Frau endlich ein kleines Felsplateu erreichten auf dem sie ausruhen konnten. „Schau…wir haben nur noch ein kleines Stück vor uns, dann haben wir es zu dem Höhleneingang geschafft“sprach Salea ziemlich außer Puste und zeigte nach oben. Dort im Fels klaffte eine große dunkle Öffnung. Vertrauenserweckend war das nicht gerade.
Aber es musste sein. Sie musste wissen ob es noch Drachen gab oder nicht. Wenn sie zu schwach zum jagen waren, konnte die junge Frau ihnen vielleicht einige der Kräuter geben um jene wieder auf die Beine zu bringen oder selbst ein wenig jagen gehen. Letzteres ist dann wohl doch eher eine schlechte Idee. So viel könnte ich niemals erbeuten. Nicht einmal für einen ausgewachsenen Drachen dachte Salea und erhob sich dann wieder, strich dem kleinen Drachen über den gehörnten Kopf und sah nach oben. Sie wusste ja noch nicht einmal wie viel ein ausgewachsener Drache fraß, außer das es eben eine ganze Menge war.“ Lass uns weitergehen Minor. Es ist nicht mehr weit“ meinte die junge Frau und hangelte sich bereits an den Felsen nach oben. Krallen müsste man haben dachte Salea und sah zu dem Jungtier hinüber, dass sich ohne große Schwirigkeiten an dem Gestein bewegte und die Öffnung im Fels anstrebte. Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte sie es auch geschafft und ließ sich auf dem Absatz erst einmal zu Boden sinken, um Luft zu holen. „Ich hoffe der Abstieg wird leichter….“ Ihre Stimme war leise und setzte immer wieder aus. In einigen Tagen würde die junge Frau vermutlich einen ziemlichen Muskelkater haben. Sie war das Klettern nicht gewohnt, schon gar nicht auf Berge hinauf. Aber ihre Neugier und auch Sorge, waren stärker als die Vorsicht die man gewöhnlich walten ließ. Noch immer war aus den Höhlen kein Geräusch zu hören. Es konnte doch nicht sein das niemand dort war. Leise säuselte der Wind in den Gängen und verursachte Salea sogar eine Gänsehaut auf dem Rücken.
Ist das gruselig…am liebsten würde ich jetzt wieder umdrehen. Schwach schlotterten die Knie als sie sich wieder aufrichtete und auf die Öffnung zuging. Die Gedanken waren wirr, flogen umher ohne greifbar zu sein, während die junge Frau darum kämpfte, nicht in vollkommene Panik zu verfallen. Erst jetzt wurde ihr klar, wie sehr behütet das Leben bisher gewesen war und wie schnell es durch einen Angriff der großen Tiere beendet sein könnte. In den Gängen herrschte Anfangs noch Dämmerlicht und wechselte dann in vollkommene Schwärze über. Hier und da schimmerte es schwach als wären Moose an den Wänden. Moose die aus sich heraus leuchteten und ein beinahe warmes Licht verströmten. „Dafür das hier Drachen sein müssten, ist es ziemlich still Minor. Ich hab ein ungutes Gefühl bei dem Ganzen.“ Der kleine Drache purrte leise, eine Abfolge dunkler Bilder blitzen in ihrem Geist auf, verschwanden und ließen tiefe Traurigkeit zurück. Er vermisst seine Familie…Mein Kleiner ich werde dir helfen soweit es in meiner Macht steht dachte die junge Frau, bückte sich und hob Minor hoch, kraulte ihn sachte und sah nach vorn. Sie hörte sein leises brummen, stutzte dann jedoch. Es brach sich nicht an den Wänden des Ganges wie es sollte. Salea hörte es innerlich, in ihren Gedanken. Ein Lächeln huschte über die Züge und ein Seufzen entkam ihr über die Lippen. Die junge Frau war plötzlich glücklich, ohne genau zu wissen warum. Immer weiter führte sie der Weg in die Höhlen hinein, die beiden folgten Abzweigungen und von Schuppen glattgeschliffenen Wegen. Selbst die Wände wirkten teilweise wie poliert und abgeschliffen. „Wie lang ward ihr hier nur eingefroren?“ fragte sie leise und sah auf den Welpen hinab. Minor sah jedoch fortwährend nach vorn und schien auf sie nicht zu reagieren. Zumindest wenn man von dem Gefühl in Gedanken absah und dem Klang den seine Antwort erzeugte.* Lang…* Lang. Ja das hatte Salea schon befürchtet. Vielleicht waren sie schon vor ihrer Geburt hier eingefroren gewesen.
Das waren dann aber fast 18 Jahre oder gar mehr! Wie hatten die Drachen das so lang ohne Nahrung überleben können? Die Höhlen wiesen keine Anzeichen von Futter auf, keine Knochen oder Überreste. „Wir müssen deine Familie so schnell wie möglich finden…aber hier scheinen sie nicht mehr zu sein. Die Höhlen sind absolut verlassen. Und doch habe ich das Gefühl als könnte ich die Anwesenheit der Drachen spüren. Als wären sie noch immer hier. Es kann noch nicht lang her sein“ murmelte sie und strich dem Grünling beruhigend über den Rücken. Seine Angst war verständlich. Die Angst wohlmöglich der letzte seiner Art zu sein, wog schwer für so eine junge Seele. Langsam machte sich die junge Frau auf den Rückweg, hinaus aus den Höhlen und zurück an das Tageslicht. Im ersten Moment war sie beinahe wie geblendet, da die Sonne alles doch mehr erhellte als das bisschen Moos in den verlassenen Höhlen. Kurz sah Salea sich um. Hier draußen hatte sich nichts verändert, bis auf die Sonne die ein kleines Stück weitergewandert war. „Was hältst du von einer Pause mein kleiner Freund?“ Mittlerweile war die Temperatur ziemlich angestiegen. Aus dem warmen Nachmittag war ein früher Abend geworden. Die Insekten surrten und schwirrten überall herum, die Bienen suchten geschäftig nach Blütenpollen und die Luft schien leicht zu flirren.
Eine Kleinigkeit zu Mittag essen, das war wahrlich keine schlechte Idee. Vor allem für den kleinen Drachen nicht. Minor sprang aus ihren Armen, noch bevor Salea ihn sanft auf dem Boden absetzten konnte. Weh getan hatte ihm das sicherlich nicht. Die geschuppten Tiere waren, wenn man den Legenden Glauben schenken konnte, doch sehr wiederstandsfähig. Einen Moment blieb die junge Frau noch wie versteinert stehen, erholte sich von dem kurzen Schreck dann jedoch und ließ sich im leichten Schneidersitz auf den felsigen Untergrund sinken. Dann griff sie in die kleine Tasche und holte etwas Brot, Käse und in Stücke geschnittenes rohes Fleisch für den Welpen heraus. Über sein Handeln verlor die junge Frau kein Wort. Ihn zu Recht zu weisen lag nicht in Saleas Macht. Das Fleisch wurde Minor hingeschoben und das eigene Mal schweigend verzerrt. Wie soll das nur weitergehen? Soll ich ihn mit zurück ins Dorf nehmen oder den Kleinen hier lassen. Minor wäre in den Höhlen sicher...aber auch sehr einsam dachte sie und seufzte schwer. Die Entscheidung fiel ihr keineswegs leicht, da der Drache mittlerweile so etwas wie ein Freund geworden war. Einige Zeit kaute sie still auf ihrem Käsebrot herum, dachte nach und beobachtete dabei die kleinen Wolken die am Himmel dahinzogen. Die Erkenntnis traf die junge Frau wie ein Blitz. Anvertrauen würde man diesen Gedanken Minor jedoch nicht. Ihre Kopf versuchte das gedachte ja auch sofort wieder zu verdrängen. Hoffentlich war den Drachen nicht diese Schmach passiert.
Der Appetit war Salea nun vollkommen vergangen. Sie machte sich Sorgen um seine Artgenossen, dabei kannte die junge Frau jene nicht und war sich auch nicht einmal sicher ob ihnen wirklich dieses Schicksal wiederfahren war. Doch mit rumsitzen würde sich das Problem allein nicht klären.“ Lass uns zurückgehen mein Kleiner…“ murmelte die junge Frau leise und packte die Sachen wieder zusammen. Das Drachenkind hatte seine Ration an Fleisch restlos getilgt, gähnte und zeigte die strahlend weißen Zähne. Natürlich. Futter und ein voller Magen machten müde. Sanft hob das Mädchen ihn hoch und legte ihn vorsichtig in den Korb hinein.Ich denke ein paar Tage kannst du noch in meiner Hütte wohnen. So schnell wirst du hoffentlich nicht wachsen Minor. Sanft kraulte sie ihn einen Moment zwischen den kleinen Ohren, hob den Korb dann hoch und machte sich mit langsamen Schritten auf, um ins Dorf zurückzugehen. Es grauste Salea davor, vielleicht wieder Markes zu begegnen. Der verschrobene Dorfälteste war ihr nicht geheuer. Er schien mehr zu wissen als dieser preisgab. Wieder schüttelte die junge Frau den Kopf. Es brachte zwar nichts zu versuchen den Gedanken zu verdrängen, aber diesem nachzuhängen war genauso wirkungslos. Es schürrte die Angst nur noch mehr und genau das wollte sie nicht. Unbehelligt erreichte Salea ihre Hütte und schlüpfte durch die Tür. Eigentlich hätte im Dorf ein reger Betrieb herrschen müssen. Dennoch war es ziemlich still. Waren sie etwa alle ausgeflogen? Oder hatte sie irgendeine Festankündigung verpasst? Zugegeben die junge Frau war kein Freund von Festen und hielt sich von jenen eher fern, allerdings wusste man dann meistens auch davon. Das war aber diesmal nicht der Fall. Wer wusste schon wo die Dorfbewohner hingegangen waren. Das musste Salea wohl nicht interessieren. Hauptsache war das Minor in Sicherheit blieb und aufwachsen konnte. „Dafür sorge ich persönlich und wenn ich mein Leben dafür opfern muss“ murmelte sie leise und kniff den Mund so fest zusammen das es schon schmerzte. Der kleine Drache schlief seelenruhig in seinem Korb, nichts schien seinen Schlaf stören zu können, aber Salea war sich sicher, dass das kleinste auffällige Geräusch ihn sofort aus dem Schlaf holen würde. Drachen waren Jäger und hatten bis auf den Menschen keine natürlichen Feinde, so viel wusste die junge Frau. Sie selbst identifizierte sich nicht mit ihnen. Klar man war auch ein Mensch, lief auf zwei Beinen und dergleichen. Aber Salea tötete keine Tiere wenn es sich vermeiden ließ, achtete die Natur und war auch lieber in dem Wäldchen unterwegs als unter ihresgleichen. Erschöpft vom Aufstieg und der Wanderung durch die verlassenen Höhlen, ließ auch sie sich schließlich mit dem Rücken auf das Bett fallen und schloss die Augen. So eine Anstrengung war die junge Frau wirklich nicht gewöhnt. Vielleicht passierte so etwas von nun an ja öfter? Dann hatte jene auch bald keine Schwierigkeiten mehr damit.








