Es war nun einmal so wie es war...Leise schritt ich mit meiner kleinen Schwester auf dem Arm durch die seicht erhellten Gänge. Zu meiner Überraschung schien die Kleine gar nicht mehr müde zu sein.Viel mehr aufgeregt und voller Vorfreude. Als ob mein Zimmer irgendwas besonderes wäre. Irgendwie waren meine Gedanken missmutig, denn mein Zimmer hatte praktisch nichts persönliches an sich, was zeigte, dass es mir gehörte und niemandem sonst.Es war absolut nicht einzigartig und das wird sie bestimmt langweilen. Während sie immer fröhlicher zu werden schien, war es bei mir genau umgekehrt. Mein Gemüt kühlte immer weiter ab, wobei ich mir nicht mal sicher war, warum es mir so ging. War ich etwa so darüber in Sorge, dass ihr mein Zimmer nicht gefallen könnte, dass es mich schon deprimierte? Na so was...
„ Warum bist du so fröhlich? Mein Zimmer ist nicht so besonders, wie du es dir vielleicht erhoffst.“ kam es nur etwas mutlos von mir. Ich erntete dafür jedoch erst mal nur verwirrte Blicke. „ Glaubst du das?“ „Ich weiß das.“ „ Wenn du meinst. Ich freue mich trotzdem darauf es zu sehen.“ Ich sollte mich eigentlich freuen, denn ihre Fröhlichkeit schien durch meine Worte nicht gebrochen worden zu sein. Es war schließlich nicht so wie bei meinen Untergebenen. Bei ihr werde ich mir wohl immer sicher sein können, dass ihr Lächeln echt war . „ Ich habe nämlich heute noch nicht mal Geburtstag.Toll oder?“ fragte sie mich begeistert, wobei ich absolut nicht verstand, was daran denn so toll sein könnte, gerade als Kind, nicht Geburtstag zu haben. „ Ich verstehe nicht so ganz, was du mir damit sagen möchtest.“ erwiderte ich dementsprechend ehrlich und war gespannt darauf ihre Erklärung zu hören. „ Immer an meinen Geburtstag darf ich die Tür eines Zimmers öffnen in dem ich noch nie war und in deines zu gehen, war davon sogar ausgenommen. Für mich ist es verboten da hinein zu gehen, aber heute darf ich mit dir dort hinein gehen und das ist ganz ganz toll.“ „Verstehe.“ gelogen, aber was sollte ich auch anderes sagen?! Warum durfte sie nicht von Anfang an in alle Zimmer gehen? Unseren Eltern ist sie egal, also mussten meine Brüder diese Regel aufgestellt haben, aber warum bloß? Das würde ich später sicherlich noch Marai fragen , denn der hatte sicherlich eine passende Antwort parat.

Bald darauf waren wir vor der Tür meines Zimmers angekommen und ich bemerkte wohl, wie ihre Augen wieder diesen aufgeregten Glanz annahmen . Vorsichtig setzte ich sie ab und sofort lief sie los und stellte sich fröhlich lachend ganz dicht an die Tür, anscheinend in der Hoffnung, dass ich sie jeden Moment öffnen würde.
Irgendwie machte es mich glücklich sie so freudig und aufgeregt zu sehen. Leider scheint man als Erwachsener immer mehr die Fähigkeit zu verlieren sich über ganz banale Dinge freuen zu können. Es wäre bestimmt ein großartiges Erlebnis die Welt noch mal aus den Augen eines Kindes heraus betrachten zu können.
