154. Schritt


Weil mich wieder mal der Bengel reitet, hatte ich beschlossen mich haltlos zu besaufen. Freuen musste ich mich ja schließlich auch mal! Und heute lachte mir der Abend geradewegs ins Gesicht. Das ist schon einen Uralt-Wein wert. Davon besaß ich noch 4 Flaschen! Mit mir zusammen waren das dann 5 – ein gutes Team für eine Party!

Wir feiern haltlos vor uns hin, und weil ich ein Kind von Fantasie und Leidenschaft bin, gerate ich mit mir selbst ins Fabulieren. Manchmal stelle ich mir dabei vor etwas zu bekommen was ich anscheinend absolut nicht kriegen kann: Geld! Ich stelle mir vor steinreich zu sein, nicht nur im Geiste – und schon gehört mir das Himmelreich!

Dann, nach dem 7. Glas, überkommt mich plötzlich der Blödsinn und ich stelle mir vor, ich sei völlig plemplem. Das ist leicht! Aber dazu brauche ich noch einen Schutzengel. Ab jetzt stehe ich neben mir, im Gedankenhimmel und beginne eine schizophrene Unterhaltung mit dem ersten hosiannasingenden Flügelwesen, das mich mit seinem Hemdchen streift. Nennen wir es „Ix“. Ich selbst nenne mich ab jetzt „Dummi“, denn es ist Nacht geworden und ich habe beschlossen verrückte Fragen zu stellen. Daraus entwickelt sich eine, für mich amüsante Geschichte…

„Was bekommt man eigentlich für Geld?“, fragte eines Nachts Dummi den gerade vorbei fliegenden Engel Ix. „Alles“ antwortete der Engel Ix, „alles, außer Gesundheit. Die bekommt man nur durch Geschlechtsverkehr!“

„Und was noch?“
„Was man noch durch Geschlechtsverkehr bekommt? Möglichkeiten, die man ausbaden darf: Körpergröße, Geist oder Ungeist, das ist hier auch gleich die Frage, Hautfarbe, Humor, oder die Trockenheit sämtlicher Feuchtgebiete. Geld versetzt uns jedoch in die Lage!“

„In die Lage des Missbrauchs?“

„Klar! Geld regiert die Welt! Zumindest solange sie von ganz natürlichen Interessen beherrscht wird. Es erlaubt uns vorzüglich die Menschenmassen klein zu halten und es wirkt sich „intelligenzfördernd“ aus, indem es geschickte Betrüger, respektive Ausbeuter begünstigt“

„Eine natürliche Zuchtwahl der Arten?“

„Heutzutage, im Zeitalter der Globalisierung natürlich nicht mehr! Da geht alles drunter und drüber und man muss die Übersicht behalten. Das geht neuerdings ohne Geld noch besser!“

„Die Überwachung?“

„Was sonst?! Einige segensreichen Entwicklungen helfen uns dabei. Der Einzelne muss gar nicht mehr brauchbar sein, er wird es ganz automatisch!“.

„Das klingt vielversprechend!“

„Das ist es auch. Die Zeit der kleinen Verbrecher geht bald zu Ende. Alles fliegt sofort auf!“

„Ohne Geld?“

„Ohne Geld, aber mit Technik! Denken wir nur einmal an den bargeldlosen Zahlungsverkehr. Der allein ist ja schon sehr praktisch. Noch praktischer wird er, wenn wir den Zahlungsverkehr mir Fingerabdruck, oder sonst einem genetischen Code abwickeln. Am besten wäre ein eingepflanzter Chip. Niemand müsste sich mehr bei der Arbeit an und von ihr abmelden. Man wüsste ja wo wir uns grade befinden! So könnten wir auch gleich bezahlen! Keiner bräuchte mehr ein Konto. Wir müssten auf nichts mehr aufpassen!“

„Das klingt verführerisch!“ Dummi war hellauf begeistert und der Engel Ix freute sich ebenfalls. Aber er hatte das unbestimmte Gefühl, daß Dummi immer noch keine Ahnung von den Ausmaßen der Möglichkeiten in dieser schönen neuen Welt ohne das lästige Geld mit all den Sorgen die es verursachte hatte.

