Vorwort

Die Reise vom kleinen schwarzen Schaf ist eine Geschichte über Mut in düsteren Zeiten und Freundschaft, die Streitereien, aber auch Romanzen überdauert. In über zwei Jahren ist die Geschichte abends und manchmal in den dunkelsten Stunden der Nacht entstanden. Über einhundert A5-Blätter ist die erste Fassung lang gewesen, mit meist grüner Tinte von Hand beschrieben. Die eine oder andere Seite ist auch von Hand zerknüllt und in den Papierkorb geworfen worden, erste und zweite Korrekturen sind ebenfalls handschriftlich angebracht worden. Die ersten Korrekturen mit rotem Tuschestift, die zweiten Korrekturen mit schwarzer Tinte und Kugelschreiber.

Danach ist die Geschichte abgetippt worden – den Laptop auf den Knien haltend, der Rücken schmerzte, die Augen tränten, aber mein Herz jauchzte bei jedem Satz. Und dann, plötzlich, von einem Wort aufs andere, war die Arbeit getan. Und die Abende leer. Aber nicht lange, denn die Neue ist nie besonders weit weg. Und wenn sie kommt, dann soll sie den Platz und die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdient – das geht nun mal mit Altlasten nicht. Aber man sollte alte Geschichten nicht Altlasten nennen, auch in Gedanken nicht. So findet die Geschichte vom kleinen schwarzen Schaf also hier ihren Platz.


1. Kapitel – Ein einsamer Entschluss

«Kikerikiii! Kikerikiii!»
Die Sonne schickte gerade ihre ersten Strahlen über die weiten, grünen Felder von Bauer Wiesenkohl, als der Hahn krähte und wie jeden Morgen daran erinnerte, dass ein neuer, wundervoller Tag erwachte.
Im behaglichen, kleinen Schlafzimmer des grossen Bauernhauses regte sich der Herr des Hofes; Bauer Wiesenkohl.
Bauer Wiesenkohl war ein gemütlicher runder Mann mit roten, runden Backen und einer roten, runden Stupsnase. Er blinzelte, als die Sonnenstrahlen durch sein Fenster fielen, und streckte und reckte sich.
«Muuuuuaaaaaah!» gähnte er laut, bevor er munter aus seinem Bett sprang, sich seinen flauschigen, grünen Bademantel überstreifte und in die Küche ging. Während er sein Frühstück zubereitete, pfiff er ein fröhliches Liedchen und bewegte sich tanzend durch die Küche. Schon bald hing der Duft von grünen Bohnen mit gebratenem Speck und Zwiebeln im Haus. Grüne Bohnen mit Speck und Zwiebeln mochte er nämlich am Liebsten zum Frühstück. Und zum zweiten Frühstück. Und zu Mittag. Und natürlich auch abends. Bauer Wiesenkohl kratze sich an seinem runden Kinn und dachte einen kurzen Augenblick darüber nach. Eigentlich, überlegte er, mochte er grüne Bohnen mit Speck immer essen.

Nur manchmal, wenn die Hermine, die Tochter des Gastwirts vom Züngelnden Drachen, vorbeikam, ass er keine grüne Bohnen mit Speck. Die Hermine brachte ihm dann Fisch in Minz-Sauce, Hirsch mit frischen Erdbeeren oder andere ganz und gar exotische Sachen. Bauer Wiesenkohl sass dann immer ganz still vor seinem Teller und hörte dem Geplapper der Wirtetochter zu. Langsam und gemächlich kostete er dann einen Bissen nach dem anderen, nur um immer wieder festzustellen, dass er viel lieber grüne Bohnen mit Speck gegessen hätte. Hermine merkte von all dem nichts.
Sie plauderte in einem fort und erzählte, was den lieben langen Tag im Dorf zu D geschah. Auch wenn er nur selten Zeit fand ins Dorf zu wandern, war Bauer Wiesenkohl ein gern gesehener Gast im Züngelnden Drachen und zeigte sich immer an Neuigkeiten aus dem Dörfchen interessiert.

