Ich stehe im Welt-Laden und betrachte das Angebot. Dabei muss ich fast weinen, weil mir ganz viel davon gefällt. Aber es ist alles so tierisch ernst!
„Gibt es das auch in Lächerlich?“ frage ich die erste Fleisch-Verkäuferin. Und weiter rede ich, völlig irre auf sie ein: „wissen sie, diese unglaublichen Qualitätsunterschiede sind, im Preisvergleich, ungeschlagen – nur die Verpackung macht noch den Unterschied.
Es lebe die erotische Marktwirtschaft!“

Sie guckt mich, ein wenig gläubig und ein wenig ungläubig an. Ich habe ihr nichts versprochen! Der Augenglanz ihrer Rosa-Lese-Brille verrät mir eine hohe Allgemeinbildung. Vor allem in Sachen „Wie-werd-ich-denn?!“ Deshalb gebe ich mich knöchern und ein bisschen blöde, denn draußen, vor der Türe, steht ein Ungeheuer, das ungeheuerliche Zukunftsprognosen stellt.

Da werde ich plötzlich ernst! „Dr. Spaßig und Mr. Ernst“, fällt mir ein, aber die Sonne scheint mir ins Gesicht und ich sehe nur noch ihre Brüste!

Was will mir diese Botschaft aus dem Diesseits sagen? Hab Vertrauen? Wie heißt dein Kind? Oder einfach nur: mitgefangen – mitgehangen?
Nein, ich schrumpfe mit meinen Aufgaben, lasse mich nicht hinein mogeln, in einen Ablauf, der mich unwiderruflich glücklich machen könnte, denn ich hinterfrage das „Glück“.

Es ist nicht einfach ein Höhepunkt, aus dem, später dann, die Engel der Verkündigung steigen, die mir, höchst missverständlich, mitteilen würden: siehe, hier ist mein Angesicht, von und zu, hauptsächlich verwandelt, dich aber ersetzend, in jedem Fall!

„Sei nicht so eingebildet“, höre ich Don Camillos Gewissen sagen – und ich falle auf die Knie. Direkt auf die bereitgelegten Holzscheite der reinen Vernunft. Ich schreie laut auf! So haben wir nicht gewettet, so lieg ich nicht, so bin ich nicht gebettet! Lieber fliehe ich doch in eine nutzlose Liebeserklärung, die, ohne Kuhhandel, auch kein Ergebnis bringt. Kein Gequäke in der Wiege. Das wiegt mir zu schwer. Andererseits fliehe ich vor meinem Spiegelbild, das nur ein Zeitsegment meiner Vergänglichkeit herauswirft, um mich damit zu erschlagen: mit mir selbst.

Ich sehe es ein. Du bist nicht meine Frau, ich habe keine Mutter, mein Vater ist ein Geist, Nichtheilig, Nichtraucher, Nichtfetischist und Nichtgönner, aus der Nichtüberzeugung heraus – und ich bin ein Traum. Mehr nicht! Es sei denn, ich betriebe Wucher mit meinen Trieben, betriebe Sex mit der Hoffnung und entlastete meine Freiheit mit dem Glauben an die Belanglosigkeit des Nichts.
„Entgeistige dich, verschleudere Allgemeinplätze, jetzt und in der Stunde unseres Nichttodes“ sagt meine innere Stimme.

„Ist das lächerlich genug?!“ fragt mich die Fleischverkäuferin, als hätte sie meine Gedanken gelesen und ich stehe an der „Ist-mir-doch-Wurst-Theke“, wobei ich zu wissen beginne, daß ich ein Schweller bin.

Aber ich lebe auch in einer Wegwerf-Gesellschaft. Ob ich meinen Weg allerdings jetzt schon werfen möchte, wage ich zu bezweifeln.
Daß ich keine Zeit habe, weiß ich auch, aber das lasse ich mir von meinen Trieben nicht gerne vorhalten. Die wollen mich nur schwängern – soviel ist klar!

Deshalb gucke ich ein wenig gläubig und ein wenig ungläubig durch den Glanz meiner Rosa-Lese-Brille, um mir einen hohen Nichtintelligenz-Quotienten zu bescheinigen, der mich wiederum dazu befähigen könnte, mich zu ver(m)ehren, solange ich noch nichts erkannt habe.

Wie ich mich dabei fühle? Wie ein Nikolaus ohne Sack und sein Knecht Ruprecht, ohne Rute, zusammengenommen. Nackt, sozusagen entwaffnet, gabenlos, rechtlos, zügellos, arbeitslos – gnadenlos-hoffnungsvoll! Unaussprechliche Freude überkommt mich. Jetzt weine ich wirklich! – diese unglaublichen Qualitätsunterschiede…sagenhaft!

Inhaltlos, vollgestopft, mache ich mich aus dem Staub, um dazu zu werden. Und wer steht draußen? Icke! Das Ungeheuer, das Angst, vor dem nichteigenen Spiegelbild hat, das nicht mitgefangen, nicht mitgehangen sein will, und das deshalb, ganz genau deshalb – nicht etwa der Inquisition, oder der Marktwirtschaft wegen – gar nichts bekommt. Überhaupt nichts, außer einem, langsam und – auch nur für sich gesehen – theatralischen Abgang ins Ungewisse einer – auch nur für ihn – nicht vorhandenen Zukunft.

Schwamm, Donner, Doria, Feuer und Schwert, samt Pflugscharn drüber, Aus, ohne Amen und schon gar keine Botschaft mehr, aus dem Diesseits.

Fin.


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Botschaft aus dem Diesseits (surreal)"

Re: Botschaft aus dem Diesseits (surreal)

Autor: noé   Datum: 28.12.2013 12:42 Uhr

Kommentar: Gefällt mir, tatsächlich. Deine Lust am Wort nimmt gefangen. Zumindest mich.
Zwischen hier und da, noé

Re: Botschaft aus dem Diesseits (surreal)

Autor: Alf Glocker   Datum: 28.12.2013 20:23 Uhr

Kommentar: Ok, dann sperr ich mal ab. Melde Dich, wenn Du raus willst.
Zwischen den Stühlen, Alf

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