Kapitel 3

Als Salea das nächste mal aufwachte, lag die Hütte in völliger Dunkelheit dar und sie musste sich erst einen Moment sortieren. Der Umriss von Minor hob sich dunkel und scharf vor dem helleren Fenster ab. Er saß davor wie eine kleine Statue und regte sich nicht. Der Himmel dahinter war wolkenlos, Sterne funkelten in dem dunkel Tuch der Nacht und der sichelförmige Mond warf sein silbernes Licht auf die Erde hinab. Draußen war noch immer alles still. Es musste tiefste Nacht oder vielleicht auch schon früher morgen sein.
„Der Himmel ist schön, nicht wahr?“ fragte die junge Frau leise und sah über ihn hinweg, ebenfalls eine Weile nach draußen. Das Jungtier antwortete mit einem leisen purren und sah zu ihr hoch. Minor war unverkennbar wieder ein kleines Stück gewachsen. Unter diesem Umstand würden es wohl doch keine Tage werden. Wieder strich sie ihm über den Kopf, zuckte dann jedoch zusammen als es an der Tür leise klopfte. Wer war so unverfroren, um solch eine unchristliche Zeit an der Tür zu klopfen?
Angst schoß ihr in die Gleider und ließ sie zittern. Vielleicht hatte sich jemand ja einfach in der Tür geirrt? Daran glauben tat Salea jedoch nicht und als Minor ein leises knurren ausstieß und den Kopf zur Tür drehte, war sie ziemlich überzeugt dass das klopfen keinem Zufall entsprang.“ Versteck dich…“ murmelte die junge Frau leise und schob die Beine langsam aus dem Bett, erhob sich und schlang sich einen ihrer Mäntel um die Schultern. Erst danach legte sie eine Hand auf den Griff der Holztür und drückte ihn langsam hinunter. Das Bild was sie abgab war sicher nicht sehr ansprechend. Das Kleid war zerknittert und die Haare in Unordnung geraten. Die Augen jedoch weiteten sich als jene Markes erblickten, wechselten gleich darauf jedoch in Wut. „Was willst du Markes?! Was um der Götter willen ist so wichtig das es nicht bis morgen früh warten kann…“ Salea zischte die Worte beinahe. In dem Gesicht des alten Mannes lag jedoch keine Spur von irgendeinem Gefühl. Nur neutrale Gleichgültigkeit, während er die Hände hinter dem Rücken verschränkte. „Willst du das zwischen Tür und Angel klären oder dürfte ich vielleicht eintreten?“ fragte Markes beinahe freundlich und musterte ihre Erscheinung mit mildem Tadel in den grünen Augen.
„Warum sollte ich dich einlassen? Es ist mitten in der Nacht Markes. Gewöhnlich schlafe ich um diese Zeit!“
„Und genau deswegen ist es wichtig das ich jetzt mit dir rede….versteh doch Mädchen, am Tage geht das nicht. Jeder würde es mitbekommen und sich wundern“ erwiderte der Dorfälteste und schob sie schließlich ohne Wiederworte zu dulden, sanft zurück in den Raum und schloß die Tür hinter sich. Salea kochte bei seiner Aktion innerlich vor Wut, ließ sich jedoch auf das Bett sinken und verschränkte die Hände im Schoss ineinander. Markes schwieg eine ganze Weile. Vielleicht suchte er nach den richtigen Worten um zu beginnen, um das zu erzählen das eines Aufschubes nicht möglich war. „Seit dem Tag…deiner Geburt wusste ich das du etwas besonderes bist“ fing der alte Mann schließlich leis an und seufzte schwer.“ Der Tod deiner Eltern war ein großes Unglück für uns. Ohne sie war das Dorf nicht mehr dasselbe. Als du heranwuchst und älter wurdest sahen die Dorfältesten das in dir etwas schlummert Salea, etwas das dich von uns grundlegend unterscheidet. Du bist äußerlich menschlich, doch die Hingabe und Liebe zur Natur blieben niemandem verborgen. Es schien als wärst du ein Teil von ihr, wie eine Tochter.“ Mit niedergeschlagenem Blick verstummte er. „Du meinst ich bin kein Mensch?“ fragte die junge Frau zaghaft und schluckte. Aus den Augenwinkeln fiel ihr Blick auf den Korb in der dunklen Ecke hinter ihrem Bett. Minor hörte alles, ob er jedoch das gesagte verstand wusste sie nicht. Die Frage brachte den Ältesten zum lächeln. „Doch du bist ein Mensch, aber deine Seele vermutlich nicht. Ich kann es nicht erklären. Ich weiß nur wann die Veränderung offensichtlich wurde. Als vor zwei Tagen die Höhlen auftauten…und das Brüllen erklang warst du vermutlich gerade im Wald unterwegs. Vielleicht ist dir etwas oder jemand begegnet. Du hast dich verändert. Deine Augen sind dunkler geworden. Sie haben beinahe die selbe Farbe wie meine und das ist etwas das uns eint“ meinte Markes leise und beobachtete die junge Frau während ihre Gesichtszüge entgleisten. Nur Sekunden später stürzte sie zum Spiegel und sah hinein. Salea wusste sofort und ohne das der alte Mann etwas hätte sagen müssen, woher die Veränderung rühren musste.
Minor.
Eine andere Erklärung fiel ihr nicht ein und hatte sie nicht gehört das die Magie von Drachen bei einem Menschen durchaus einige Veränderungen mit sich bringen konnte? Um der Götter Willen…das darf nicht sein. Wie konnte so etwas nur geschehen? dachte Salea und wandte die Augen zu ihm um. In den verdunkelten Seelenspiegel, stand die Angst nur zu deutlich geschrieben. Noch immer beobachtete er die junge Frau und als sie sich wieder auf das Bett zurücksinken ließ, trat Markes auf jene zu und legte ihr sanft, aber bestimmt die Hände auf die Schultern. „Sei nicht traurig Salea. Manch einem von uns wiederfährt so etwas. Wir nennen es Schicksal oder Bestimmung. Vielleicht war es nie deine, hier für immer zu verweilen sondern in die weite Welt hinauszuziehen. Und du bist ja auch nicht allein.“ Seine Worte brachten sie wieder in die Gegenwart zurück und abermals zuckte die junge Frau zusammen als hätte sie gerade einen Stromschlag bekommen. „Woher weiß du….?“ fragte Salea, die Stimme versagte ihr dabei im Satz. Der alte Mann dagegen lächelte nur wissend. „Manchmal hat das Alter auch gute Seiten“ sprach Markes in Rätseln und sah in die dunkle Ecke hinter ihrem Bett. Minors Kopf lugte über die Bettkante hinaus und einen Augenblick später hatte er sich auf das Bett begeben und sah aus großen, wissbegierigen und wachen Augen zu dem Ältesten auf.
Fast schien es so als wäre zwischen den beiden eine Verbindung, alt und mächtig. Dabei kannten sich weder der Drache noch der Mann. „Heißt das, du willst ihm nichts tun?“ fragte Salea und sah mit Hoffnung im Blick zu Markes auf. Für Minor war es wohl das Beste was passieren konnte. Obwohl….
Die anderen Dorfbewohner würden ihn noch immer jagen und töten wollen. So lang die Echsen klein waren, konnte man sie leicht töten. Je größer sie dagegen wurden, desto härter wurden die Schuppen und um so gefährlicher die Waffen. „Nein. Ich bin seit jeher schon für die Drachen gewesen. Ich bin älter als es vileicht den Anschein erwecken mag. In meinen jungen Jahren habe ich viel über die Drachen gelernt, ihre Sitten und Bräuche in mein Wissen mit aufgenommen und ich hatte selbst einen Drachen. Ein Weibchen, älter als dein kleiner Freund hier und um einiges weiser, aber in gewisser Weise noch immer ein Welpling ihrer Rasse“ erwiderte der Dorfälteste und schüttelte leicht den Kopf. Sein Blick war mit einem Mal voller Trauer.
„Das tut mir leid…“ murmelte die junge Frau leise und senkte beschämt den Blick. Sie hatte ihn mitnichten an seine Vergangenheit erinnern wollen. Markes schien die Worte überhört zu haben, denn er redete in leisem Ton weiter. „Sie hieß Serafina. Ihre Schuppen waren blau wie der Himmel ohne Wolken an einem Sommertag. Vielleicht…war das unser Verhängnis. Um so mehr freut es mich das du jemanden gefunden hast.“ Wieder lächelte er, offener und mit Wärme in den dunklen Augen. „Warum kommst du nicht einfach mit? Dich hält doch bis auf dein Amt nichts an diesem Ort. Und die anderen Ältesten können das Dorf doch auch ohne dich führen.“ Salea merkte das sie sich in Fahrt redete, aber der Geist verstand plötzlich viel besser das ganze Verhalten von ihm. Die abweisende Art die Markes jahrelang gegenüber ihr gehegt hatte. Es war nicht aus Böswilligkeit passiert. Sondern um sie zu schützen. Vermutlich. „Ich habe hier Verpflichtungen Salea. Außerdem wäre ich dir keine besonders große Hilfe. Was willst du mit einem alten Mann der dich auf deinem Weg verhindert und dich langsam macht? Nein. Ich werde hier bleiben und versuchen etwas zu erreichen.“ Weitere Einwände ließ er nicht zu, hob beschwichtigend die Hände und stoppte damit die Proteste der jungen Frau. „Ich kann hier mehr ausrichten wenn ich bleibe und ich habe Fina versprochen das ich mich nicht in Gefahr begebe. Einem Drachen gegenüber bricht man kein Versprechen und es war ihr letzter Wunsch. Diesen respektiere ich“ erwiderte Markes und zuckte mit den Schultern. Für ihn war das Thema damit dann wohl beendet. „Ich werde dir noch etwas Proviant besorgen. Du solltest heute Abend oder im frühen Morgen aufbrechen. Noch bevor das Dorf vollständig erwacht.“ Noch ehe sie ragieren konnte, nahm der alte Mann Salea in die Arme und drückte jene einen Moment an seine Brust. Der jungen Frau schossen die Tränen in die Augen. Sie hatte nie viel für die anderen in ihrem Dorf empfunden, doch für Markes was es große Dankbarkeit. Ihn jetzt verlassen zu müssen, nachdem was man gerade erfahren hatte, wog schwer und tat im Herzen besonders weh.
Noch ehe sich Salea schließlich fangen konnte um die Geste irgendwie zu erwidern, war der alte Mann verschwunden. Nur Minor saß noch immer auf dem Bett und sah zur geschlossenen Tür hinüber. Die junge Frau dagegen fühlte sich elend. Sie fand lange keinen Schlaf nachdem der Dorfälteste ohne ein Wort des Abschieds verschwunden war, starrte an die Decke und versuchte den wirbelnden Gedanken irgendeine Richtung zu geben. Morgen war der Tag da. Der Tag an dem sie gewöhnlich im Dorf ihren Geburtstag feierte. Nicht besonders groß und auch eher unauffällig. Pompös mochte Salea das alles gar nicht. Mein Geburtstag…und gleichzeitig ein Abschied. Ob ich jemals hierher zurückkomme? fragte sie sich und rollte sich mit noch immer tränennassem Gesicht auf dem Bett ein. Der kleine Drache gesellte sich zu ihr und obwohl der kleine schuppenbedeckte Körper warm war, fröstelte die junge Frau. So dauerte es auch sehr lang bis Salea endlich soweit innere Ruhe fand um einzuschlafen.

































Kapitel 4

Der Morgen war schneller herran als gedacht. Schon bald wurde die Luft von den Geräuschen des Dorfes erfüllt. Das Klappern von Eimern und die Laute der Tiere waren zu hören. Wieder feilschten die Leute um Preise, versuchten sie hinab zu handeln. Zur Mittagsstunde wurde auch Salea wieder wach. Sie fühlte sich gerädert und als hätte die junge Frau die ganze Nacht gefeiert. Es brauchte einen Moment ehe das gestrige Erlebnis in den noch müden Verstand hinabsickerte und wieder plagten Salea große Gewissensbisse. Vielleicht konnte die junge Frau Markes ja doch noch umstimmen. Aus irgendeinem Grund wünschte jene sich das der alte Mann dabei war. Auch wenn er sich oft abweisend gegeben hatte, so hatte er doch nach dem Tod ihrer Eltern wie ein Vater über sie gewacht und darauf geachtet das ihr kein Unheil geschah. Das alles, und es wurde Salea immer mehr bewusst, konnte sie ihm niemals vergelten. Mit nichts auf der Welt. Tote wieder erwecken konnte sie nicht und wahrscheinlich war das auch nicht gerade eine gute Idee.
„Heute Abend ist es wohl so weit was Minor?“ fragte die junge Frau leise und seufzte traurig. Die letzten Stunden in jenem Dorf, in dem sie seit klein an aufgewachsen war. Etwas anderes kannte sie nicht. Kam Salea dann überhaupt außerhalb dieser kleinen, ihrer eigenen, Welt zurecht? Ohne wirklichen Elan machte sie sich daran einige Sachen auf einem Tuch zu sortieren. Ein wenig Kleidung zum umziehen, eine kleine Holzfigur, die einen Drachen zeigte, das einzige Andenken ihres Vater und die wenige Verpflegung die sie im Haus hatte. Die Kräuter konnten getrost hierbleiben. Sie wurden nicht schlecht und die junge Frau hatte keine Probleme damit im Wald neue zu finden. Das war eine ihrer besonderen Gaben. Nachdenklich sah die junge Frau sich dann noch einmal in dem kleinen Raum um. Sie würde das Dorf vermissen, auch wenn sich Salea in ihrem Inneren nie als ein Teil dieser kleinen Gesellschaft gesehen hatte.

Bis Markes kam, dauerte es noch. Die Sonne war gerade einmal wenige Zentimeter über ihrem Zenit. Die Anwesenheit des kleinen Drachen spürte die junge Frau wie eine Katze die um ihre Beine strich. Allerdings war es eher das Gefühl im Geiste, nicht etwas das der Wirklichkeit entsprach. Vielleicht verstehe ich dich ja bald richtig. Nicht nur in diesen Bildern ohne Ton und Zusammenhang. Der Wunsch war da und irgendwann würde die Zeit gekommen sein, wo genau das auch passierte. Als Minor purrte sah Salea auf und direkt in seine undurchdrinklichen, alt wirkenden Augen. Freundin. Das Wort flammte in ihren Gedanken auf wie eine Kerze, ließ sie zusammenzucken und durch das Gefühl von extremer Helligkeit die Augen zusammenkneifen. Zum Glück erholte sie sich schnell davon, rieb sich noch einmal über die Augen und schluckte. „Mach das nicht noch mal…das tut weh“ murmelte die junge Frau rau und sank wieder auf das Bett zurück, griff gedankenverloren nach der Drachenfigur und drehte sie leicht in den kühlen Händen hin und her.
War das alles wirklich Schicksal und Bestimmung wie Markes es genannt hatte? Es fühlte sich für Salea zumindest nicht so an. Eher falsch, wie Verrat. Natürlich war dem nicht so. Wie sollte es auch? Die junge Frau hatte, zugegeben, nie viel mit den anderen Dorfbewohnern zu tun gehabt, sich allerdings von jenen auch nicht vollkommen fern gehalten. Und hatte Salea nicht auch immer geholfen wo sie konnte, mit den Kräutern und getrockneten Pilzen die sich wunderbar zum Garnieren von Fleisch und zur Behandlung von Wunden eigneten? Ja Salea war durch und durch immer hilfsbereit gewesen, wenn es in ihrer Macht gestanden hatte. Der grünen Winzling war währenddessen vollkommen aus den Gedanken verschwunden, alles wirkte wie ein schlechter Traum. In ihrem Kopf drehte sich gerade alles um die Figur in ihren Händen und dem Verhalten der Dorfbewohner ihr gegenüber. Wirklich abwesend waren sie ja niemlas gewesen, so wirklich aufgenommen hatte man die junge Frau jedoch auch nicht. Wieder entwich ihr ein leises seufzen und sie kehrte langsam in die Gegenwart zurück. „Weißt du Minor…ich frage mich warum das alles ausgerechnet mir passiert und warum ich das verdient habe“ murmelte Salea und sah zu dem Drachenwelpen hinüber. „Du kannst mir das zwar auch nicht erklären, aber immerhin habe ich dich um mich und du hältst dich nicht von mir fern. So wie die anderen Bewohner des Dorfes es tun. Ich glaube, ich verstehe jetzt ihr Verhalten besser. Warum sie immer nur zu mir kamen wenn sie etwas brauchten….weil keiner von ihnen wirklich etwas mit mir zu tun haben wollte.“ Obgleich ihre Worte von Trauer belegt waren, schlug diese sich nicht auf ihr Gemüt nieder. Nichts und niemand hielt Salea hier. Nur Markes, den alten abweisend und kalt wirkenden Mann, würde sie vermissen.
Minor hatte sich nach einiger Zeit an die junge Frau gekuschelt, betrachtete die Figur in ihren Händen und schnaubte leise.
„Das Holztier interessiet dich wohl sehr, nicht wahr?“ Bei seinem Gebahren musste sie unweigerlich lächeln. Das Figürchen wurde noch immer zwischen den Fingern hin und her gedreht. In gewisser Weise hatte es entfernt Ähnlichkeiten mit dem Jungtier. Ihr Vater hatte allerdings wohl kaum gewusst das der Tag mal kommen würde, an dem seine Tochter einer der Echsen begegnen würde. Der Zufall wäre wahrlich zu unfassbar.








