Er starrte lange auf das Stück Papier in seinen Händen. Dann schüttelte er den Kopf. „Was soll das?“ Sein Gegenüber lächelte. „Das wird doch kein Problem sein, das ist wie Urlaub!“ Eine tiefe Falte entstand auf seiner Stirn. „Urlaub! Genau das meine ich doch!“ Sein Gegenüber blickte ihn mit gespielter Verwirrung an. Er legte den Zettel auf den Tisch und presste seine Hand darauf. „Sei nicht so undankbar. Jeder andere würde sich über so einen Auftrag freuen!“ Er stand auf und schob geräuschvoll den Sessel nach hinten. „Wieso könnt ihr nicht gleich das Kind beim Namen nennen! Ihr schickt mich, weil ihr sonst niemanden entbehren könnt. Das ist es doch, Meister!“ Sein Meister stand jetzt auch auf. „Wenn du ständig versucht dein Talent zu erzwingen, wirst du es nicht steigern können. Blick nicht darauf, was die anderen können!“ Er spürte Wut in ihm hoch steigen. Er brauchte gar nicht danach Ausschau zu halten. Ständig wurde es ihm aufgedrängt, dass er schon längst hätte im Grad aufsteigen müssen. Immer diese überraschten Ausrufe, wenn er zugeben musste, dass er noch immer kein volles Mitglied der Gilde war. Er drehte sich weg und war mit wenigen Schritten bei der Tür. „Vasa Rem!“ Er wirbelte herum beim Klang seines Namens. Der Meister hielt ihm den Zettel hoch. „Man muss auch abschalten können. Du musst zu dir zurück finden. Nur so kannst du dein jetziges Tief überwinden. Das ist eine wichtige Lektion!“ Verärgert stapfte er zurück, riss dem Meister den Wisch aus der Hand. „Das ist keine Strafe! Nütze die Zeit“, betonte der Meister noch mal. Wortlos verließ Vasa Rem den Raum.
Als er draußen war fuhr er sich mit dem Zettel durch die Haare. Was sollte er nur tun? Doch im selben Augenblick sah er auch ein, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als diese lächerliche Aufgabe zu erledigen. Noch einmal blickte er auf die Schrift. Er sollte in irgendeine kleine Provinz reisen, deren Namen er kaum noch jemals gehört hatte, ein Grenzgebiet im Osten. Dort gab es Frauen, die symbiotisch mit seltsamen Affenwesen zusammen lebten. Was interessierte ihn das? Doch er sah es als letzte Chance, die er hatte. Er sollte am nächsten Tag abreisen. Gepäck und Pferd standen schon bereit, wie immer. Wieder fuhr er sich durch die Haare. Das war nichts, was auch nur annähernd an Abenteuer erinnerte. Sie könnten genauso gut irgendeinen Alchimisten von der Akademie hinschicken. Zauberer waren für das Grobe zuständig.
Das Tageslicht blendete in seine Augen. Er schob seine Kapuze über den Kopf, tief in die Stirn. Dann ließ er den Zettel in seine Tasche verschwinden. Ab morgen war er also auf Forschungsreise. Das hinderte ihn noch lange nicht daran zu üben. Er blickte auf zum großen Bibliotheksgebäude. Er dachte an die kleinen Affenwesen. Ob er wohl irgendeine bessere Beschreibung dafür finden würde. Doch wahrscheinlich waren die Tiere so unbekannt, wie der Rest dieses Teils der Welt. Er seufzte. Dann hieß es wohl Abschied von der Großstadt nehmen! Er zog den Kopf ein, als er durch den Torbogen der Bibliothek schritt. Wie lange würde er wohl unterwegs sein? In drei Monaten konnte er vielleicht wieder zurück sein, wahrscheinlich schon früher. Dann würde der Winter noch nicht richtig begonnen haben. Irgendwo auf den Zettel musste stehen, wie viel Zeit wirklich dafür aufzuwenden waren. Die Gilde hatte da strikte Vorstellungen und Regeln. Die Gilde hatte für alles strikte Regeln. Noch einmal blickte er sehnsüchtig zur Sonne hinauf. Er musste vor dem Winter wieder zurück sein!

