Kapitel Zwei- schmerzliche Erinnerung
Am nächsten Morgen hatte ihr Wecker Lena tatsächlich, trotz der aufregenden langen und schlaflosen Nacht, nicht verschont, sie mit lauten schrillen Klingeln aus dem Schlaf zu reißen. Vollkommen übernächtigt und total reizbar kroch die Braunhaarige mit den zerzausten Haaren aus ihrem wohlig warmen Schlafdomizil. Nur mühselig schaffte sie es vor Müdigkeit taumelnd die kleine schmale Treppe hinunter in den großen Flur, wo sich der Eingang zur Küche, Bad und Wohnzimmer befand. Total entschlossen war Lena zunächst ins Bad gestapft und hatte sich, so gut es eben ging zu Recht gemacht. Zuerst hatte sie sich ihr Gesicht lange mit eiskaltem Wasser abgewaschen, danach hatte sie versucht ihre tiefen, dunklen Augenringe irgendwie mit Abdeckstift und Flüssigem Makeup verdecken zu können. Das gelang ihr nur mit großer Mühe, da sie vor Müdigkeit immer mit den Augen blinzeln musste, um wach zu bleiben. Anschließend hatte sie sich rasch ein schwarzes T-Shirt mit irgendeinem bunten Muster vorne drauf drüber gezogen und sich eine kurze ausgefranste Jeanshose über die Beine gestreift. Zum Schluss kämmte sie sich mit ihrer Lieblingsbürste durch ihre strubbeligen, braunen Haare, bis diese wieder seidig glatt und glänzend hinter ihrem Rücken hinunter hingen. Im Nachhinein trampelte sie noch einmal fluchend die kleinen schmalen Stufen nach oben in ihr Zimmer, da sie ihre Schultasche vergessen hatte. Nachdem sie diese nun endlich zufrieden um ihre Schulter gebaumelt hatte, ging sie wieder nach unten, in Richtung Küche, wo ihr schon der betörende Duft von frischem Kaffee und Buttertoast entgegenkam, noch bevor sie eingetreten war.
„Morgen.“, sagte sie knapp und ein mit gedämpfter Stimme und ging geradewegs zum Hängeschrank und holte sich ihre Lieblingstasse, wo sich zwei graue Mäuse drauf befanden, die sich liebevoll in die Arme hielten, heraus. Schweigend goss sie sich etwas schwarzbraunen dampfenden Kaffee hinein. In der Küche herrschte eine Stille die bis zum Zerreißen gespannt war, einzig und allein das Radio, welches neben der Kaffeemaschine stand, gab einen angenehmen Ton von sich. Es spielte gerade einen Song der neu herausgekommen war, allerdings war die Lautstärke so niedrig eingestellt, sodass Lena es nicht verstand. Behutsam schüttete die Braunhaarige sich noch etwas Milch und Zucker mit in ihren Kaffee, ehe sie sich dann mit zu ihrem Vater und ihrer kleinen Schwester Maya mit an den Tisch setzte. Ihre 12 jährige Schwester mit den hellbraunen Haaren und den graugrünen Augen musterte ihre große Schwester neugierig und grinste, als sich diese ein ausgiebiges Gähnen nicht verkneifen konnte.
„Na war wohl ne‘ lange Nacht gewesen was?“, gab sie neckisch von sich, worauf Lena sie leicht genervt und verärgert aus dem Augenwinkel heraus ansah. „Was weißt du denn schon. Ich hab halt eben nur was gehört und hab nachgesehen!“, zischte Lena schnippisch zurück, schloss die Augen und nahm genussvoll einen Schluck warmen Kaffee. „Papa sagt, du hättest dich wegen einer Maus erschreckt!“, entgegnete Maya daraufhin lachend und kniff dabei die Augen zusammen. „Das ist nicht witzig!“, fauchte Lena wütend und blickte ihre kleine Schwester nun unverwandt an. Diese war allerdings immer noch zu sehr damit beschäftigt sich wegen der Maussache kaputt zu lachen. Als ihr Vater sich dann jedoch lautstark räusperte und seine morgendliche Lektüre beiseitelegte, verstummte Mayas lachen.
„Lena trotz alledem hätte dir da oben was passieren könne, bei all dem Geröll was einfach so querbeet da oben herumsteht! Du hättest dich verletzten können…“ Seine Stimme klang besorgter denn je und Lena glaubte sogar, das er sich Vorwürfe deswegen machte. „Nun ja…ich komme wohl nicht umhin dort oben mal ein wenig für Ordnung zu sorgen. Heute Nachmittag werde ich mit eurem Onkel nach der Arbeit ein paar Kartons aus dem Baumarkt holen und den Dachboden mal ein wenig…sortieren.“ Er sah mit festem Blick zu Lena, welche stumm nickte und weiter an ihrer Tasse mit warmen Kaffee nippte. „Okay Pap’s, mach das!“, entgegnete Maya fröhlich und biss ein weiteres Mal in ihr Buttertoast mit Nutella hinein, ehe sie es restlos vertilgt hatte. „Dann kann Lena wenigstens keine Gefahr mehr drohen bei ihren nächtlichen Spaziergängen.“, fügte sie dann noch kichernd hinzu und fuhr sich somit einen seitlichen Stoß ihrer großen Schwester ein, welche sie ihren Zeigefinger in ihre Rippen pickte. „Au, man, das tat weh Lena!“, jammerte Maya und verzog schmollend ihre Mundwinkel. „Dann pass lieber mal auf was du da so von dir gibst, Schwesterherz!“, erwiderte Lena mürrisch und grinste ihre jüngere Schwester gehässig an.
„Hört auf euch zu streiten!“, ermahnte sie ihr Vater und augenblicklich wurden beide wieder friedlicher. Vollkommen ruhig schauten beide stur geradeaus, auf die beigefarbene glänzende Tischplatte. Seufzend stand ihr Vater in einem hellblauweißgestreiften Overall gekleidet vom Frühstückstisch auf und wandte sich zum Gehen. „Macht‘s gut ihr zwei, bis später! Und das mir keine Klagen kommen.“, sagte er mit ein klein wenig Belustigung in der Stimme und verschwand auch schon die große Hölzerne Wendeltreppe hinunter zum Hauseingang, wo sich die Garderobe und die vielen Schule seiner Töchter und die von ihm befanden. Hastig schlüpfte er in seine schwarzen Arbeitsschuhe und verschwand sogleich aus der weißen, beglasten Haustür. Er war ein angestellter der in dieser Stadt zuständigen Post und dafür verantwortlich, das wichtige Briefe von Anwälten oder von Amtsgerichten den Weg zu ihren Adressanten fanden. Diese meist sehr aufwendige Arbeit und die große Strecke die er zu jedem einzelnen Adressant zurücklegen musste, konnte er nur mit seinem alten schwarzen Opel Corsa bewältigen.
Nachdem ihr Vater zur Tür hinausgegangen war, hatte Maya nichts Besseres zu tun gehabt, als ihre große Schwester gleich wieder aufzuziehen. „Bist du sicher dass du wach warst? Oder bist du wieder geschlafwandelt? Vielleicht hast du ja das Geräusch, was du wahrgenommen hast, nur geträumt…und die Maus.“ Maya grinste breit was in Lena absolut das Fass zum Überlaufen brachte. Sicherlich war es kein Geheimnis das Lena ab und an nachts des Öfteren wie ein Zombie durch das Haus gestiefelt war, ohne wirklich zu wissen was sie tat oder was sie sprach…oder wen oder was sie glaubte plötzlich vor sich zu sehen. Doch ihr Vater hatte zu diesem Zweck schon vor einigen Jahren Kameras hier im Haus in einigen Zimmern installieren lassen, um dem auf den Grund gehen zu können. Und so weit wie Lena von ihrem Vater nach den Videoaufzeichnungen unterrichtet wurden war, hatte sich dieser Schlafwandelmodus bei Lena allmählich nach den letzten 2 Jahren eingedämmt. Wenn überhaupt dann wandelte Lena nur noch einmal im Jahr wie ein Geist durch das Haus, grob aufgerechnet.
„Du verstehst überhaupt nichts davon, also halt lieber die Klappe, du kleine Nervensäge!“, zischte Lena daraufhin ungehalten, stand abrupt auf und stellte ihre leergetrunkene Tasse in das Spülbecken. „Was heißt hier das ich keine Ahnung habe, natürlich weiß ich was schlafwandeln bedeutet! Ich finde es eben nur lustig, mehr nicht! Kein Grund gleich so auszuflippen…Verstehst wohl keinen Spaß heute, was?!“ Seufzend verdrehte Maya ihre kleinen graugrünen Kulleraugen und stand ebenfalls auf. Ihre Schwester war heute anscheinend mit dem falschen Fuß aufgestanden. Eigentlich, so war sie sich sicher, war sie das immer, denn es gab nicht einen Moment wo sich die beiden nicht an zickten.
Beide Mädchen gingen nacheinander die Treppe hinunter zum Hauseingang und zogen sich ihre Schuhe an. Lena zog heute ihre einfachen buntbemalten Flipflops ihren Ballerinas vor, während Maya sich nach wie vor ihre Lieblingssandaletten über die Füße streifte, welche im Licht wie Gold schimmerten. Bei ihrem Anblick konnte sich Lena einen tonlosen, abfälligen Kommentar nicht verkneifen. „Das sieht ja so was von kitschig aus, wie alt bist du? 10 oder 8?“
„Hey, die Schuhe sind nicht kitschig!“, giftete Maya ungeniert zurück und stapfte beleidigt zur Haustür hinaus, auf den mit schwarz-weißen Pflastersteinen gemachten Weg, welcher von großen Rosenbüschen, welche in den verschiedensten Farben erblühten, umsäumt war. Rechts und links daneben hatte ihr Vater eine saftig grüne, dicke halbrunde Insel aus Wiese angelegt. Rechts neben dem Hauseingang stand ein kleines aus Holz gefertigtes Carport, welches ihr Vater mühevoll und mit viel Hingabe für sein altes geliebtes Auto zusammengeschustert hatte. Vor dem Carport ging ebenfalls ein gepflasterter aber viel Breiterer Weg zu dem schwarzen metallischen Eingangstor hinunter.
„Komm du Trantüte, wir müssen los. Ich frage mich wer hier die Nacht über nicht viel geschlafen hat: du oder ich!“, gab die Braunhaarige genervt von sich und lief munter los, trotz des Fehlenden Schlafs, den sie ab und zu an ihrem Köper bemerkte. Nur mit Mühe hatte sich die 12 Jährige grummelnd an ihre Seite geheftet. „Warum bist du heut so gereizt? Ist doch nicht meine Schuld dass du dich nachts lieber auf dem Dachboden herumtreibst, als zu schlafen. Also lass deine schlechte Laune nicht an mir aus!“ Beleidigt stapfte Maya neben ihrer großen Schwester hinterher und schmollte, was Lena nicht entging. Jedoch machte sie keine Anstalten ihre kleine Schwester ein paar aufmunternde Worte zu sagen, die sie vielleicht ein wenig aufheiterte und von ihrem Schmollen abbrachte. Kleine Schwestern konnten ja so nervig sein, und besonders dann, wenn man eine grottenschlechte Nacht hinter sich hatte. Genauso musste umgekehrt auch Maya über ihre große Schwester denken. Manchmal waren Geschwisterbande einfach kein Zuckerschlecken.
„So, da vorne an der Ampel muss ich ja eh alleine weiter.“, entgegnete Lena erfreut und ihr war durchaus bewusst dass sie mit dieser Aussage Mayas Stimmung ihr gegenüber nicht sonderlich verbesserte. „Dann kannst du jemanden anderen nerven. Deine Freunde zum Beispiel, die sind bestimmt sehr scharf drauf!“ giftete Lena mit einer Spur Sarkasmus in der Stimme und grinste frech in sich hinein. Sie würde tausend Luftsprünge machen wenn sie diese kleine Nervbacke nicht mehr am Popo hätte und sie endlich in Ruhe allein weitergehen und nachdenken konnte. Nachdenken? Über was oder wen denn bitte? Etwa an letzte Nacht, an diesen merkwürdigen Typen der einfach so durch ihre privaten Sachen herumgeschnüffelt hatte und das ohne Erlaubnis?! Und dann noch seine außergewöhnliche Erscheinung: seine feuerroten, funkelnden Augen - wobei Lena vermutete, dass es sich dabei höchstwahrscheinlich nur um rote Kontaktlinsen handelte, die einige auf bestimmten Partys oder nur aus Spaß trugen, weil es Mode war,- oder an die, für diese Jahreszeit, ungewöhnlich helle, fast porzellanartige Haut, die im Mondlicht fast durchsichtig ausgesehen hatte.
„Na dann, nun hast du mich los. Bis heut Nachmittag, du Ziege!“, rief Maya ihrer ältesten Schwester, welche anscheinend gerade in Gedanken versunken war, weil sie nicht mitbekam wie Maya schon fast die Fußgängerampel überquert hatte und ihr gegenüber auf dem anderen Fußweg stand und ihr zuwinkte. Erschrocken zuckte Lena zusammen und blickte verwirrt zu ihrer Schwester hinüber, als diese ihr zugerufen hatte. Frech streckte Maya ihre Zunge raus um Lena klarzumachen, was sie von ihrer großen Schwester hielt. „Na warte du, wir sehen uns heute Nachmittag und da kannst du was erleben!“ Fassungslos und verärgert hob Lena drohend ihren Zeigefinger in die Luft, als Maya doch Maya hatte sich schon lachend davongemacht.
„Blöde Kuh…“, brummte die Braunhaarige schnaubend vor sich hin und lief die Hauptstraße weiter, welche wieder einmal unheimlich stark von Autos befahren war. Und das so früh am Morgen. Aber das war noch nicht alles. Zu allem Überfluss und zu Lenas Leidwesen donnerte auch alle 10 Minuten eine Straßenbahn auf den Schienen an ihr vorbei. Genervt kniff die 15 Jährige kurz die Augen zusammen und entschied sich, trotz ihrer immer wieder ruckartig aufkommende Trägheit, die sie alle paar Minuten zu übermannen drohte, einen Schritt schneller zu gehen, da sie unbedingt von diesem Lärm weg wollte. Dieser Krach war einfach unheimlich quälend für ihre Ohren…Und für ihr angefresenes Gemüt war es bestimmt auch nichts positives.
