Die Männer hetzten die Straße entlang. Hier war sie wohl vorbei gekommen-die Hexe. Schon seit Wochen hatten sie sich an ihre Ferse geheftet und immer entwischte sie ihnen nur knapp. Die Wut stieg jedes Mal mehr. Der Hexe wäre es wohl besser ergangen, wenn sie gar nicht erst geflohen wäre, denn so wüde die ganze Wut an ihr ausgelassen werden, ehe sie sie umbrachten.
Sie hatten bereits die Hexenprobe an ihr durchgeführt. Mit einem glühenden Eisenstab in der Hand hatte sie durch die alte, ehrwürdige Kirche unten im Dorf gehen müssen, einmal hin und einmal zurück. Mit ihrem feuerrotem Haar hatte sie versucht die Männer einzuweben, sie zu betören, aber die Männer hatten der Versuchung widerstanden und waren stark geblieben. Die Schreie der Frau hatten sie stark sein lassen. Die Tränen hatten sie benutzt um sich die Schuhe zu waschen und aus dem Haar, das sie ihr ausgerissen hatten, damit sie endlich zugebe, warum sie Zauberei praktiziert und ob sie sie überhaupt praktiziere, hatten sie schon ihren Scheiterhaufen geschmückt. Die Männer waren sich sicher, dass es eine Hexe war. All die Zeichen die es gegeben hatte....
Es hatte alles ganz harmlos angefangen. Erst war sie bei Geburten vieler Kinder dabei gewesen. Wenn sie dabei gewesen war, war kein einziges Kind gestorben. Das war sehr schön für die Dorfbewohner gewesen – sie hatten nichts gesagt. Später fing sie dann an, Gebräue und Salben herzustellen und schließlich wagte sie es sogar noch in aller Öffentlichkeit Räucherzeremonien durchzuführen, die, wie sie behauptete, die Menschen von negativen Energien befreien sollte. Doch die Männer die sie verfolgten wussten es besser. Sie pflanzte den Dorfbewohnern heimlich, ohne dass diese es überhaupt bemerkten, böse Dämonen ein. Und je öfter man an diesen Zeremonien teilnahm, desto stärker wurde der Dämon. Und dann verloren die Menschen die Kontrolle über ihren Körper, der Dämon kontrollierte ihn jetzt. Davon waren die Männer jedenfalls sehr überzeugt. Bewiesen hatten sie ihre Theorie noch nicht. Aber das mussten sie nicht. Die Anzeichen waren genug. Es galt die Gefahr zu bannen bevor die Gefahr sie bannen würde.
Nach der Hexenprobe genau einen Tag später, war sie geflohen, fast vor ihren Augen wie es schien. Sie hatten den Verräter Gaius schon getötet, ihn von seiner Qual erlöst, von einem Dämonen besessen zu sein, denn er hatte ihr bei der Flucht verholfen.
Bei dieser Verfolgung waren schon ein paar Frauen gestorben, sie hatten von einem, von der Hexe verzauberten Bach getrunken und waren ertrunken, als sie ihre Kleidung waschen wollten und eine riesengroße Wasserwelle sie erfasst hatte. Eine so große Wasserwelle wie es sie eigentlich nur am Ende der Welt geben konnte, ehe man herunterfiel, würde man zu weit segeln. Sie wussten nicht, wie es dort war. Noch nie war jemand von dort zurückhekehrt...
Bewaffnet mit Mistgabeln und Messern waren sie unterwegs und es gab nicht selten Menschen, die die Hexe gesehen hatten und die ihnen sagen konnten, wohin sie gegangen sei. Die Menschen schlossen sich rasch der Menge an, stets daraufbedacht, ja die stumpfeste Axt oder Mistgabel zu nehmen, damit die Hexe leibhaftig spüren konnte, was sie angerichtet hatte, wenn sie auf sie einstachen und damit es ja nicht zu schnell gehen würde.
Einmal hatte ein Mann eine Hexe direkt an der Schläfe getroffen. So stark, dass diese zu ihrem Glück sofort tot war. Der Mann hatte die Folgen, die wütende Volksmenge, dann selbst zu spüren bekommen – es war nicht mehr viel von ihm übrig gewesen, als der Dorfpfarrer kam, um die beiden zu bestatten.
Arthur, ein junger Mann, hatte sich schon von Anfang an der Menge angeschlossen. Er bekam immer alles hautnah mit, wenn wichtige Entscheidungen gefällt wurden oder weitere Zeugen vernommen wurden, denn sein Vater war einer der Anführer der Gruppe und so hatten die Menschen auch vor Arthur nicht gerade wenig Respekt.
So erfuhr er gerade, dass sich die Hexe gerade anscheinend in der Nähe des Dorfes befand, um zu rasten.
,,Und du bist dir dessen gewiss, was du da von dir gibst?'', fragte er die Frau die dies behauptete. Sie hatte schwarze lange, lockige Haare und hatte die typische bäuerliche Kleidung an. Alles ganz schlicht und nur dürftig richtig zugenäht. Es wäre ein Glücksfall die Hexe endlich zu fassen, er hatte im Stillen schon die Hoffnung aufgegeben, aber das hatte er natürlich niemandem erzählt.