Wenn er denn die Zeit fand, das Wirtshaus aufzusuchen, sass er dort meistens mit den fünf Männern aus dem Wald zusammen. Sie lebten im Wald, wo sie die Natur studierten und dem Bauern schon den ein oder anderen Hinweis auf ein heilsames Kraut gegeben hatten. Bauer Wiesenkohl sass dann zwischen den hoch gewachsenen Männern, schmauchte zufrieden seine Pfeife und lauschte den angeregten Gesprächen.
So sassen die Männer dann am runden Tisch in einer dunklen Ecke und unterhielten sich angeregt über die Möglichkeiten, die in der Natur verborgen lagen und die den Menschen noch immer unergründlich waren. Dann und wann lächelte Bauer Wiesenkohl und warf die eine oder andere Bemerkung ein. Meistens dann, wenn es das Verhalten von bestimmten Tieren betraf. Er selbst hatte nämlich viele Tiere auf seinem Hof, die er schon ihr Leben lang kannte.
Mit einer wohligen Müdigkeit in den Gliedern und vielen neuen (und oft durchaus wirren) Gedanken machte sich Bauer Wiesenkohl nach vielen dieser Abende mit wackligen Beinen auf den Heimweg. Nicht selten summte er ein fröhliches Liedchen vor sich hin und strahlte über seine roten Backen.

Und während Bauer Wiesenkohl vergnügt seinen Gedanken nachhing und genüsslich grüne Bohnen mit Speck zum Frühstück vertilgte, regten sich auf seinem Hof die Tiere; McMurray, der alte Wachhund gähnte, drehte sich zur Seite und döste weiter, die Gänse schnatterten, die Schweine quiekten und die Ziegen meckerten. Auch die Schafe waren wach geworden.
«Runter von meinem Fuss!» schnauzte Silke ihre schusslige Freundin Iris an. Iris schaute aus ihren grossen Kulleraugen zu Silke hoch, prustete etwas dichte, weisse Wolle aus ihrem knuffigen, runden Gesicht und hob schuldbewusst ihren Fuss. «Entschuldige bitte, Silke», flüsterte sie. Silke aber kräuselte verächtlich die Lippen und stolzierte davon. Dass sie dabei einigen Schafen auf die Füsse trat, und diese damit äusserst unsanft aus dem Schlaf riss, kümmerte Silke nur wenig. Sie war gerade am Wassertrog angekommen, als K., eine Melodie summend, um die Ecke kam. Just in dem Moment, in dem sie Silke erblickte, zögerte K. einen Moment. Dann aber ging sie mit entschlossenen Schritten auf den Trog zu.
«Guten Morgen Silke»; sagte K. mit einer Stimme, die nicht halb so fest klang, wie sie sich das gewünscht hatte. Sie wollte eben ihre Morgentoilette beginnen, als Silke empört auf den Boden stampfte und erbost fragte: «Was denkst du dir eigentlich?! Glaubst du wirklich, ich könne mich zurecht machen, wenn ich dein kleines, unförmiges Gesicht neben meinem sehen muss? Ts…»
Traurig zog K. ihr Schwänzchen ein und zottelte von dannen. Silke zischte ihr gehässig hinterher: «Kleines, schwarzes Schaf!»

