„Sie braucht eine Ausrüstung.“ Jean, der zuvor aufmerksamer Beobachter des Geschehens war, stieg wieder ins Gespräch ein.
„Das Standard Equipement der GN5 sollte reichen, immerhin kennt sie sich damit bereits aus.“

„Mehr wird sie auch nicht kriegen.“, sagte der IT-Profi.
Fast hätte ich geglaubt, dass er mich nicht mag.
„Zumindest noch nicht.“, fügte er jedoch hinzu. „Falls sie sich bewährt, falls sie tatsächlich so gut ist, wie du sagtest“, er blickte zu Jean, „bekommt sie das coole Spielzeug zum ausprobieren.“

Er grinste mich schelmisch an. Das Funkeln in seinen Augen verriet, dass er aufgeregt war, doch konnte ich nicht zuordnen weshalb.

„Mal sehen, was ich für dich tun kann.“, sagte er und drehte sich zu den Bildschirmen.
Seine Finger flogen flink und geschickt über die virtuellen Tasten und innerhalb weniger Sekunden hatte er alles, was er brauchte.

„Wir hätten da…“, es ertönte ein lauter Knall, der alles erbeben und uns aufschrecken ließ. Wir beide blickten zu Jean, der daraufhin ein Objekt, welches er in der Hand hielt scheinheilig zurück auf das Regal zurücklegte.

„Jean, fass hier bitte nichts an.“, sagte Phil mit gelassener Stimme. „Es gibt Gadgets hier, die tödlich und explosiv sind und es gibt hier Prototypen, die noch nicht fertig sind und es gibt Prototypen, die tödlich und explosiv sind, weil sie noch nicht fertig sind.“

„Soll ich alle Muster vorsichtshalber abschalten, Master Phil?“, fragte der virtuelle Butler.

„Ja, das ist eine gute Idee.“, stimmte Phil ihm zu, bevor er sich wieder der Liste der Gadgets zuwendete, die er für mich aussuchte.

„Wir hätten da einen kugelsicheren Suit, mit integrierter Elektroschockfunktion. Sie schockt nur den, der dich berührt. Du merkst davon nicht einmal was. Und einem integrierten Flying Gadget! Passend in Farbe und Design – Handschuhe mit eingebauten Schusswaffen, Sensoren für Erkennung und Analyse verschiedener Objekte, Substanzen etc. und verschiedenen anderen Extras, die du noch rausfinden wirst UND….. ein NeuroTablet.“, er schaute mich an, als erwarte er, dass ich wüsste was es ist.

„Mein Gott, sag bloß du hattest noch nie das Vergnügen? Ein NeuroTablet ist ein Tabletleiste, die durch Neurotransmitter in deine Stirn eingebaut wird. Das ermöglicht dir nicht nur einzelne Gadgets per Gedanken zu steuern, sondern ermöglicht dir Dinge mit bloßem Auge zu erkennen, wofür andere Gadgets benötigen. Dein gesamter Suit wird komplett neurogesteuert sein, durch einzelne elektronische Impulse in deinem Gehirn.“

Phil strahlte mich, fasziniert von seinen eigenen Ausführungen, an. Er liebte jedes einzelne seiner Gadgets und noch mehr liebte er es, davon zu erzählen.

„Warum kenne ich keine einzige dieser Erfindungen? Die GN5 hat mir nie so etwas zu Verfügung gestellt und nein, sie gehören auch nicht zur Standard-Ausrüstung!“

„Vielleicht weil du nicht cool genug warst.“, schmunzelte Phil wieder. „Nein, tatsächlich gehören diese Babies nicht zur aktuellen Ausrüstung. Noch sind sie die Zukunft. Doch sie werden schon bald die Gegenwart ablösen.“ Phil wirbelte mit den Fingern umher, um zu symbolisieren, dass etwas Gigantisches auf uns zukommen wird.

„Hey Phil, was ist das?“, meldete sich Jean wieder zu Worte.
Er hielt einen Gegenstand in der Hand der einer alten Hockeyscheibe ähnelte und schien gerade erst den Knopf an der Seite bemerkt zu haben.

Ruckartig riss sich Phil aus dem Ledersitz. „NEIN, ES IST NOCH NICHT FERTIG!!“, rief er. Doch Jean hatte bereits den Knopf gedrückt und legte das Gadget auf den Boden.

Binnen Sekunden zerfiel das Gadget in einzelne schwarze Partikel, die wie kleine Käfer oder Ameisen aussahen. Sie schienen an einander hochzuklettern und sich zu einem großen Objekt zu formen. In weniger als drei Sekunden stand plötzlich ein zweiter Phil im Raum. Jean und ich standen wie versteinert da und konnten keinen Gedanken zusammenfügen, was gerade passiert war.