>>Heute ertrage ich diesen Krach nicht! Ich muss hier weg! <<
Schnell bog sie an einem zeitschriftenladen um die Ecke und befand sich nun in einer etwas ruhigeren Nebenstraße, auf der nicht so viele Autos umherfuhren. Auf der linken und rechten Seite parkten unzählige Autos, die wahrscheinlich den Anwohnern der schicken Altbauwohnungen gehörten, an die Lena immer wieder fasziniert vorbeilief. Jede einzelne Haushälfte war unterschiedlich gestrichen und zusammen erstrahlten sie fast in allen Farben des Regenbogens. Am Ende der Straße lag eine kleine Gartenanlage, über dessen Eingang ein riesengroßes bogenförmiges Schild befestigt war mit der Aufschrift „Grüne Wiese“. Diese Gartenanlage war die Einzige hier in diesem Ort, und hauptsächlich waren alle Gärten von alten Leuten, die ihre Rente hier genossen, gepachtet. Am Rand des Eingangs zur Gartenanlage führte ein schmaler, enger mit ein wenig Kies aufgeschütteter Weg entlang, den Lena sofort betrat. Jeden Tag, wenn sie auf den Weg zur Schule war, lief sie hier entlang und bewunderte beim Vorbeigehen die verschieden aussehenden Gärten der einzelnen Leute. Die niedlichen kleinen Gartenhäusschen mit den liebevoll gestalteten Terrassen und den kleinen grünen saftigen Wiesen, auf denen verschiedene Baumfruchtarten ihren Platz hatten, mit prachtvollen Blätterdächern. In manchen Gärten gab es sogar viele Blumenbeete, mit den prachtvollsten an Schnittblumen, die man je pflanzen konnte. In einem Garten beobachtete Lena neugierig wie eine alte Dame in einem Gewächshaus stand und ihre Tomatenpflanzen mit Wasser tränkte und liebevoll daran zupfte. Die Luft war erfüllt von der langsam aufsteigenden Hitze der Sonne, von den verschiedenen Düften der Blumen und von nasser, gerade eben durchweichter Erde. Entspannt sog die Braunhaarige beim vorbeischlendern diese verschiedenen Gerüche ein und schloss für einen Moment die Augen. Als sie ihre Augen wieder öffnete war sie, zu ihrem Pech, schon am Ende der Gartenanlage angelangt und blickte müde blinzelnd auf die große, saftige Wiese die sich hinter den vielen Zäunen der Gärten erstreckte. Anschließend folgten eine Reihe dicht beisammenstehender Birkenbäume, die bei großer Hitze wie heute, erfreulicher Weise Schatten spendete.
Lenas Schule befand sich etwas außerhalb der Stadt, fernab vom Trubel der Menschen und ihren hektischen Lebensweisheiten, inmitten oder beziehungsweise am Rande der Natur. Hier war es ruhig, das aus rotem Backstein gefertigte Schulgebäude war umsäumt von einem grünen Maschendrahtzaun und umgeben von vereinzelten Birken -und Kastanienbäumen.

>>Oh man, heute 7 Stunden! <<, stöhnte Lena mühselig auf, als sie das Schulgebäude zwischen all den grünen Blättern der Bäume entdeckte. Sie hatte heute noch weniger Lust darauf, dort hineinzugehen und sich stundenlang hinzusetzen, während ein Lehrer ihr vorne an der Tafel irgendetwas zu erklären versuchte. Wenn sie an den heutigen Schultag dachte, wäre sie am liebsten wieder umgekehrt und hätte sich irgendwohin, an einen ruhigen Ort zurückgezogen, vielleicht auf der grünen Wiese eben, zwischen den Bäumen, um sich dort niederzulegen und den erholsamen Schlaf nachzuholen, den sie vergangene Nacht so schmerzlich vermisst hatte. Ihr graute es davor, höchstwahrscheinlich würde sich schon in den ersten beiden Stunden ihr Kopf merkwürdiger Weise von der Tischplatte wie magisch angezogen fühlen, so als wäre ihre Anziehungskraft nichts im Vergleich zur Erdanziehung. So als wäre es die stärkste Anziehung die es geben konnte. Noch ein wenig entspannt schlenderte Lena den schmalen Schotterweg entlang summte dabei fröhlich vor sich hin, und das obwohl sie eigentlich keinen Grund dazu hatte, immerhin hielt ihr Vater sie für irre und ihre jüngere Schwester vermutlich auch. Doch irgendwie bekam sie von den angrenzenden kleinen Schrebergärten gute Laune. Sie sah in die vielen verschiedenen Gärten hinein, sah dutzende verschiedener Blumenarten, die sie sich noch nicht einmal auszusprechen wagte, selbst wenn sie die Namen von allen wusste. Sie blühte so zahlreich, mal mit vielen kleinen, zarten Blüten und dann gab es wiederum auch welche mit großen Blüten und langen Blütenhälsen. Sie reckten sich der Sonne empor, als wollen sie zu ihr aufschließen. Überall duftete es herrlich süß, ein sanfter Wind wehte Lena um ihre braunen langen Haare und wirbelte einzelne Strähnen auf. Mit ihren Fingerspitzen fuhr sie spielend an dem grünen Maschendrahtzaun entlang, welcher um die ganze Schule herumführte. Sie fühlte sich wieder wie ein kleines Kind, frei und sorglos. Immer mehr näherte sie sich dem großen grauen und verrosteten Eingangstor zur Schule, wo bereits jemand sehnsüchtig auf sie wartete. Fast schon ängstlich hielt das junge Mädchen, etwa Lenas Alter, ihre Schultasche an ihren Köper gepresst, und als sie ihre beste Freundin fröhlich summend vor sich erblickte, hüpfend, wie ein kleines Kind, war das Mädchen überwältigt und froh.
„Da bist du ja.“, stieß Celin erleichtert aus und trat an ihre braunhaarige Freundin heran, deren gute Laune sich im nu in Luft auflöste, als sie sah, wie arg Celin zitterte. Vor Angst. „Was ist passiert?“, fragte Lena sie gleich darauf mit ernster Stimme und sah in die tiefblauen Augen ihrer einzigen Freundin. „Hat dir jemand wieder was getan?“
Celin schüttelte heftig den Kopf. „Nein mir geht’s gut. Ich hatte nur ein wenig schiss vor den Jungs aus der 10ten. Die kamen vorhin auf mich zu und naja, da dachte ich…“, sie hielt kurz inne, um sich den dicken Kloß, der in ihrem Hals langsam heranwuchs, runter zu würgen. „…naja ich dachte sie tun mir was aber sie haben mich nur dumm angegrinst und haben ihre Sprüche abgelassen. Dann sind sie lachend weiter gelaufen.“ Sie sah in die smaragdgrünen, vor Wut leuchtenden Augen von Lena und war sich sicher, das sich ihre beste Freundin denken konnte, was die Typen vorhin für Sprüche losgelassen hatten. „Oh guck mal, die hässliche Kuh da, schau nur wie ängstlich sie guckt. Gleich macht sie sich in die Hosen, oder besser, ins Kleid!“ Solche oder ähnliche Sprüche wären da wohl gefallen sein, und es machte Lena rasend vor Zorn, das sie nicht dabei gewesen war. Stattdessen hatte sie draußen, fröhlich jauchzend, wie ein dummes Kleinkind in der Weltgeschichte herumgetrödelt, anstatt sich zu beeilen. Lena atmete einmal tief und fest ein und schloss dabei die Augen. „Komm wir gehen rein, es wird gleich klingeln.“ Dann legte sie sanft ihre Hand auf Celins Rücken und schob sie sachte vor sich hin. Gerade noch rechtzeitig schafften sie es in ihr Klassenzimmer, wo sie nun 2 Stunden Deutsch hatten. Mit einer dicken, bebrillten Lehrerin die kaum ihren hintern aus dem Stuhl ihrem Drehstuhl bekam. Miss Hüpferling. Was für ein bekloppter Nachname. >>Wahrscheinlich wurde sie früher auch deswegen gehänselt. <<, dachte Lena so bei sich, während sie desinteressiert etwas auf ihrem Hefter kritzelte, den linken Arm hatte sie dabei gelangweilt Als Stütze ihres Kopfes in Gebrauch. Sie wusste nicht so recht was sie zeichnete, sie zeichnete einfach drauf los, um nicht einzuschlafen, da Miss Hüpferling dazu geneigt war ihren Unterricht immer sehr spannungslos und monoton zu gestalten. Lena sah nicht auf das was sie da kritzelte, nein, sie blickte nach vorne zu ihrer Lehrerin, um nicht gleich Aufsehen zu erregen und Gefahr zu laufen von Miss Hüpferling ermahnt zu werden. Miss Hüpferling – irgendwie voll belustigend der Name, je öfter man ihn sich denkt oder schreibt oder sagt.
Nachdem Lena das Gefühl hatte keine Lust mehr auf Kritzeleien auf ihrem Hefter zu haben warf sie einen kurzen desorientierten Blick auf ihre letzte „Skizze“ – und sie wäre fast vor Schock vom Stuhl gefallen oder hätte laut aufgeschrien, als sie sah, was oder besser ausgedrückt wen sie da so ganz nebenbei gezeichnet hatte – und das auch noch auf ihren Deutschhefter!
>>Das…d-das kann nicht sein! Ich hab doch nicht…ich wollte doch…nicht ihn zeichnen...! << Fieberhaft suchte sie in ihrem Schlampermäppchen nach einem Radiergummi und wie es so ist wenn man etwas dringend benötigte: er war nicht aufzufinden. Nun geriet sie leicht in Panik. Sie hatte, ohne es beeinflusst zu haben den Typen von letzter Nacht gezeichnet, wie aus dem Gesicht geschnitten. Die mysteriös aussehenden Augen, die wuscheligen dunklen Haare, der große schmale Körperbau, die breiten Muskeln. Sein Lächeln. Sein Lächeln welches so durchdringend war, so als berührte es ihre Seele an eine Stelle, an der sie lieber nicht berührt werden wollte, nie mehr. Auf dem Bild was Lena von ihm „ungewollt“ gekritzelt hatte lächelte er sie auf eine Art und Weise an, die ihr nicht behagte. Auf dem Dachboden hatte er sie eher schelmisch angegrinst, es war nicht einmal ein Lächeln gewesen. Nein viel eher ein schäbiges Grinsen, wie bei jemandem dem man lieber nicht trauen sollte. Keinesfalls. Doch nun auf ihrer „Skizze“ lächelte er. Ja er lächelte sie intensiv an und streckte dabei seine rechte Hand nach ihr aus. In seinen Augen glaubte Lena etwas Flehendes zu sehen, etwas Bittendes. Er sah sie an, als wünschte er sich, sie würde nach seiner Hand greifen und ihm den Gefallen tun, um die seine Augen sie die ganze Zeit über bitten, während Lena sich nicht von den Seinen Abwenden kann. Sie starrt dieser „Kritzelei“ in die Augen, als stünde er wirklich vor ihr.
Plötzlich hörte die 15 Jährige ein lautes Räuspern, welches von vorne kam, und erschrak. Sie trat aus ihrer Starre hervor und schaute sich leicht verwirrt im Klassenzimmer um, wo sie bereits alle kichernd anstarrten. Dann sah sie in das verärgerte Gesicht von Miss Hüpferling und schluckte.
„Miss Lena Isabella Open!“, zischte die Lehrerin ungehalten, wie ein schnaufender Bulle, kurz bevor er auf den Mann mit dem roten Tuch losraste. Miss Hüpferling hatte die schreckliche Angewohnheit wenn sie wütend war, den vollen Namen eines Schülers, welcher sich gerade mal wieder nicht am Unterricht zu beteiligen schien, in die Klasse zu brüllen. Dabei wäre Lena lieber im Erdboden versunken. Sie hasste ihren vollen Namen. „Lena was ist los, das du an meinem Unterricht kein Interesse zeigst? Du weißt schon das du es eigentlich nötig hättest besser aufzupassen!“, schimpfte Miss Hüpferling und seufzte anschließend. „Also, wo waren wir gerade stehengeblieben?“ Sie sah Lena fragend und erwartungsvoll zugleich an, doch dieser zuckte nur mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Ich habe nicht aufgepasst, sorry.“ Lena sah sie unwissend an, mit großen breiten Augen, worauf Miss Hüpferling verärgert die Hände gegen die Hüfte stemmte. „Lena, hab ich mich vorhin nicht klar ausgedrückt? Pass in Zukunft lieber besser auf!“ Noch immer leicht angesäuert wandte sich die Lehrerin wieder der Klasse zu, und sogleich wusste auch irgendjemand die Antwort auf ihre vorhin gestellte Frage. Nämlich: was ist ein Pronomen? „ Als Pronomen werden Wörter bezeichnet, die entweder stellvertretend für ein Substantiv, Nomen im engeren Sinn, genauer: für Substantiv stehen und substantivisch verwendet werden oder wie ein Artikelwort ein Substantiv begleiten.“ Es war ein junges Mädchen in Lenas Alter, ihr Name war Louanne Meiers, sie hatte rabenschwarze, lange Haare, trug auffälliges dunkles Makeup unter ihren Augen und hatte schwarz lackierte Fingernägel. Alles an ihr sah auffällig eigenartig aus, nur ihr Name klang nicht so wie sie aussah. Im Gegenteil Lena fand das Louanne ein schöner, harmonisch klingender Name war- erklang nach Farbe, wie in einem Regenbogen. Aber er passte überhaupt nicht zu ihrem, meist schwarzgekleideten, Äußeren. >>Naja, ihre Eltern konnten ja nicht wissen zu was für einem Freak sich ihre Tochter entwickelt! <<, dachte Lena und schmunzelte innerlich. Dann sah sie wieder auf ihre „Kritzelei“ und sofort keimte die Wut wieder in ihr hoch. Hastig drehte sie sich nach hinten zu ihrer besten Freundin mit den aschblonden gelockten Haaren um und bat sie um ihren Radiergummi. Fast wie in Rage radierte sie die Zeichnung von dem Typen weg, der ihr vergangene Nacht so viel Scherereien verursacht hatte. Dunkle, dicke Augenringe, absolute Müdigkeit, Konzentrationsmangel, ein geraubter Kuss – das alles waren Gründe ihn zu hassen. Doch irgendwie hatte ihre Hand vorhin wie von selbst ein Bild von ihm gezeichnet, und nachdem sie Sekunden, ja schon fast Minuten wie gebannt darauf gestarrt hatte, hatte sie plötzlich so eine Art von Sehnsucht in sich gespürt. Und Traurigkeit.