Niederschlagen schlurfte K. zum kleinen Ententeich hinter dem Bauernhaus, wo der Enterich Elias lebte. Elias und Bauer Wiesenkohl waren ihre einzigen Freunde auf dem Hof. Aber Bauer Wiesenkohl hatte viel zu tun und Elias war inzwischen verheiratet und hatte viele kleine Entenkinder. K. fragte sich manchmal, warum sie hier keine Freunde gefunden hatte. Natürlich, sie sah ein bisschen anders aus, als die anderen Schafe auf dem Hof, aber sie hatte noch nie jemandem ein Leid zugefügt. Ganz im Gegenteil, schon manch einem hatte sie aus Schwierigkeiten geholfen. Und trotzdem mochte niemand so richtig mit ihr befreundet sein. Noch nicht einmal McMurray, der alte Wachhund, dem sie damals den entscheidenden Hinweis auf eine Schatulle gegeben hatte. Und noch nicht einmal er hatte ihr Kumpel sein wollen. Trotzdem überflog beim Gedanken an den alten zotteligen Hund ein Lächeln ihre Lippen.
Bauer Wiesenkohl hatte damals alle Hände voll zu tun gehabt und sich in vielen Dingen ganz und gar auf McMurray verlassen. Sein treuer Gefährte war nun aber wirklich schon sehr alt und sehr müde. Und mitunter (leider) auch sehr vergesslich. So kam es, dass dies und das abhanden kam oder auf mysteriöse Art und Weise zu Bruche ging. Bauer Wiesenkohl sah grosszügig über diese Missgeschicke hinweg, bis er eines Abends nach Hause kam und seine Pferde in wildem Galopp über die Felder davon sprengten.
Und während sich die Pferde auf und davon machten, lag McMurray schlafend vor seiner Hütte. Drei Tage und drei Nächte vergingen, bis Bauer Wiesenkohl seine Tiere – jedes einzelne mit seinen eigenen patschigen Händen – wieder eingefangen und zurück in den Stall gebracht hatte. Nach dieser langen Jagd setzte er sich neben seinen tatterigen, alten Freund ins Gras und führte ein ernstes Gespräch mit ihm. Gutmütig, aber sehr bestimmt, erklärte er seinem treuen Hund, dass er einen guten, aufmerksamen Wachhund brauche. Einen, auf den er sich verlassen konnte. Und wenn es McMurray nicht mehr möglich sein sollte, so wolle er sich einen Jüngeren besorgen und McMurray dürfe in Ruhe auf dem Hofe alt werden.
McMurray aber wollte nicht in Ruhe auf dem Hofe alt werden, er war schon immer ein Kämpfer gewesen. So liess sich Bauer Wiesenkohl erweichen und gab ihm noch eine – die letzte wohlgemerkt – Gelegenheit, zu beweisen, dass auf ihn tatsächlich noch immer Verlass war. Bauer Wiesenkohl setzte dem alten, zottigen Hund eine schwarze, fein geschnitzte hölzerne Dose vor die Nase, und trug ihm auf, solange darauf aufzupassen, bis er eines Tages käme und sie zurückfordere. McMurray willigte ein, versteckte die Dose sogleich an einem sicheren Ort – und vergass gleich darauf, dass er eine Prüfung zu bestehen hatte.