Die Stunden verschwammen ineinander. Für Salea gab es nicht viel zu tun, außer zu warten das es endlich Nacht wurde. Die ganze Zeit fühlte sie sich dabei wie ein Tier im Käfig. Unruhig lief die junge Frau hin und her und schenkte für ein paar Minuten auch dem Himmel Beachtung. Die Sonne schritt voran und langsam färbte sich das Firmament orange und violett. Die Nacht und der Aufbruch lagen nicht mehr in weiter Ferne. Auch die Dorfbewohner hatten bisher nicht gestört. Vielleicht hatte Markes irgendetwas gesagt, das jene nicht an ihre Tür klopften. Die Nachtigall fing gerade an ihr Lied zu singen, als der Dorfälteste vor einem der Fenster erschien. Er lächelte, wirkte gleichzeitig aber auch vollkommen erschöpft und als wäre er um mehrere Jahre gealtert. „Du siehst müde aus Markes…“ meinte Salea zu ihm und legte den Kopf etwas schief. „Ich weiß. Auch wenn Serafina nicht mehr ist alter ich ja dennoch, nur eben langsamer. Irgendwann macht sich das Alter dann doch leider bemerkbar.“ Er ließ sich auf den einzigen Stuhl im Raum sinken und ächzte dabei sogar leise. Aber der alte Mann hatte sein Versprechen gehalten. Ein kleiner Beutel mit Nahrung stand neben ihm auf den Boden und verteilte den Geruch von frischem Brot, Käse und rohem Fleisch in der Hütte. „Möchtest du es dir nicht vielleicht noch einmal überlegen? Ein wenig frische Luft und Gesellschaft von Minor tut dir bestimmt gut“ versuchte Salea ihn noch einmal zu überreden, erntete jedoch wieder nur ein schwaches Kopfschütteln. „Ich werde meine Meinung nicht ändern Kind. Das wirst du nicht hinbekommen und dein kleiner Freund hier auch nicht.“ Markes zeigte auf den Drachenwelpen und lächelte wieder recht traurig. Die Welt ist wahrlich ungerecht…Warum nur? Was bewegt sie zu so einem Verhalten? dachte die junge Frau und sah mit einem Seufzen auf den Boden hinunter. „Wenn ich dich schon nicht umstimmen kann, dann gib mir wenigstens das Versprechen das du gut auf dich aufpasst“ flehte sie mit leiser Stimme und sah ihn an. „Wenn dir jetzt etwas passieren würde könnte ich mir das niemals verzeihen. Ich weiß ja nicht mal wann ich wieder zurückkomme, oder ob ich das überhaupt je tun werde.“ Salea fühlte sich vollkommen hiflos, wie ein kleines Kind. Aber sie musste Verantwortung übernehmen. Ohne die junge Frau wäre das Drachenkind verloren und würde in der freien Wildbahn ohne Hilfe sterben. „Verpsrechen kann ich dir nichts Salea, ich kann nur versuchen das mir kein Unheil geschieht“ erwiderte der Dorfälteste sanft und sah ihr direkt in die Augen. Seine Hand lag dabei warm und rau auf ihrer und wieder, wie schon einst, war das Mädchen den Tränen unglaublich nah. Dennoch nickte sie auf seine Worte schwach, kaum merklich und erhob sich nach einem Zögern. Das Bündel mit den Nahrungsmitteln wurde in das schon vorgepackte dazugelegt, zusammengebunden und auf den Rücken geschnürrt.
„Wir sollten jetzt wohl besser gehen. Keiner der Dorfbewohner wird unser Fehlen vor morgen früh bemerken. Kannst du ein wenig auf die Hütte achten während ich fort bin Markes? Ich möchte nicht das sie zerstört wird oder schlimmeres mit ihr passiert.“
„Natürlich…“ Der alte Mann nickte leicht und erhob sich um hinter der jungen Frau durch die Tür an die frische Luft zu gehen. „Das ist kein Abschied für immer Salea…eines Tages wirst du wieder kommen und dann hat sich vielleicht schon sehr viel verändert“ murmelte er und drückte ihr ein kleines Päckchen in die Hand. „Deine Mutter wollte das ich dir das zu deinem 19 Geburtstag gebe.“ Mit diesen Worten, einer kurzen Umarmung und einem Handgruß, war Markes in der Dunkelheit verschwunden. Wieder war sie allein, nur der Drache zu ihren Füßen war der jungen Frau geblieben. Die Erkenntnis, die schon einmal durch den Kopf gewandert war, blitzte in ihren Gedanken abermals auf.
Nicht dran denken...
Wenn Minor den Gedanken aufschnappte, würde er in völlige Panik verfallen und das war wahrlich nicht das was sie wollte.
Irgendwann käme vermutlich die Zeit, wo er ihre Gedanken lesen konnte, noch ehe Salea sie auch nur ins Auge gefasst oder selbst realisiert hatte. Sie schüttelte den Kopf und begann die Füße zögerlich voreinander zu setzten. Das kleine Dorf bedeutete ihr innerlich doch sehr viel. Schließlich schritt die junge Frau weiter aus, richtete den Blick nach vorn und schlang sich den Mantel eng um den Körper. So warm die Tage auch waren, so kühl gab die Nacht ihnen die Hand. Der Winter dagegen lag zum Glück noch in weiter Ferne. Hoffentlich hatte sie bis dahin ein neues Zuhause gefunden, Anzeichen auf seine Familie oder Freunde vor denen Salea keine Geheimnisse haben musste. All das waren im Moment nicht mehr als bloße Wünsche. „Wir sollten zusehen das wir viel Abstand zwischen uns und das Dorf bringen. Je weiter wir weg sind, bis sie es bemerken, um so sicherer ist unser Leben.“ Entschieden hob die junge Frau das Jungtier auf die Arme und betrat den Wald und den Weg der im Dunkeln der Nacht und trotz des halbvollen Mondes kaum zu erkennen war. Die Instinkte dagegen wiesen den Weg ohne Probleme. Sie war ihn schon so oft gelaufen und doch nie bis an sein Ende gegangen, hinaus aus den Wäldern und hinein in eine ihr völlig fremde Welt. Die Dunkelheit schluckte ihre Gestalt und ließ ungeübte Augen nichts zwischen den Bäumen erkennen. Nur die nächtlichen Jäger mit ihrem scharfen Blick wurden der jungen Frau ansichtig. Mit der Anwesenheit des kleinen Reptils jedoch, griff keiner von diesen an. Minor wirkte wie ein natürlicher Schutzschild.
Unbehelligt durchschritten beide den Wald. Natürlich dauerte es eine Weile und erst als der Himmel sich langsam rosa zu färben begann, war der Rand der Bäume in Sicht. Saleas Füße schmerzten in den dünnen Schuhen schon eine Weile, doch stehen bleiben und sich eine Pause gönnen wollte sie nicht. Noch waren die Zwei nicht weit genug von dem Dorf innerhalb des Waldes entfernt. Das Risiko war zu groß erwischt zu werden. Und am Tage war dieses durchaus größer, da andere Reisende den Weg kreuzen konnten. Für das Drachenkind würde es keine große Möglichkeit geben unbemerkt umher zu streifen oder die Glieder zu strecken. Wenn ihnen die Götter gar böse mitspielten, musste Minor in den Korb und sich mucksmäuschen still verhalten. Das wäre eine ziemliche Plagerei.Mein kleiner Freund…du bist langsam wirklich zu groß, um dich lange Zeit ohne Probleme tragen zu können. Meine Arme würden am Ende des Tages vermutlich bis auf den Boden hinab hängen.
Das Jungtier tapste ebenfalls neben ihr her, sah sich neugierig um und verschwand manches Mal für einen Augenblick in den Büschen. Lange fort blieb der Kleine jedoch nie. Weitere Stunden schienen zu vergehen, ehe sich der Schleier aus Dunkelheit vollkommen hob und langsam wieder Farben und Geräusche preisgab. „Hörst du das Minor? Der Wald wie er erwacht, die Vögel ihre Lieder singen. Wäre es doch nur überall so schön wie hier“ flüsterte Salea ehrfürchtig und mit Sehnsucht in der Stimme. Fliegen…wie oft hatte sie sich das schon gewünscht oder erträumt. Doch wahr geworden war es bisher nie. Vielleicht blieb der Traum nicht mehr lange unerfüllt. Wenn der kleine Drache so lange bei ihr blieb und erwachsen wurde ließ er die junge Frau wöhlmöglich irgendwann auf seinen Rücken. Allerdings war die Bindung dafür noch zu schwach. „Lass uns eine Pause machen mein Kleiner. Meine Füße brauchen Ruhe. Und du hast sicherlich auch Hunger“ meinte Salea und sah auf die freie Fläche vor dem Wald. Ein Dorf war nicht in Sicht, auch etwaige Geräusche waren bisher nicht zu hören. Die Bäume schützten immerhin noch etwas vor unliebsamen Blicken und die Atmosphäre war hier viel ruhiger. Wenn die zwei ersteinmal in eines der Dörfer kamen, konnte Minor nicht mehr einfach so herum spazieren. Viele Menschen hielten nicht viel von den majestätischen Geschöpfen und jagten sie um aus ihren Körpern in jeder Form Profit zu schlagen. Die Welt ist so barbarisch und geldgierig. Ich muss gut auf dich aufpassen damit dir nichts geschieht dachte die junge Frau und seufzte leise, während sie den Beutel mit den Lebensmitteln auspackte, das Fleisch etwas kleiner schnitt und sich selbst eine Scheibe Brot mit einem Stück Käse nahm. „Sobald du etwas größer bist wirst du das Jagen lernen müssen. Auf Dauer kann ich dich mit gekauftem Fleisch nicht versorgen.“
Als Antwort purrte das Drachenkind nur leise und machte sich über seine Ration des Fleisches her. Markes hatte gut vorgesorgt. Feinstes Rehfleisch und sogar noch vollkommen frisch. Die junge Frau beobachtete ihn lächelnd. Wenn Minor weiterhin so gut fraß, würde sein Wachstum kein Problem darstellen. Dennoch…lange dauern würde es trotzdem. Wie lange ein Drache wohl wuchs bis er ausgewachsen war? Menschen waren ja meist mit 18 Jahren fertig mit ihrer Wachstumsphase. „Ich bin gespannt wie lange du brauchst Minor. Bisher bist du ja noch nicht so viel gewachsen“ murmelte Salea leise und biss in das Stück Käse. Ihr Blick wanderte dabei umher, fasste jeden Baum und jeden Strauch ins Auge. Unbemerkt würde sich den beiden wohl nichts nähern können. Zumindest nicht solange es kein Jäger war, der sich auf das lautlose anschleichen spezialisiert hatte. Aber von solchen Kreaturen hatte die junge Frau nichts gehört. In diesen Wäldern lebten höchstens Füchse oder vereinzelte Wölfe. Einem Bären oder anderen Wesen war noch nie jemand ansichtig geworden.
Kapitel 5

Nach der kurzen Rast ging es weiter. Die Dörfer mied Salea so weit wie möglich. Nur bei wichtigen Einkäufen betrat sie jene. Sie wollte nicht das Risiko eingehen, dass Minor doch noch entdeckt und gefangen genommen wurde. Der kleine Drache wüsste nicht wie im geschah, besonders da er im Moment eben noch ein Baby war. Seinen Odem konnte er nicht einsetzten und Krallen und Zähne würden niemanden umbringen.
Langsam und unerbittlich näherten die Schritte sich der großen Stadt: Teneran
Salea kannte nur Dörfer, wenngleich sie von der Hauptstadt des Landes durchaus gehört hatte. Reisende Händler hatten viel darüber erzählt. Ob all das jedoch der Wahrheit entsprach würde die junge Frau wohl früh genug herausfinden. Die Tage verstrichen ineinander ohne das etwas schlimmes passierte. Aber es war klar, dass das nicht immer so bleiben würde. Denn Minor wuchs von Tag zu Tag. Es waren nur wenige Zentimeter und doch machte sich das Wachstum in vielen Dingen bemerkbar. Das Babydrache hatte einen größeren Appetit und auch die Fußabdrücke veränderten sich. Am auffälligsten war jedoch das Gefühl der Schuppen unter ihrer Hand. Waren diese zu Anfang noch sehr weich gewesen und kaum voneinander zu unterscheiden, fühlten sie sich nun an wie raues Holz. Mit dem kleinen Unterschied das sich Salea hierbei keine Splitter einzog. „Bald sind wir in Teneran mein kleiner Freund. Vielleicht finden wir dort etwas über deine Familie heraus. Aber du musst dich still verhalten. Wenn die Leute dort einen Drachen sehen, kann ich dich nicht beschützen. Dafür sind es einfach zu viele Menschen“ meinte die junge Frau leise und kraulte ihn sanft unter dem Kinn. Sie wusste das Minor ihre Worte mittlerweile sehr gut verstand, blieb nur die Frage wie lang er darauf auch hören würde. Spätestens wenn der kleine Drache “jugendlich“ wurde konnte es schwierig werden. Dann würde er sich gegen Saleas Worte sehr wahrscheinlich zur wehr setzten.
Noch ist das etwas hin. Bis dahin haben wir hoffentlich irgendetwas erfahren dachte sie und schloss einen Moment die Augen. Ein wenig Angst hatte die junge Frau schon. Was erwartete sie in Teneran? Und wie sah es dort wohl aus? Menschenmassen waren für Salea manchesmal ein großes Problem. Zu viele Geräusche auf einen Fleck verwirrten den Geist und sie verlor vollkommen die Orientierung. Im Dorf war dieser Zustand selten eingetreten, da die junge Frau sich nicht an großen Festen oder Versammlungen beteiligt und der Natur lieber den Vortritt gegeben hatte. Weitere Tage vergingen in denen nichts die Ruhe störte, bis in einiger Ferne verschwommene Umrisse auftauchten. Die ersten Türme Teneran’s lugten über die Baumwipfel hinweg und die Angst beschlich die junge Frau immer mehr. Es gab auf der Welt so viele Gefahren. Gefahren die Salea nicht einschätzen konnte, noch in ungefährer Weise kannte. Bisher war ihr Leben immer sehr behütet verlaufen. Mit dem Auftauchen des kleinen Drachens jedoch hatte sich alles geändert, war über den Haufen geworfen worden und plötzlich ganz anders. Die Stadt war nur eine der Prüfungen die beide bestehen mussten. Aber vielleicht hatten sie ja Glück. Freunde waren ein wichtiges Gut. Leider offenbarten sich die meisten Menschen nicht als die Richtigen. Sie hintergingen andere, brachten sie in Schwierigkeiten und lasteten ihnen sehr viele Probleme an. Als allererstes musste jedoch ein größerer Korb her. Etwas das die junge Frau auf dem Rücken tragen und in dem sich das Drachenkind verstecken konnte. Ihn frei in der Stadt rumlaufen lassen, würde Salea gewiss nicht. Während der kleinen Pausen sammelte sie lange Grashalme. Geflochten waren diese stabil genug einiges an Gewicht zu tragen, selbst wenn sie getrocknet waren. „Du wirst mir sehr dankbar dafür sein Minor, auch wenn du es vermutlich erst viel später wirklich verstehst. Aber ich tue es ja nur um dich zu schützen. Falls deine Eltern noch irgendwo sind, möchte ich nicht ihren Zorn auf mir haben, weil ich auf ihr Jungtier nicht aufpassen konnte“ meinte sie leise und lächelte sanft als sie die Jagdversuche von Minor beobachtete. Besser war es, dass er jetzt damit anfing, Dann lernte der Grünling das jagen selbst und die junge Frau musste ihm das nicht beibringen. Schon das Fliegen würde schwer genug werden. Wenn jemand doch durch Zufall sehen sollte wie Salea mit den Armen wedelte, würde der oder diejenige sie als vollkommen durchgeknallt darstellen.