>>Ich bin einfach vollkommen fertig heute mit der Welt! <<, redete sie sich ein und legte ihre Hand auf die Stirn. Was würde der heutige Schultag wohl noch alles für Überraschungen mit sich bringen? Lena hoffte inständig das bis nach den gesamten Unterrichtsstunden alles wie immer ablaufen würde. Ohne „Kritzeleien“ die wie von Geisterhand gezeichnet werden. Wie von selbst, ohne das Zutun ihres Verstandes. Plötzlich erschallte das laute schrille Klingeln der Schulglocke, worauf Lena erleichtert von ihrem Tisch aufsah und sich zu Celin umdrehte. „Hier dein Radiergummi.“, sagte die Braunhaarige ruhig und kratzte sich am Kinn. Celin musterte ihre Freundin ganz genau und fand das sie irgendwie komisch war. „Alles okay? Du kommst mir irgendwie…so verunsichert vor?“
„Nein, alles okay, ich….bin nur ein bisschen müde.“, erwiderte Lena etwas zögernd und drehte sich kopfnickend wieder zurück zu ihrem Platz. Innerlich stöhnend legte sie ihre Hände auf die bereits ziemlich in Mittleidenschaft gezogene Tischplatte. Sie war voller sinnloser kleiner Sätze und Schmierereien, einige waren noch von ihren Vorgängern gewesen, Schüler die lange Zeit vor ihr an diesem Tisch ihre Arbeiten verrichtet hatten. Lena seufzte und legte ihren Kopf, welcher immer schwerer zu werden schien, auf die Tischplatte. Nun war es soweit, die Anziehungskraft zwischen ihr und Lenas Kopf war gebrochen, nun gab es kein Halten mehr. Müde gähnend schloss Lena die Augen. Es war so angenehm, ihre total überanstrengten und kraftlosen Augenlider endlich geschlossen zu haben. Endlich. Schlaf. Schlaf…
Die 15 Jährige spürte wie sich etwas von ihr von ihrem sterblichen Körper abnabelte. Ihre Seele wanderte in das Land der Träume aber als sie dort angekommen war, war sich Lena nicht mehr so sicher ob es überhaupt ein Traum gewesen ist, denn alles kam ihr so seltsam vertraut und…schon einmal erlebt vor. Sie blickte auf eine halbrunde aus Backstein gefertigte Brücke. Es wurde gerade Morgen, denn die Sonne ging hinter ihr in den allerschönsten gelb - und orangetönen auf. Sie warf ihre warmen, schmeichelnden Strahlen auf die triste raue Umgebung. Lena sah sich entsetzt um und blickte auf arme, zerlumpte Menschen, die kaum etwas am Leibe trugen, außer ihren Haaren. Ihre Blicke, die Blicke dieser Menschen war voller Zorn, und voller Angst. Sie hassten und verachteten die reichen Adeligen Leute aus tiefstem Herzen, da sie ihnen ihr Brot nahmen. Viele dieser Menschen hatten kaum etwas zu essen, geschweige denn ein Dach über dem Kopf. Als die 15 Jährige das sah liefen ihr kaum merklich die Tränen über die Wangen. „Wie schrecklich…“, flüsterte sie beinahe lautlos, und sie sah sich weiter fassungslos um. Dann hörte sie wie jemand in ihrer Nähe etwas zu jemandem sagte, doch selbst als sie sich so sehr bemühte hin zuhören, verstand sie kein Wort. Der Grund dafür war das sie nicht Deutsch sprachen, sondern irgendeine andere Sprache. Wie Englisch klang es auch nicht. Diese Sprache klang ausdrucksstark aber irgendwie graziös und wohlklingend. Französisch? Oui.
Lena war baff. War sie etwa in einer französischen Großstadt im Mittelalter gelandet, so wie die Häuser aussahen und all die Leute auf sie wirkten? Sie konnte es nicht fassen, ihr Unterbewusstsein ließ sie tatsächlich von einer Stadt in Frankreich träumen. Leicht enttäuscht seufzte Lena auf und lief weiterhin ziellos am Ufer des großen Flusses entlang. Dieser Fluss schien sich durch die ganze Stadt zu schlängeln. Faszinierend. Neben einer weiteren aus Stein gehauen halbrunden Brücke machte Lena ein kleines Päuschen und hörte, wie schwere Atemgeräusche unter ihr hervordrangen. Jemand war unter dieser Brücke, vielleicht brauchte er Hilfe und Lena zögerte nicht eine Sekunde um nachzusehen. „Hallo, ist alles in Ordnung?, fragte sie leicht panisch und bückte sich, um unter die Brücker zu gelangen. Dort saß ein junger Mann mit dunklen, wuscheligen Haaren, welcher den Kopf gesenkt hatte und schwer atmete, als hätte er gerade einen Geist gesehen oder körperlich zu hart gearbeitet. Er sah nicht zu ihr hoch, wahrscheinlich hatte er sie nicht einmal rufen gehört. „Hallo? Geht es…Ihnen gut?“, fragte Lena nochmal, dieses Mal klang ihre Stimme ausdrucksvoller. Plötzlich sah der junge Mann sie völlig entgeistert an, und Lena erschrak. Ihr Herz setzte einem Moment lang aus, als sie sah, wen sie da vor sich hatte. Wer sie so überrumpelt im Sitzen anstierte, als wäre sie nicht von dieser Welt. Aber etwas passte nicht zu dieser Erscheinung, von diesem Bild welches Lena von ihm hatte – seine Augen waren nicht rubinrot sondern sahen völlig normal aus. Sie glitzerten grün-braun in der morgendlichen Sonne. Aber er war es, der Typ von letzter Nacht, auf dem Dachboden. Der der sie einfach so geküsst hatte und dann, als wäre es das normalste der Welt, aus dem Fenster gesprungen und vermutlich davongeflogen war. Er trug die gleiche alberne altmodische und mehr als aus der Mode gekommene Kleidung, diese merkwürdigen Stiefel, dieser lange, dunkelblaue Mantel. Genau die gleichen Sachen, nur waren sie hier noch deutlich schöner anzusehen, ohne diverse Flecken und Tragespuren. Lena war absolut verblüfft und sie brachte keinen Ton mehr heraus. Er sah sie zunächst überrascht an, dann wechselte sein Blick. Er wurde ernster und abfälliger. „Was willst du hier? Was hat eine Hure aus einem Bordell hier verloren?“, entgegnete er mit abwertender Stimme, worauf Lena ihn erstaunt und wütend zugleich mit den Augen anfunkelte. Wie nannte er sie- eine Hure? Bitte??
„Wen nennst du hier eine Hure, hä? Du…“ Plötzlich versagte ihre Stimme. Tief in ihr drin spürte sie immer noch den Drang ihm sie Meinung zu geigen, doch sie brachte kein Wort mehr über ihr Lippen. Stattdessen verflog ihr Zorn allmählich und sie wurde augenblicklich ruhiger. Beinahe glaubte Lena irgendetwas in ihr veranlasste sie dazu nicht auszurasten und ihn anzumeckern – obwohl er es mehr als verdient hatte, das wusste sie- jedoch blieb sie ruhig. Lena war verwirrt und verstand nicht mehr was los war. Sie schien nicht länger mehr Herr über ihr eigenes Handeln zu sein. Ihr Köper gehorchte ihr nicht mehr, sondern jemand anderem, jemandem tief in ihr drin. Und dieser jemand sprach mit ihrer Stimme. „Tut mir leid, ich dachte hier wäre jemand in Nöten. Ich habe hier nur jemand schwer atmen gehört und da glaubte ich Sie brauchten Hilfe. Tut mir Leid, Sir.“ Ohne es eigentlich zu wollen verneigte Lena sich vor ihm und dabei fielen ihr ihre langen, kupferroten gelockten Haare auf, die ihr wie Seide über die Schultern fielen. Und ihr fiel auf das sie in einem schäbigen, an der Seite leicht eingerissenen hellblauen Kleid steckte, dessen weißer Saum schon vor Dreck nicht mehr zu erkennen war. Sie war entsetzt und ihr Herz schlug wie wild gegen ihre zierliche Brust. Warum lief sie in solchen Lumpen herum? Und warum hatte sie auf einmal kupferrotes, gelocktes Haar? Warum träumte wieso etwas? Und dann auch noch von ihm???
>>Ich will hier raus! <<, schrie sie innerlich so laut, sodass ihre Stimme kurz darauf versagte. Dann schlug Lena die Augen auf und starrte entsetzt in die fragwürdigen Gesichter ihrer Mitschüler. Zu ihrer Verwunderung stand sie Kerzengerade an ihrem Platz, ihre Hände hatte sie unbewusst während des Aufwachens auf ihren Tischpult geknallt. Einige Mitschüler um sie herum glotzen sie fassungslos an, andere von ihnen kicherten, lachten sie aus. Dann bemerkte Lena zu ihrem Entsetzen Miss Hüpferling neben sich Stehen, welche wütend die Arme gegen ihre Hüften gestemmt und ihre oval förmige Brille an eine Silberkette um ihren Hals befestigt hatte. Diese Baumelte nun achtlos über ihrem Schlüsselbein herum. Verlegen wich Lena dem zornigen Blick von ihrer Lehrerin aus.
„Es….es tut mir Leid, Miss Hüpferling.“, entschuldigte sich die Braunhaarige ehrlich bei ihr, doch Miss Hüpferling reichte das nicht – dieses Mal nicht.
„Lena, es tut mir leid aber ich möchte das du bitte draußen im Flur neben der Zimmertür stehen bleibst, und wartest, bis es klingelt. Dann kommst du zu mir rein und ich und wir reden kurz über das was gerade mit dir geschehen war. Verstanden?“
Die 15 Jährige nickte stumm und senkte ihren Blick beschämt zur Tischplatte. Ihre Hände waren noch ganz nassgeschwitzt von diesem… Alptraum gerade eben. Und auch ihr Herz raste noch ein wenig vor Aufregung.
„Los, Lena, brauchst du noch eine Extra Einladung? Du sollst bitte vor die Tür gehen!“ Miss Hüpferlings Stimme klang noch gereizter und hallte dieses Mal lauter durch Lenas Gehörgang, weshalb sie erschrocken zusammenzuckte
„Ja…okay, tut mir leid.“, stammelte Lena noch benommen und eilte aus dem Zimmer – dabei spürte sie deutlich die abwertenden, tiefen Blicke der anderen Mitschüler und den besorgten Blick ihrer besten Freundin Celin auf ihrem Rücken. Als sie die Zimmertür hinter sich schloss hörte sie wie Einige anfingen zu kichern und zu flüstern. Ein Raunen hallte durch das Klassenzimmer, was aber Miss Hüpferling sofort durch den lauten schrillen Klang ihrer Stimme im Keim erstickte.
Lena seufzte, während sie draußen neben der geschlossenen Klassenzimmertür stand und nervös mit ihren Füßen auf und ab wippte, die Arme hinter ihrem Rücken verschränkt.
>>Wieso träume ich nur so einen Scheiß!?Der Typ ist ein Verdammter Einbrecher!! << Unaufhaltsam kochte die Wut in ihr hoch und sie ballte ihr Hände zu Fäusten. Sie dachte an den Traum eben und an die merkwürdige Kritzelei, die ihre Hand wie von selbst gezeichnet hatte – und sie dachte an die Blicke ihrer Mitschüler, als sie gerade eben von der Lehrerin vor die Tür geschickt worden war. Wie sie sie angeglotzt und gekichert hatten. Sie schloss die Augen und atmete tief ein und aus, um sich zu beruhigen. Dann tauchten Bilder ihrer vergangenen Kindheit vor ihrem inneren Auge auf, was sie irgendwie…traurig machte. Sie stierte nachdenklich auf den hellen, schon an einigen Stellen fast ausgelatschten Parkettboden unter ihren Füßen.
Lena’s Kindheit war eigentlich ganz friedlich verlaufen. Sie war ganz normal von ihren Eltern erzogen wurden, genauso wie ihre kleine Schwester Maya. Doch aus irgendeinem unerklärlichen Grund wies sie schon im frühen Kindesalter die ersten auffälligen Verhaltensweisen auf. Manchmal schrie sie unheimlich laut auf, wenn ihr etwas gegen den Strich ging und dann schlug sie wild um sich, wenn jemand zu ihr kam, um sie zu beruhigen. Dabei war es ihr egal, ob sie demjenigen wehtat und wer es war. Durch ihr Geschrei und die unkontrollierten Ausraster steigerte sich ihre Wut ins unendliche, so dass sie auch schon einmal fast daran erstickt wäre, da sie durch das wenige ein und aus atmen zu wenig Sauerstoff bekommen hatte. Ihre Eltern hatten oft schwer mit ihr zu kämpfen gehabt - vom Kindergarten angefangen,- es war nicht leicht Lena zu bändigen, wenn sie einmal in Rage geriet. Als sie dann in die Schule kam, befürchteten ihre Eltern schon das Schlimmste – aber so kam es nicht. Anfangs war sie ganz normal und wusste ihre Wutausbrüche zu kontrollieren, auch wenn es ihr sichtlich schwer fiel. Immer wenn sie kurz vorm Explodieren war, wandte sich Lena ab und ging schnellen Schrittes davon, meistens an irgendeinen ruhigen Ort, wo niemand außer ihr sich befand. Gleichmäßig und ruhig atmete sie dort ein und aus und zählte bis zehn, immer wieder, bis ihr Puls nicht mehr so raste und ihre Beine vor Anspannung zitterten. Danach war sie fast immer schweißgebadet. Sie nahm diese meist tägliche Prozedur auf sich, um nicht auf eine Schule für Schwererziehbare geschickt zu werden. Sie wollte auf eine ganz normale Schule, doch ihre Eltern hatten sie dazu ermahnt, dass dies nur möglich sei, wenn sie sich benahm und nicht überdurchschnittlich auffiel. Und die kleine 6 jährige Lena hatte sich das zu Herzen genommen - sie lernte sich zu beherrschen und ging sogar zwei Mal die Woche zu einem Aggresionstherapeuten Alles verlief ganz unspektakulär und normal, ohne jeden Zwischenfall, bis zu dem Tag, an dem sie mit ansehen musste wie ein Junge aus ihrer Klasse – klein, dick und mit großer gehörnter Brille-, auf dem Schulhof von ein paar Schulkameraden geschupst und sogar getreten wurde.