Der Engel setzte sich auf einen Stein, legte den Kopf auf die geballte Faust und dachte demonstrativ nach. „Es wird keine Schwarzarbeit mehr geben“, flüsterte er schließlich, laut und deutlich. „Toll“ sagte Dummi, „dann kann nichts mehr gemauschelt werden. Und Angst brauchen wir auch keine mehr zu haben. Jeder bekommt was er verdient, und zwar unabhängig davon wo er lebt, was er denkt, wo er herkommt, wie er aussieht und an was er glaubt. Ist das nicht wunderwunderschön?!“

„Ist es wohl“ meinte Ix etwas verlegen – aber organisiert wird das vermutlich von Leuten die keine eingepflanzten Chips haben, und wenn dann folgen die ebenfalls vermutlich nicht dem gleichen Programm wie dem, das die Übrigen steuert!“

„Hast du soeben `steuert` gesagt?“

„Iijaa, das hab ich gesagt. Guck mal, es wird uns doch schon überall schmackhaft gemacht. Auf der Bank gibt es bereits keine Zinsen mehr. Die Leute sind quasi gezwungen den Staat zu `hintergehen` indem sie sich zuhause geheime Reserven anlegen. Das macht sie unabhängig und es erhöht ja auch die Zahl der Einbrüche. Leute von außerhalb wallfahrten zu den Quellen des Wohlstandes, um sich daran gütlich zu tun – ohne besondere Qualifikationen, ohne Plan und Ziele. Sie nehmen einfach was sie bekommen können. In der besseren Zukunft wird das gar nicht mehr möglich sein, da keiner was hat, das man ihm stehlen könnte“.

„Sagenhaft! Alles wird gut! Alle sind gleich!“

„Ganz genau, so langsam begreifst du?“

„Und jetzt den nächsten Schritt! Wenn alle gleich sind und alle von einer geheimnisvollen Zentralmacht gesteuert sind, dann gibt es - außer den Angehörigen der Zentralmacht – keine Ausnahmen mehr. Keine Leute also, die beispielsweise das Geld oder die völlige Bargeldlosigkeit erfunden haben. Dann müssen wir hier bleiben – Mondlandung und dergleichen iss nich…“

„Macht das was?“

„Naaiiien. Das macht doch nichts! Wichtig ist, daß es einen beherrschbaren Durchschnitt gibt, der keine intimen Geheimnisse mehr haben wird, der bei allem sofort entlarvt, ertappt, verurteil werden kann, egal welcher ethnischen oder glaubenstechnischen Zugehörigkeit er ist. Darauf kommt es ausschließlich an! So muss Technik!“

Dummi glotze erstaunt vor sich hin. War er wirklich so astrein, daß er sich erlauben konnte so zu bleiben wie er war, ohne unangenehm aufzufallen und gleich zur Rechenschaft gezogen werden?? Jetzt war ihm schon ein wenig mulmig zumute! „Oooooh“, sagte er und noch einmal „ohhh“. Kurz darauf stöhnte er „aach, ich bin zwar immer brav gewesen, aber ich weiß wirklich nicht warum mir das nicht besonders gefällt“.

Der Engel Ix lachte! Er lachte so laut, daß ich die letzte Weinflasche umstieß, weil ich mich nicht mehr aufrecht am Tisch sitzend halten konnte. Daß ich im Delirium war konnte ich jetzt nicht mehr bestreiten. Wer so blöde Einfälle hat, der muss ja dauernd besoffen sein…

Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / 154


© Alf Glocker


3 Lesern gefällt dieser Text.




Diesen Text als PDF downloaden




Kommentare zu "Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / 154"

Re: Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / 154

Autor: axel c. englert   Datum: 31.05.2015 19:41 Uhr

Kommentar: War sein Autor auch besoffen -
Der Text lässt keine Wünsche offen!

LG Axel

Re: Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / 154

Autor: possum   Datum: 01.06.2015 1:40 Uhr

Kommentar: So viele Gedanken
liegen im Wein
man sagt gar
darin soll auch die Wahrheit sein ... LG! Toll!

Re: Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / 154

Autor: Alf Glocker   Datum: 01.06.2015 17:18 Uhr

Kommentar: Danke, liebe Freunde

LG Alf

Kommentar schreiben zu "Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / 154"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.