K’vara strich sich über die Stirn. Es war noch ein warmer Spätsommertag und sie schwitzte, obwohl die Arbeit nicht besonders schwer war. Bald würde die Regenzeit beginnen. Dann wäre alles von oben bis unten nass. Der Geruch von Feuchtigkeit hing schon in der Luft. K’vara mochte das nicht besonders. Da war ihr die unerträgliche Hitze von der Wüste lieber. Ihr Vater hatte sie manchmal zu der Karawanserei am Rand der Wüste mitgenommen. Dort regnet es nicht einmal jedes Jahr zur Regenzeit. Alles war trocken. Doch die Pflanzen wussten, dass sie nur ihre Wurzeln weit genug nach unten strecken mussten, um an die Leben spendende Flüssigkeit zu kommen, die sich im Untergrund verborgen hielt. Die Menschen wussten das auch. Sie hatten tiefe Brunnen gegraben und Pumpen konstruiert, die das Leben spendende Nass ans Tageslicht beförderten. Hier fiel Wasser ein halbes Jahr lang vom Himmel. Dann war alles nass. Die Gewänder waren immer feucht. Lebensmittel verdorben viel schneller. Der Zucker verklumpte immer zu einem großen Stück und es lag dieser leicht schimmlige, faulige Geruch in der Luft. So kannte K’vara den Regen. Ihr Vater war dann oft auf Reisen, um seine Ware so schnell wie möglich weiter zu bringen. Wehmütig dachte sie daran, dass sie ihn dieses Jahr nicht begleiten können würde. Wann würde sie wieder die rote Wüste sehen?
Sie begann widerwillig mit der langweiligen Putzarbeit. Das Haus glänzte sowieso von oben bis unten, weil sich neben K’vara noch drei andere Mädchen darum bemühten alles blitz und blank zu halten. Träge strich sie mit dem Fetzen über das Holz der Möbel. Musste ein Haus eines wichtigen Menschen immer so steril aussehen? Vantra war ein netter Mensch, zumindest hatte sie diesen Eindruck bekommen von den wenigen Malen, wo K’vara sie gesehen hatte. Doch ihr Mann war auch steril. Sie passten irgendwie in dieses Haus. K’vara passte da gar nicht hin. Sie dachte an das Geld, was sie bekommen würde, an ihre Eltern, die stolz auf sie sein würden, und an die Bibliothek, wohin sie sich verkriechen konnte, wenn sie mit ihrem Teil des Hauses fertig war. Das war Motivation genug weiter zu machen.

Es dämmerte bereits, als Bal ihn das letzte Stück zur Oase trug. Es gab einen unterirdischen Fluss, der sich im weiten Bogen durch die Wüste zog. Ihm entlang wuchsen Bäume. Er zog sich wie ein grüner Zaun durch das rote Meer. An ihm entlang führte auch die lange Handelsstrecke. Ihr entlang reisten die langen Karawanen von Oase zu Oase. Doch für ihn war dieser Weg zu mühsam gewesen. Bal trug ihn immer sicher durch den Wüstensand. Bal wurde langsam nervös. Er roch das Wasser. Sein Trab wurde unmerklich schneller. „Bist auch schon müde, alter Junge!“, murmelte er. Er ließ die Zügel locker und ließ Bal alleine den Weg finden.
Träge schwang er sich aus dem Sattel. Dann führte er Bal zu der Tränke. Zwei weitere Makals und drei Pferde waren auch hier angebunden. Er löste die Wasserschläuche von Bals Sattel. Den noch halb vollen leerte er über sein glühendes Gesicht. Diesen Luxus wollte er sich leisten. Dann füllte er alle wieder an, bis sie kurz vorm Bersten waren. Er schöpfte auch ein wenig Wasser und wusch sich den restlichen Wüstenstaub aus den Haaren. „Ich sehe mich ein wenig um!“, meinte er dann zu Bal. Die Nacht würden sie in der Oase verbringen. Er schüttelte Wasser aus dem Haar wie ein begossener Hund und zog seinen weißen Umhang über die Haare. Mit ihm sah er aus, wie jeder andere Wüstenreisender. Jetzt konnte er sich unters Volk mischen.