„Hi, ich bin Phil und du bist ein wundervolles Wesen. Daher halte ich es kurz: du, ich, Dinner?“, der zweite Phil zwinkerte Jean flirtend zu.
„Was zur Hölle?!“, stieß dieser aus.
Phil, der ein Tablet in die Hand nahm und scheinbar versuchte den Mechanismus des zweiten Phils auszuschalten, erklärte: „Er erkennt dich nicht! Er weiß nicht, was er da redet!“

„Was ist das?!“, sprach ich die Frage aus, die Jean und ich uns vermutlich beide stellten.

„Es ist… es ist ein Tech-Clone es ist noch nicht fertig, zumindest nicht in der Form, in der ich ihn gern hätte.“ Phil hatte es geschafft, den ‚Tech-Clone‘ in seine ursprüngliche Form zu bringen und hob ihn vom Boden auf. Noch während er ihn genauer betrachtete und auf etwas untersuchte, lief er zurück zu seinem Platz am Schreibtisch.

Jean folgte ihm mit einem verwirrten Blick. „Was ist es? Ein Android? Dafür ist er zu klein in der Ursprungsform. Ein Hologram ist es nicht, da es sich aus den Partikeln zusammengesetzt hat. Man kann ihn also anfassen. Also WAS ist das? Und vor allem wofür?“

Phil lehnte sich wieder in seinem Ledersessel zurück und legte das Gebilde auf den Schreibtisch. „Nun ja. Bevor ich ins, für mich recht Oberflächlich, für euch jedoch Detail gehe, muss ich euch vorab eine kleine Geschichte erzählen, wie ich zu dieser mehr als genialen Idee kam:
Als ich einst wieder die Vorteile meines Latenssprays ausnutzte, um die süße Gesellschaft junger, schöner und wissenshungriger Studentinnen zu genießen, habe ich von ihnen erfahren, dass ich nur deswegen zu diesem Glück kam, da sie zum wiederholten Mal Vorlesungsausfall hatten. Sie klagten über den Mangel an Dozenten um ihren Wissensdurst zu stillen und schlugen mir tatsächlich sogar vor selbst in die Rolle eines Dozenten zu springen. Diese süßen Dinger….“

Seine Wangen erröteten, als er von den Studentinnen sprach. Offenbar faszinierte ihn weitaus mehr, als nur ihr ‚Wissenshunger‘, wie er es nannte.

„Und natürlich hätte ich nur zu gerne eins der freien Stellen angenommen, um öfters in den Genuss der freundlichen Unterhaltungen mit ihnen zu kommen. Doch ich hatte einen ganz anderen Einfall. Ich stand vor einer ganz neuen Aufgabe, deren Lösung es so noch nie gegeben hat. Ein technischer Klon eines Menschen, bestehend aus Nanobots, der jedoch nicht eine Ähnlichkeit mit dem Original hatte, sondern ein exaktes Replika war,…… bis ins limbische System, dem Bewusstsein, der Erinnerungen, Sprachweise, Mimik, Gestik etc. einfach alles! Auf diese Weise könnte man einen Dozenten in einem Modul beliebig oft klonen und er kann überall gleichzeitig Vorlesungen halten und das ist noch nicht alles!“

Phil nahm den Tech-Clone wieder vom Tisch und legte ihn auf den Boden. Der Prozess der Verwandlung in den anderen Phil wiederholte sich.

„Protokoll ‚Demo‘ aus!“, rief er und der zweite Phil veränderte seine Position.

„Er kann noch bei Weitem mehr. Ähnlich wie das Neuro-Tablet kann man den Tech-Clone mit dem Gehirn des Menschen, dessen Klon er ist, verknüpfen. Er kann dann exakt das nach machen und sagen, was man selber sagt. Es ist, als ob der Mensch und der Klon in dem Moment eine Person sind.“, sagten beide Phils in ein und derselben Tonlage in perfekter Synchronisation, während sie sich bis ins Detail gleich bewegten.

Jean, der immer noch ungläubig den Klon anstarrte, streckte seine Hand aus und schubste ihn an der Schulter an. Beide Phils wichen präzise gleich zurück. Daraufhin hob der echte Phil die Hand und schwang sie in der Luft, als ob er eine unsichtbare Fliege abwehren wollte. Der Klon-Phil tat es ihm exakt gleich und verpasste Jean damit eine Ohrfeige.

„Cool, nicht wahr?“, sagte Phil, nachdem er am Tablet einige Funktionen wieder abschaltete.

„Und es gibt unendlich viele Möglichkeiten, wie man sie noch weiter ausbauen kann!“, sagte der Klon-Phil. Es schien so, als würde er den echten Phil nicht nur ergänzen, sondern als wären sie ein und dieselbe Person in zwei Körpern.