,,Ja, Herr. Es war nicht leicht für mich gewesen herauszufinden, ob sie wirklich die sei, von der ich seit Tagen schon hörte. Aber als ich im Wald Pilze sammeln war, sah ich sie. Ihr Kopf kahl und die Warze in ihrem Gesicht so unübersehbar schwarz, abstehend und hässlich, sodass es mir graute sie überhaupt anzusehen. Mich dünkt ich sei unentdeckt geblieben, denn ich hatte mich hinter einem großen dicken Baum versteckt, als sie gekommen war und hatte mein Versteck erst wieder verlassen als sie gegangen war.'', antwortete mir die Bäuerin. Na gut, endlich einmal ein Glücksfall, dachte ich mir und lächelte die Frau zum Abschied dankend an. Sie hatte ihre Sache gut gemacht und das Dorf vor dem schrecklichen Schicksal bewahrt, womöglich unter Einfluss der Hexe zu geraten.
Ohne weiter zu rasten, brach die Gruppe auf, um endlich mit der Hexe abzuschließen. Sie marschierten leise in den Wald, vorbei an den letzten Hütten. Es war bereits tiefe Nacht und allein der Schein ihrer Schatten beleuchtete ihnen jetzt den Wald. Gerade einmal stark genug, damit sie sehen konnten wohin sie gehen sollten. Nicht zu stark, damit die Hexe sie nicht womöglich noch aus der Entfernung sah und wieder die Flucht ergriff. Leise schleichend, achteten sie darauf ja nicht entdeckt zu werden, sie waren vollens auf den Boden konzentriert. Niemand trat auf einen herumliegenden Ast und jeder trat über das von der Hexe gespannte Seil, das sie warnen sollte, sobld jemand es berührte. Ihr Plan ging nicht auf. Kein einziger berührte es auch nur mit seinem Wind, der erzeugt wurde, wenn man sich bewegte.
Immer näher kamen sie nun der Höhle und sie hörten einen leisen Singsang der immer lauter wurde je näher sie der Höhle kamen.
Als sie schließlich vor der Höhle standen, sie war in einer Felswand ein paar Meter über der Erdoberfläche, sahen sie die Hexe auf dem Boden liegen. Sie war voller Schlamm und verdreckt. Sie lag auf dem Boden und schlief. Seltsamerweise sang sie dabei im Schlaf - jetzt konnte es keinen weiteren Zweifel mehr geben. Alle Hexen sangen oder redeten im Schlaf. Im Bruchteil einer Sekunde waren die wütenden Bauern bei ihr und stachen auf sie ein. Ihre von grauenerfüllten Schreie hallten durch die Höhle und durch den nächtlichen Wald und ließen die Höhle erzittern. Ihr Blut floss langsam über den kalten Erdboden und sickerte allmählich in die Spalten des Bodens. Ihre Schreie wollten nicht aufhören, sie waren lang und qualvoll und je länger es ging, desto besser war es. Denn dann würden die anderen davon abgeschreckt werden, selbst eine Hexe zu werden, denn man konnte sie wohl zweifellos im Umkreis vieler Meilen hören.
Damit es nicht zu kurz ging, ließen sie ihr nach zahlreichen Einstechen immer ein paar Minuten um wieder Atem zu schöpften, bevor sie sie weiter quälten. Doch sie brachten sie nicht um, denn das wäre gegen das heilige Gesetz. Niemand wollte riskieren in die Hölle zu kommen. Sie zwangen die schwerblutende Hexe aufzustehen und Arthur spuckte ihr in das Gesicht als sie sich vergeblich versuchte aufzurappeln. Er spuckte so lange bis sie auf den Beinen stand und ihn zornig anfunkelte. Er scherte sich nicht darum und sagte:,,Kommt Männer!'' und alle folgten ihm. Auch die Frauen. Auf dem Dorfplatz schubsten sie die kahle Hexe auf den Scheiterhaufen und fingen an, die letzten Vorbereitungen zu treffen, ehe er angezündet werden würde. Der Dorfpfarrer kam und segnete die Hexe auf einer bestimmten Weise, die nur Hexen zugedacht war, damit der Vater im Himmel alles über sie mit einem Blick wusste.
Mitten in seiner Predigt sah die Hexe das Volk an und verkündete:,,Ich verfluche euch. Euer Korn soll eingehen wie ein altes Salatblatt und euer Trinkwasser soll so dürftig sein wie in der Wüste. Ihr habt heute einer Unschuldigen das Leben genommen und jeder einzelne von euch soll, wenn er stirbt nicht im Himmel aufgenommen werden. Eure Seelen sollen ruhelos umherstreifen und eure Kinder sollen diesen Fluch weitertragen, so lange bis ihr erkennt was ihr getan habt und so lange, bis jeder einzelne von euch es aus tiefstem Herzen bereut.''. Mit diesen Worten griff sie sich ans Herz und sank auf den Boden. Als ein paar Menschen nach ihr sahen, stellten sie fest, dass sie tot war.
Der Dorfpfarrer sprang herum und verkündete jedem seinen schützenden Segen, so lange, bis, wie die Menschen hofften, der Fluch von ihnen abgewendet war. Arthur ging nach Hause. Er war sich sicher, heute eine sehr mächtige Hexe getötet zu haben und dass er zum Schutz aller gehandelt habe.
Arthur wurde drei Tage später tot in seiner Wohnung aufgefunden. Auch wenn kein Mord festgestellt wurde, so sah es nicht aus, als wäre er friedlich gegangen. Seine Augen waren ungewöhnlich weit ausgerissen, so wie sein Mund, der aussah als wolle er schreien. In seinem Gesicht stand das blanke Entsetzen geschrieben.


© Melissa Kirsch, Alle Rechte vorbehalten, besonders das Recht auf Vervielfältigung und Verbreitung sowie Übersetzung. Kein Teil des Textes darf ohne schriftliche Genehmigung des Autors reproduziert oder verarbeitet werden.


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