Dieser Anblick hatte ihr damals gereicht. Er hatte ausgereicht um in ihr das Fass zum überlaufen zu bringen. Schreiend und wutentbrannt war sie dann auf die Gruppe Jungen zu gelaufen, einen von ihnen hatte sie mit voller Wucht um gerempelt. Dieser war dann zu Boden gefallen und hatte sich dabei ungeschickt auf den Ellenbogen fallen lassen, so dass dieser anschließend gebrochen war. Der Junge krümmte sich vor Schmerzen am Boden, und wimmerte, doch Lena war es egal, denn sie wollte nur eins: Gerechtigkeit und ihre aufgestaute Wut sollte sich entladen. Mit funkelnden Augen sah sie zu den anderen beiden Jungen, welche verängstigt zurückschreckten. Dann drehten sich beide von ihr weg und rannten um Hilfe rufend davon, in Richtung Schulgebäude. Der dicke Junge, dem sie gerade geholfen hatte starrte sie Sekunden lang durch das dicke Glas seiner Brille fassungslos an. Dann lächelte er glücklich und bedankte sich bei ihr. Anschließend war auch er verschwunden und zurück blieb Lena, welche zufrieden lächelte und sich nicht rührte, da ihr ein Gefühl in ihrem inneren dazu aufforderte, hier stehen zu bleiben und die Konsequenzen für ihr brutales Verhalten abzuwarten.
Es dauerte auch nicht lange, vielleicht ein paar Minuten, da hörte man schon in der Ferne die Sirenen die den Krankenwagen ankündigten. Lena seufzte schwer und schaute regungslos neben sich auf den Jungen, der sich immer noch vor Schmerzen jammernd am Boden herumwälzte.
„Da ist sie! Sie hat ihn mit voller Wucht geschupst und ihm wehgetan!“, schrie einer der beiden Jungen wütend, während beide, zusammen mit einem Lehrer- welcher dick und oberhalb des Kopfes eine Glatze hatte-, im Schlepptau, zu Lena und dem verletzten Jungen gerannt kamen. Hinter ihnen tauchte der mit Blaulicht blinkende Krankenwagen auf, welcher langsam durch das offene Tor hineingefahren kam…
Nach diesem ungewollten Rückblick auf einen sehr unangenehmen Teil ihrer Vergangenheit blinzelte Lena erschrocken auf und ein ihr nicht unbekanntes, aber missachtetes Gefühl machte sich in ihr breit- Schuldgefühl. Damals, nachdem sie dem Jungen am Boden vor Schmerzen windend hatte mit einem gebrochenen Arm liegen lassen, hatte sie sich für die Wut, die sie immer zu unkontrollierten Handlungen trieb, gehasst. Einige Tage später hatte sie dann im Sekretariat auf einem gepolsterten Stuhl gesessen und sich stillschweigend einer heftigen Ansprache der Direktorin unterziehen müssen. Tage später hatten die anderen Kinder aus den verschiedenen Klassenstufen sie immer noch verängstigt angestarrt, wenn sie durch den Flur gelaufen war oder sich draußen im Schulhof auf eine Bank niedergelassen hatte. Dabei war sie immer in Gedanken versunken gewesen und hatte sich mit etlichen Fragen gequält. Woher kam diese unkontrollierbare, leicht entflammbare Wut und wieso brach sie so leicht aus ihr hervor? Warum konnte sie nicht einfach für immer verschwinden und sie in Ruhe lassen?
„Na sieh mal einer an, was hast du denn wieder angestellt das du dir hier draußen die Beine in den Bauch stehen musst?“ , gab eine ihr bekannte und sehr vertraute Stimme belustigt von sich, und als Lena erschrocken neben sich Blickte, sah sie in die dunkelbraunen Augen von Jean, dessen schneeweiße Zähne frech aus seinem Mund hervorblitzen. Er trug eine helldunkelblau karierte kurze Bermudahose und dazu ein schneeweißes, ärmelloses Oberteil, welches sich so eng an seinen Körper schmiegte, sodass es seine Bauch- und Brustmuskeln hervorragend in Szene setzte. Seine am Pony etwas langen, schwarzen Haare hatte er stilvoll mit viel Haargel zu einem Bogen gestylt – ungefähr so, wie Elvis sein Haar früher getragen hatte.
„was willst du denn hier, Jean?“, stöhnte Lena ungehalten und schaute wieder stur auf den Boden.
„Ich muss mal auf Toilette und außerdem ist der Matheunterricht heute echt gähnendswert. Und warum stehst du hier s einsam rum?“, fragte er gespielt ernst, bevor er erneut grinste, worauf Lena ihm kurz einen Hieb auf seine leicht gebräunten ebenfalls muskulösen Oberarm gab. „Na einem gespielten „Au!“ erklärte Lena tonlos warum sie hier draußen herumlungern musste.
„Aha…Also bist du im Deutschunterricht einfach weggepennt.“, stellte Jean die Situation noch einmal fest und kratzte sich grinsend am Hinterkopf. „Naja Miss Hüpferling weiß aber ganz genau wie sie es schafft ihre Schüler in den Schlaf zu reden.“ Er lachte und Lena fand diese Aussage von ihm so zutreffend, so dass sie nicht umhin kam ihren schmalen zartrosanen Mund schmunzelnd zu verziehen.
„Nun gut.“, sagte er dann und hob zum Abschied kurz die Hand nach oben. „Ich muss schnell mein Geschäft erledigen und mich beeilen, dass ich schnell wieder zum Matheunterricht zurückkomme. Auch wenn der mehr als nervenzerreißend langweilig ist.“ Er lächelte Lena noch einmal aufmunternd entgegen und seine braunen Augen leuchteten dabei voller Wärme auf. „Du hast es gleich geschafft dann ist die Stunde vorüber. Gott sei Dank!“ Mit diesen Worten tapste Jean auch schon an ihr vorbei, und rannte die Treppe hinunter ins Erdgeschoss. Lena seufzte und wartete ungeduldig in der Stille großen Schulflures auf das langherbeigesehnte Läuten der Schulglocke. Dann endlich, nach einigen Minuten die ihr wie eine verfluchte Ewigkeit vorgekommen waren schallte das schrille Läuten durch alle Ecken und Winkel des Schulgebäudes – und durch ihre Ohren, welche durch den Krach beinahe taub waren. Erleichtert atmete Lena aus und öffnete lächelnd die Tür zu ihrem Klassenzimmer, wo sich einige Mitschüler schon von ihren Platzen aufgerafft hatten und überglücklich davonstürmen wollten – entweder um sich etwas zu knabbern in der Cafeteria zu holen oder um draußen schnell, versteckt hinter einigen Bäumen und Büschen, eine zu rauchen. Als Miss Hüpferling Lena hereinschleichen sah, wies sie diese sofort mit einer Handbewegung zu sich, worauf die Braunhaarige mit den Augen rollend zu ihr an den Lehrertisch trat. „Lena, kommst du bitte mit ins Lehrerzimmer? Ich muss mit dir reden!“, klang die eindringliche Stimme von Miss Hüpferling zu ihr und Lena wünschte sich just in diesem Moment sich einfach in Luft auflösen zu können. Widerwillig nickte die 15 Jährige und lief ihrer Deutschlehrerin ungern hinterher, währenddessen malte sie sich in ihrem kleinen Köpfchen schon aus, welche Bestrafung Miss Hüpferling ihr für ihr unakzeptables Einschlafen vorhin im Unterricht erteilen würde. Der eigentlich kurze Weg zum Lehrerzimmer fühlte sich unerträglich Lange an, zumal sie nur die Treppe hinunter ins Erdgeschoss laufen mussten und von dort aus lag das Lehrerzimmer nur 3 Türen weiter, direkt neben dem Eingang der Jungenumkleidekabinen und Toiletten. „So Lena, komm bitte rein.“, sagte Miss Hüpferling im ruhigen, gelassen Ton und schloss die hellbraune Tür vor sich sachte auf. Dann trat sie beiseite und ließ Lena zuerst eintreten. Seufzend trat Lena in das stickige, total verwinkelte Zimmer mit dem dunkelgrünen Teppich, wo sich in der Mitte ein riesiger Tisch und um diesen herum unzählige gepolsterte Stühle befanden. Lena war sich sicher dass hier die Lehrer sich ab und an zusammen setzten um sich gegenseitig auszutauschen. Miss Hüpferling bat sie sich auf einen der vielen Stühle zu setzen. Fragend blickte die Braunhaarige zu ihrer jetzt recht gelassenen Lehrerin und setzte sich vorsichtig hin. Dann faltete sie nervös die Hände und legte sie auf die recht kühle Tischplatte, sodass sie kurz zusammenzuckte. Miss Hüpferling setzte sich anschließend direkt neben sie. Sie zog die Stirn fragend in Falten und wandte sich lena besorgt zu. „Hör mal Lena…“, begann sie schließlich und atmete tief ein und aus. „Du weißt das du nicht sonderlich gut in manchen wichtigen Fächern bist, oder? Das haben dich bestimmt schon andere meiner Kollegen wissen lassen. Und naja…“ Sie zögerte kurz weiterzuerzählen und zupfte aufgeregt an ihrer cremefarbenen Bluse herum „Nun naja, du hast immerhin fast ein ganzes halbes Jahr nicht am Unterricht teilnehmen können weil du, wegen familiärer Umstände nicht dazu in der Lage warst, naja…ich bin mir nicht sicher, überhaupt nicht sicher, ob du dieses Schuljahr mit Bravour abschließen und in die 10te Klasse eintreten kannst. Um genauer zu sein befürchte ich fast das du es mit Sicherheit nicht schaffen wirst.“ Miss Hüpferling sah Lena eingehend an und die Braunhaarige spürte deutlich dass ein Funken Hoffnung sich in ihrem Blick befand. Anscheinend, trotz der harten ehrlichen Worte eben, hatte Miss Hüpferling ihren Schützling, Lena, nicht aufgegeben.
„Aber vielleicht beweist du mir ja das Gegenteil und du bestehst doch mit Erfolg dieses Schuljahr. Dann wäre ich sicherlich positiv überrascht. Allerdings glaube ich nicht das einfach in meinem Unterricht zu schlafen dabei so sonderlich hilfreich wäre.“
„Ja ich weiß…“, gab Lena zögerlich von sich und setzte ein schuldiges Gesicht auf. „Es tut mir leid, Miss Hüpferling, es liegt nicht an ihnen oder an ihrem Unterricht.“, log sie, da sie, auch wenn sie dabei nicht gleich einschlafen würde, sich Miss Hüpferlings Unterricht immer ermüdend gestaltete. „ich habe letzte Nacht nur nicht so gut schlafen können. Tut mir leid.“, entschuldigte sie sich und senkte reumütig ihren Kopf, weshalb Miss Hüpferling zufrieden lächelte. „ist schon gut, Lena. Ich hoffe dass du dich in Zukunft ran hältst und fleißig lernst. Bis zu den Sommerferien ist es nicht mehr lange.“
Wissend nickte Lena und schwieg. Sicher war ihr durchaus bewusst dass ihr nicht mehr viel Zeit blieb, um zu beweisen das alle Lehrer unrecht hatten im Bezug darauf, dass sie dieses Schuljahr, trotz alles Bemühungen, nicht schaffen würde. Nur allzu gern würde sie in die Gesichter schauen, wenn sie jubelnd mit dem Zeugnis und der Versetzung in die 10te Klasse aus dem Schulgebäude rennen würde – sowohl Lehrer als auch andere Schüler. Das wäre ihr all die Plackerei wert.
„Keine Sorge, ich werde mich ganz sehr anstrengen. Ich werde es schaffen, auch wenn einige daran nicht glauben. Heute Nacht habe ich nur kein Auge zubekommen, weil ich so darüber nachgedacht hatte, wie ich das alles bewältigen soll. Allein.“ Traurig senkte Lena den Blick und knaupelte verlegen an ihren Fingernägeln.
„Das schaffen wir schon irgendwie, Lena.“, ermutigte Miss Hüpferling sie und strahlte soll eine Zuversicht aus, sodass die 15 Jährige tatsächlich für einen Moment daran geglaubt hatte, sie würde es meistern. „Du darfst dich nur nicht davon abbringen lassen.“ Nach diesem aufmunternden satz, der Lena sogar ein wenig Hoffnung schenkte, stand Miss Hüpferling auch schon von ihrem Sitzplatz auf und schob ihren Stuhl mit den Waden nach hinten. Dann schenkte sie der Braunhaarigen noch ein zuversichtliches Lächeln und Augenzwinkern und bat sie, sich wieder in ihre Klasse zu begeben, da es bald zum Unterricht klingeln würde. Als nächstes stand Biologie auf dem Plan, und Mr. Huover war ein kleiner, rundlicher Mann mit schneeweißen, kurzrasierten Haaren, der nicht viel davon hielt, wenn Schüler seinem Unterricht zu spät bewohnten – sei es eine Sekunde.
„Okay, dann wird ich mal gehen. Danke, Miss Hüpferling!“, sagte Lena noch schnell und raste auch schon aus dem Lehrerzimmer davon. Schließlich kam sie noch rechtzeitig, vorm stundenklingeln in ihre Klasse zurück und setzte sich außer Atem an ihrem Platz. Sekunden später erschien auch schon der kleine Mr. Huover in ihrem Klassenzimmer und stellte sich begrüßend vor die Tafel. Überrascht stellte Lena fest, dass der Unterricht von Mr. Huover nicht zum wegpennen war und auch andere merkwürdige Geschehnisse -wie zum Beispiel das ihre Hand einfach so ohne Vorwarnung irgendwelche Skizzen von Leuten anfertigte, die Lena überhaupt nicht zusagten,- blieben aus. Klar hatte sich die 15 Jährige ab und zu mühsam die Augen offenhalten und sich ein tiefes Gähnen unterdrücken müssen, aber ansonsten verlief alles ganz normal. Wie immer. Zwar war die 15 Jährige nicht großartig von dem beeindruckt gewesen, was Mr. Huover da vorne so von sich gegeben hatte, da sie tierische oder pflanzliche Einzeller super langweilig fand. Andererseits war sie überaus erleichtert und froh darüber gewesen, das die Biologiestunde ohne Zwischenfälle, von ihr hervorgerufen, vorüberging.
