Die Macht des Limbus

© EINsamer wANDERER

Du willst also eine Geschichte aus Rʼlyeh-City hören? Wenn nicht, Pech, ich erzähle sie nämlich so oder so. Was soll man als Erzähler auch sonst den lieben langen Tag machen?
Jedenfalls zog dieser Jason Gilman mit einer stillen Wut im Bauch durch die dunklen Gassen von Rʼlyeh-City. Aufgewachsen in dem heruntergekommensten Vierteln dieser vermaledeiten Stadt hatte Jason früh lernen müssen wie hart das Leben war. Von seinen Eltern vernachlässigt und regelmäßig misshandelt floh er von dort und kehrte nur selten zurück, höchstens noch um einige Zeit unterzutauchen. Inzwischen waren seine Eltern lockerer drauf, da er sie nicht mehr so oft belästigte und sie sich somit ungestört ihren Drogenkonsum zuwenden konnten.
Einst gehörte er der Falcone-Gang an, doch diese wurde leider von der Sal Maroni-Familie ausgelöscht. Einfach so hatte die Mafia sie alle abgeknallt, weil die Kids sich diesen alten Paten-Säcken nicht beugen wollten. Bloß Jason hatte aufgrund seiner eigenen Feigheit überlebt. Dies bereute er zutiefst und alles in ihm dürstete nach Rache.
Nachdem er sich wochenlang in seinem eigenen Selbstmitleid gesuhlt hatte, fasste Jason einen Entschluss. Lieber noch am gleichen Tag für seine toten Freunde sterben, als noch eine Sekunde als Feigling weiterzuleben. Mit seiner geliebten Eisenstange – genannt Brown Jenkin, weil dies der Name seines ersten Opfers war welches er zu Tode geprügelt hatte – im Gepäck machte sich Gilman auf die Typen zu killen die seine Freunde erschossen hatten.
Er folterte, erpresste und schüchterte jeden ein der seinen Weg kreuzte. Schließlich fand er die zwei Schweinchen in einem Nobelrestaurant sitzen. Ein Blick durch die Glasscheibe reichte um sie zu erkennen, denn ihre Fressen hatte sich in Jasons Gedächtnis eingebrannt. Doch anstatt einfach zu warten bis die beiden fertig mit dem Essen waren, ging er mit grimmigen Gesichtsausdruck auf das Restaurant auf der anderen Straßenseite zu. Achtete er auf die Autos? Nein, er ging schnurstracks auf das Gebäude zu. Das Tuten der Hupen kam gar nicht bei ihm an. Und als wäre das nicht schon genug, nahm das letzte lebende Mitglied der Falcone-Gang den direktesten Weg zu den beiden Killern. Sprich: Statt zur Rezeption zu gehen und dem Typen dort eine blutige Nase zu schlagen, zerdepperte er stattdessen das Glas hinter dem die beiden waren und fing an wie ein Irrer auf sie einzuprügeln, während es noch Glasscherben niederregnete. Den einem schlug er eine blutige Fresse, doch der zweite fing sich deutlich schneller und jagte dem Punk eine Kugel in den Kopf. Und das war es dann mit Jason Gilman und der Falcone-Gang. Ende.

„Chef, wir brauchen noch einen Sympathieträger. Irgendeine arme Sau wie etwa eine Hure mit einem Herz aus Gold.“
Wer mag schon so etwas? Eine Hure ist zum Ficken da und nicht um das Licht daran zu hindern in das schwarze Loch meines Herzens gesogen zu werden. Nein, wir brauchen irgendetwas Aggressiveres. Wir haben zwar diesen Wade, aber der ist mir beim Töten trotz allem zu positiv. Nein, wir brauchen irgendjemanden der einfach nur mordsmäßig angepisst ist. Werfen wir doch mal die Glotze an. Was haben wir denn da? Langweilig. Titten. Ah, Gewalt. Was macht der Typ denn da? Hat der denn keine Angst überfahren zu werden? Was zum-? Meine Fresse ist der Irre? Einfach so eine Scheibe zu zerdeppern? Und jetzt prügelt er auf den einen ein. Hm. Schade, jetzt ist er tot. Naja, was sollʼs. Dann suchen wir uns halt jemand anderen. Es sei denn… Ja, klar das wäre eigentlich die perfekte Lösung.
Arbeitssklaven, aufgepasst! Wir geben diesem Typen hier die Macht über den Limbus.
„Aber der Limbus ist eine Dimension des zerstörerischen Chaos in der nichts überleben kann! Selbst Sie können dort nicht existieren, Chef! Ist es wirklich klug einem Insekt die Macht zu geben einen Gott zu erschlagen?“
Solange es meine Brieftasche dicker macht? JA, Jenkins! Und Scheiße noch mal: JA! Es wird so gemacht und ich will keine Widerworte von euch Arschkriechern hören!