Es verging eine lange Zeit, bis Bauer Wiesenkohl eines schönen Morgens fröhlich pfeifend zu der Hundehütte geschlendert kam. «Guten Morgen, mein Bester!» rief der runde Mann gutgelaunt, als er über die Wiese stapfte. McMurray erhob sich langsam und bellte vergnügt. An der Hütte angelangt, setzte sich Bauer Wiesenkohl ins Gras und sagte zu seinem Gefährten: «Heute Abend, wenn ich aus dem Dorf zurückkomme, möchte ich gern meine Schatulle zurück haben. Pass gut auf den Hof auf!» mahnte er, während er sich erhob und McMurray ein paar Honigbrote zusteckte. Jedes Mal, wenn Bauer Wiesenkohl ins Dorf zu D ging, schmierte er vorher ein paar Brote für den Wachhund.
Noch während er die Köstlichkeiten herunter schlang, dachte McMurray krampfhaft darüber nach, wo, zum Henker, er die Schatulle wohl versteckt haben mochte. Er konnte sich noch sehr gut daran erinnern, wie er die schwarze Dose von seinem Herren entgegen genommen hatte, aber wo hatte er sie bloss versteckt? Als er sich genüsslich den Honig von den Lippen leckte, fiel es ihm ganz plötzlich wieder ein. Flugs eilte er hinter seine Hütte und machte sich eifrig ans Werk.
Er buddelte und buddelte solange bis er ganz ausser Atem war. Einen Moment lang hielt er inne. «Vielleicht habe ich die Schatulle doch nicht hier vergraben?» überlegte er laut. Denn eigentlich pflegte er hinter der Hütte nur Schuhe zu vergraben. Aussergewöhnliche Dinge kamen normalerweise an aussergewöhnliche Orte. So musste es auch mit der mysteriösen Dose gewesen sein. Er dachte angestrengt nach. Wo mochte bloss ein solch aussergewöhnlicher Ort sein?
«Natürlich!» dachte er auf einmal erleichtert und lief mit wedelndem Schwanz über die Wiese. Er rannte links am Bauernhaus vorbei, direkt durch den Gemüsegarten und die Tomatenhecke zum Hühnerstall. Dort sprang er immer und immer wieder aufgeregt an der Tür hoch, und zwar so lange bis er mit einer Pfote die Türfalle erwischte und herunterdrücken konnte. Keuchend stürmte er in den Stall und weckte die schlafenden Hennen. Mit wildem Blick sah er sich um, und als er versuchte, auf die Hühnerleiter zu klettern, gackerten die Hennen so laut, dass ihm die Ohren schmerzten. Vom Lärm aufgeschreckt eilte Vater Hahn aufgeregt in den Stall und stellte sich breitbeinig vor McMurray auf.
«Was um alles in der Welt suchst du hier?!» fragte er herausfordernd und stellte drohend seinen Kamm auf. Vater Hahn war kein Schwächling. Ganz im Gegenteil! Vor nicht allzu langer Zeit hatte er zum fünften Mal in Folge die alljährlichen Hahnenkämpfe unten im Dorf zu D gewonnen. Und in dieser Sekunde zweifelte er keinen Augenblick daran, es mit dem tatterigen Wachhund aufnehmen zu können. McMurray senkte indes beschämt den Kopf und erklärte Vater Hahn, was ihn in den Hühnerstall führte. Die Hennen schauten sich mit grossen Augen an und kicherten. Eine kleine Dürre erhob die Stimme und erklärte McMurray spöttisch, dass die Schatulle hier bestimmt nicht zu finden sei.
«Wenn das so ist…» murmelte der zottelige Hund in Gedanken versunken und schlich mit eingezogenem Schwanz aus dem Stall. So suchte er den ganzen Tag hier und da und fand viele alte Knochen, unzählige Schuhe und ein paar andere lustige Dinge, die er irgendwann einmal irgendwo versteckt hatte, um sie vielleicht irgendwann einmal irgendwie zu benutzen. Eben hatte die Dämmerung eingesetzt, als er mutlos am Ententeich ankam und sich erschöpft setzte.
«Sei kein Narr McMurray!» sagte er laut zu sich selbst, als er sein Spiegelbild im Wasser betrachtete. «Hier auf dem Hof alt zu werden ist nicht das Schlimmste, das dir passieren kann! Bauer Wiesenkohl wird gut für dich sorgen. Deine Freunde sind hier und du kannst in Frieden deinen Lebensabend geniessen.» Er seufzte schwer.
«McMurray?» K. schaute vorsichtig hinter einem Büschel Schilf hervor.
«K.? Was tust du hier? Beobachtest du mich?» fragte er misstrauisch.
«Was glaubst du eigentlich?» antwortete sie empört. «Ich sitze hier und geniesse die laue Sommernacht. Und schon bald werd ich hier im lauschigen Mondenschein sitzen.Es ist wunderschön…» sie lächelte verzückt und blickte zum Himmel empor.
«Ich wünschte, ich könnte mich auch über solche Dinge freuen…» murrte der Wachhund traurig.
«Wie meinst du das?» fragte das kleine schwarze Schaf neugierig. Und da erzählte McMurray ihr von der Dose und vom Test. Er erzählte ihr auch, dass er schon den ganzen Tag auf dem Hof herumgeirrt und nirgends fündig geworden war. K. schmunzelte und als er gerade von der Begegnung mit Vater Hahn berichtete, prustete sie los. Beleidigt stierte McMurray sie an.
«Wärst du mal gleich zu Elias gekommen! Du hast ihm diese geheimnisvolle Schatulle damals in die Flügel gedrückt.»
«Wirklich?» McMurray hob ungläubig den Kopf.
«Na klar doch!» das schwarze Schaf musterte den Wachhund amüsiert und rief laut nach Elias. Auf der kleinen Insel mitten im Teich bewegten sich ein paar Grasbüschel. Sie wurden zur Seite geschoben. Ein flacher gelber Schnabel kam zum Vorschein und ein kleines Augenpaar schaute sich vorsichtig um. Als es sich nach einer ganzen Weile versichert hatte, dass keine Feinde in der Nähe waren, schnatterte der Schnabel freudig darauf los.
Nachdem er ein Weilchen dem unverständlichen, aber durchaus freundlichen Gezeter zugehört hatte, setzte McMurray zu einer Erklärung an. Elias stiess hörbar Luft aus, als er sich umdrehte und in seinem Bau verschwand. Es dauerte nicht lange und er beförderte die Dose zu Tage, nach der McMurray solange gesucht hatte. Er überreichte sie dem Wachhund feierlich. McMurray bedankte sich überschwänglich und zottelte zufrieden von dannen. Gerade noch rechtzeitig kam er zum Bauernhaus zurück und erwartete Bauer Wiesenkohl mit der geheimnisvollen Schatulle. Und obwohl K. ihm damals geholfen hatte, mied der Hund das kleine schwarze Schaf, so wie er es immer getan hatte.