Nachdem Lena auch die vierte und fünfte Stunde Englisch geschafft hatte, wo sie von der zuständigen Lehrerin Miss Duff zusammen mit Celin an einer Gruppenausarbeitung teilnehmen sollte und aus einem Buch bestimmte Fragen beantworten musste, die Miss Duff zuvor sorgfältig ausgesucht hatte. Trotz der Erleichterung über keinen weiteren Zwischenfall wie unerwartet Einschlafen oder nicht erwünschte Kritzeleien wartete Lena sehnsuchtsvoll auf das Läuten der Schulglocke, welche endlich die lang erwünschte Mittagspause ankündigte. Überglücklich das sie endlich durch ihre Ohren dröhnte stand Lena von ihrem Platz auf, mit einem grünen saftigen Apfel, welcher ihr Mittagessen war, und ging mit Celin zusammen hinunter in den Schulhof, welcher Schon vor Hitze zu kochen schien. Zumindest sah es in der Ferne so aus, als würde schon leicht brennen, da man so ein leichtes Flackern in der Luft sah. Schnell suchten sich die beiden Freundinnen ein schattiges Plätzchen unter ein paar Birkenbäumen und ließen ihre Gedanken kreisen. Schweigsam genossen beide die Ruhe um sie herum und schauten sich um. Bis Celin eine Schwarzbrotbemme mit viel Blattsalat und einer Scheibe Käse aus ihrer roten Brot Dose hervorholte und hungrig hineinbiss. Lena hingegen saß nur still und in Gedanken versunken da. Ihr saftig grüner Apfel lag zwischen ihren Händen und ruhte auf ihren Schoß, während die Braunhaarige ihn nur anstarrte. Sicher ging dieses seltsame stille und insich gekehrte Verhalten ihrer besten Freundin mit den aschblonden Locken und den tiefblauen Augen nicht unbemerkt vorbei.
„Was ist denn los, Lena? Du bist heute schon den ganzen Tag so…so komisch.“, gestand Celin ihrer braunhaarigen Freundin und sah sie vorsichtig aus einem Augenwinkel heraus an. „Sonst bist du meist gut gelaunt, naja, es sei denn irgendjemand kommt dir dumm oder so. Aber sonst lachen wir doch immer und ziehen über die anderen Schickimicki-Tussis her. Aber heute bist du irgendwie nicht gut drauf und immer wieder scheint es mir, als würde dich etwas beschäftigen.“ Sorgvoll rutschte Celin etwas näher an Lena heran, welche immer noch unentwegt auf ihren grünen Apfel in den Händen stierte und schließlich entfuhr ihren schmalen Lippen ein lauter Seufzer, worauf Celin erschrocken wieder ein bisschen zurückwich.
„Weißt du Celin, vergangene Nahct da..ist was pasiert.“, erklärte sie mit ersntem Blick und hielt plötzlich inne und überlegte kurz, ob es richtig war Celin von dem unerwarteten Besucher vergangene Nacht zu berichten. Schließlich hielt sie diese Zurückhaltung nicht mehr aus. Sie musste irgendjemandem davon erzählen, und wenn, warum dann nicht der Einzigen Person, der sie vertraute?
„Letzte Nacht war jemand oben bei uns auf dem Dachboden und hat dort herumgeschnüffelt.“, gab Lena ruhig von sich und schloss nachdenklich die Augen. „Ich hab von meinem Zimmer ein Geräusch oben wahrgenommen, ein Poltern und dann hörte ich Schritte. Ich wusste doch nicht, das sich ein Fremder in unserem Haus befindet!“ Lenas Stimme klang angespannt und auch ein wenig aufgeregt. Es viel ihr nicht sehr leicht das letzte Nacht erlebte wiederzugeben, ohne das in sich die verschiedensten Erregungen hochkochten. Fast ein bisschen hilflos sah sie Celin an, als suche sie in ihrer blauen Iris nach einer Antwort auf das was letzte Nacht geschehen war. Und auf das was heute alles so während den ersten beiden Stunden vorgefallen war. Diese Skizze und dieser merkwürdige Traum aus dem 18 Jahrhundert. „Ich bin dann hoch gegangen um nachzusehen und da hab ich ihn entdeckt. Sicher hab ich sofort nach etwas gegriffen, womit ich ihn attackieren konnte! Ich konnte ihn doch bei uns zu Hause nicht einfach gewähren lassen! Dieser Arsch!!“ Ihre Stimme wurde immer lauter und aufgebrachter. Vor aufkeimender Wut ballte sie ihre Hände zu Fäusten, der saftig grüne Apfel verweilte immer noch ruhig in ihrem Schoß, als wolle er sich einfach nicht vom Fleck bewegen. Zum Glück, denn wahrscheinlich wäre Lena dann erst richtig in Rage geraten und wäre wutentbrannt von der bank aufgesprungen und hätte fluchend ein paar steine durch die gegend geworfen.
„Bist du verrückt?“, brachte Celin kurz darauf fassungslos hervor und weitete ihre blauen Augen. „Der Kerl hätte dich auch umbringen können! Und, hat er deinen Angriff abgewehrt?“
Ja hat er, aber er hat mir nichts getan. Er hat nur dämlich gegrinst und gemeint er dürfe mir nichts antun, weil das gegen die regeln verstoßen würde. Seit wann gibt es denn unter Verbrechern Regeln?“, stieß Lena vor Wut schnaubend hervor, beruhigte sich aber sogleich wieder als sie in das tiefe Blau in celins Augen blickte, die sie irgendwie an das stille Meer erinnerten.
„der Typ hätte dir trotzdem was antun können. Herr Gott, zum Glück hat er es nicht getan!“ Beruhigt atmete Celin tief ein und aus und biss dann wieder erneut und gierig in ihre Bemme. „du hattest wirklich Glück, das der Kerl dir nichts getan hat, sonst wärst du jetzt nicht mehr unter uns…oder im Krankenhaus.“, fügte Celin noch ernst hinzu, nachdem sie ihren Bissen gut gekaut runtergeschluckt hatte. Wissentlich nickte Lena und nahm sich ihren Apfel zu Hand. Diesen sah sie eine Weile stumm an und drehte ihn ein paar Mal spielerisch hin und her, ehe sie genüsslich und mit einem frischen Knacken hineinbiss. Ihr Magen knurrte so fürchterlich, sodass sie weniger minuten den Apfel ganz aufgegessen hatte, bis auf den Rest. Auch Celin war fertig mit ihrer Bemme und nahm sich nun noch einen Erdbeerjogurt aus ihrer Brotdose, welchen sie genussvoll hinter schlemmte.
„Hm naja was mach ich wenn er wieder kommt. Heute oder Morgen oder irgendwann? Denn er hat dort oben nach etwas gesucht, ich weiß nur nicht was. Ich habe ihm bei der Suche gestört und jetzt bin ich mir sicher das er deshalb noch einmal wiederkommt.“
„Dann ruf die Polizei oder sage deinem vater bescheid, das alle Türen und Fenster geschlossen sein müssen, damit fremde menschen nicht einfach in euer Haus stiefeln können. Dein vater ist in dieser Sache eh viel zu nachsichtig und naiv.“, machte Celin ihrer besten Freundin unmissverständlich klar, welche zustimmend nickte und über die Aussage die ihren Vater betraf nicht sonderlich verärgert war, denn es stimmte. Ihr Vater hatte es nicht so mit dem Abschließen von türen, besonders bei Nacht, und ab und an ließ er sogar im erdgeschoss im zweiten badezimmer, wo sich eine Dusche, eine Toilette und ein waschbecken befand, das Fesnter sperrangelweit offen. Bestimmt war so auch dieser fremde typ gestern Nacht unbemerkt in ihr haus gelangt, denn anders konnte Lena sich das nicht vorstellen. Sollte er etwa doch wie ein Vogel durch das kleine offene Fenster oben auf den Dachboden gelangt sein?
„Naja, mein Vater will heute Nachmittag sowieso den Dachboden etwas entrümpeln. Dort oben befinden sich ja noch Sachen von den Vormietern, die von der Geburt bis zu ihrem Tod dort gelebt hatten, bevor wir eingezogen sind.“, sagte Lena fasziniert von der Tatsache, in einem Haus zu wohnen, in dem andere im hohen Alter und hoffentlich voller glücklicher Erinnerungen an das Leben, gestorben waren.
Schon damals, mit gerade mal vier Jahren, hatte Lena dieses Haus umwerfend und irgendwie geheimnisvoll gefunden, als sie mit ihren Eltern zum ersten mal diese „Ruine“ besucht hatten. Das war im Frühsommer gewesen, die Sonne hatte noch nicht ihre volle Kraft entwickelt, um die Leute arg ins Schwitzen zu bringen, im Gegenteil. Zu der zeit, das war Mitte März gewesen, hatte sie gerade erst angefangen ihren hellen Schein wieder über das land zu bringen – und über das verwilderte Anwesen, in dessen zentrum ein großer, schwarzweißes Fachwerkhaus, mit kleinen niedlichen Fenstern stand. Unkontrolliert waren Gräser und verschiedenes Unkraut an den unsagbarsten stellen um das Haus herum gewachsen und man hörte deutlich die vielen Vögel, welche sich hier wohl über die jahre in den 2 großen Apfelbäumen eingenistet und sehr wohlgefühlt hatten. Damals hatte Lena geglaubt, das sich hier in ihrem neuen Garten vermutlich alle Vögel dieser Stadt befanden und fröhlich ihre Lieder sangen. Es hatte sie sehr beeindruckt, bestimmt auch deswegen, weil man eine junge vier >Jährige noch leicht beeindrucken konnte. Aber so war es nicht. Es war fast so, als hätte sie eine innere, leise Stimme dazu veranlasst, durch ihre Eltern den Weg hierher in dieses Haus zu finden.
„Hey ihr beiden!“
Eine bekannte männliche Stimme drang zu den beiden jungen Mädchen hinüber und ließ Lena aus ihrer Trance aufschrecken. Verdutzt blinzelten beide Mädchen zu dem Jungen mit der blaukarierten Bermudahose und sofort verzog Lena genervt das Gesicht. Etwas was sie jetzt so gar nicht abkonnte waren Jeans dämliche Sprüche oder dergleichen.
„Was ist Jean?!“, stöhnte Lena mürrisch. „Du störst gerade. Ich und Celin haben gerade eine wichtige Unterhaltung.“
„Ach ja? Welche Unterhaltung ist denn für euch so wichtig?“, entgegnete Jean unbeeindruckt und ein wenig belustigt.
„Wir…reden halt über Mädchenkram. Da störst du nur.“, hackte celin sich schnell, denn sie wollte um jeden Preis verhindern das Lena wutentbrannt auf ihn losging, bloß weil er nicht die Fliege machte. Denn auch wenn Jean und Lena gewiss Freunde waren, so schreckte sie davor nicht zurück, ihn ab und an in seine Schranken zu weißen wenn er zu aufdringlich wurde. Oder aber einfach am falschen Ort zur falschen Zeit.
Ungläubisch zog Jean eine seiner schwarzen Augenbrauen nach oben und sein fragender, misstrauischer Blick galt vorallem Lena, welche stur auf ihre bunten Flipflops starrte. „Ihr redet tatsächlich über sowas? Dabei dachte ich das ihr euch nicht für sowas interessiert. Vorallem Lena nicht.“,brachte Jean überrrascht zwischen seine schneeweißen Zähne hervor und blinzelte verwundert auf, worauf Celin lächelnd nickte. „Sicher reden wir auch darüber. Wir sind schließlich Mädchen, auch wenn wir einen gewissen Außenseiterstatus an dieser Schule haben. Aber das ist nicht nur Lena’s Schuld und ihrer schrofen, direkten Art, die manche hier einfach nicht abkönnen. Daran bin ich genauso beteiligt. Ich bin eine perfekte Zielscheibe für Attacken der anderen, sei es verbal oder körperlich: ich bin ruhig, ängstlich und zurückhaltend und das verstehen die meisten nicht.“, erklärte Celin, worauf Jean wissend nickte und mit dem Fuß unsicher den staubtrockenen Dreck unter seinen Füßen aufwühlte, sodass kleine Staubschwaden aufstiegen.
„Hör zu Jean, momentan nervst du gerade. Sorry, das ist nicht böse gemeint. Ich wollte mit Celin nur mal über etwas Ernstes reden, was dich aber nicht zu interessieren hat. Es heißt ja bekanntlich: was du nicht weißt macht dich nicht heiß.“ Lena blickte gelassen anch oben, direkt in die leuchtend braunen Augen von Jean und lächelte. Scheinbar war ihr Zorn darüber, das er einfach so bei den Mädchen aufgetraucht und hineingeplatzt war, verflogen. „Ich möchte nur mal etwas mit ihr allein sein. Das verstehst du doch sicher oder? Und lass bitte deine dummen Bemerkungen darüber. Wir reden nicht über Sex oder Jungs, denn das interessiert mich nach wie vor nicht im geringsten.“, beteuerte Lena mit ernster fester Miene, worauf Jean grinsend nickte, sich aber einen Kommentar verkniff, obwohl im schon einer zwingend auf den Lippen gebrannt hatte. Er wollte Lena nicht unnötig reizen und gegen sich aufbringen. Denn eines wusste er: Lena konnte zwar sehr launisch und mürrisch sein, leicht explodierbar und unglaublich stur, aber er kannte auch eine andere Seite an ihr, eine Verletzliche, auch wenn er sie bis jetzt nur einmal kennengelernt hatte. Schon damals, als er sie nach der Aktion mit den Farbballons, die Lena und Celin aus Rache auf die Mädchen der oberen Klassen geschmissen hatte, aufgesucht und versucht hatte sich ihr wohlgesonnen anzunähern, hatte er gespürt, das Lena etwas, tief in ihrer Seele, sensibles, unschuldiges hatte.