Aus den verschwommenen Umrissen waren mittlerweile scharfe Konturen geworden. Die hohen Türme der Hauptstadt glänzten weiß wie Knochen in der Sonne und waren in greifbare Nähe gerückt. Schon jetzt hatte Salea das Gefühl, als könnte sie die dicke Luft der Straßen Tenerans auf der Haut spüren. Ob auch Minor Angst oder Unsicherheit empfand wusste die junge Frau nicht. Aber wenn dem so war, ließ die Jungechse sich nichts anmerken, sondern tapste neben ihr her und beobachtete die Umgebung. Seine Jagdlust war für den Moment vergangen. Immer öfter kreuzten andere Menschen ihren Weg und Minor musste sich in den Büschen verstecken und leise vorbei schleichen. Zumeist waren es Händler mit ihren, von Pferden gezogenen, Karren aber auch Familien zu Fuß und abgemagerte Kinder in zerlumpter Kleidung. Anscheinend gab es in Teneran nicht nur die wohlhabenden Leute, sondern auch arme Menschen die sich nicht einmal vernünftige Kleidung, geschweige denn Essen leisten konnten. Bei dem Anblick verspürte sie einen Stich im Herzen. Gern hätte Salea ihnen geholfen, doch die wenigen samaranthischen Münzen brauchte die junge Frau für die eigene Verpflegung und einen Schlafplatz in einem Gasthaus, vorausgesetzt die Zimmer waren nicht allzu teuer. Kurz vor den Stadttoren stellte Salea den selbstgefertigten Korb auf den Boden damit der kleine Drache hineinklettern konnte. Dabei achtete sie genau darauf dass niemand in der Nähe war, der die Echse sehen könnte. Durch die Kurve und die Bäume war die junge Frau auch von den Toren aus nicht zu sehen. „Jetzt musst du ganz still sein Minor. Wenn die Leute dich hören während wir in der Stadt sind bringt uns das große Probleme“ sprach Salea leise genug dass andere sie nicht hören konnten. Der Welpe gab ein leises „hrr“ von sich und rollte sich in dem Korb dann ein. Die junge Frau nahm das als ein Ja, ging anschließend in die Hocke und schulterte den Korb, der nun dank dem Drachenjungen um einiges schwerer war. Der Ausgleich dauert zwar einen Moment, nach ein paar Minuten stand Salea jedoch wieder stabil auf ihren Beinen und schritt auf das Stadttor zu. Die Türme ragten wie tadelnde Finger schier endlos in die Höhe, vom Sonnenlicht beschienen und von den Menschen mit Faszination bedacht. Hinter dem Eingang war das Gedränge noch größer. Die Pferdekarren versperrten fast die komplette Straße. Das durchschlüpfen zwischen den einzelnen Wagen und den Menschen wurde zur Prüfung die ihr das Herz beinahe in der der Brust zerspringen ließ. Solche Ansammlungen ließen die Angst ins unermessliche wachsen, den Puls steigen und die Atmung hektisch werden. Einige leise gemurmelte Mantras halfen der jungen Frau wenigstens einen Teil der inneren Ruhe wieder zu finden. Weiter hinten, kurz vor dem Marktplatz löste sich das Gedränge schließlich soweit auf das man niemandem mehr auf die Füße trat. Voll waren die Straßen trotzdem noch immer. Wo sollte man hier nur ein Gasthaus finden? Die Straßen waren so groß, so unübersichtlich und dann liefen auch noch überall die Kinder in den zerschlissenen Kleidern herum. Vertrauenserweckend war in Saleas Augen definitiv anders. Langsam ging die junge Frau durch die Straßen, bedachte die große Statue in der Mitte des Platzes mit einer Mischung aus Angst und ziemlicher Faszination und blieb auch einen Moment davor stehen. Und genau das wurde ihr schließlich zum Verhängnis. Erst spürte sie nur ein leichtes zupfen an dem Beutel und dachte es wäre Minor der etwas zu fressen haben wollte und aus Ungeduld an eben jenem zog, dann wurde der Körper plötzlich nach hinten gezogen. Im nächsten Moment hörte Salea das reißen von Stoff und der Inhalt ergoss sich auf den staubigen Boden des Marktplatzes. Alles was die junge Frau noch erblicken konnte waren Kinder die sich durch die herumlaufenden und stehenden Menschen schnell entfernten und in irgendeiner der vielen Gassen Tenerans verschwanden. Der Schreck saß ihr noch in den Gliedern als Salea die Sachen langsam aufhob und versuchte den gröbsten Dreck abzuklopfen. Nun sahen die Kleider nicht mehr ganz so toll aus, aber sie waren waschbar. Den viel größeren Schreck bekam die junge Frau als sie bemerkte dass sowohl der Beutel mit dem Geld sowie die kleine Drachenstatue die ihr Vater geschnitzt hatte, verschwunden waren. „Nein…“ flüsterte jene leise, sah sich um und sank halb in sich zusammen. Wie hatte sie nur so unachtsam sein können? Jetzt gab es keine Möglichkeit einen Schlafplatz zu finden und die letzte Erinnerung an ihre Eltern war nun auch zerstört. Trauer schlich sich in das junge Herz und die junge Frau spürte wie sich das Drachenkind in dem Korb regte. Jetzt blieb nur das übernachten auf der Straße, in einer Stadt die Salea nicht kannte und die ihr mit ihrer Größe große Furcht einflößte. „Was sollen wir jetzt nur machen, mein Kleiner? All mein Geld ist weg und auch die kleine Holzfigur haben sie mir gestohlen. Jetzt sind wir wie die Kinder. Bettelarm“ murmelte sie leise, setzte den Korb auf dem Boden ab und ließ sich mit dem Rücken gegen den Standsockel der Statue und auf die Erde sinken. Sollte die Reise hier wirklich enden? Sie hatte Minor doch versprochen seine Eltern oder Verwandten zu finden. Es durfte hier noch nicht vorbei sein…
Doch momentan gab es keine Möglichkeit das zu ändern. Beinahe teilnahmslos beobachtete Salea die vorbei laufenden Menschen, realisierte jedoch nicht so recht das der Tag voranschritt, von einem warmen Mittag in einen kühlen Abend wechselte und schließlich waren die Straßen wie leer gefegt, gespenstisch still. Jetzt waren nur noch die nächtlichen Jäger und menschliche Diebe unterwegs. Als die Dunkelheit sich über Teneran senkte kroch der kleine Drache aus seinem Korb und krabbelte zu ihr auf den Schoß. Seine Schuppen strahlten eine angenehme 1Wärme aus die der jungen Frau gut tat. Sie hatte zwar eine Decke dabei, doch wirklich gegen die Kälte der Nacht helfen, tat jene nicht.
Einige Stunden später erwachte Salea abrupt und sah sich mit weit geöffneten Augen um. Die junge Frau hatte nicht mitbekommen das sie eingeschlafen war. War da ein Geräusch gewesen? Nein, es war noch immer beinahe gespenstisch still, nur ab und an drang das maunzen von Katzen an ihre Ohren. Was hatte sie dann geweckt? Eine Vorahnung vielleicht, das Gefühl beobachtet zu werden. Und tatsächlich nahm Salea in den Schatten einer der Gassen die vom Marktplatz fortführten eine schwache Bewegung wahr. Oder war es einfach nur Einbildung ausgelöst durch die Müdigkeit? Möglich wäre es, aber dann wäre da nicht das Gefühl gewesen, beobachtet zu werden. Vorsichtig hob die junge Frau Minor hoch, legte ihn in den Korb und erhob sich mühsam und begleitet von einem leisen Ächzen da die Knochen steif geworden waren durch die Kühle der Nacht. „Wer ist da?!“ rief sie leise, doch deutlich genug das der oder diejenige die Stimme hören konnte, in der leichte Angst mitschwang. Eine lange Zeit tat sich nichts, der Schemen verharrte still in den Schatten sodass Salea schon daran glaubte wirklich nur einer Einbildung erlegen zu sein. Dann jedoch rührte er sich und eine Gestalt, ungefähr einen Kopf größer als sie trat auf den verlassenen Marktplatz hinaus. Das Gesicht war halb vermummt, der Körper ähnlich wie von vielen Kindern in der Stadt von zerschlissenen Kleidern bedeckt. Doch seine Ausstrahlung war anders. Nicht niedergeschlagen und hoffnungslos so wie der anderen hier, sondern stolz. Mit deutlicher Angst wich die junge Frau zurück und sah sich in Panik um. Minor schlief und würde ihr so nicht helfen können, andere Menschen waren um diese Zeit auch nicht mehr auf den Straßen unterwegs und eine wirkliche Waffe besaß Salea auch nicht. „Wer bist du? Und was willst du von mir?“ Als er noch ein Stück auf sie zutrat wich jene wieder zurück, bis der Rücken gegen den Sockel der Statue stieß. „Komm mir nicht zu nah…“ rief Salea aus und hob einen Ast auf der wohl von einem Karren heruntergefallen und unbeachtet liegen gelassen worden war. „Glaubst du wirklich das dein kleiner Stock mich von irgendetwas abhalten könnte?“ erklang die Stimme unter dem Tuch gedämpft und von einem spöttischen Lächeln unterlegt. Eindeutig männlich und er schien sich einen Spaß daraus zu machen sie in Angst und Panik zu versetzten. Außerdem nahm er die junge Frau auch nicht wirklich ernst wie es Salea schien. „Ich warne dich…bleib weg von mir“ wiederholte sie wieder und richtete den Ast auf ihn wie eine Schwertklinge. Es war ihr Glück das er nichts von dem Drachenjungen in dem Weidenkorb wusste und solange dass so blieb und die kleine Echse keinen Mucks von sich gab, war Minor auch in Sicherheit. „Mädchen glaube mir, dein kleiner Stock wird gegen mich nicht viel ausrichten können, egal was du auch versuchst. Schwer verletzten wirst du mich mit dem kleinen Holz jedenfalls nicht. Allerdings bin ich auch nicht hier um mich mit dir zu streiten, oder mir mit dir einen Kampf zu liefern. Eigentlich wollte ich dir nur etwas zurückgeben. Aber das willst du ja anscheinend nicht“ erwiderte der Junge und verschränkte die Arme lässig vor der Brust. Weitere Anstalten sich zu nähern machte er nicht und Salea ließ den erhobenen Ast ein wenig sinken. „Was solltest du mir zurückgeben wollen. Du kennst mich ja nicht einmal“ erwiderte die junge Frau misstrauisch und verengte die grünen Augen zu Schlitzen. Der Junge ließ sich Zeit mit der Antwort. Vielleicht wählte er seine nächsten Worte mit mehr Bedacht, ehe sie doch noch mit dem Stock auf ihn losging und damit auf ihn einschlug. „Ich kenne dich nicht das ist richtig, aber ich kenne die Stadt und die Kinder hier. Ich bin…sagen wir, so etwas wie ihr Anführer und sie haben dir etwas gestohlen das ich nicht zugelassen hätte.“ Langsam griff er nach einem Beutel auf seinem Rücken und holte zwei kleinere Beutel heraus. Aus dem größeren war das klimpern von Münzen zu hören, in dem kleineren war die Form einer geflügelten Echse zu erkennen. „Meine Sachen…!“ rief sie ungläubig aus und die Augen wurden groß vor Unglauben. Mit einem Satz sprang Salea vor und versuchte nach den Beuteln zu greifen, doch der Junge war schneller und einen Kopf größer, sodass die junge Frau weder mit strecken noch mit hüpfen an ihre gestohlenen Eigentümer herankam. „Gib sie mir wieder…Du hast kein Recht sie zu behalten!“ Die Wut in ihrem Bauch ließ die Steifheit in den Gliedern verfliegen und streute Wärme in den Körper aus. Einen Vorteil brachte ihr das jedoch nicht. Er war auf den Straßen dieser Stadt aufgewachsen, kannte jeden Winkel, jedes Schlupfloch und war gewandt wie ein Hase der ein ums andere Mal einen Hacken schlug um seinen Verfolger los zu werden. „Ich hatte nicht vor deine Sachen zu behalten“ erwiderte Saleas Gegenüber mit leiser Schärfe aber auch einem verletzten Unterton in der Stimme. „Ist das so…“ murmelte die junge Frau, kein Stück von dem überzeugt was der Junge sagte. Statt einer erneuten Antwort gab er nur ein Schnauben von sich, die Beutel immer noch über seinem Kopf in die Höhe haltend. Einige Zeit ging das Spiel immer so weiter und die Umgebung wurde langsam heller. Der Tag schickte seine ersten Boten aus, erweckte die Vögel wieder, welche bald darauf anfingen ihre Lieder in den Himmel zu schicken.