So sass K. nun einsam am Ufer und beobachtete, wie die Sonne die Welt um sie herum anstrahlte. Sie sang ein Liedchen von der Sehnsucht nach Freiheit.

/ Busted flat in baton rouge, waiting for a train /
/ And i’s feeling nearly as faded as my jeans /
/ Bobby thumbed a diesel down just before it rained /
/ It rode us all the way to new orleans /

/ I pulled my harpoon out of my dirty red bandanna /
/ I was playing soft while bobby sang the blues /
/ Windshield wipers slapping time, I was holding bobby’s hand in mine /
/ We sang every song that driver knew /

/ Freedom is just another word for nothing left to lose /
/ Nothing don’t mean nothing honey if it ain’t free, now now /
/ And feeling good was easy, lord, when he sang the blues /
/ You know feeling good was good enough for me /
/ Good enough for me and my bobby mcgee /

/ From the kentucky coal mines to the california sun /
/ Hey, bobby shared the secrets of my soul /
/ Through all kinds of weather, through everything that we done /
/ Hey bobby baby kept me from the cold /

/ One day up near salinas, lord, I let him slip away /
/ He’s looking for that home and I hope he finds it /
/ But I’d trade all of my tomorrows for one single yesterday /
/ To be holding bobby’s body next to mine /

/ Freedom is just another word for nothing left to lose /
/ Nothing, that’s all that bobby left me, yeah /
/ But feeling good was easy, lord, when he sang the blues /
/ Hey, feeling good was good enough for me, hmm hmm /
/ Good enough for me and my bobby mcgee /

/ La la la, la la la la la la /
/ La la la la la la la la la /
/ hey now bobby now bobby mcgee yeah /
/ Hey now bobby now, bobby mcgee, yeah /

/ Lord, I’m calling my lover, calling my man /
/ I said I’m calling my lover just the best I can /
/ C'mon, where is bobby now, where is bobby mcgee /
/ yeah, lordy lordy lordy lordy lordy lordy lordy lord /
/ Hey, hey, hey, bobby mcgee, lord!
[Janis Joplin – Me and Bobby McGee]

Erst hatte sie noch ganz leise gesungen, ohne darüber nachzudenken wurde sie immer lauter und lauter und vergass alles um sich herum. Aus der einsamen Frau in ihrem Lied war ein kleines schwarzes Schaf geworden, das Freiheit und Freunde suchte. Und so kam es schliesslich, dass K. den Entschluss fasste, den Hof zu verlassen und an einen Ort zu gehen, an dem es egal war, wer man war und ob man gleich war, wie alle anderen. Sie sass noch lange am Ententeich und plante ihre Abreise. Erst spät am Nachmittag ging sie zurück zum Stall. Schon von weitem sah sie die weissen Schafe zusammen stehen und plaudern. Als K. in ihre Richtung trappelte, verstummten sie schlagartig und blickten sich vielsagend an. Und wieder einmal war es Silke, die als erste das Wort ergriff: «Vor dir ist man nirgends sicher, wie?»
«Ich wohne auch hier!» entgegnete K., beinahe schon gleichgültig. Der Entschluss, den Hof noch heute Nacht zu verlassen, war gefasst. Was kümmerte sie also das Gekicher der arroganten Zimtzicke?
«Das entschuldigt überhaupt nichts!»
Die umstehenden Schafe grinsten hämisch. Dieses Mal aber stolzierte K. mit erhobenem Kopf davon. Als sie auf McMurrays Hütte zulief, dachte sie verärgert: «Wartet nur, euch werd ich’s schon noch zeigen!»


© Janine Meyer, 2014


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Beschreibung des Autors zu "Die Reise vom kleinen schwarzen Schaf oder K. and the dancing sheep - Vorwort und 1. Kapitel"

Aus dem Vorwort: „In über zwei Jahren ist sie abends und manchmal in den dunkelsten Stunden der Nacht entstanden. Über einhundert A5-Blätter ist die erste Fassung lang gewesen, mit meist grüner Tinte von Hand geschrieben, zwei Mal ebenfalls mit Füller und in langer Handarbeit überarbeitet.“

Auch computergeschrieben ist die Geschichte einige Seiten lang, weshalb sie hier um des Lesevergnügens willen in lockerer Folge in Kapiteln erscheint.


*** Nächster Teil: 2. Kapitel – Unerwartete Unterstützung ***

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