„Ist gut, ich gehe.“,lenkte er schließlich ein, doch bevor er sich winkend zum Gehen abwandte hatte er noch eine dringliche Frage an lena gerichtet: „Hast du nach der Schule Zeit? Ich habe jetzt noch zwei Stunden Basketball-Training. Und du? Ich würde gerne auch mal mit dir unter vier Augen reden, über gestern Nacht, wegen dem unverhofften und überraschenden Anruf meinerseits.“ Erwartungsvoll dah er Lena in die müden smaragdgrünen Augen und hoffte inständig das sie „Ja“ sagte, was sie dann ach gleich darauf tat. „Ja ich habe jetzt noch eine Stunde Physik und danach Wirtschaft-Sozialkunde. Klar können wir uns nach der Schule treffen…oder wir gehen gleich zusammen nach Hause. Soweit ich weiß haben wir denselben Weg.“, erwiderte Lena achtsam, ihre Gesichtszüge waren gelockert und sie schien erschöpft zu sein. Bis sie diese plötzlich noch einmal festigte und mit Nachdruck hinzufügte: „Aber nicht das du mir wegen dieser Ambersache nur in den Ohren liegst und rumheulst!“
Lachend winkte Jean ab und strich sich durch die Schwarzen, gut gestylte Haare. „Na dann, wir treffen uns vor dem Eingang der Schule. Bis dann! Und mach mir bis dahin keine Dummheiten, nicht das ich dann vergeblich auf dich warte.“ Er kicherte und ging belustigt davon. Anscheinend schien es ihm zu gefallen Lena immer wieder mit seinen dummen Sprüchen auf den Arm nehmen zu wollen. Nicht das das noch zur Gewohnheit werden würde. Leicht säuerlich stand Lena von der Bank auf. „Komm Celin, lass uns reingehen. Die Hitze hier draußen wird immer unerträglicher.“, beschwerte sie sich an Celin gewandt welche nicht sonderlich begeistert darüber war, das Lena mit Jean und ohne sie nach Hause ging. Ohne ein Wort stand Celin ebenfalls auf und gesellte sich gezwungen lächelnd zu ihrer besten Freundin an die Seite. Schweigend gingen beide schnellen Schrittes wieder hinein in das rotglühende Schulgebäude und begaben sich in ihr Klassenzimmer. Während der letzten beiden Stunden bemühte Lena sich Zusehens, ihre Augen offen zu halten und sich auf den Unterricht der vor ihr stattfand zu konzentrieren. Dabei bemerkte sie nicht einmal Celins abwesendes, nachdenkliches Verhalten. Diese zerbrach sich ihren aschblonden Schopf schon die ganze Zeit darüber, wie sie nachher, ohne Lena, ihrem Bodyguard, nach Hause kam, ohne von irgendwelchen Oberklässlern dumm angemacht zu werden. Denn soweit sie denken konnte, war sie nie allein nach Hause gegangen, es sei denn ihr großer Bruder hatte sie mit dem Fahrrad oder ihre Mutter hatte sie mit dem Auto abgeholt. Und jetzt? Jetzt musste sie ohne Lenas Schutz in die große weite Welt hinaus und dabei fühlte sie sich etwas überfordert.
Demnach hielt sie dieses quälende Gefühl ins sich nicht aus und schrieb auf einem abgerissenem Fetzen Papier etwas drauf, an Lena gerichtet. Diesen zerknüllte sie dann und drückte ihn ganz fest zwischen den Fingern zusammen, sodass er noch kleiner und unauffälliger war. Danach passte sie eine günstige Gelegenheit ab und warf die zerknüllte Nachricht zu Lena, welche überrascht aufsah, als dieser auf ihren Tisch plumpste. Fragend zog sie ihre Stirn in Falten und drehte sich zu Celin um, welche zustimmend nickte und breit grinste. Zudem hob sie die Hand und formte mit ihren Fingern ein Peacezeichen, worauf Lena auch grinste und sich kichernd umdrehte um den beschriebenen Papierfetzen zu lesen.
Hallo Lena, das klingt vielleicht jetzt blöd, weil ich ja schon ein großes Mädchen bin ( ^_^) aber ich habe schon ein bisschen Bammel davor, nachher alleine nach Hause zu gehen. Das erste Mal ohne dich, man, das ist doch wahrlich eine Premiere!! Trotzdem, das mir das nicht zur Gewohnheit wird, das du statt mit mir mit Jean nach Hause gehst! ;-) hdgdl, Celi <3

Bei dem Anblick von Celins Smileys und dem Herzzeichen wurde Lena auf einmal ganz warm ums Herz. Sie wusste das Celin, auch wenn sie das niemals offen zugeben würde, auf Lenas schützende Hand angewiesen war. Sie schirmte sie von allen ab, die ihr wehtun wollten oder ungerecht zu ihr waren, da Celin ein sehr ängstlicher, scheuer Mensch war, und somit zog sie die negativen Blicke und Sprüche von vermeintlich stärkeren magisch an – wie die Motte das Licht.
Lächelnd aber mit einem flauen Gefühl im Magen und Schuldgefühl in ihrem Herzen schrieb Lena ein paar Zeilen an ihre Freundin zurück, welche nervös mit ihren Füßen unter ihrem Tisch hin und her baumelte. Dabei sah sie stur zur Tafel vor, wo der Physiklehrer, Mr. Stevens, ein paar seltsame, ihr vollkommen spanischvorkommende Formeln an die Tafel schrieb.
Hi, ich weiß das es nicht sonderlich erbaulich für sich ist, wenn du weißt das du nachher allein nach Hause gehen musst, aber ich bin mir sicher dass du das schaffst! Du bist doch kein kleines Kind mehr, und außerdem versichere ich dir, das ich außer heute wieder jeden Tag nach der Schule mit dir gehen werde. Versprochen:-D hdagdl Ps: denk daran deinem Bruder Alex wegen morgen Abend noch einmal gehörig den Marsch zu blasen. Schließlich wollen wir beide morgen Abend abrocken, was wir nur können wenn dein Bruder seine Beziehungen spielen lässt!!<3
Nachdem sie fertig mit Schreiben war zerknüllte Lena den Papierfetzen wieder, drehte sich, nachdem Mr. Steven sich mit dem Rücken zu Klasse gewandt hatte, um etwas an die Tafel zu malen, zu Celin um und warf ihn auf ihre Tischplatte. Dankbar nahm sie den kleinen Papierfetzen an sich und öffnete ihn. Im Anschluss daran griff sie sich wieder einen Stift und schrieb eifrig und mit einem Freude strahlendem Gesichtsausdruck zurück. Celin freute sich schon seit Wochen auf diesen Abend, den beide vorher ausführlich durchdacht und geplant hatten. Ihr Bruder, welcher mittlerweile schon 18 war und somit in jeden angesagten Nachtclub der Stadt kam, war ihre Fahrkarte zu einem aufregenden Partyabend, mit viel lauter dröhnender Musik und hoffentlich netten Bekanntschaften. Denn auch wenn Lena wenig daran interessiert war, sich endlich mal einem Jungen, außer Jean, zu öffnen und sich einen festen Freund zu suchen, so wollte es Celin umso mehr. Doch die Jungs aus ihrer Schule konnte sie vergessen, denn die meisten blickten auf sie mit Argwohn herab und ließen es auch nicht aus, sie mit dummen Sprüchen von der Seite anzumachen und zu verunsichern. Der morgige Abend sollte zumindest ein schritt für sie nach vorne sein.
Eifrig schrieb sie an Lena: keine Sorge, ich werde heute schon heil zu Hause ankommen Klar doch habe ich mit Alex schon darüber gesprochen, ich nerve ihn damit schon seit Tagen, und das stündlich wenn ich nach der Schule zu Hause bin. Er ist schon ganz frustriert deswegen, da ich ihn tierisch auf die Nerven gehe! >_< Er meinte nur das er, wenn das unsere Eltern spitz kriegen würden, geliefert sei und ich dann wohl ein Einzelkind wäre, weil sie ihn in die Wüste schicken! Haha! Nun ja, du kannst mich ja später mal von zu Hause anrufen, wenn du willst! Dann könne wir ein bisschen quatschen und du kannst mir erzählen was Jean denn so Wichtiges mit dir besprechen wollte. Und ich sage dir wie mein Heimweg war. Okay? :-*hdgdl, Ps: zum Glück, wir haben nur noch eine Stunde, dann sind wir hier aus dem schwülwarmen Schuppen endlich raus! -_- ich geh schon fast ein vor Hitze…
Als Lena all diese Worte aufmerksam durchgelesen hatte, drehte sie sich kurz zu Celin um und nickte.
„Geht klar, ich ruf dich an.“, flüsterte sie ihr noch schnell zu, ehe sie sich wieder zu ihrem Platz umdrehte und fleißig alles was Mr. Stevens an die Tafel gekrickselt hatte in ihren Hefter übernahm. Celin tat das gleiche. Es vergingen ungefähr 15 Minuten, dann klingelte es endlich zur letzten kurzen Pause, in der sich selbst jetzt noch welche aufrafften und die Treppen hinzuunterhetzen, nur um hastig ihre Lungen mit Nikotin zu füllen. Erleichtert starrte Lena die 10 Minuten erholsame Pause aus dem großen weißgerahmten Fenster und dachte ausnahmsweise Mal…an nichts, was sie ein wenig wunderte. Wahrscheinlich war sie dafür einfach viel zu Müde gewesen. Sehnsuchtsvoll wünschte sie sich jetzt zu Hause in ihrem kuscheligen Bett zu sein, und nicht hier in diesem stickigem Gebäude, wo man kaum Luft zum Atmen hatte und einen Hintern so platt wie eine Flunder, vom ewigen sitzen auf den unbequemen, harten Schulstühlen. Während Lena so still vor sich hinstarrte, war Celin hinter ihr eifrig dabei mit ihrem Touchhandy eine SMS zu schreiben und zu verschicken. Immer wieder hörte Lena das >>Tut< Schmunzelnd lächelte sie in sich hinein, als sie das genervte Gesicht von Celins großem Bruder vor Augen hatte. „Er wird dem bestimmt mit Freuden nachgehen. Ich meine, wozu ist denn ein großer Bruder da?“, entgegnete Lena kichernd, während sie still da saß und sich ihre Augenlider allmählich schlossen, da sie vor Müdigkeit und dem ständigen, zwanghaften offenhalten ganz schön wehtaten.
„Ja naja, ich denke er wird nicht sehr begeistert darüber sein, aber Pech gehabt!“, stieß Celin gehässig aus und lachte kurz auf. „Er wird es schon überleben. Und dieses eine Mal, mein Gott..!“
Plötzlich gab Celins Handy ein lautstarkes Vibrieren von sich, was sie sofort freudestrahlend aufschreckte. Hastig nahm sie das Handy in die Hand und las sich die Nachricht durch, die ihr lieber großer Bruder Alex ihr zurückgesendet hatte. Dann stieß sie voller Freude aus: „er tut es…! Er holt mich ab! Was für einen guten, lieben großen Bruder ich doch hab! Dafür bekommt er nachher einen dicken fetten Kuss!“ Unglaublich fröhlich und vollkommen entspannt schmiss Celin ihr Handy wieder zurück in ihre Schultasche. Es war fast so, als wäre ihr eine Last von der Seele gefallen, nachdem ihr großer Bruder sich zwar wiederwillig aber dennoch dazu bereit erklärt hatte, nachher vor ihrer Schule auf sie zu warten und sie abzuholen. Denn auch wenn es ihn manchmal nervte, ihm war seine kleine Schwester, welche leicht zur Zielscheibe von anderen wurde, sehr wichtig, und er wusste auch, wie ängstlich und scheu sie war, wenn sie allein draußen umherlaufen sollte – und sei es nur auf dem weg nach Hause.
„Da hat er was gut bei dir.“, murmelte Lene abwesend, da sie sich völlig in ihrem Stuhl zurückgelehnt hatte, die Augen immer noch geschlossen, und mit ihren Gedanken völlig abzudriften schien. Es tat so gut die Augen geschlossen zu halten und einfach mal die Gedanken davonfliegen zu lassen. All die nervigen Gedanken von Schule, von Jean und seinem noch bevorstehenden „unter-vier-Augen-Gespräch“ – und von gestern Nacht. Von diesem jungen Fremden, welcher so ohne weiteres in ihr Haus eingedrungen war, als wäre er lautlos die Hausfassade hinaufgeklettert.
„Hey, dir fällt gleich was runter!“, rief eine weibliche Stimme, welche direkt hinter Lena ertönte, worauf die Braunhaarige erschrocken die Augen wieder aufschlug. Verwirrt blickte sie um sich und sah das einer ihrer Schulhefter sich verselbständigen wollte und drohte von ihrem Tisch zu fallen. Doch im Letzten Moment griff sie nach ihm und eine andere Hand, die nicht ihr gehörte, tat es ihr nach – und binnen einer Sekunde berührten sich die beiden und ein elektrischer Stromstoß, nicht von großem Ausmaß, durchzuckte beide. Fassungslos zuckten beide Mädchen mit ihren Händen zurück, sodass Lenas Hefter schlussendlich auf den dreckigen Boden fiel.
„Oh Gott…!Was…war denn das?“, fragte Lena irritiert und blickte in das von Entsetzten ebenso erblasste Gesicht Louanas, welche mit geweiteten Augen dastand, dann aber schnell weiter ging. Bevor sie das Zimmer verließ beäugte sie Lena noch einmal kritisch, welche ihr fragend mit den Augen folgte. >>Was zum Henker war denn das gerade? Ich weiß zwar das der menschliche Körper unter Strom steht und das sie sich gelegentlich bei eventuellen Berührungen kurz entladen können, aber das hatte sich irgendwie ganz anders angefühlt, und viel intensiver..!<< ,dachte Lena so bei sich, während sie sich vorsichtig die Hände aneinander rieb. Irgendwie ging ihr das gerade eben Passierte nicht mehr aus dem Sinn, und auch Louannes merkwürdiger kritisierender Blick.
Louanne war nach der Aktion abrupt, wie eine Furie aus dem Klassenzimmer gestürmt, vermutlich auf die Mädchentoilette und sie kam erst wieder zurück, nachdem es bereit einmal zum Unterricht geläutet hatte. Als sie ohne auch nur jemanden aus der Klasse anzusehen, auf ihren Platz gestapft war, schien ihr Gesichtsausdruck wieder einigermaßen entspannt zu sein, wie Lena auffiel, als sie sie aus dem Augenwinkel heraus betrachtete. Vielleicht hatte sie auch nur ganz dringen plötzlich auf Toilette gemusst und war deshalb so schnell davongerannt.
Louanne war ein Mädchen, was wie Lena nicht viele Bekanntschaften in der Schule, oder gar „Freunde“ hatte. Man konnte sogar sagen, dass sie ein richtiger Eigenbrötler war – einzig und allein ein Mädchen schien sie an sich ranzulassen und das war ebenfalls ein sehr Unscheinbares, wie sie selbst, und diese ging in die Parallelklasse. In den Hofpausen hatte man sie oft zusammen gesehen, wie sie sich miteinander unterhielten. Dieses Mädchen schien ebenso den komplett- in- schwarz- Look für sich entdeckt zu haben, außer dass sie nicht pechschwarze, sondern total knallig rote Haare hatte.
Seufzend stierte Lena ab und an mal auf das kurz erleuchtende Display ihres Handys, welches sie zwischen den vielen Heftern und Schulbüchern versteckt auf den Tisch liegen hatte. Eigenlich mochte sie den Unterricht von Mr Collyns, da er nicht wie die meisten anderen Lehrer einfach alles gelangweilt und müde herunterquasselte, sondern wie ein aufgeregter kleiner Junge mit Händen und Füßen darüber zu erzählen wusste. Und diese Begeisterung, dieser Charme und der kleine Witz, der ihm dabei hin und wieder über die Lippen huschte, der steckte unheimlich an - und nicht nur Lena war davon fasziniert. Auch die anderen Mitschüler fanden das wohl so, denn seinem Unterricht hörten immer alle aufmerksam zu und es kam auch niemand auf die dumme Idee einen dummen Scherz zu machen oder rumzublödeln, sodas Mr Collyns nicht dazu gezwungen wurde den aufregenden Unterricht einfach so unterbrechen zu müssen. Sowas traute sich niemand oder zumindest schien der Unterricht nicht einmal annähernd so langweilig zu sein, das man auf dumme Gedanken käme.