„Pass das nächste Mal besser auf deine Sachen auf. Noch mal helfe ich dir nicht…Dorfkind“ murrte der Junge es ziemlich bissig, warf ihr behände die Beutel zu und drehte sich im selben Atemzug um, um zu verschwinden bevor die Stadt vollends zum Leben erwachte. Hier und dort öffneten sich bereits die ersten Fensterläden. „Warte…“ rief Salea nach einem sekundenwährenden Zögern aus und lief ihm hinterher als er schon in den Schatten einer Gasse verschwunden war. Seinen Umriss sah die junge Frau nur verschwommen im Dämmerlicht. „Was willst du noch?! Du hast deine Beutel wieder…“ erwiderte jener und drehte sich halb, richtete den Blick aus dunkel wirkenden Augen auf sie und zog die Augenbrauen zusammen. „Ich…Danke…“ Kleinlaut und mit gesenktem Kopf stand Salea da, sah nicht auf zu ihm. Sein Blick und seine Stimme waren nicht sehr freundlich gewesen, aber das war bei ihrem vorigen Verhalten wohl kein Wunder. Abwehrend schüttelte er den Kopf und bewegte die Hände in einer verneinenden Geste. „Vergiss es einfach. Am besten vergisst du alles was die letzten Stunden passiert ist. Du hast mich nicht gesehen und kennst mich auch nicht.“ Das klang schon fast so als wäre er ein gesuchter Verbrecher. War das denn möglich? Salea hatte schon mitbekommen das die Soldaten es nicht gerne sahen wenn die Kinder Lebensmittel von den Marktständen stahlen. Allerdings, so fand sie, wäre das vermutlich nicht so schlimm wenn die Stadt den Armen etwas helfen würde. Aber die Oberschicht blieb meist für sich, bedachte die zerlumpten Kleider und dreckigen Gesichter zum Teil mit großer Abscheu. Dabei waren sie alle nur Menschen, die einen mit mehr Glück, die anderen mit weniger. Während Salea noch darüber nachdachte erklang ein Name weiter hinten in der Gasse und ein Mädchen tauchte auf: „Rin! Wir müssen weg. Jetzt…“, und schon war der Junge mit einem letzten Blick auf sie verschwunden. Rin…ein seltsamer Name mit einem schönen Klang. Ich glaube nicht das ich diese Begegnung so schnell vergessen werde dachte die junge Frau bei sich und lief zu ihren Sachen zurück. Minor schlief noch immer ruhig in dem Korb und regte sich auch nicht als sie leise ihre Sachen dazu legte. Ein neues Tragetuch musste sich jene erst kaufen. Fraglich nur ob das Geld dafür reichte. „Suchen wir uns erst einmal eine Bleibe, was?“ fragte Salea sich selbst und hob den Korb auf die Schultern, um sich in der Stadt nach einer nicht ganz so teuren Bleibe für ein paar Tage umzuhören. Zwei Tage vergingen in denen die junge Frau die Stadt ein wenig erkundete, einige Lebensmittel und ein neues Tragetuch kaufte und sonst Großteils in ihrer Bleibe bei einer kleinen Familie verbrachte. Ihr Zimmer lag im ersten Stock des Steinhauses, unter dem Fenster war ein großes Stofftuch befestigt das sich auf die andere Straßenseite spannte und so die Sonne daran hinderte auf den Boden hinunter zu brennen. Allerdings hatte sich das Wetter ziemlich geändert. Die helle Scheibe war hinter Wolken verschwunden, deren weiße Farbe zu Anfang noch nicht erahnen ließ das ihnen auf dem Fuße ein Unwetter folgte. Der kleine Drache wuchs weiterhin beständig mehrere Zentimeter pro Tag, Krallen, Flügel und auch die Hörner nahmen an Länge und Stabilität zu. „Wir müssen wirklich langsam aufpassen dass dich niemand sieht. Was mache ich nur wenn ich dich nicht mehr verstecken kann Minor?“ fragte Salea ihn leise, sah zu dem Drachen und blinzelte schließlich. Wieder zogen Bilder vor ihrem inneren Auge vorbei. Bilder wie die Jungechse flog, dahinglitt im Licht der Sterne und des Mondes und sich Tagsüber versteckte. „Das könnte klappen Minor, die Frage ist nur wie lange. Du kannst dich nicht dein ganzes Leben lang verstecken. Das passt nicht zu einem Drachen. Markes hat mir oft erzählt wie stolz eure Rasse ist.“ Ein leises Seufzen entrang sich über die Lippen während draußen dunkle Wolken am Himmel aufzogen. Sie hingen tief, waren vermutlich mit vielen Litern Wasser gefüllt und bereit sich zu entladen und die Tore zu öffnen. Direkt über Teneran. Die Menschen flüchteten bereits von den Straßen hinein in die Häuser, suchten Schutz bevor sich die Himmelstore öffneten und die Fluten zur Erde hinabschickten. Bedrohlich hingen die Wolkenberge über der Stadt, schienen regelrecht zu brodeln bevor die ersten dicken Tropfen fielen und auf dem trockenen Erdreich zerplatzten. Immer mehr Tropfen gingen auf den Boden nieder, so stark das man schon bald die andere Straßenseite nicht mehr erkannte. Der weiße Schleier verdeckte alles, ließ Freund von Feind nicht mehr unterscheiden wenn man sich in einem Kampf mit solchen Wetterbedingungen gegenüber stand. Keine zwei Minuten später zerrissen ein gleißender Blitz und ein ohrenbetäubender Donnerschlag das Rauschen des niedergehenden Wassers. Sie spürte die Erschütterung sogar bis tief in ihre Knochen. Minor dagegen fiepste erschrocken auf und vergrub sich tief in dem geflochtenen Korb. Es war sein erstes Gewitter seit die Höhlen aufgetaut waren, aber auch für Salea war es nicht ohne. Sicherlich kannte sie Unwetter, doch solch ein heftiges hatte selbst jene noch nicht erlebt. Während die Seelenspiegel durch das Fenster schauten, die niederzuckenden Blitze beobachteten und die Ohren dem Donner lauschten, dachte sie nach. Hatten die Straßenkinder ein Versteck gefunden in dem es trocken war und warm? Fragen die ihr niemand beantworten konnte. Der Junge…Rin…hatte selbst gesagt Salea sollte ihn vergessen, so tun als hätte sie ihn nie gesehen oder mit ihm gesprochen. Wie das gehen sollte wusste die junge Frau jedoch nicht. Eine ganze Weile hing sie noch diesem und anderen Gedanken nach. Dementsprechend realisierte sie die Bewegung der dunklen Gestalt vor dem Fenster und das lauter werden des Regens nicht als die Verriegelung leise mit einem Messer geöffnet und die Scheibe nach oben geschoben wurde. Unvorbereitet wie Salea war, warf das Gewicht des „Angreifers“ sie zu Boden und nagelte die junge Frau dort fest. Panisch zappelte jene unter dem anderen Menschen und versuchte sich zu befreien. Die Augen erkannten ihn im Dunkeln nicht und die aufflammenden Blitze machten es ihr da auch nicht so viel einfacher. „Lass mich los! Hil-“ Dumpf brach der Hilfeschrei ab, wurde gestoppt durch seine Hand und ein leises zischen von der Gestalt wurde einen Moment zwischen den Donnerschlägen hörbar. „Dorfkind…Dorfkind“ flüsterte der Junge und schüttelte grinsend den Kopf, machte jedoch noch immer keine Anstalten sich zu erheben oder die Hand von ihrem Mund fort zu nehmen. „Rin! Gh nunter vom mim!“ Selbst als sich Salea noch heftiger sträubte und ihm vermutlich dabei nicht gerade sanft in den Rücken traf, gab er nur ein schmerzhafte aufjapsen von sich und blieb auf ihr sitzen. „Du kennst also meinen Namen. Mein Fehler…Liza hätte nicht rufen sollen. Aber der Umstand lässt sich schnell beseitigen.“ In seiner Stimme klang eine Mischung aus Freude und noch mehr Bedauern mit. Im nächsten Augenblick blitzte die Messerklinge auf, näherte sich ihrem Hals und verharrte dort einen Herzschlag lang, so nah das Salea das Gefühl bekam den kalten Stahl schon auf der Haut zu spüren. „Du willst mich nicht töten…das darfst du nicht“ flüsterte die junge Frau, schluckte schwer und kämpfte mit den Tränen der Angst. Sie war sich der Klinge an ihrem Hals nur zu bewusst. Dennoch startete jene einen Versuch sie Rin aus der Hand zu schlagen. Die Taktik ging nicht ganz auf aber sie verschaffte Salea wieder Freiheit als er nach hinten sprang und ihren Körper damit frei gab. Die junge Frau ahnte dass dieser Trick ein zweites Mal nicht funktionieren würde. Sie war kein Kind der Straße und zudem auch leichter und kleiner als der Junge. „Ich darf nicht? Wer sagt das? Du etwa?“ Rin lachte leise jedoch nicht freudvoll und Kälte blitzte in den dunkelblauen Seelenspiegeln auf. „Dich wird hier sowieso keiner vermissen Dorfkind. Du bist allein…“ Abermals warf er Salea zu Boden während draußen mit ungeminderter Wucht das Unwetter tobte, klemmte ihre Hände schmerzhaft unter seinen Knien ein und hob die scharfe Klinge ins Gewitterlicht. Noch einmal würde sie keine Gelegenheit dazu bekommen ihm das Messer aus der Hand schlagen zu wollen. Minor…es tut mir so leid…Ich habe versprochen dir zu helfen, nicht zu ruhen…bis wir wissen was mit deinen Eltern passiert ist. Bis wir eine Spur von ihnen oder deinen anderen verwandten finden dachte die junge Frau und schloss die Augen um die Messerklinge nicht mehr sehen zu müssen. In ein paar Augenblicken würde sie ihr eh das Leben nehmen. Die Tränen spürte sie dabei heiß unter den Augenliedern, auf den Wangen als sich jene ihren Weg bahnten und in die langen Haare hineintropften.


