Ich kam nicht umhin meine Schwester um ihr Alter zu beneiden, als ich die Tür öffnete sah ich nämlich nur mein Zimmer...meine Schwester hingegen so etwas wie eine ganz neue Welt, die sie erkunden und entdecken konnte. Ich konnte dabei zu sehen wie sie fröhlich in den Raum rannte und gar nicht zu wissen schien, wo sie zuerst hinschauen sollte. „Dein Zimmer ist aber groß !“ rief sie mir freudig zu und rannte umher um alles mit ihrem Blick einfangen zu können. Jeden Winkel und jede Ecke.....und trostlos. Fügte ich in Gedanken ihren Worten noch hinzu. Trostlos und irgendwie leer. Mein Zimmer machte auf den ersten Blick eigentlich nicht den Eindruck als würde hier jemand leben. Es hatte mehr was von einem Gästezimmer und angesichts der Tatsache, wie selten ich eigentlich hier zu Hause war, könnte man wahrhaftig glauben, ich wäre hier nur zu Gast. Ihre Begeisterung hingegen war ungebrochen. Ich entzündete ,während dessen noch ein paar Lampen , welche in diesen eher kühlen Raum zumindest etwas Wärme entsandten. Der Kamin war aus und draußen herrschte noch die Kälte des langsam schwindenden Winters, welche bald jedoch dem lauen Frühlingswetter weichen würde. Ich war kaum Kälte empfindlich, aber das hieß für mich nicht, dass ich sie hier erfrieren lassen würde nur weil mir die tiefen Temperaturen nichts ausmachten. Da sie noch damit beschäftigt war mein Zimmer genauestens unter die Lupe zu nehmen, machte ich mich daran den Kamin doch noch zu entzünden. Ich wollte nicht riskieren, dass sie krank wird .
Es war wirklich verblüffend. Kinder konnten auch mitten in der Nacht voller Energie sein , wenn man ihnen etwas gab, was sie total in den Bann zog. Während ich das Feuer im Kamin entfachte , konnte ich sie hinter mir hören , wie sie im Zimmer auf und ab sprang, jedoch verstummte das dumpfe Geräusch ihres Hüpfens auf dem Teppich plötzlich. Hatte sie die Müdigkeit auf einmal etwa doch eingeholt? Holz und Kohle brannten und die Flammen züngelten von selbst weiter, also wandte ich mich stattdessen ihr zu. Ich stand aus der hockenden Position auf und drehte mich zu ihr um. Ungerührt stand sie mit dem Rücken zu mir vor meinem Bett. Was gab es da zu sehen, was sie so fesseln konnte? „ Du hast dunkelrote Vorhänge an deinem Bett und auch am Fenster?“ sagte sie mit einem irgendwie...ich weiß nicht so recht...bedrückten Klang in ihrer Stimme. „ Ja. Und? Gefällt dir das Rot nicht?“ „Eigentlich schon....“ entgegnete sie mir wie nachdenklich und ging langsam um das Bett herum. „Aber es ist eine böse Farbe. Du solltest die Vorhänge lieber bald abhängen und sie durch eine andere ersetzen mit Farben , die dir auch gefallen. Vielleicht was helles aus Blau, Flieder oder Magenta.“ Böse Farbe? Sprach gerade etwa die kindliche Fantasie aus ihr, dass sie jetzt sowas sagte? „Warum sollte ich das tun? Dieses Rot gefällt mir doch auch.“ „ Deinem Geschmack vielleicht , aber nicht deiner Seele. Ich glaube sie ist der Grund, warum du nicht schlafen kannst. Dathanna hat es mir mal erklärt.“ Dathanna? „ Er zeigte mir die Farben und Amhrán den Menschen.Von ihnen habe ich schon viel Kraft. Die Farbe Rot kann dir Kraft geben , Leidenschaft und Willen. Kraft und Willen hast du schon, aber ohne eine Leidenschaft weißt du nicht wohin damit. So kann das Rot deiner Seele nichts bieten ganz im Gegenteil. Es kann dich innerlich verletzen ohne ,dass du es merkst. Der Mensch lebt von Erinnerungen an sein ganzes vergangenes Leben. Alle haben mir erzählt wo du mein Leben lang warst. Es nennt sich Krieg nicht wahr? Etwas furchtbares wie mir immer alle sagen und mit dem Rot hast du dir anscheinend ausgerechnet den Krieg und das Leid in dein Zimmer und in deinen Kopf geholt. Rot ist die Wut und das Blut und du setzt deine Seele die ganze Zeit dieser Farbe aus. Bewusst merkst du das nicht, aber sie macht dich unruhig und unglücklich. Ich kann es in dir sehen und Dathanna hat es bestimmt auch bemerkt . Du hast dich an diesem Ort nie wirklich zu Hause gefühlt oder?