Es beugte sich tief über das magere Essen, dass er sich bestellt hatte. Wenn er in der Wüste war, konnte er danach nie gleich viel essen, ohne dass ihm schlecht wurde. Er kaute lange an jedem Bissen Brot. In der Zwischenzeit spitze er die Ohren. Die Reisesaison hatte noch nicht begonnen. Bald würde die Oase mit großen Karawanen überschwemmt werden. Doch jetzt waren nur drei Kaufleute mit kleiner Gefolgschaft im Gasthaus. Zwei von ihnen waren Tuchhändler und offensichtlich auf den Weg nach Komar. Sie unterhielten sich über die Tuchpreise in den unterschiedlichsten Regionen. Das war nicht sonderlich interessant. Keiner erwähnte die politisch brisante Situation an der Ostgrenze des Reiches. Offensichtlich war man noch an einer friedlichen Lösung interessiert. Vielleicht bemühten sich noch beide Reiche um die Gunst der Saman. Er schob den letzten Brocken Brot in den Mund. Hier würde er an diesem Abend nichts Neues erfahren. Er stahl sich aus dem Gasthaus und lief zurück zur Tränke. Dort wartete Bal geduldig auf ihn. Er kuschelte sich an seine Seite. Mit den ersten Strahlen der Sonne am nächsten Tag würde er weiter reisen.

Er ließ sich träge auf seinen Sessel fallen. Dann vergrub er kurz sein Gesicht in die Hände. Schließlich fuhr er durch seine Haare. Sein Kopf war jetzt leer. Das war gut so. Seine Gedanken hatten hier nichts zu suchen. Er zog sein Bein hoch und legte den Unterschenkel auf den Stuhl. Dann griff er nach dem ersten Zettel, der auf den Tisch lag. Jetzt waren also wieder das fade Alltagsleben und die Bürokratie eingekehrt. Es musste so sein. Wie sollte man die Süße des Honigs schätzen, wenn man die Bitterkeit von Kroscha nicht kannte? Manchmal fragte er sich, wieso sein Leben vor allem aus Kroscha und kaum aus Honig zu bestehen schien. Er wusste, es lag in seiner Hand. Er schüttelte kurz den Kopf und vertrieb wieder den Gedanken. Hier und jetzt waren weder die Zeit noch der Ort für solche Gedankenexperimente. Er war wie er war. Er konnte nicht aus seiner Haut.
Er hatte bereits die Hälfte des Papierstapels überflogen. Es waren zum Großteil fade Berichte. Manchmal war auch etwas Exotisches dabei. Dann sehnte er sich ein klein wenig nach den alten Abenteuern. Doch die Forschung von heute war nicht mehr die von früher. Alles wurde vermessen und katalogisiert. Niemand machte sich mehr Gedanken um irgendwelche Zusammenhänge. Gefühle gab es in dieser Welt nicht mehr. Das war bitter wie Kroscha. Die Tür wurde aufgestoßen. Er musste nicht aufsehen, um zu wissen, wer in sein Büro kam ohne an zu klopfen. „Wo warst du?“ Er blickte träge auf. „Ich freue mich auch nicht, dich zu sehen, Kalo!“, murmelte er. Kalo stützte sich schwer mit den Händen auf den Schreibtisch auf. Die Lampe klirrte ein wenig. Kalo war vom Aussehen her eine imposante Gestalt. Er war ungefähr in seinem Alter. Sie hatten zusammen auf der Universität studiert und so manche Abenteuer zusammen erlebt. Von da her hatte er den Respekt von den bärenhaften Hünen verloren. Kalo wusste das auch. Aber er kam nicht umhin den Gedanken immer wieder aufs Neue zu verdrängen. Vielleicht war er einfach schon so tief in diesem Schema drinnen, dass er automatisch aufbrauste, ohne darüber nachzudenken, dass es in diesem Zimmer nichts brachte. „Wo warst du?“, wiederholte Kalo. Er blinzelte leicht. „Ich wüsste nicht, was dich das angeht!