Jason war tot, er wusste es und ihm war es egal. Er hatte bekommen was er wollte. Plötzlich näherte sich eine Präsenz durch das Dunkel. Auch wenn der Tod dunkler war als schwarz, so war dieser große Fleck noch um einiges finsterer und hob sich dadurch ab.
Dein Job ist noch lange nicht erledigt, mein Lieber, sagte diese formlose Gestalt mit einer unbeschreiblich unmenschlichen Stimme.
»Ich gab mein Leben für die Gang. Es gibt nichts mehr für mich von Bedeutung.«
Ach?, und hierbei konnte Jason die Stimme fast schon hämisch grinsen sehen. Ist das so?
»Hey, man, räche uns! Diese Bastarde sollen leiden für das was sie uns allen angetan haben«, schrie Bruce, doch er schien so unendlich weit weg zu sein.
»Genau!«, meinte Dick.
Jason ließ erschöpft den Kopf nach hinten sinken und überlegte. »*Seufz* Wisst ihr was? Ihr verdammten Arschgeigen habt vermutlich recht. Eine eingeschlagene Birne ist noch zu gut für diese Motherfucker. Allerdings sind wir jetzt alle tot. Es macht also keinen Unterschied mehr.«
Meine Fresse, bist du lässig!, tönte die Stimme. Du hast dich sofort mit deinem eigenen Tod abgefunden. Aber da du erst vor kurzem verreckt bist, ließe sich da etwas machen. Ich gebe dir das Werkzeug und du sorgst dafür, dass sie büßen werden. Abgemacht?
»Was habe ich schon zu verlieren. Aber sag mal, wie willst du das machen? Bist du eine Art Jesus oder so etwas?«
Was für eine religiös-fanatische, irre Knalltüte bist du denn?! Ich will nur sehen wie du die Typen fertig machst, sonst nichts. Aber wieso eigentlich bei diesen beiden Killern aufhören?
»Was meinst du damit?«
Nun ja, diese Kerle tun eigentlich nur das wofür sie bezahlt werden. Es wäre nicht zu Ende gedacht es bei ihnen zu belassen.
»Ja, aber-«
Doch die Stimme fuhr ungerührt fort. Wieso mussten Bruce und Dick denn sterben? Hm?
Jason rekelte sich in der Finsternis in eine entspanntere Körperposition. »*Ächzend* Weil die Mafia keine unabhängigen Schläger in ihrem „Gebiet“ duldet.«
Und somit geht ihr Tod auf das Konto von…?
Jasons Augen weiteten sich, um darauf dann zu schmalen Schlitzen zu werden. »Die Sal Maroni-Familie!«, knurrte er.
Und somit wäre es nur gerecht wenn du ihren Haufen genauso aufreiben würdest, wie sie deinen, nicht wahr?
»Verdammt richtig!«
Ergo wäre es nur gerecht sie samt und sonder auszulöschen. Hier hast du deine Kraft. Du herrscht nun über den Limbus und ziehst alles dort hinein was du berührst und wenn du gut bist kannst du noch ein wenig mehr damit anfangen. Ich muss nun los. Ich habe noch einen Termin. Bis denne!
Voll von Wut und Zorn schrie Jason sie beide in die Leere hinaus. Er spürte wie sich das Dunkel lichtete und er hörte sogar bereits Stimmen aus dem Diesseits.
»Alles okay bei dir? Du siehst echt nicht gut aus, Liebster. Geh du mal zum Arzt, ich halte hier die Stellung.«
»Du bist ein echter Schatz. Danke, Liebling«, kam es zwischen zwei geschwollenen Lippen hervor.