>>Oh man, ich bin so müde....Heute ist nicht mein Tag!<<, seuftze Lena müde in Gedanken und rieb sich den kornigen Sand aus den Augen, welcher immer mehr zu werden schien, je länger sie sich davor sträubte endlich ihre Lider geschlossen zu lassen und den erholsamen Schlaf zu finden, nachdem sie sich so sehnte - und nach dem sich ihr ganzer Körper sehnte. Aber dem war nicht so. Zumindest noch nicht. und selbst wenn gleich das laute Gröhlen der Schulglocke durch ihre Ohren hallen würde, so wäre das immer noch kein Anlass für die 15 Jährige Luftsprünge zu machen, denn nach der Schule hatte sie ja noch indirekt eine Verabredung mit ihrem guten Freund Jean. Dieser wollte ihr bestimmt nur wieder wegen Amber die Ohren voll heulen - wegen letzter Nacht, da sie sich anscheinend wieder viel lieber mit anderen Jungen beschäftigt hatte, anstatt mit ihm-, und darüber musste Jean unbedingt mit Lena sprechen. Aber, um herlich zu sein, wollte lena nicht mit ihm darüber reden. Dieses leidige thema zwischen der On-Off-Beziehung zwischen den beiden ging der 15 Jährigen so dermaßen auf den Keks, so dass sie es lieber einmal laut hinausgeschrien hätte - oder zumindest hätte sie es Jean ganz gerne mal an dden kopf geworfen. "Die alte ist doch total dämlich! Auch wenn sie unheimlich gut aussieht, ordentlich Titten und nen knackigen Po hat: ein Gehirn hat sie sicherlich nicht! Und auch kein Herz, denn eine die so aussieht spielt nur mit den Kerlen - sie würde die Liebe nicht einmal erkennen, wenn sie ihr ins Gesicht spuckt!"
So oder so ähnlich hätte sich die Braunhaarige dann wohl ihm gegenüber über Amber ausgelassen. Denn sie konnte diese Shicki-micki-Tussen absulut nicht leiden - die waren wie Ratten: einfach überall und sie verbreiteten nur Schlechtes! Auch Celin mochte sie nicht besonders, da sie sie immer so herablassend ansahen und sie ihr das Gefühl gaben, das sie rein äußerlich nur mit einem verwarzten Monster mithalten zu konnte.
>> Ich hasse sie! Und Amber hasse ich auch, so eine hat Jean nicht verdient. Er verdient jemanden der ihn respektiert, seine Gefühle, und ihn nicht aus Spaß mit Füßen tritt! << Nachdem Lena deise Gedanken mit tiefer Sehnsucht im Herzen zu ende gedacht hatte blinzelte sie anschließend verwundert auf. Was war das gerade eben? Dieses Gefühl von sehnsucht, welches kurz in ihrem inneren aufgeflammt war, als sie an Jean und an das was sie sich für ihn wünschte, gedacht hatte.
>>Ich muss ins Bett, das ist alles. heute ist nicht mein Tag. << Mit diesen Worten dröhnte auch schon der Klang der lang herbeigesehnten Schulglocke durch das Zimmer, worauf alle Mitschuler auf die Sekunde genau sich lautstark von ihren Plätzen erhoben und fröhlich kichernd und angeregt unterhalten hianus liefen, ins Freie, wo die Sonne bereits heißer zu brennen schien, als sie es zu dieser Zeit in der Wüste tat.
"So, ich geh mal schnell runter, Alex ist sicher schon da.", rief Celin und strahlte dabei über das ganze gesicht, wie ein hinoguckenpferd. Anschließend zwinkerte sie ihrer besten Freundin, welche immer noch etwas perplex drein schaute, zu. "Und nicht vergessen, morgen nachmittag gehen wir in unser Lieblingscafe und danach shoppen für Morgen abend!"
Noch ein wenig neben sich stehen nickte Lena nur, woraufhin Celin freude strahelnd davon stapfte - zu ihrem Bruder welcher pünktlich wie ein Uhrwerk unten vor dem großen metallischen Eingangstor der Schule wartete. Sein Gesicht sah etwas angesäuert aus, wie Lena bemerkte, als sie neugierig aus einem der vielen großen Fenster ihres Klassenzimmers lugte. Sie war ganz allein, alle anderen sahen bereits zu das sie Land gewannen und den üblen nervenaufreibenden Kasten namens Schule erst wieder Morgen früh wiedersahen - trauriger weise. Als Lena sah wie ihre beste Freundin mit den aschblonden gelocktem Schopf auf ihren Bruder zustürmte, musste sie unweigerlich grinsen. Überglücklich und ein wenig übertrieben, wie Lena fand, fiel sie ihrem großen Bruder um den Hals, was dem sichtlich peinlich war, da er sie direkt aber sanft wieder von sich stieß. "Lass das bitte.", hauchte er verärgert. "Du bist keine 12 mehr. Und warum habe ich die Ehre dich heute von der Schule abzuholen? Bekommst du das nicht auch mal alleine hin? Und überhaupt, wo ist Lena denn? Ihr beide klebt doch immer aneinander wie Honig auf einem Buttertoast.", fügte er anschließend noch belustigt hinzu und grinste, was Celin aber nicht störte. Sie kannte ihren Bruder und seine kleinen Neckereien. "Lena ist heute mit Jean verabredet, naja, was heißt verabredet.", erklärte Celin ihm ganz unvermittelt und trocken, worauf Alex, ein großgewachsener stattlicher Bursche, mit lockigen ebenfalls aschblonden Haaren und meeresblauen Augen, erschrocken zu ihr hinuntersah. er konnte nicht glauben was er da hörte: Lena war verabredet mit einem Jungen! Unwillkürlich musste er darüber schmunzeln, was Celin nicht entging, während beide nebeneinander hergingen.
"Hör mal, es ist nicht so wie du denkst!", versicherte sie ihm mit ernster Stimme und auch ihr Gesicht schien es so zu meinen, denn ihre Gesichtszüge ließen keine Vermutungen zu, das sie sich nur einen Spaß erlaubte. "Jean wollte mit Lena reden, wahrscheinlich über Amber. Ich sag dir dieses Auf und Ab zwischen den beiden kann echt nervend sein, und naja, Lena ist das einzige Mädchen mit dem Jean "befreundet" ist - und höchstwahrscheinlich will er sie, als Frau, um ihre Meinung fragen, was diese Sache angeht."
"Aha, na da hoff ich doch das es ihm hilft.", erwiderte Alex tonlos und ohne eine Miene zu verziehen. Anschließend gingen beide stillschweigend den rest des Weges nach Hause, beide in ihren eigenen Gedanken versinkend. Celin dachte an den morgigen Abend und das dieser in ihrem Leben eine ganz plötzliche und hoffentlich Positive Wendung einläuten würde. Denn so sehr Lena keinen Jungen an sich ranließ - außer Jean, und das aber auch nur bedingt und nur rein kommunikativ, so wünschte sich Celin von ganzem Herzen einen Freund. Einen Jungen dem sie ihr Herz schenken konnte und der es dankend annahm. Und nicht mit Füßen trat. Die Jungs aus ihrer Schule konnte sie dabei total vergessen, denn viele betrachteten sie nicht einmal weiter, wenn sie an ihnen vorbeiging, und wiederum andere hatten nichts besseres zu tun, als ihr dumme Sprüche an den Kopf zu hauen.
Während Celin in Gedanken schon an ihrer ersten großen Liebe hing, die sie ja hoffentlich Morgen Abend treffen würde, so dachte Alex an...Lena. Um genauer zu sein dachte sie an Lena und Jean. Im gefiel es irgendwie nicht, das die beiden zusammen rumhängten - und das war schon immer so gewesen. Auch wenn Lena sich für Jean nicht interessierte, sondern nur seine Lolyalität und seine hilfreiche Kumpelhafte art mochte, so war es für Alex schon immer ein Dorn im Auge gewesen, die beiden zu sehen. Alex wusste wie Lena drauf war oder bzw. wie sie es vor kurzem noch war und das dieser Vulkan in ihr jderzeit wieder ungewollt und unvorhersehbar ausbrechen konnte. lenas Wut kochte unter ihrer samtweichen, hellen haut und bei dem kleinsten beben könnte sie wieder hervorbrechen, und dinge tun oder sachen sagen die sie so eigentlich gar nicht meinte. Nur in dem Moment als es aus ihr raus´explodiert braucht sie einfach irgendjemand oder etwas, an dem sie es ablassen kann - all ihre Wut und ihren unerklärlichen Hass. Und trotzdem fühlte sich Alex irgendwie zu ihr hingezogen. Eben weil sie nicht so eine Schminktussi war, die nur auf ihr Äßeres erpicht war, und der innere werte vollkommen schnuppe waren. Gerade deshalb, weil Lena so einen komplizierten Charakter hatte und manchmal wie ein stein rüberkam, mochte er sie. Wenn nicht sogar mehr...
"Wo steckt er denn? Man ey, ich warte hier doch nicht bis zum Jüngsten Gericht!" Vor Wut schnaupend stand Lena mit aufgeregt wippendem Fuß vor der großen Schultür und wartete auf Jean, die Arme hatte sie dabei vor die Brust verschränkt. Oh oh, kein gutes Zeichen. Mittlerweile stand sie sich schon seit ein paar Minuten die Beine in den Bauch und langsam aber sicher riss ihr der Geduldsfaden. das Fass war kurz vorm Überlaufen, oder anders Ausgedrückt. der Vulkan stand kurz vor seinem Ausbruch.
"Man wo steckt der denn nur??? Will der mich verarschen?!?" Wutentbrannt holte Lena ihr Handy aus ihrer Schultasche,welches irgendwo zwischen den vielen Schulbüchern und Unterlagen verschwunden war. Nachdem sie es endlich fluchend gefunden hatte wählte sie Jeans Nummer, aber am anderen Ende der Leitung nahm niemand ab. Sie versuchte es erneut. Wieder und wieder, bis langsam das Blut in ihrern Adern kochte, und das nicht nur weil es so brechend heiß war.
>> Ich bring ihn um!<<, drohte sie ihm in Gedanken und hetzte ihm dabei auch tausend Flüche auf den Hals. Solle er doch bleiben wo der Pfeffer wächst! Aber irgendeine Stimme in ihr, die sanftere, vernünftigere riet ihr, doch mal nach ihm zu schauen, da ihm vielleicht auch etwas passiert sein könnte. Vielleicht ist er ja ziwschen den Umkleideschließfächern zusammengebrochen und niemand hat es mitbekommen. Bei dieser Hitze versagt schon mal der Kreislauf, besonders dann wenn man auch noch aktiv Sport treibt, was glatter Selbstmord ist.
>>Ein bisschen sarkastisch, diese innere Stimme der Vernunft, was?<< Genervt rollte Lena mit den Augen und gab aber ihrer inneren Stimme, die lieber am vernünftigsten handeln würde, anstatt hier zu explodieren, nach und lief im Laufschritt zur Umkleidekabine der Jungs. Vorsichtig ging sie ziwshcne den vielen grauen und meist unsinnig beschmierten schließfächern umher, dabei atmete sie schwer ein und aus. Auf ihrer Stirn sammelten sich unmengen an kleinen schweißperlchen. Diese unerträgliche Hitze setzte ihr echt zu und dann noch der fehlende Schlaf, das alles war keine gute Kombination. Und anstatt jetzt auf dem nach Hause weg zu sein und sich wie ein schwerer felsbrocken in ihr bett fallen zu lassen , so irrte sie hier durch diese stickigen und muffig riechenden räume, auf der Suche nach Jean, mit dem sie eigentlich eine Verabredung hatte.
>>Naja Verabredung würde ich das nicht nennen. Ich will schließlich nichts von ihm. Wir sind nur Freunde. <<; belog sie sich selbst, während sie zwischen den vielen schmalen Gängen herumirrte. langsam näherte sie sich nun den Duschräumen, aus denen Stimme zu ihr hindurch drangen. Eine weibliche Stimme und eine die ihr sehr wohl vertraut war: Jean. Beim näheren hinhören erkannte sie auch die weibliche Stimme.
"Amber...", flüsterte Lena leicht entsetzt und wäre am liebsten so schnell es ging davon gerannt. Doch ihr verstand sagte ihr: nein, bleib hier und schaue genauer hin. Schau dir die beiden ab und höre über was sie sich so angeregt unterhalten. Und genau das tat sie dann auch. Behutsam, wohl darauf bedacht, niemanden auf sich aufmerksam zu machen schlich sich die Braunhharige an den Eingang der Jungsduschkabinen heran und lugte ein bisschen hinein. Und was sie da sah, ließ ihr einen kalten Schauer über den Rücken jagen, und das bei den hitzigen Temperaturen die vorherrschten. Amber und Jean standen sich gegenüber. Jean trug nichts am Körper, er war splitterfasernackt und über seinen ansehnlichen, leicht gebräunten Oberköper rann das Wasser aus der Duschbrause unentwegt hinweg. Einzelne Strähnen seiner pechschwarzen Haare klebten an seiner Stirn und seinen Schläfen. Er stand der sauerstoffblonden Amber mit ernstem gesichtsausdruck gegenüber, welche ihn flehend aus ihren rehbraunen Augen anstarrte. Ihre Stimme klang als würde sie weinen, worauf Lena verwundert die Augenbrauen nach oben zog.
"Bitte Jean, da ist nicht gelaufen! Brain ist nur ein guter Freund, mehr nicht. Wir waren nur bei einem Freund von ihm und haben ein bisschen rumgehangen - da ist nichts passiert!!", erklärte sie mit Nachdruck und das Flehen in ihren Augen wurde stärker. Seufzend senkte der nackte jean seinen Blick und stierte auf das wasser, welches unter ihm in den Abfluss floss. Er schien nachdenklich zu sein, das sah man seinen meerblauen, leicht von Traurigkeit getrübten Augen an.