“ Jetzt stellte sich Kalo in seiner ganzen Größe auf und verschränkte seine Hände vor der Brust. „Du kannst nicht einfach für drei, vier Tage verschwinden und dann wiederkommen und so tun, als wäre nichts gewesen.“ Sein Bein rutschte von der Stuhllehne und er blickte Kalo tief in die Augen. „Ich erledige meine Arbeit, Kalo!“ Kalos Augen wurden schmal. „Du weißt genau, dass du mit deinem Verhalten die Moral der Schüler untergräbst. Außerdem muss du erreichbar sein, falls etwas Unerwartetes passiert! Du bist Stellvertretender Vorsitzender! Du hast Pflichten, die du nicht ignorieren kannst.“ Er schlug die Lider nieder. Kalo hatte keine Ahnung. Er konnte alles ignorieren, wenn er nur wollte. „Deine Argumente werden nicht besser! Ich bin nur ein alter Kauz. Was ich tue interessiert doch sowieso niemanden und was soll schon passieren, wo ich helfen könnte und ihr nicht! Du weißt genau, dass die Stellvertreter nach Dienstzeit ausgesucht werden.“ Ihm hatte nie interessiert irgendwelche Würden zu tragen. Sie bedeuteten nichts. Er wollte nur seine Freiheiten und ein bischen freute es ihn auch Kalo damit aufzuziehen.
Er griff nach dem nächsten Zettel um auch ihn nur oberflächlich zu studieren. Kalo riss ihm den Wisch aus der Hand. „Wieso lässt du dich so gehen! Du warst einmal der Beste von uns allen!“ Er begann zu schmunzeln. Kalo hatte keine Ahnung, wie er wirklich arbeitete und ihm gefiel es seinen alten Rivalen so in Unsicherheit zu lassen. Fast wollte er erwidern, dass er noch immer der Beste war. Doch er schluckte die Gemeinheit hinunter. Es hatte keinen Sinn Kalo noch mehr zu provozieren. Er würde ihm nur Sachen vorhalten, die er sich nicht anhören wollte. „Weißt du, Kalo, du hast noch nicht verstanden, wie bitter Kroscha wirklich sein kann!“

Sie hielt den Atem an und lauschte. Lauschen verstieß gegen die Sittlichkeitsregel 27. Aber man musste sich ja nicht erwischen lassen. Sie begann in ihrem Kopf die Sekunden zu zählen. Vantra war gerade eben den Gang hinunter geeilt. Sie schien seltsam aufgelöst, obwohl sie sonst immer die Würde in Person war. Irgendetwas ging hier vor, was nicht in Ordnung war. K’vara war einfach viel zu neugierig um es nicht wissen zu wollen, selbst wenn sie wusste, dass es ihr im Grunde nur schaden konnte. Neugierde verstieß gegen die Sittlichkeitsregel 25. Aber für K’vara war es Teil des natürlichen Überlebensinstinkt.
Sie presste sich fest an die Wand. Vantras Mann sprach mit erhöhter Stimme. Doch unterbrach ihn Vantra nach wenigen Worten und ermahnte ihn leiser zu sein. K’vara rückte ein Stück näher und war jetzt fast an der Ecke. Aber herum schauen wollte sie nicht. Das war zu gefährlich. Man hatte ihr nicht aufgetragen hier oder irgendwo in der Nähe zu putzen. Sie würde alle Mühe haben sich zu erklären. K’vara fragte sich, ob überhaupt ein Mädchen jemals hier putzte. Ihr Herz begann heftiger zu schlagen. Irgendetwas Mystisches war hier verborgen. Sie kaute an den Lippen und zählte noch immer in Gedanken. Doch die Worte waren jetzt kaum mehr verständlich. Kurz schwoll ein hoher singender Laut an, der nach wenigen Sekunden abrupt abbrach. K’vara rutschte ein Stück zurück. Jetzt würde sie nichts mehr erfahren und sie durfte nicht entdeckt werden. Die Anstellung war zu kostbar. Vorsichtig rutschte sie noch ein Stück weit weg. Erst als sie sich relativ sicher fühlte, begann sie zu rennen.