“.... zu Hause.Ich wusste nicht wie es sich anfühlt zu Hause zu sein.Ich habe es noch nie gewusst. Es hat noch nie einen Ort gegeben an den ich mich jemals zurück gesehnt habe. Es hat bisher nur das Gefühl gegeben , dass mir klar zeigte, dass ich von einem Ort weg wollte, aber das war es auch schon. „ Ich weiß nicht wie es ist ein zu Hause zu haben. Ich bin in diesem Haus geboren worden un-“ „ Und doch hast du hier nie gelebt. Nur existiert,aber weißt du was? Das ist kein Grund in Unmut zu verfallen großer Bruder. Selbst ,wenn du dir jetzt vielleicht denkst, dein Leben war es bisher eigentlich gar nicht wert durchlebt zu werden und du hättest nur Jahre verloren, so musst du dir vorstellen wie viele gute Jahre diesen bösen noch folgen können. Du hast genug Kraft, Willen und Macht um die Welt zu verändern, also kannst du auch dein Leben verändern.“ Noch während sie das sagte ,kletterte sie mit Mühe auf mein Bett, welches recht hoch war und lief auf dem Bett auf mich zu, da ich direkt an dessen Fußende stand. Sie war mit mir so zwar immer noch nicht auf Augenhöhe, aber immerhin machte sie das schon wesentlich größer . Ich kam nicht umhin zuzugeben, dass ich in jeder einzelnen Sekunde gespannt darauf war, was sie denn alles als nächstes sagen oder tun könnte. Die Entschlossenheit ,die sie gerade ausstrahlte , beeindruckte mich wegen ihrer vollkommen kindlichen Erscheinung nur umso mehr. „ Ich bin vielleicht nicht groß, erfahren und so mächtig und einflussreich wie du es bist, aber ich will trotzdem jeden Tag versuchen die Welt um mich herum ein kleines bisschen besser zu machen. Und ich werde es schaffen, dass ich, obwohl ich vielleicht gerade nicht mehr bin als ein kleiner weißer Fleck auf der schwarzen Wand in deinem Kopf, so groß zu werden, dass da drinnen -“ Sie zeigte mit erhobenem Finger auf meine Stirn. „ wieder genug Licht herrscht für einen riesigen ,bunten Regenbogen!“......das war sowas wie die außergewöhnlichste Kampfansage, die ich jemals gehört hatte. Sie hatte praktisch den negativen Gedanken in meinem Kopf den Krieg erklärt...wahrhaftig . So absurd die Situation hier zwischen uns beiden auch sein vermochte, umso mehr überkam mich das Gefühl vor dem vielleicht wertvollsten und besten Menschen der ganzen Welt zustehen, der mehr Ahnung von der Bedeutung des Wortes „Leben“ hatte als irgendjemand sonst und ja.... dieser Mensch war erst vier Jahre alt. „ Und du glaubst wirklich , dass du das schaffen kannst kleine Schwester?“ „ Ich habe die Hoffnung es schaffen zu können und solange ich die habe, ist nichts verloren. Ich bin für die große weite Welt völlig unbedeutend ,aber dass ist auch nicht schlimm, solange ich es schaffe auch nur für einen Menschen bedeutend zu sein.Du bedeutest mir viel, weil ich glaube, dass ich noch so vieles von dir lernen kann und genauso will ich für dich auch mal von Bedeutung sein.“ Spontanität war noch nie meine Stärke gewesen , genauso wenig das richtige Verhalten in emotionalen Momenten, aber genau jetzt , wo ich zum ersten mal von selbst das Bedürfnis empfand jemandem meine Gefühle auszudrücken, bewegte sich mein Körper wie von selbst. Ich beugte mich vor und zog sie behutsam in eine Umarmung auch, wenn ich permanent Angst hatte sie vielleicht zu erdrücken. Ihre zarten und so zierlichen Hände griffen in den weichen Stoff meines Hemdes und sie schmiegte fest ihren Kopf an mich. Wie konnte ein einziger Mensch so liebenswert sein ? So unschuldig und äußerlich so zerbrechlich. Vielleicht , weil ihre Augen noch nie das Leid der Welt gesehen haben und wenn es so ist....so werde ich verhindern, dass es jemals dazu kommt. Solange ich noch atme, wird sie die Dunkelheit dieser Welt nicht erreichen.


© Red Papermoon


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Und weiter geht es^^
LG Red Papermoon




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