Kapitel 6

Die Erwartung eines Angriffes blieb jedoch aus. Abermals verschwand das Gewicht des Jungen von ihrem Körper als sich der Jungdrache mit einem, für sein Alter unglaublich, tiefen Knurren auf ihn stürzte. Die Klinge verlor Rin dabei. Wie das Schicksal es so wollte, traf die scharfe Messerschneide Salea im Gesicht und fügte ihr eine lange Wunde quer über das linke Auge und die Wange zu. Die Hand der jungen Frau fuhr sofort nach oben um die Blutung zu stoppen, der rote Lebenssaft jedoch floss an der Hand vorbei und den Arm hinunter wo er vom Saum des langärmligen Kleides aufgesaugt wurde. Von dem Schrecken der Rin in die Glieder gefahren sein musste, erholte er sich nur langsam und starrte auf das Drachenjunge als hätte der Junge gerade einen Geist gesehen. „Was bei den Göttern ist das?!“ rief er aus und zeigte mit zitterndem Finger auf Minor, welcher noch immer schützend vor ihr stand. Seine kleinen Flügel waren vom Körper abgespreizt damit die Jungechse größer wirkte und aus seinem Maul drang ein leises, beständiges Zischeln.
„Was wohl? Ein Drache…“ erwiderte Salea leise und richtete sich langsam auf. Der Ärmel saugte sich noch immer mit ihrem Blut voll. „Treib keine Scherze mit mir Dorfkind. Das ist niemals-“ Ein leises Knurren von Minor unterbrach ihn mittem im Satz. „Woher willst du wissen ob es ein Drache ist oder nicht?! Du hast doch noch nie einen gesehen, richtig?“ Wut klang in der Stimme der jungen Frau mit und formte in ihrem Magen einen heißen Knoten. Rin glaubte alles zu wissen. Als Straßenkind war das sicherlich eine Menge, doch von dem Leben und der Welt da draußen hatte er keine Ahnung. „Und ich heiße nicht Dorfkind…sondern Salea. Merk dir das bevor du das nächste Mal versuchst mich umzubringen. Er wird es nicht zulassen“ sprach sie laut über das Unwetter hinweg und das unverletzte grüne Auge funkelte sauer. Der Junge gab nach und ließ sich mit dem Rücken gegen die Wand sinken. „Entschuldige…“ murmelte Rin leise und senkte den Blick zu Boden. Reue sprach aus seiner Haltung und der Stimme gleichermaßen. Ob er sie wirklich umgebracht hätte, wenn Minor nicht gewesen wäre? „Für uns Straßenkinder ist es nicht wirklich einfach. Wir müssen jeden Tag um unser überleben kämpfen und die wohlhabenden Bürger der Stadt sehen auf uns hinunter als wären wir Ungeziefer. Ich hatte… Angst das du mich an die Wachen verraten könntest. Wenn ich nicht mehr bin, kann sich niemand um die Jüngeren kümmern.“ Mit zittrigen Fingern suchte Rin in seinen Taschen nach einem Tuch und reichte es der jungen Frau mit noch immer gesenktem Blick hinüber. Das Drachenjunge hatte sich wieder an Salea geschmiegt, beobachtete ihn jedoch noch immer argwönisch. Auch weil das Messer in seiner Reichweite lag und er die Gelegenheit durchaus noch mal beim Schopfe packen könnte. „Selbst wenn ich es in Betracht gezogen hätte, dich verraten zu wollen Rin…Ich hätte ja nicht einmal gewusst wo ich die Wachen hinschicken soll. Das wäre also ein ziemlich sinnloser Versuch gewesen. Und ich werde dich auch jetzt nicht verraten, auch wenn du mich verletzt hast.“ Die naheliegenste Lösung wäre es gewesen. Schließlich hatte der Junge versucht sie umzubringen. Das hatte Rin zwar nicht geschafft ,aber die lange Wunde der Messerschneide war dennoch nicht zu unterschätzen. Langsam löste sie den Ärmel von ihrem Gesicht und griff nach dem dargebotenen Tuch, drückte sich jenes gleich wieder gegen die Wunde und schloss die Augen für einen Moment. „Wenn die Familie bei der ich wohne reinkommt, erzählen wir ihr du hättest den Einbrecher verjagt der versucht hat mich zu bestehlen und zu töten. Vielleicht…bekommen die Bürger dann ein anderes Bild von den Straßenkindern.“ Ob es wirklich so klappte wie die junge Frau sich das vorstellte war natürlich fraglich. Nur Minuten später klopfte es an der Tür. Der Tumult war trotz des Unwetters anscheinend nicht ungehört geblieben. „Salea ist alles ok bei dir? Wir haben von unten Lärm gehört.“ Und da sind sie schon. Das hat jetzt nicht lange gedauert dachte die junge Frau und seufzte leise. Versteck dich. Sie dürfen nichts von dir wissen… Ob Minor den Gedanken empfing wusste sie nicht, aber wenn Salea jetzt mit dem Drachenkind redete, würden von der Familie nur seltsame Fragen kommen. Das Junge tat dann auch schon wie ‚‘befohlen‘‘und krabbelte wieder in den Korb hinein, rollte sich zusammen und verharrte nach einigen Sekunden vollkommen still.
„ Ich brauche Verbandszeug…und Tücher.“
„Verbandszeug und Tücher? Kind was ist passiert?“ Noch ehe die junge Frau antworten konnte, kam die Mutter der beiden Kinder hinein und schlug mit vor Entsetzen, geweiteten Augen die Hände vor dem Mund zusammen. Nicht nur wegen der Verletzung die sie im Gesicht trug, sondern auch wegen Rin. „Hat er dich etwa-„ Vorsichtig schüttelte Salea den Kopf damit die sich schließende Wunde nicht gleich wieder anfing ohne Ende zu bluten. „Nein. Der Straßenjunge hat mich gerettet. Da war ein Einbrecher…Er hat versucht mir meine Sachen zu stehlen und ist mit einem Messer auf mich los. In der Dunkelheit hab ich sein Gesicht leider nicht sehen können und als er sich auf ihn geworfen hat habe ich die Klinge abbekommen.“ Kurz warf sie einen Blick aus dem gesunden Auge zu dem Straßenjungen und er kreuzte ihn. Seine Angst war deutlich spürbar. Wenn er jetzt jedoch die Nerven verlor war die Notlüge vollkommen umsonst. ‘Bleib ruhig‘ schien ihre Körpersprache auszudrücken, während die Frau mit einem letzten recht misstrauischem Ausdruck auf dem Gesicht verschwand, um saubere Tücher zur Wundreinigung und Verbandszeug zu holen. „Das klappt nicht. Schau sie dir doch an. Deine Gastgeberin glaubt kein Wort von dem was du ihr gesagt hast“ flüsterte Amarin heiser vor Furcht. „Sie wird es glauben…Es ist niemandem möglich etwas anderes zu beweisen“ erwiderte die junge Frau schwach und sackte auf dem Boden noch etwas mehr zusammen. Der Blutverlust machte sich langsam aber sicher bemerkbar. Keine zehn Minuten später war sie wieder da und kniete sich zu Salea, um mit einem feuchten Tuch vorsichtig das Blut im Gesicht abzutupfen und den entstandenen Schaden zu begutachten. „Es ist nicht tief auch wenn es ziemlich blutet. Du hattest großes Glück das die Messerklinge dich nicht noch schwerer verletzt hat. Aufpassen solltest du dennoch Mädchen. Wenn in die Wunde Dreck gelangt und sie sich entzündet kann das Böse enden.“ Leicht nickte die junge Frau und ließ den Blick zu Boden sinken damit Alessia eine Salbe, bestehend aus Kräutern, auf den Schnitt auftragen konnte. Die Mixtur kühlte und linderte somit den Schmerz. „Der Schnitt über deinem Augenlied macht mir Sorgen…Er wird nicht so gut verheilen wie die anderen zwei. Es kann gut sein das du eine Narbe behälst Salea“ sprach die Frau sanft und strich ihr einen Moment durchs Haar. „Und nun zu dir Straßenjunge! Ich bin dir dankbar das du meinen Gast gerettet hast, jedoch muss ich dich darum bitten dieses Haus nun zu verlassen. Hier ist kein Platz für jemanden wie-„
„Kann er nicht wenigstens hier bleiben bis das Unwetter vorbei ist, Alessia? Er wird doch sonst vollkommen nass“ unterbrach Salea die Frau flehend und legte die Hände aneinander. „Bitte…“ Einige Herzschläge lang wirkte es so als wollte die Herrin des Hauses protestieren, dann legte sie nachdenklich die Stirn in Falten und hob den Finger. „Bis das Unwetter vorbei ist…und keinen Augenblick länger!!“ Glücklich klang die Frau bei der Entscheidung keineswegs Einen Straßenjungen zu beherbergen war zwar kein Vergehen, aber wenn jemand das mitbekam würde es eine ganze Menge Gerede und Gerüchte deswegen geben. „Vielen Dank, gnädige Frau“ murmelte Rin zurückhaltend und ließ den ohnehin schon gesenkten Kopf noch ein Stück tiefer sinken. Ihm war es unangenehm und befremdlich zugleich das jemand, der ihn nicht kannte und den der Junge versucht hatte umzubringen, sich gleich darauf so sehr für ihn einsetzte. Nach einem letzten Blick auf die Beiden verschwand Alessia und schloss die Tür hinter sich. Sogleich erfüllte Stille den Raum und blieb eine ganze Weile zwischen ihnen stehen, ehe Amarin sie brach: „Warum hast du dich so sehr für mich eingesetzt? Ich habe versucht dich zu töten…und keine Stunde später bewahrst du meine Haut vor dem Gefängnis und dem Tod“ fragte er leise und hob den Blick langsam zu ihr hinauf. Salea erwiderte ihn, ließ sich mit einer Antwort jedoch lange Zeit. „Vielleicht-„ fing die junge Frau an, brach ab und holte tief Luft. „Vielleicht weil ich die Hoffnung auf das Gute in den Herzen der Menschen noch nicht verloren habe. Du bist zwar ein Straßenjunge Rin, aber kein böser Mensch. Denn sonst hättest du mich einfach umgebracht, meine Sachen und Wertgegenstände durchwühlt und wärst verschwunden, ohne einen Anhaltspunkt auf dich zu hinterlassen.“ Die Worte waren mit Bedacht gewählt und doch entsprachen sie vollkommen der Wahrheit. „Hätte ich das? Ich weiß es nicht Salea. Aber was ich getan habe tut mir jetzt im nachhinein furchtbar Leid. Wenn wir in der Stadt unterwegs sind töten keines der Kinder jemanden. Auch ich nicht. Wir setzen die Wachen nur außer Gefecht oder verletzen sie.“ Für ein paar Minuten verstummte der Junge. „Du hast mich erst zwei mal gesehen. Wieso glaubst du mich soweit zu kennen das du mich einschätzen kannst, Salea?“ fragte Rin und zog hier und dort an den Fetzen seiner Kleidung herum. „Die Augen verraten viel über einen Menschen. Sie sind die Spiegel zur Seele und deine verraten viel, auch wenn sie verschlossen sind wie ein Buch mit sieben Siegeln. Deine Ausstrahlung ist auch nicht wie die anderer Straßenkinder“ erwiderte die junge Frau ehrlich und offen auf seine Fragen. Das ihn dies alles interessierte war ja nicht sehr verwunderlich. Jeder andere halbwegs vernünftige Mensch hätte Rin verhaften lassen und sich nicht mehr darum geschert was mit ihm geschah.
Sie war da anders. Salea war durchaus auch sehr vernünftig, aber die junge Frau war eben nicht zur gänze menschlich. Zumindest nicht innerlich. „Normalerweise halte ich mich von Menschen eher fern. Ich bin nicht wie sie. Frag mich bitte nicht wie ich das meine…Ich kann es dir nämlich mit keinem mir bekannten Begriff erklären. Es ist einfach so. Dort wo ich herkomme, aus dem Dorf im Wald, einige Tagesreisen von hier entfernt, habe ich mit den Dorfbewohnern nie sonderlich viel zu tun gehabt. Sicher hab ich ihnen hier und dort geholfen, ihnen Kräuter für Nahrung oder Salben und Tinkturen verkauft…“ Leicht schüttelte Salea den Kopf und schloss die grünen Seelenspiegel dann erschöpft. Der Drang es zu erzählen war zu übermächtig gewesen und dann war es einfach aus ihr herausgeplatzt. „Also bist du doch ein Dorfkind“ witzelte Rin mit einem schiefen, vorsichtigen Lächeln welches signalisierte das er es nicht böse meinte. „Vielleicht.“ Vorsichtig streckte sie die Hand in den Korb aus und strich mit den Fingerspitzen über die leicht rauen Schuppen von Minor, über die noch immer ab und an das Licht der Blitze zuckte. Das Unwetter zog langsam ab, der Regen ließ nach und der Donner wurde von Minute zu Minute leiser. Auch der Junge bemerkte die Veränderung des Wetters und seufzte leise. Vermutlich hatte er lange nicht mehr so offen mit jemandem reden können. Als Straßenkind war man schon ziemlich einsam, stellte Salea bedrückt fest und streckte die Hand aus um sie auf seinen Arm zu legen, ließ jene dann jedoch wieder sinken. So nah waren sich die Beiden jetzt auch nicht das man Nettigkeiten austauschte. „Du solltest dich bald auf den Weg machen. Liza wartet sicher schon auf dich und Alessia wird nicht erfreut sein wenn du noch länger bleibst. Sie war über meine Idee jetzt schon nicht begeistert“ murmelte die junge Frau traurig, zog die Knie an und schlang die Arme drum herum. Rin war ein gut aussehender junger Mann, auch wenn seine Geschichte nicht die weiße Weste war die jede weibliche Person gern gehabt hätte. Sich in aufkeimende Gefühle zu stürzen war jedoch auch nicht gerade die beste Variante. „Ja das sollte ich wohl.“ Der Junge hatte ihre Bewegung durchaus mitbekommen, reagierte darauf jedoch kaum. Es war wirklich besser wenn sie ihn wieder vergaß. „Du solltest mich vergessen Salea, ich bin kein guter Umgang für dich. Für eine junge Frau wäre es wirklich das Beste. Für uns beide. Ich bringe dir nur Schwierigkeiten, wenn man dich und mich zusammen sieht“ sprach Rin leise und erhob sich dabei langsam. Sie wusste selbst das es verrückt war, vielleicht sogar dumm. Warum musste sie sich ausgerechnet in einen Straßenjungen vergucken? Er war sicher nicht die beste Gesellschaft für ein Dorfmädchen, als König der Gassen von Teneran. Auf seine Worte schüttelte Sale schwach den Kopf und vergrub das Gesicht zwischen den Knien. Rin wusste nicht was für sie das Beste war. Er kannte sie höchstens zwei Stunden. „Geh einfach…“ flüsterte die junge Frau in dem Bemühen die Tränen zurückzuhalten. Sie sah nicht noch einmal auf, hörte jedoch wie der Junge sich mit einem letzten, leisen Seufzen abwandte, das Fenster öffnete und über das große Tuch auf die Straße hinunter sprang. Lange Zeit blieb Salea so zusammengesunken sitzen. Aus dem verregneten, stürmischen Mittag wurde schnell ein feucht-warmer Nachmittag. Überall in der Stadt machten sich die Bewohner an die Beseitigung des Chaos‘, dass das Unwetter hinterlassen hatte.
Der Alltag würde nur langsam wieder Einzug halten, die Schäden erst in einigen Tagen vollkommen behoben sein. Doch Salea hatte am selben Tag noch den Entschluss gefasst zu gehen. Wenn die junge Frau noch länger blieb, fing sie erst recht an nach dem Straßenjungen zu suchen, den ebenso wie sie ein Geheimnis umwob. Der Abend kam und legte sich wie ein Tuch über die Stadt. Der Himmel war Mond- und Sternenlos, verdeckt von dicken Wolken. Er sah genauso aus, wie sie sich innerlich fühlte. Leer…
Aber an aufgeben war jetzt erst recht nicht zu denken. Minor brauchte noch immer ihre Hilfe.“ Lass uns morgen ein letztes Mal ein wenig durch Teneran gehen, Kleiner. Ich habe das Gefühl als hätte ich irgendetwas übersehen“ sprach Salea leise und ließ sich neben dem Weidenkorb auf das leicht knarzende Bett sinken. Alessia hatte sie aufgenommen ohne große Fragen zu stellen. Natürlich wusste die Herrin des Hauses bis heute nichts über den kleinen Drachen den die junge Frau im Schlepptau hatte. Natürlich war es auch besser wenn das so blieb. Die Panik die dann entstünde wäre unbeschreibbar. „Was mach ich nur? Ich fühle mich so hilflos.“ Der Teufelskreis war nahezu perfekt. Sie wahrte ein großes Geheimnis, durfte niemandem davon erzählen. Mit keinem Wort und doch wusste Amarin nun Bescheid. Rin…der Straßenjunge mit den unglaublich dunklen, blauen Augen die schon beinahe schwarz erschienen. Ich seh ihn jedes Mal. Immer wenn ich die Augen schließe. Könnte ich ihn doch nur vergessen. Stumm seufzte Salea und fuhr sich durch die langen Haare, schob sie aus dem Gesicht und presste die Lippen aufeinander. Ihre Eltern hatte die junge Frau ebenso geliebt. Leider waren die Erinnerungen mittlerweile fast nur noch schemenhafte Bilder in ihrem Kopf. Zurückholen konnte sie die Beiden eh nicht. Vermutlich wären sie, selbst wenn Salea es könnte, nicht mehr die Selben wie einst zu Lebzeiten. Niedergeschlagen kramte die junge Frau in dem neuen Tragetuch herum und stieß mit den Fingerspitzen gegen einen eingewickelten Gegenstand und Papier. Langsam zog sie beides hinaus und runzelte die Stirn. Hat Markes mir das in den Beutel gesteckt? Dachte Salea und besah sich beides. Bei dem eingewickelten Gegenstand handelte es sich um ein ovels Steingebilde, obwohl es in Form und Farbe mehr Ähnlichkeit mit einem Ei hatte. „Noch ein Drache? Um einen weiteren kann ich mich doch nicht kümmern“ murmelte sie und legte es zur Seite. Letzteres entpuppte sich als mehrere Blätter, eng beschrieben mit einer sauberen und schwungvollen Schrift. Das Entziffern fiel Salea anfangs sehr schwer, wurde dann jedoch von Minute zu Minute leichter.