Bei der Treppe blieb sie keuchend stehen und atmete ein paar Mal tief durch. Sie hoffte, dass die Erregung ihr nicht allzu sehr ins Gesicht geschrieben war. Bedächtig ging sie die Treppe hinunter und schlurfte durch die sauberen Gänge bis zu den Vasen, die sie abwischen hätte sollen. Ihr Wasserkübel stand noch immer an derselben Stelle. Sie griff nach dem Wischtuch und begann die fünfte Vase zu wischen. Sie entstaubte die ungeraden Vasen zuerst. Aus irgendeinem Grund war das so.
Als sie vier Vasen weiter war, hörte sie Vantra die Stiegen runtergehen. Sie hatte wieder ihre würdige Haltung eingenommen. Was auch immer im oberen Stockwerk passiert war, schien jetzt wieder behoben zu sein. Vantra lächelte sogar leicht. Sie blieb kurz stehen und beobachtete K’vara für ein paar Sekunden. K’vara hielt den Kopf gesenkt. „Wie geht es dir, Mädchen?“ K’vara nickte. Vantra deutete ihr, auf zu sehen. Widerwillig folgte sie. Eine kleine Falte entstand auf Vantras Stirn. „Ist irgendetwas?“ K’vara biss sich auf die Lippen. Ihr Kopf arbeitete fieberhaft. Schließlich nickte sie ganz zaghaft. Vantra lächelte vertrauenseelig. „Ich… Mir ist vorhin fast eine Vase… umgefallen!“ Vantra blickte auf die Reihen der großen Vasen, die alle wie ausgemessen im gleichen Abstand von einander standen. „Welche?“ K’vara schlurfte zu der dritten Vase und deutete darauf. Vantras Augen glitten prüfend über sie hinweg. „Ich habe sie noch auffangen können!“, beeilte K’vara zu versichern. Sie versuchte möglichst niedergeschlagen und peinlich berührt auszusehen. Vantra lächelte großzügig, während ihre Finger prüfend über die Ränder fuhren. „Sie ist ja noch ganz! Dann ist es ja nicht so schlimm! Aber pass das nächste Mal besser auf! Soetwas darf nicht passieren.“ K’vara nickte eifrig. Irgendetwas in ihr sagte ihr, dass Vantra einen nächsten derartigen Faux-pas nicht ungestraft durchgehen lassen würde. Sie lief wieder zu der Vase, die sie jetzt abwischte. Sie war froh, dass ihr die Ausrede mit der Vase eingefallen war. Sonst hätte sie niemals ihre Erregung erklären können. So war sie in Vantras Augen wahrscheinlich nur ein schüchternes, vielleicht ein wenig tolpatischiges, Mädchen, zu dem man auch ab und zu ein klein wenig großzügig sein konnte. Erleichtert beobachtete sie, wie Vantra, scheinbar wieder in andere Gedanken versunken, den Gang entlang schreitete und dann um die Ecke bog.

Er packte wieder einmal. Nach zwei Monaten in der Kaiserstadt, war es langsam Zeit zu seinem Heimatkontor zurückzukehren. Er musste die Tuchlieferungen überwachen. Wenn man nicht regelmäßig sein Gesicht zeigte, taten die Arbeiter, was sie wollten. Er schob noch extra Gewandt in seine Kiste. Diesmal würde er mit der Karavane reisen. Die Reisesaison begann bald wieder und er wollte zu einen der ersten gehören, die ihr Tuch auf den Markt brachten. Er kontrolierte noch einmal seine Habe und verschloss die Kiste. Dann stellte er sie auf den Flur. Sein Diener würde sie später mitnehmen.