„Ach und man kann sie in der Ursprungsform sehr praktisch stapeln.“, fügte der echte Phil grinsend hinzu. „Das ist super praktisch und platzsparend.“

Obwohl Jean und ich beide immer noch nicht fassen konnten, dass sich ein genaues Replika von Phil mit im Raum befand, hatte Jean anscheinend seine Fassung wiedergewonnen.

„Verbindung sagst du? Wenn ich dem Klon also eine reinhaue,“, Jean holte zu einem Schlag aus, „wirst du es spüren?“

„Neuro-Verbindung trennen!“, reagierte Phil schnell genug, um dem Schlag zu entkommen. Der Tech-Clone hingegen zerfiel in die einzelnen Nanobots, welche daraufhin in ihre Ursprungsform zurückkehrten. „Aaaaw, sry! Hab ich deinen großen Moment gestohlen, Jean?“

Der Erfinder ging wieder zum Schreibtisch und setze sich in seinen Stuhl. Jean murmelte unzufrieden etwas vor sich hin, verkniff sich jedoch eine Auseinandersetzung zu entfachen. Dennoch war er sichtlich enttäuscht, dass er nicht seine Rache für die Ohrfeige bekommen hatte.

„Woher kann der,“, ich zögerte etwas, da der Name für mich immer kurios war, „Tech-Clone deine Persönlichkeit so gut nachahmen? Wie kann ein Programm deine Gedanken übernehmen?“

Phil lehnte sich vor und sah mich direkt an. Seine Augen funkelten vor Begeisterung an seinem eigenen Projekt. „Das, Agent Mack, ist das Interessanteste an der ganzen Sache!“

„Ich trage dazu bei, Miss!“, meldete sich die Stimme, die an einem der Bildschirme optisch dargestellt wurde.


© Ronia Tading


1 Lesern gefällt dieser Text.





Kommentare zu "Forteon - Kapitel 3.3"

Re: Forteon - Kapitel 3.3

Autor: Homo_Ingenuus   Datum: 20.01.2017 18:17 Uhr

Kommentar: Liest sich wie das vorherige recht flüssig und regt das Bedürfnis nach mehr an. Manche Stellen könnten noch ausgebaut werden.
Die Idee mit dem Nanobot-Klon find ich echt gelungen :). Das wäre mal was feines.
Wie war das also: das einer alten Hockeyscheibe ähnelnde Klon-Gadget zerfällt in Nanobots, die sich aufrichten und die Gestalt desjenigen annehmen, der den Knopf drückte. Sind die Nanobots hochkonzenrtiert und sozusagen "zusammengepresst"? wenn nämlich ein bis ins limbische System perfekter Klon entstehen sollte, dann müsste es so sein, oder? Könnte man dennoch noch in "wissenschaftlicher-Erklär-Manier" einfügen.

Klar, mir fehlt jetzt der Gesamtzusammenhang zur ganzen Geschichte.
Wenn sie fertig ist, also fast druckreif, dann les ich sie gerne quer, wenn du gestattest :)

Gelungen!

Re: Forteon - Kapitel 3.3

Autor: Ronia Tading   Datum: 20.01.2017 20:06 Uhr

Kommentar: Und wieder ein großes Dankeschön für deinen lobenden Kommentar! Ich freue mich sehr :)

Tatsächlich fiel mir, jetzt wo du es erwähnst auf, dass ich mich undeutlich ausgedrückt habe. Das exakte Replika in Nanobotform gilt nur für die "Hülle" bzw. äußere Erscheinung. Das limbische System (bzw. die Denk-, Auffassungsweise etc.) ist zwar über die Nanobots zugänglich, aber auf einem Server gespeichert. Würde man einen Tech-Clone aufschneiden, würde man keine Organe finden. Daran muss ich noch im Manuskript arbeiten. Aber danke für den Hinweis :)

Ja, die Nanobots selbst können sich ausdehnen, das erlaubt es ihnen die Gestalt jedes beliebigen Menschen anzunehmen :)

Um ehrlich zu sein, bin ich an vielen Stellen nicht zu sehr ins Detail gegangen mit der Beschreibung, da ich fürchtete, die Leser zu "langweilen". Wobei die Idee für die Klone aus meinem Traum sind, daher muss ich noch selbst erst den "wissenschaftlichen Zusammenhang" finden :D

Die Story ist bei weitem fortgeschrittener bei bookrix hochgeladen (falls du weiterlesen magst). Aber du wirst auch als einer der ersten die fertige Story zu Gesicht bekommen :) (sollte ich sie je beenden :D)

Kommentar schreiben zu "Forteon - Kapitel 3.3"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.