„Mein kleines Mädchen…Wenn du das hier liest, heißt dass, das wir nicht mehr leben. Du wirst es vermutlich nie verstehen oder erst wenn du zu deiner Bestimmung – deinem Schicksal gefunden hast. Ich hoffe du bist uns nicht böse. Markes ließ dich vergessen. Dein Vater nahm ihm das Versprechen ab, immer ein Auge auf dich zu haben und aufzupasse das dir nichts geschieht. Wir wussten das unser Ende gekommen war…Wir ahnten nur nicht das es so schnell passieren würde. Ich hoffe du kannst uns verzeihen für das was wir taten. Wir wollten dich nie allein lassen. Unser kleines Mädchen…“

Meinem Schicksal,warum reden alle davon?Und warum verzeihen? Ich verstehe gar nichts mehr. Tiefe Trauer stieg in der jungen Frau auf. Sie ahnte dass dies die letzte Schrift gewesen sein musste, die ihre Mutter vor ihrem Tod verfasst hatte. Hier und dort war die Schrift auch etwas verwischt als wäre Wasser darauf getropft. Ihre Mutter musste geweint haben als sie auf die pergamentartigen Blätter geschrieben hatte. Mit Tränenverschleierten Augen sah Salea zu dem ovalen Stein und blinzelte um die Trauer abzuschütteln. War es Einbildung oder leuchtete der Stein auf dem Bett wirklich leicht? Er wirkte durchsichtig, die kristalline Struktur in seinem Inneren war dennoch nur zu erahnen. Zögerlich streckte sie die Hand aus und stupste mit dem Zeigefinger gegen die Oberfläche, welche sich daraufhin wellte wie ein ruhig daliegender Wasserspiegel in den jemand einen Stein geworfen hatte. Sekunden später wurde Salea in die leuchtende Fläche „hineingezogen“. Zumindest der Geist. Das erste was die junge Frau hörte waren Geräusche. Das Rauschen von Bäumen, das leise rascheln von Gras untermalt von Vogelgezwitscher. Manchmal war sogar ein Lachen zu hören. Und dann sah sie das Bild. Eine Lichtung im Wald, darauf eine Familie. Salea erkannte sich in dem kleinen Mädchen wieder, das die Frau in einem Tragetuch auf den Rücken gebunden hatte, beobachtete Mutter und Vater und hätte am liebsten die Augen geschlossen. All die verblassten Erinnerung wurden in diesem Moment wieder lebendig und drängten auf ihren Geist ein. Sie sah wie das Abbild ihrer Mutter Kräuter sammelte und sie in den Korb legte den jene bei sich trug. Ihr Vater saß ein Stück entfernt auf dem Stamm eines Baumriesen der vor Jahren bei einem Unwetter entwurzelt worden sein musste und schnitzte an einem kleinen Stück Holz herum. Das Bild wirkte so idyllisch. Warum hatte die junge Frau bei diesem Anblick dann ein dumpfes Gefühl böser Vorahnung in der Magengrube?
Nur Minuten später geschah das Unglück.
Schwärze legte sich über die Szene, eine Schwärze die auch in einer Nacht ohne Mond herrschte.
Dann tauchte ein großer Kopf auf, die Wangen und der Kopf waren von Hörnern und Stacheln besetzt. Die Augen leuchteten rot wie Feuer. Wild und Böse gleichermaßen.
Eine Klaue fuhr nieder und machte ihre Eltern dem Erdboden gleich, das Kind auf dem Rücken der Frau blieb dabei wie durch ein Wunder unversehrt. Das Wesen verschwand, flog auf großen, dunklen Schwingen davon und hinterließ eine mit Blut übersähte Lichtung, ein kleines Mädchen das zur Waise wurde und die Holzfigur die ihr Vater kurz vor dem Angriff geschnitzt hatte. Die Erinnerung war bereits dabei zu verschwinden, sie sank zurück in ihren Körper als Salea den Schatten eines Mannes sah.
Wer das war wusste die junge Frau nicht, glaubte aber stark, Markes in der Gestalt erkannt zu haben, nur ein paar Jahre jünger, mit nicht ganz so weißem Haar. Mutter und Vater hatten ihn ja angefleht auf sie aufzupassen.
































Kapitel 7

Zur selben Zeit lief Rin zurück zu dem Versteck der Straßenkinder. Er musste wirklich aufpassen nicht erwischt zu werden, da die Soldaten heute vermehrt patroullierten. Seine Kleidung verriet ihn ja überall. Allerdings war der Junge natürlich nicht ohne Grund der Anführer der Straßenkinder von Teneran. Er verstand es sich in den Menschenmassen zu verstecken oder in den Gassen rund um die Plätze zu verschwinden, ohne wiedergefunden zu werden. „Da bist du ja endlich. Wo warst du so lange?! Wir haben uns echt Sorgen gemacht dass die Soldaten dich erwischt haben!“ fuhr Liza ihn mit vor Wut funkelnden Augen an und legte ihm dann kameradschaftlich einen Arm um die Schultern, als wäre der kleine Wutausbruch gar nicht passiert. „Hast du denn wenigstens was erbeuten können?“ Innerhalb eines Augenblicks wechselte das 17-Jährige Mädchen das Thema. „Nein habe ich nicht Liza. Könnt ihr nicht einen Tag an etwas anderes denken als immer nur an Beute?! Wir sind doch keine hilflosen Straßenkinder.“ Die Antwort wartete Rin nicht ab, sondern stiefelte an ihr vorbei und zog sich in sein Zimmer zurück. Das ausgerechnet das Mädchen was er hatte umgbringen wollen, seinen Hals vor der Schlinge bewahrte, wollte noch immer nicht in seinen Kopf. War es nur Naivität ihrerseits gewesen? Vielleicht…allerdings hatte Salea auf ihn durchaus so gewirkt, dass sie genau wusste was sie wollte. Und dann war da ja auch noch die kleine geflügelte Echse gewesen. Der Drachen wie die junge Frau es genannt hatte. Gab es Drachen also doch? Waren sie keine Märchen um den kleinen Kindern Angst zu machen? Fragen über Fragen die ihm keiner beantworten konnte. Lange dachte Rin über die Begegnung und die daraus resultierenden Folgen nach. Als der junge Mann schließlich wieder aus seinem Zimmer kam war es draußen bereits stockdunkel. Eigentlich eine perfekte Nacht für ungesehene Diebstähle. Ihm war die Lust daran jedoch gerade wirklich vergangen. Das erste Mal seit Jahren dachte Rin darüber nach ob es wirklich richtig gewesen war seinem Elternhaus den Rücken zuzukehren. Natürlich hatte es auch dort Regeln gegeben. Teilweise ziemlich strenge Regeln, aber sie waren ja eigentlich nur zu Rin’s Bestem gewesen. Auch wenn der junge Mann das damals keineswegs so gesehen hatte und fortgelaufen war. Das war jetzt etwas mehr als drei Jahre her. Vielleicht suchten die Beiden auch gar nicht mehr oder dachten er wäre tot. Letzteres wäre zumindest für die Unabhängigkeit von Vorteil. Amarin konnte von hier verschwinden. Sich irgendwo ein neues Leben aufbauen ohne auf der Straße leben zu müssen. Und manchmal kreuzten Wege sich mehr als zweimal im Leben.
Außerhalb des Zimmers war es still. Vermutlich schliefen die anderen oder waren unter Liza’s Kommando zu einem ihrer nächtlichen Streifzüge in die Stadt aufgebrochen. Er hatte ihnen genug beigebracht, sodass man nicht immer mitgehen musste. Sie alle hatten gut gelernt, aufgepasst und das beigebrachte perfekt umgesetzt. Es war jedem der Kinder wortwörtlich in Fleisch und Blut übergegangen. Um so besser… Dann löchert sie mich wenigstens nicht mit Fragen dachte Rin, schloss einen Moment die Augen und ging dann langsam zum Fenster an der Westwand des maroden Hauses hinüber. Die Wolkendecke ließ kein Licht hindurch. Ist schon irgendwie unheimlich. Selbst in einer Neumondnacht hat man manchmal wenigstens noch vereinzelte Sterne am Himmel. Ob die Götter uns zürnen?Die Jäger haben wieder Kinder von Mutter Natur eingefangen. Sie ist sicherlich sehr wütend…Manchmal bildete er sich sogar ein, das leise fauchen und Rufen zu hören. Leider half den armen Wesen niemand und Rin allein war dazu keinesfalls im Stande. Der Tod war eine Erlösung, doch bis er kam durchliefen sie eine qualvolle Zeit mit Schmerzen, in Gefangenschaft als Sklaven irgendeines machtgierigen Menschen. Die Kinder hielten sich von der Schattenseite Tenerans fern. Die einzige Regel die es um des eigenen Lebens willen, absolut zu befolgen galt: Man sah nichts, hörte nichts und die Händler vom verbotenen Markt ließen einen in Ruhe. Dass hieß aber auch das sie nichts von der kleinen Echse wissen durften, in einer Stadt dieser Größe und mit so vielen Menschen beinahe unvorstellbar. Hoffentlich brachte sich Salea damit nicht in Schwierigkeiten. Gedanken über Gedanken und sie alle drehten sich um die junge Frau die nur unwesentlich jünger war als er selbst. Amarin wusste das Liza sich in ihn verguckt hatte. Mit den strubbeligen schwarzen Haaren, den dunkelblauen Augen und der Statur war der junge Mann sicherlich der Typ für manche Dame in seinem Alter. Aber sie war nicht seiner. Liza war sprunghaft, meistens ziemlich aufbrausend und manchmal auch egoistisch. Sie würde sicher irgendwann eine gute Anführerin abgeben. Dann, wenn ihre Wesenszüge die anderen nicht mehr so sehr in Gefahr brachten. In einer Gruppe achtete der Anführer in erster Linie auf das Wohl seiner Kameraden, nicht anders herum. Rin musste das damals auf schmerzliche Weise lernen. Der junge Mann hatte aus Unachtsamkeit zwei sehr gute Freunde verloren und sich geschworen, so etwas nie wieder zuzulassen. Noch lange stand der junge Mann am Fenster, beobachtete den Himmel und dachte nach. Außerhalb des Hauses war es still, kein Wind säuselte um die Ecken oder in den Bäumen. Als wenn die ganze Welt den Atem anhält und lauscht dachte er und klopfte mit den Fingern auf dem Fensterbrett herum. Warten und sich gedulden waren nicht unbedingt Amarins Stärken, erst recht nicht wenn ihm eine junge Frau im Kopf umherspuckte, dessen Verhalten er noch immer nicht nachvollziehen konnte. „Ich sollte sie im Auge behalten. Vielleicht…ein wenig auf sie aufpassen“ murmelte der junge Mann leise für sich und schrak zusammen als hinter ihm die alten Dielen knarrten. Langsam drehte Rin sich um und erstarrte für einige Sekunden. Liza lehnte mit verschränkten Armen und einem säuerlichem Gesichtsausdruck im Rahmen der Tür. „Auf wenn willst du aufpassen? Etwa auf dieses seltsame Mädchen vom Platz neulich?! Du bist kein Aufpasser, sondern ein Anführer. Du hast Pflichten zu erfüllen Rin“ meinte das Mädchen ohne in der Stimme wesentlich lauter zu werden. Dennoch lag etwas lauerndes darin. Einige Augenblicke verstrichen dann stieß sie sich von dem Türrahmen ab und trat langsam auf ihn zu. „Wir brauchen dich hier Rin.“ Ihre Stimme war vollkommen sanft, während sie dem noch immer erstarrten jungen Mann die Arme um den Hals legte und mit ihrem Gesicht seinem bis auf wenige Zentimeter nahe kam. Erst jetzt erwachte er aus der Starre, umgriff ihre Handgelenke, hob ihre Arme von den Schultern und schob sie ein Stück von sich fort. „Was ich tue ist noch immer meine Entscheidung, klar?! Wenn ich auf dieses Mädchen acht geben möchte, dann tue ich das! Du hast mir nicht zu sagen was ich zu tun, oder zu lassen habe, Liza. Merk es dir endlich.“ Die Wut über solch ein unverfrorenes Verhalten ließ eine leichte Röte in seine Wangen steigen. Seine Fähigkeiten als Anführer stellte sie damit offen und ohne große Scham in Frage. Ohne eine Erwiderung abzuwarten stiefelte Rin an ihr vorbei durch eine versteckte Seitentür des Hauses und flüchtete sich in die Nacht hinaus. Noch immer war die Erde durchweicht vom Regen, hier und dort hatten sich sogar regelrechte Seen gestaut, weil der Boden die Flüssigkeit nicht mehr aufnehmen konnte. Der Himmel war noch immer von Wolken verhangen und nur selten blitzen vereinzelte Sterne hindurch. Es ist wohl wirklich besser wenn ich die Stadt endlich hinter mir lasse. Noch länger halte ich Liza‘s Verhalten nicht aus. Es ist wirklich zum verrückt werden mit ihr dachte der junge Mann und atmete ein paar mal die kühle Luft ein um sich wieder zu beruhigen. Von dem was die junge Frau zu jenem Zeitpunkt plante, ahnte er nichts. Es war auch ziemlich wahrscheinlich das Rin davon kein bisschen begeistert gewesen wäre. Sie wollte auf die Schattenseite der Stadt, jenem Gebiet das jeder mit einem gesunden Menschenverstand möglichst mied. Eine ganze Weile wanderte Amarin durch die Straßen, wich hier und dort den patroullierenden Wachen aus und kam ohne es zu wollen wieder zu dem Haus, indem Salea gerade schlief. Was sie wohl gerade träumt?Ich habe ihr ziemlich Unrecht getan, als ich versucht habe sie umzubringen seufzte der junge Mann still und rieb sich fröstelnd die Arme. Durch den Regen war die Temperatur ganz schön abgekühlt. Gerade jetzt merkte man den, in ein paar Monaten kommenden, Herbst besonders. Leise kletterte er an den Stangen hinauf und spähte für einige Augenblicke durch das Fenster. Das Bett war in der Dunkelheit des Zimmers nur schemenhaft auszumachen, ebenso wie die Bewegungen. Lange verweilte der Straßenjunge vor dem Glas jedoch nicht. Am Ende sprang die Echse noch gegen die Scheibe und riss das Mädchen damit aus ihrem Schlaf.
Es dauerte nur Minuten, dann war der junge Mann wieder verschwunden. Leise und als wäre er nie dagewesen. Salea schlief recht ruhig, ebenso wie der kleine Drache auch wenn er die Gegenwart von Amarin gespürt und sogar ein Stück den Kopf gehoben hatte. Aber der hatte sich das wohl anders überlegt. Mit einem leisen brummen legte das Drachenbaby den Kopf wieder auf das Kissen und zog den Schweif enger um den kleinen Körper. Die restliche Nacht verlief ruhig, sah man einmal von den Träumen ab welche die junge Frau bis in den frühen Morgen quälten und nicht tief schlafen ließen.