Es vergingen wohl einige Minuten ehe Jason wieder zu sich kam, denn als er die Augen aufriss war von dem verprügelten Mafiakiller nichts zu sehen. Seine Wut hatte er sich während der Reise ins Diesseits beibehalten können. Obwohl er eigentlich mit dem Loch in seinem Kopf tot sein sollte, so machte es ihm nichts aus. Er stand auf und baute sich zu voller Größe auf.
»*Keuch* Was zur Hölle-?!«
Der angepisste Teenager spürte dass sich etwas verändert hatte. Etwas Fremdes hatte sich in seinen Körper eingeschlichen und es begehrte auf und wollte raus, wie Wasser wenn es den Damm zu sprengen drohte. Und mit einem Schrei ließ Jason ihr freien Lauf. Seine Adern traten rot hervor, genau wie seine Augen. Die Haare begannen abzustehen und bewegten sich als wären sie unter Wasser. Ein graues Leuchten hüllte den jungen Mann nun ein und durch diese Aura sah man eine verschwommene und zerfallene Version unserer Realität. Er machte einen festen Schritt nach vorne. Die Glassplitter unter seinen Schuhen verdampften zu Rauch und die Abdrücke brannten sich in den Teppich ein, jedoch ohne Feuer zu zünden.
Vor Schreck fiel der Mafiosi nach hinten und zielte mit zitterndem Arm auf Jason. Er feuerte schreiend ein paar Kugeln ab, doch diese überlebten keine Nanosekunde im Limbus. Nichts konnte dort existieren und atmen, bis auf Jason höchst selbst. Mit einer zielsicheren Bewegung griff jener nach der Gurgel seines Opfers. Das graue Leuchten breitete sich auf dem Körper seines Feindes aus. Innerhalb kürzester Zeit krempelte sich das Innere nach außen und begann in flehenden Bewegungen zu zerfallen. Dieser Vorgang schien äußerst schmerzhaft zu sein, da der Mafiosi ununterbrochen schrie bis sein Kehlkopf implodierte.
Mit einem genüsslichen Lächeln sah Jason seinem Opfer beim grauenhaften Krepieren zu.
Als seine sterblichen Reste vom Limbus vertilgt wurden, starrte der Junge verträumt ins Nichts. In der letzten Stunde war so viel passiert. Zu viel, als dass er einfach so damit klar kommen konnte. Er brauchte Zeit um all das zu verarbeiten.
Er leistete keinen Widerstand als die Bullen kamen, da einige Leute die Polizei angerufen hatten. Gäste, Anwohner, Passanten, Angestellte im Restaurant. Die Liste war schier endlos. Sie führten Jason in Handschellen ab. Er ließ es sich gefallen. Zuerst würde er über alles gut nachdenken und dann wenn seine Zeit reif war würde er diese Pisswichser massakrieren.

In Ordnung, den wären wir fürs erste los. Wenn der gleich zu Anfang auf unseren Helden trifft, dann stirbt er uns zu schnell weg. Also weg mit diesem Jimmy, oder James oder wie er noch mal hieß und ihn dann rausholen wenn er nützlich sein kann. Das wird ein Spaß werden.

The End


© EINsamer wANDERER


2 Lesern gefällt dieser Text.




Beschreibung des Autors zu "Die Macht des Limbus"

Der Charakter Jason bahnt sich eine blutige Spur durch R´lyeh-City.

Link zu Es ist nicht leicht ein (Super-)Held zu sein: https://www.schreiber-netzwerk.eu/de/2/Geschichten/12/Fantasie/44646/Es-ist-nicht-leicht-ein-Super-Held-zu-sein/
Link zu Von einer Ratte zum Rudel: https://www.schreiber-netzwerk.eu/de/2/Geschichten/12/Fantasie/44670/Von-einer-Ratte-zum-Rudel/
Link zu Der Detektiv mit dem Geisterarm: https://www.schreiber-netzwerk.eu/de/2/Geschichten/12/Fantasie/44705/Der-Detektiv-mit-dem-Geisterarm/
Link zu Die Kunst des surrealen Tötens: https://www.schreiber-netzwerk.eu/de/2/Geschichten/12/Fantasie/44729/Die-Kunst-des-surrealen-Toetens/
Link zu Nackt gestrandet: https://www.schreiber-netzwerk.eu/de/2/Geschichten/12/Fantasie/44794/Nackt-gestrandet/




Kommentare zu "Die Macht des Limbus"

Re: Die Macht des Limbus

Autor: Evia   Datum: 21.08.2015 8:17 Uhr

Kommentar: .... mitgewandert ....

LGE

Re: Die Macht des Limbus

Autor: EINsamer wANDERER   Datum: 21.08.2015 20:33 Uhr

Kommentar: Was soll das denn bedeuten?

Re: Die Macht des Limbus

Autor: Evia   Datum: 21.08.2015 22:46 Uhr

Kommentar: Sorry
Ich wollte damit nur sagen, ich bin in deine Geschichte eingetaucht ...
Mitgewandert ( hineingestürzt ) dein Name hat das Wort gebracht ...
LG
Evia

Re: Die Macht des Limbus

Autor: Evia   Datum: 21.08.2015 22:47 Uhr

Kommentar: Aber hineingestürzt wollte ich jetzt nicht schreiben :-)) wieder sorry. Eher hineingefühlt ...

Re: Die Macht des Limbus

Autor: EINsamer wANDERER   Datum: 26.08.2015 6:20 Uhr

Kommentar: Ist das gut oder schlecht? Und inwiefern hast du dich hineingefühlt?

Re: Die Macht des Limbus

Autor: EINsamer wANDERER   Datum: 26.08.2015 6:23 Uhr

Kommentar: Ist das gut oder schlecht? Und inwiefern hast du dich hineingefühlt?

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