Für Minuten hielt ich meinen kleinen Bruder im Arm.Er klammerte sich fast schon an mich, während ich ihm behutsam über seinen Kopf strich.Mein kleiner Bruder..... noch vor zwei Stunden hätte ich nicht mal im Traum daran gedacht ihn mal als solchen zu bezeichnen.Es sind die kurzen Augenblicke,die die Welt verändern können....
Ich lehnte meinen Kopf an seinen an.Sein Haar hatte die selbe Farbe, wie das meine. In dieser Dunkelheit durfte er sich in Sicherheit wiegen. Er hatte das Recht dazu.Es war ein Moment in dem man tun und lassen konnte,was man wollte.Keiner sah zu, keinen interessierte es und nie würde es jemand erfahren.
Wie oft habe ich mir in meinem Leben gewünscht,dass ich mich unsichtbar machen könnte..... Sei es auch nur für fünf Minuten. Fünf Minuten ohne beobachtet zu werden.In denen niemand einen kontrollieren ,bewerten und herum kommandieren konnte.
Im Hintergrund hörte man immer noch Stimmen,die sich freudig unterhielten und das seichte Prasseln des Feuers im Kamin.Im Schatten des dunklen Gangs hielt ich nach wie vor meinen kleinen Bruder im Arm.Immer mehr kam er zur Ruhe und gewann wieder an Haltung.Keine Tränen flossen mehr. Jetzt war ich nicht mehr die Stütze, sondern nur die Person, die diese Umarmung liebevoll erwiderte . "danke_" hörte ich Dualgas nur noch flüstern bevor er sich von mir löste und auch ich meine Arme wieder zurück nahm. Für andere würden unsere Blicke bestimmt kalt und emotionslos gewesen sein. Mehr ernst als freudig, aber das stimmte nicht. Ich war glücklich und mein Gegenüber war es auch.Unsere Gesichtszüge wirkten vielleicht unterkühlt für Menschen die sich eigentlich so nahe standen, aber ich konnte mühelos die Wärme in seinen Augen sehen.
Kurz darauf wandte er sein Gesicht von mir ab und ich folgte seinem Blick.Beide sahen wir hinein in den warm beleuchteten Raum in dem sie immer noch auf dem Teppich saß und fröhlich lächelnd malte.Meine Gedanken schweiften wieder soweit ab, dass erst die Stimme meines Bruders, der immer noch neben mir stand mich in die Realität zurück holen konnte.Leise fragte er mich
"Willst du nicht auch rein gehen? Ich glaube nähmlich, dass du es gern tun würdest. Was zögerst du?"...Warum zögere ich.....
Die Stimme meines Bruders war ruhig."Selbst wenn ich es gern würde...Ich könnte es nicht."gab ich nur leicht bedrückt von mir.
"Warum nicht?" kam sofort die Gegenfrage. Konnte ich da etwa etwas Sorgvolles heraus hören? "Stell dir vor: Sie kommt auf mich zu , will mich umarmen und ich kann es nicht erwidern. Was würde ich dann für einen Eindruck hinterlassen?Sie würde doch sicher glauben, ich würde sie nicht mögen und sie nicht in meiner Nähe haben wollen." "Warum könntest du sie nicht umarmen?Mich hast du umarmt?" Ich senkte betrübt meinen Kopf und seufzte. "Jemand, der noch so viel Blut Unschuldiger an den Händen hat, sollte damit kein Kind berühren dürfen.Auch du solltest wissen, dass es dauert bis die Spuren einer Schlacht völlig verschwunden sind. Würde ich ihr Blut schneller von mir bekommen, so würde ich nicht so oft meine Handschuhe tragen.
So etwas sollte nicht für alle Augen sichtbar sein."
Das seichte Lächeln auf den Lippen meines Bruders konnte ich nicht begreifen, als seine Hand auf einmal an die Türklinke griff.
"Ich verstehe dich,aber.... manchmal heißt es _nicht denken,sondern machen_" mit diesen Worten zog er die Tür auf und gab so ihn und mich für alle Blicke frei. Mein Herz blieb stehen.Das einzige, was meine Überraschung preisgab waren meine leicht geweiteten Augen, als ich aus Reflex zu dem Mädchen sah, was mir ja quasi gegenüber saß. Meine Lippen waren wie vernäht, als ich auch schon ihre Worte vernehmen konnte."Großer Bruder!" rief sie freudig, als sie schon schnell auf mich zu gelaufen kam. Mein Herz konnte sich in diesem Moment nicht entscheiden. Sollte es stehen bleiben oder wie wild schlagen. Sie blieb vor mir stehen."Es ist so schön, dass ihr auch gekommen seit." Noch bevor ich bewusst über ihre Worte nachdenken konnte. Rief eine Stimme in meinem Kopf

"Knie nieder.....Hilf ihr dabei dich zu verstehen...."

Keine Sekunde später ließ ich mich auf den Boden sinken und ging in die Hocke. So war ich mit ihr auf Augenhöhe. Sie schien sich über meine Geste so dermaßen zu freuen, dass sie die kurze Distanz zu mir überwand und sich ihre Arme um meinen Hals legten .So fest sie konnte drückte sie sich an mich und in diesem Augenblick verstand ich die Worte meines Bruders.Ein Lächeln legte sich auf meine sonst so kalten Gesichtszüge, als ich meine Arme um sie legte. Sie war noch so jung und zierlich,dass ich problemlos meine Arme um sie legen konnte auch ohne, dass meine Hände sie berührten.Ich selbst war gerade noch dumm genug gewesen dies nicht zu erkennen....Das ließ mich wirklich über mich selbst schmunzeln. Noch nie hatte ich mich so gefreut noch jede Schlacht überlebt zu haben. Es war magisch so viel Lebensfreude zu verspüren. Sie wärmte mit ihrer schlichten fröhlichen Art meine sonst so kalte Seele und ließ mich wieder Glück empfinden, aber auch Zuneigung , Vertrauen und Geschwisterliebe. Wie peinlich und bedauerlich...ich bin nun zwanzig und lerne erst jetzt die wahre Bedeutung des Wortes...
"Familie"
Noch in der Umarmung sah ich zu meinen Brüdern .Zu Dualgas, der ein wissendes und frohes Lächeln auf den Lippen hatte, als er sich direkt neben uns gestellt hatte. Zu meinem zwei Jahre jüngeren Bruder Teagasc, der einen erleichterten ,aber auch verträumten Eindruck machte, als er meinen Blick ebenfalls mit einem Lächeln stumm erwiderte und am Ende zu meinem drei Jahre jüngeren Bruder Dioltas. Mein Blick war voller Verständnis, als ich sah, wie er zwar auch mein Lächeln erwiderte, aber dabei gegen seine Tränen ankämpfte, die er sich mit dem Handrücken aus den Augenwinkeln wischte.Eine Familie zu sein, bedeutet.......
Sich auch ohne Worte verstehen zu können....


© Red Papermoon


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Beschreibung des Autors zu "1.3 Für jetzt und für immer..."

Nun der dritte Teil meiner kleinen Geschichtsreihe.Ich hoffe sie gefällt euch. LG Red Papermoon




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