Jetzt widmete er sich wieder seinen Aufzeichnungen. Er hatte manche Gerüchte aus dem Osten gehört. Die Saman waren bereit sich ihre nicht Einmischung gut vergüten zu lassen, aber ihre Zuversicht viel zu bekommen, sank kontinuierlich. Wenn sie intelligent waren, würden sie sich rechtzeitig in ihre Bergwelt zurückziehen. Sie hatten nicht wirklich etwas bei dem Konflikt von Gunsen und dem Kaiserreich zu gewinnen und sie waren nicht groß genug, um sich bei einem Krieg nicht aus zu bluten. Er ließ sich auf einen Sessel fallen. Viel mehr Sorgen machten ihn die Gerüchte von den Eliteeinheiten von Gunsen. Angeblich wurde ihre Ausrüstung aus speziellen Legierungen hergestellt. Manche seiner Kollegen war reich damit geworden, Metalle nach Gunsen zu verkaufen. Er fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. Doch wenn alle Vorboten Recht hatten, würden sie sich nicht mehr lange an ihrem Reichtum erfreuen können. Das alles sah nicht rosig aus. All die Informationen die ihn freiwillig und unfreiwillig zugetragen worden waren, warfen ein beängstigendes Bild. Doch noch würde er in seinem Netz aus Informationslinien sitzen bleiben und warten.
Er gähnte. Seine Finger schoben die Zettel in einander. Dann fuhr er sich durch das Haar. Langsam war es Zeit ins Bett zu gehen. Die nächsten Wochen versprachen nicht angenehm zu werden. Doch vielleicht hatte seine Heimat ihn Erfreulicheres zu berichten.

Er hatte ein Pferd, viel Gold und eine Karte bekommen. Außerdem hatte man ihn noch den genauen Zeitrahmen erklärt. Jetzt musste er schauen, wie er alleine zu Recht kam. Für die erste Strecke war es auch nicht die Herausforderung. Doch in der Grenzregion würde es sicherlich ganz anders aussehen. Vasa Rem hatte sich noch in der Bibliothek über die Region, in die er reiste, erkundigt. Sie sprachen dort eine andere Sprache als die Kaiserstadtsprache. Das war für ihn der erste Schock gewesen. Vielleicht war dieser ganze Auftrag doch schwerer als er sich gedacht hatte. Jetzt hieß es jeden Abend nicht nur seine Magieübungen zu machen, sondern auch noch die fremde Sprache zu lernen. Er konnte natürlich davon ausgehen, dass die Priesterkaste, mit denen er vorwiegend Kontakt aufnehmen sollte, gebildet genug war, um die Kaiserstadtsprache zu sprechen, aber oft konnte man mehr Wissen aus der einfachen Bevölkerung hervorholen. Außerdem war es Vasa Rem zu wider, wie ein eingebildeter Kaiserjüngling auf zu treten. So würde er gar nichts erreichen.
Im schwachen Licht des Lumos versuchte er die schon leicht vergilbten Seiten des Buches zu studieren. Er hatte nur dieses alte Buch gefunden, das die Sprache dieses Volkes beschrieb. Er verstand sowieso nicht, wieso sich sein Meister überhaupt für diese Region interessierte. Offensichtlich hatte sonst niemand wirklich mehr Interesse an diesen kleinen Sprachen und den kleinen Völkern. Er seufzte tief und löschte Lumos mit einer Handbewegung. Dann schloss er kurz die Augen. Wieso tat er sich das dann an? Er war zu perfektionistisch. Aber es half nun mal nichts. Er musste diese Aufgabe, die praktisch nur einen Urlaub darstellte, zu vollster Zufriedenheit erfüllen. Es kam ihm irgendwie vor als wäre das seine letzte Chance. Er konzentrierte sich und ließ ein paar Mal Lumos entstehen und wieder erlöschen. Das Pferd schnaubte bei dem Anblick. Sie waren beide müde. Vasa Rem schlug die Beine über einander und schloss die Augen. Es war an der Zeit sich aus zu ruhen. Er verfiel in einen Meditationszustand aus dem er jederzeit erwachen konnte, falls sich jemand ungebetener Weise seinem Lager nähern sollte.


© lerche


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