Kapitel 8

Der neue Morgen präsentierte sich in einem kühlen Kleid. Über der Stadt hing dichter Nebel, da der Boden noch immer etwas wärmer war als die Luft. Man sah die Hand vor Augen kaum. Salea erwachte müde und mit Schmerzen. Die Schnittwunde war ein wenig gerötet, hatte sich jedoch nicht entzündet und auch das Kissen wies keine Blutflecken auf. „Immerhin ist sie über Nacht nicht aufgerissen…Ich sollte Alessia dennoch um ein paar Kräuter bitten“ murmelte sie leise und strich dem kleinen Drachen sanft über die Schuppen. Ihre Farben wurden immer kräftiger, das braun, welches noch vereinzelt durchblitze war beinahe ganz verschwunden. An so einem Tag wollte man am liebsten im Bett bleiben, aber Salea hatte sich vorgenommen ein letztes Mal in die Stadt zu gehen, bevor die junge Frau ihr den Rücken kehrte. Halb schlurfend lief sie die Treppe hinunter und setzte sich zu ihrer Gastgeberin und den beiden Kindern an den Tisch. „Guten Morgen Salea. Die Wunde scheint gut zu heilen. Ich werde sie mir nach dem Frühstück noch einmal ansehen und behandeln.“ Alessias Worte ließen erahnen, dass sie eine Widerrede nicht duldete. „In Ordnung. Ich werde danach ein wenig in die Stadt gehen. Ihr müsst mit dem Essen nicht auf mich warten“ erwiderte die junge Frau leise und nickte. Ein letztes Mal…hoffentlich muss ich Teneran dann nie wieder betreten…

Natürlich waren ihr hier auch positive Sachen passiert. Salea hatte Rin kennengelernt, einen Straßenjungen der nicht ganz das wiederspiegelte was er zeigen wollte. Allerdings überwog das negative dabei mehr. Laute Städte und viele Menschen waren Dinge welche die junge Frau einfach nicht vertrug. Zudem hing über der Stadt ein Schleier den sie zwar wahrnehmen, aber nicht erklären konnte. Die Angst davor war einfach zu groß. Auch die Angst um Minor floss da nicht unbeträchtlich hinein. Das Frühstück verlief schweigend, während die beiden Mädchen recht neugierig auf die Schnittwunde starrten. Vermutlich hatte Alessia ihnen nichts von dem Vorfall erzählt, um ihren Kindern keine Angst zu machen. Noch während des Essens überlegte Salea wie sie vorgehen sollte. Die Stadt war groß und sie kannte sich hier nicht wirklich aus. Zudem gab es Gegenden die man freiwillig sicherlich nicht betrat. Doch genau dahin zog es die junge Frau. Ein übermächtiges Gefühl, gegen das sich wehren sinnlos war. „Du verlässt uns vermutlich auch bald, nicht wahr?“ Die Frage traf Salea recht unvorbereitet. „Wie kommst du darauf?“ fragte sie leise zurück, blinzelte und seufzte dann stumm. Es war recht wahrscheinlich das man es an dem Auftreten der jungen Frau ablesen konnte und eine ähnliche Antwort bekam sie auch von Alessia: „Weil du unruhig wirkst. Außerdem verraten deine Augen viel.“ Ach ja die lieben Augen, welche dasselbe grün annahmen wie die Schuppen des kleinen Grünlings. Auf ihre Worte lächelte die Mutter der zwei Mädchen sanft. „Mach dir nichts draus. Nicht jeder mag große Städte, sondern bevorzugt die Ruhe der Natur. Das ist nichts schlechtes“ sprach sie leise und erhob sich um den Tisch abzuräumen und die Lebensmittel in Töpfen, Krügen oder Leinentuch zu verstauen. Salea war ihr allem Anschein nach sehr ans Herz gewachsen. „Ich werde die Stadt morgen früh verlassen. Vielleicht besuche ich euch ja irgendwann mal…wenn ich wieder hier sein sollte.“ Schon beinahe fluchtartig erhob sich die junge Frau dann vom Tisch, eilte nach oben und verließ samt dem geflochtenen Weidenkorb keine zehn Minuten später das Haus. Wäre Teneran nicht so groß und laut gewesen, wäre sie vielleicht auch noch etwas länger dageblieben. Einige Zeit irrte Salea ziellos durch die Stadt, versuchte das Gefühl der Angst in ihrer Brust zu verdrängen, welches ihr fast die Luft abschnürte. Sie spürte das sie Orten nahe kam, die von Leid und Schmerz beherrscht wurden. Auch die Bewohner der Stadt wurden weniger und immer öfter kreuzten zwielichtige Gestalten den Weg. Verhalte dich jetzt ja ruhig mein Kleiner, sonst kommen wir richtig in Schwierigkeiten dachte Salea mit leichtem Zittern in den Gliedern und hörte ein leises bestätigendes Geräusch in ihren Gedanken. Immerhin wusste Minor bereits was gut für ihn war.
Erst nach einer Weile bemerkte die junge Frau die Stille.
Totenstille.
Selbst die Luft schien den Atem anzuhalten. Nichts regte sich, keine Vögel oder andere Tiere waren zu hören, dann schlug ihr der Gestank entgegen. „Oh Gott…“ mehr brachte die junge Frau nicht zustande, bevor die Muskeln sich zitternd verkrampften und keinem ihrer Befehle mehr Folge leisten wollten. Vor sich sah Salea einen Platz, nicht sehr groß, dafür jedoch vollgestellt mit allerlei Käfigen. Ihren Inhalt erkennte sie kaum, wollt sie auch nicht. Hier roch es nach Tod, Verwesung und tiefer Angst. Einige Momente vergingen ehe sich die junge Frau immerhin soweit an den Geruch gewöhnt hatte, um nicht wie zur Salzsäule erstarrt mitten auf dem Weg zu stehen und erwischt zu werden. Salea wusste mehr aus eine Ahnung heraus, dass sie hier wahrlich nichts zu suchen hatte und diese Ahnung bestätigte sich als vermumte Männer in Richtung des Platzes kamen, zwischen sich eine recht kleine Person die durch die Größe der Bewacher noch kleiner wirkte. Die haben sicherlich mehr Muskeln als Verstand, aber dumm sind sie dennoch nicht… dachte die junge Frau und drückte sich noch weiter in die Spalte hinter einem der größeren Käfige. Zwar versperrter der Körper des darin befindlichen Tieres teilweise ihr Blickfeld, sorgte aber auch gleichzeitig dafür das die Bewacher sie nicht sehen würden. Salea hatte die Kleidung erkannt. Ein Straßenkind, vermutlich ausversehen hierher verirrt. Ob es ein Mädchen oder Junge war hatte sie so schnell nicht erkennen können. Als die Männer verschwunden waren schob sich die junge Frau langsam hinter dem Käfig hervor, sah sich um und schlich regelrecht über den Platz. Unangenehm war Salea das schon, spürte sie einige Blicke der eingesperrten Tiere doch recht deutlich auf sich ruhen. Wohl fühlen war definitiv anders. „Warum starrt ihr mich alle so an? Ich kann euch nicht helfen. So gern ich würde, sind mir leider die Hände gebunden“ sprach sie leise, aber doch laut genug das sämtliche Ohren die Worte durchaus verstanden. Die Trauer darin war auch nicht zu überhören. Denn die junge Frau kannte so einige Wesen hier vom Namen her. Drachen, Greifen, Nymphen und noch viele andere deren Namen ihr gerade nicht einfielen. „Ich suche die Eltern oder Verwandte von dem kleinen hier…“ Unsicher lugte der kleine, grüngeschuppte Schädel aus dem Korb hervor. Als die Gefangenen das Drachnbaby sahen ging ein leises raunen über den Platz, Tuscheleien setzten ein. „Seine Eltern oder Verwandte wirst du hier nicht finden. Sie waren hier, kurz. Aber man brachte sie keine zwei Tage später von hier fort.“ Es dauerte eine Weile, ehe Salea im Käfiggewirr ausmachen konnte, zu wem die Stimme gehörte. An den Stäben eines Käfigs, der am anderen Ende des Platzes stand, lehnte eine Nymphe. Obwohl sie mit den langen Ohren als Elfe wohl eher durchgegangen wäre. Langsam Schritt die junge Frau über den Platz und blieb vor dem Käfig stehen. „Was meinst du mit weggebracht? Wohin?“ –„Keine Ahnung. Darüber sprachen die Männer nicht. Sie brachten die Drachen aus den Höhlen, mehrere Tagesreisen von hier entfernt, in ihren Käfigen weg. Ihre Zugtiere waren groß, ein wenig wie Büffel und rochen auch nicht angenehm. Aber sie empfanden keine Scheu vor den geflügelten Großechsen“ erwiderte die Nymphe mit einem halb abschätzigen Blick auf die junge Frau und seufzte dann leise. „Jedenfalls sind sie nicht mehr hier. Du wirst woanders weitersuchen müssen. Und du solltest verschwinden Mädchen, die Männer werden gewiss bald zurückkommen und wenn sie dich hier finden ist es aus mit dir und deinem kleinen Freund. Du hättest ihn nicht herbringen dürfen…damit ist sein Leben unnötig in Gefahr. Er könnte unsere Hoffnung sein. Oder unser Verderben, wenn das Drachenbaby in die falschen Hände gerät.“

„Aber-„ – „Geh endlich“ zischte sie leise und sah über die Schulter der jungen Frau hinweg. Langsam sank die Nymphe in sich zusammen und rutschte dann auf den Boden hinunter. Jedes dieser Wesen hier ist innerlich bereits gebrochen. Sie warten nur noch auf ihren Tod… Das wurde Salea mit jeder Minute, die sie hier verbrachte, immer mehr bewusst. „Ich komme wieder und helfe euch. Das verspreche ich“ murmelte sie und drehte sich um. Zu spät jedoch. Die Männer hatten sie vermutlich schon von weitem gesehen und sich ohne laute Verständigungen angeschlichen. Schneller als die junge Frau reagieren konnte, sprangen beide auf jene zu, entrissen ihr brutal den Weidenkorb mit dem Jungdrachen, wobei die Riemen eine Weile hielten und ihr in die Haut schnitten bevor sie dem Zug schließlich nachgaben und zerrissen. Minor fiepste hektisch und schrill vor Angst. Zumindest in ihrem Kopf schrillte sein Angstrei wie eine riesige, misstönende Glocke. Das Handgemenge das darauf folgte, als Salea versuchte den Weidenkorb zurückzubekommen, war ziemlich unübersichtilich. Flüche flogen hin und her, der Korb wanderte mal von links nach rechts. Am Ende gewannen die zwei Männer. Was ja auch kein Wunder war. Die junge Frau kannte keine Kampfkniffe, von Fluchtmanövern ganz zu schweigen und gegen die zwei breit gebauten Angreifer hatte sie, so zierlich wie sie war, sowieso keine Chance.
Minor…
Aus dem Augenwinkel nahm Salea kurz darauf einen dunklen Schemen wahr, konnte jedoch nicht mehr rechzeitig reagieren und bekam mit voller Wucht den Schwertgriff gegen den Kopf. Das Sichtfeld der jungen Frau verschleierte sich rot und der Geschmack von Blut sammelte sich in ihrem Mund. Benommen sank sie zu Boden und blieb liegen. Die Männer machten sich nicht die Mühe Salea mitzunehmen. Ihnen ging es allem Anschein nach nur um die Jungechse die sie bei sich getragen hatte. Stunden vergingen in denen die junge Frau nicht aufwachte, sich nicht regte und der Körper langsam auszukühlen begann. Ich hab es total vermasselt...Hätte ich doch nur besser aufgepasst. Es tut mir so leid mein…Kleiner. Diese und ähnliche Gedanken schwirrten in dem benebeltem Kopf umher. Was wurde jetzt aus dem Drachen? Die Nymphe hatte von einem Verderben gesprochen, sollte Minor in die falschen Hände geraten. Sie musste ihn unbedingt aus den Fängen dieser Männer befreien. Das Blut aus der Platzwunde an ihrem Kopf trocknete langsam, ebenso wie das der wiederaufgerissenen Wunde in ihrem Gesicht. Als Rin sie schließlich fand, war der Puls der jungen Frau nur noch schwach, die Hautfarbe bleich und kühl. Die eingesperrten Wesen auf dem Platz gaben keinen Laut von sich, wenngleich mehr als ein Augenpaar ihn beobachtete und seinen Bewegungen folgte. Vorsichtig hob der junge Mann Salea hoch und nahm sie Huckepack auf seinen Rücken. Es war nicht abzustreiten das der Körper unbedingt wieder warm werden musste. Und das funktionierte nur wenn die junge Frau in einer warmen Umgebung war, oder noch besser in einem Bett mit mehreren Decken. Die Betten in der „Unterkunft“ der Straßenkinder waren zwar keines Königs würdig, doch dafür würden sie schon reichen.



Kapitel 9


© by Kira


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