"Du sagst da ist nichts gelaufen, aber ich glaube dir das nicht.",erwiderte Jean ruhig und blickte wieder zu Amber auf. In seinen Augen zeichnete sich die pure Verzweiflung ab, die er gerade eben im Inneren durchlebte.
"Und selbst wenn du nichts mit denen gemacht hättest, die Typen wollten dich doch nur flachlegen! Bestimmt!!Und du rennst auch noch zu denen hin und spielst ihr süßes Püppchen!"
"Das ist doch gar nicht wahr!", schrie Amber und packte zitternd nach seiner Hand, doch Jean stieß sie sofort wieder von sich weg. Er wollte nicht das sie ihn anfasste, ihn jemals wieder berührte. Er liebte sie, das hatte er mittlerweile, durch ihre vielen Beziehungspausen eingesehen, und er war bereit dafür, für seine Liebe zu ihr zu kämpfen. doch sie? er wusste nicht ob sie nur mit ihm spielte, ob er ihr genauso viel bedeutete, wie sie ihm. Ob sie ihn nur gut fand und mit ihm zusammen war, weil er der gutaussehenste ihres Jahrgangs war, oder ob da wirklich tiefe Gefühle im Spiel waren. er wusste es nicht und mittlerweile wollte er es auch nicht mehr herausfinden. er wollte einfach nur noch seine Ruhe und vergessen. Sie vergessen.
"Bitte, jean.", wimmerte Amber und tatsächlich sah Lerna erstaunt wie eine kleine silberne Träne ihre vom Makeup überzogene Wange kullerte. "Ich liebe nur dich, und ich will diese Mal Beziehung, mal Keine nicht mehr mit dir durchkauen. Ich weiß das ich dich liebe und nur dir gehöre. Trotzdem musst du mir vertrauen. Wenn ich mit anderen Typen weggeh dann nur weil sie meine Kollegen sind, die ich schon ein paar Jahre kenne. Ich brauche keinen so sehr wie dich!"
Als AMber diese sätze aus tiefstem herzen über ihre Lippen gebracht hatte, nhm sie ihre zittrige hand und tätschelte sachte Jeans erhitzte Wange, auch auf die gefahr hin, das er sie wieder von sich schlagen würde. Aber er tat es nicht. Beide sahen sich tief und voller Sehnsucht in die Augen und dann nahm Jean plötzlich hastig Ambers kleinen Kopf zwischen seine Hände. Ein bisschen erschrocken darüber ließ Amber es geschehen und wehrte sich nicht dagegen. Beide sahen sich noch immernoch unendlich tief in die Augen, bis Amber sich auf die Zehenspitzen stellte, da Jean sie mit dem Kopf zwischen seinen Händen nach oben zu sich zog. Dann öffnete Amber ihren Mund um Jeans Zunge Einlass zu gewähren, welche zunächst ganz sachte an ihre drängte. Doch mit den sekunden die vergingen wurden ihre Zungenspielchen immer leidenschaftlicher, immer wilder. Ziwschendurch stöhnten beide immer wieder kurz auf um nach Luft zu schnappen, nur, um dann wieder in einen endlosen Kuss zu versinken. Hastig und ein wenig stürmisch zog sich Amber ihr Top über ihren Kopf und ließ es achtlos auf den nassen Boden plumpsen, worauf Lena, welche immer noch heimliche Zuschauerin war, mit gerröteten Wangen den blick anwendete. Mit heftig schlagendem Herzen stand sie da und lehte sich an die Wand, ihr Atem ging ebenso rasend wie ihr puls. Hinter der Wand, an der sie mit weichen Knien anlehnte, spielte sich gerade ein feuriges Liebesspielchen zwischen Jean und Amber ab, an dessen Ausgang Lena absolut nicht interessiert war. Sowieso wäre ihr viel lieber gewesen, sie wäre einfach nach Hause gegangen, nachdem Jean nicht wie verabredet am Eingang der Schule aufgetaucht war. Und jetzt? Jetzt musste sie das Bild von Jean wie er mit Amber rummachte wohl auf ewig mit sich rumtragen und davon angewidert Gänsehaut bekommen.
>>Ich gehe jetzt, mir reichts!<<, sagte sie zu sich und so schnell sie ihre wackligen weichen Beine tragen konnten rannte sie hinaus ins Freie, wo sich breits ein dickes fettes Sommergewitter, mit tosendem Wind und heftig lauten Donnergrollen auftat. Der Himmel war pechschwarz und in der Ferne konnte man schon vereinzelt ein paar lila und gelbgefärbte Blitze sehen, wie sie von den Wolken den Weg hinunter zur Erde suchten. Lena hasste Gewitter, und am liebsten wäre sie noch einmal in das schulgebäude gelaufen, welches jetzt sicherlich viel mehr schutz bos, als die freie natur. Jedoch sträubte sich ihr ganzes Wesen davor, wieder da hineinzulaufen. Lieber ertrug sie das Donnergrollen und die Blitze über ihrem Kopf, als womöglich Amber und Jean noch einmal sehen zu müssen. Also rannte sie los, so schnell sie konnte. Wie durch ein Wunder waren ihre zittrigen Knie wie weggeblasen, was wahrscheinlich an dem adrenalinschub lag, welcher Lena nun durchströhmte, als sie so durch die Straßen rannte. Sie war schon ganz außer atem und allmählich verließ sie auch die Kraft in dem rasenden Tempo weiterzulaufen. Doch die 15 Jährige hatte ganz und gar nicht vor sich diesem Gefühl geschlagen zu geben.
>>Ich will nach Hause, und das bevor ich klitschnass werde!<<
Zum Glück schaffte sie es noch rechtzeitig ehe es anfing aus kübeln zu regnen. Erschöpft aber heilfroh endlich am ziel angekang zu sein, lehnte sie sich mit rasselnder Atmung an die Haustür und schloss dabei lächelnd die Augen. "Endlich, zu Hause...!",stieß sie mit stockendem Atem aus ihren nach luft ringender Lunge hervor und öffnete langsam ihre smaragdgrünen Augen. Sofort erblickten diese ein paar braune, große Umzugskartons,welche aufgetürmt vor und nebeneinander standen. Fragend ging Lena näher heran und inspekzierte neugierig den inhalt eines dieser Kartons. Ihre Atmung hatte sich wieder normalisiert und auch ihr gemüt hatte sich wieder etwas beruhigt. Sie war nicht mehr so wütend darüber das Jean sie hatte wegen Amber sitzen lassen, und das nur um mit ihr rumzumachen. Viel mehr war sie überrascht als sie herausfand das diese Kartons mit den Gegenständen gefüllt waren, die man oben auf dem Dachboden lange Zeit vorgefunden hatte. Ihr Vater hatte es also tatsächlich wahrgemacht den Dachboden zu entrümpeln.
"Da bist du ja Lena, gott sei dank!", rief ihr vater von oben herunter und klang wirklich so, als wäre ihm mit dem erscheinen seiner Ältesten ein stein vom Herzen gefallen. Freudestrahlend kam er zusammen mit seinem großen bruder, lenas Onkel Phil, die treppe hinunter und breitete seine Arme aus um seine etwas verwirrt drein schauendeTochter in die Arme zu nehmen. "Im radio haben sie etwas von einem unwetter erzählt, welches jetzt unsere Stadt erreicht hat. ich hatte schon Angst das du dann irgendwo verängstigt herumstehst.",entgegnete er mit sorgenvoller Miene und streichelte der 15 Jährigen kurz sachte über ihren braunen Schopf. Wie rührend, allerdings fand das lena momentan gerade nicht so prickelnd von ihrem vater so betüdelt zu werden, und das alles nur wegen einem kleinen Gewitter. Zugegeben, auch wenn Lena sich sonst vor gar nichts fürchtete, vor einem heftigen Gewitter fürchtete sie sich dafür umso mehr. Darum war dieser Heimweg gerade eben für sie wirklich eine Meisterleistung gewesen, da sie sich sonst immer bei einem unwetter lieber versteckte oder es vorsah, sich bevorzugt drinnen aufzuhalten, auch wenn man mit einem Auto oder mit dem Bus unterwegs war.
"Pap's bitte, übertreibe es nicht. Ich bin doch hier und mir geht es gut!", erklärte sie schließlich ihrem besorgten Vater, welcher sofort von ihr abließ und sich mit stolzem Lächeln seinem Bruder zuwandte. "So Lena, wie versprochen habe ich mit Phil ein paar Sachen von oben vom Dachboden in Kartons verstaut, die Phil gleich mit seinem Transporter von der arbeit in einen Antiquitätenladen schaffen wird. Oder in ein Sozialkaufhaus."
"Aha. Schön, das freut mich. Aber nur weil ich gestern Nacht mal dort oben gewesen bin, heißt das noch lange nicht das ich das wieder tue. Ganz bestimmt nicht. Dort oben siehts nicht nur aus wie sau, sondern es stinkt auch ganz schön extrem.", entgegnete Lena und verzog angewidert die Nase. "Das Letztere hättest du dir sparen können.", hauchte ihr Vater ein wenig beleidigt und klopfte anschließend Phil freundschaftlich auf die Schulter, welcher nur grinsend dastehen konnte.
"Los Phil, wenn es aufgehört hat zu regnen verstauen wir die Kartons in den Transporter.", sagte er zu seinem Bruder, welcher ihm zunickte und sich mit einem Handschlag von Lena verabschiedete, welche rasch nach oben ging. Jetzt wollte sie nur noch eines: aus dem verschwitzen Klamotten raus und erst mal eine schöne abkühlende Dusche nehmen, bevor sie sich an die lästigen hausaufgaben machte. eigetlich hätte sie ja das ganze wochenende dafür zeit, doch lena wollte ihre schulfreie Zeit nicht nur mit hausaufgaben verschwenden, sondern auch noch etwas von ihrer freien Zeit für sich und ihr Wohlbefinden abhaben. deswegen machte sie den großteil lieber heute, denn der tag war sowieso schon gelaufen. Der Tag war das reinste Chaos gewesen, da schienen die Hausaufgaben nur einen Tropfen auf den heißen Stein zu sein.
Vollkommen enspannt stand die Braunhaarige unter der Dusche, als das lauwarme Wasser über ihren angespannten Körper floss. Sie genoss es sichtlich, ihre Gesichtszüge wurden weicher, entspannter. Ihre ganze Köperhaltung wurde gelößter. Sie gab sich nur noch diesem herrlichen Gefühl hin, gedankenlos, vom Wasser benetzt und frei von all den Dingen, die ihr heute das Leben drucheinandergebracht hatten. und nicht nur heute, auch die vergangene Nacht hatte Spuren hinterlassen, über dessen Ausmaße sich lena aber noch nicht im Klaren war. Sie hatte heute in der Schule einen merkwürdigen traum von einem jungen Mann gehabt, der ihr letzte Nacht auf dem Dachboden ihres Hauses begegnet war. Er war bei ihnen eingebrochen und hatte ihre sachen durchwühlt und dann war er auch noch wie durch Zauberhand einfach aus dem fenster gesprungen, als könne er fliegen. Und dann dieser Traum, in dem er anscheinend eine wichtige Rolle gespielt hatte. Lena hatte sich wie zwei Personen gefühlt und doch war sie nur eine gewesen. Eine junge Frau mit kupferroten, langen Haaren...
und dann war da noch diese zeichnugn, welche Lena einfach so von ihm angefertigt hatte, ohne das sie ihrer hand den Befehl dazu gegeben hatte. Sie hatte diese Zeichnung von ihm wie von selbst gemalt, aus einer Empfindung heraus, wo sie sich ziemlich sicher war, das sie nicht von ihr stammte. Jemand anderes hatte in diesem Moment so für ihn empfunden.
>>Das ist doch alles Blödsinn!<<, redete sich die 15 Jährige ein und schüttelte heftig mit dem kopf. Erneut kochte Wut in ihr hoch, doch sie wusste wie sie diese unterdrücken konnte. In diesem augenblick schwor sie sich, nie wieder darüber zu denken. über diesen fremden Kerl der einfach so in ihr Haus eingedrungen war und ihr den Eindruck vermittelt hatte, sich ihn nur eträumt zu haben, da es so absurd war, wie er das Haus wieder verlassen hatte. Durch des Fenster springend und ohne unten Tod oder zumindest schwer verletzt bei ihrer familie zwischen all den Rosenbüschen im Garten zu liegen.
>>Besser ich vergesse das schnell. Sonst werde ich noch irre. Wahrscheinlich war das gestern Nacht nur eh nur ein Traum und ich bin doch wieder einmal schlafend umhergelaufen. Aber es hat sich schon irgendwie...wie die Realität angefühlt.<<
Wütend ballte die 15 Jährige ihre Hände zu Fäusten und stellte anschließend das Wasser ab, welches unentwegt über sie geströhmt war. Sie wollte einfach nicht mehr daran denken! Jeder Gedanke daran, an diesen Typen, ob nun Traum oder nicht, bereitete ihr Kopfschmerzen. Hastig wickelte sie sich ein Handtuch um ihren Köper und stellte sich mit leerem Blick vor den Spiegelschrank, welcher schon leicht angelaufen war. Ganz sachte wischte sie ihn ab, sodass sie ihr ziemlich mitgenommen wirkendes Antlitz erblicken konnte. Ihre Augen sahen müde aus und schrien förmlich nach ein bisschen Schlaf. Wie in Trance nahm sie sich ein kleineres Handtuch und tupfte damit ihre langen nassen haare ganz zärtlich ab. Dabei stierte sie ungeniert auf ihr Spiegelbild, welches total ausgezerht und kraftlos wirkte, wie eine einsamstehende Blume inmitten einer riesigen wiese, welche gerade von einem ziemlich heftigen Unwetter heimgesucht wurde.
Als sie sich so ansah, fuhren ihre Finger nachdenklich über ihren Hals entlang, bis hinunter zum Schlüsselbein wo sie nachdenklich mit ihrem Blick hängen blieb. Sie dachte an Jean und dabei begann ihr ganzer Körper unweigerlich zu zittern. Mit fest zusammengekniffenen Augen drückte sie das Handtuch, mit dem sie eben noch sachte ihre seidigen langen Haare abgetupft hatte, feste an ihre Brust. Tränen füllten sich in ihren Augenhöhlen, doch Lena kämpfte arg dagegen an sie nicht hervorkommen zu lassen. Sie wollte um keinen Preis der Welt weinen, doch dieses unbeschreibliche zerreißende Gefühl in ihrem Herzen war da anderer Meinung. Es gab ihren Tränen den Anlass dazu, aus ihren Augenhöhlen zu brechen und ungeniert ihre geröteten Wangen zu benetzten.
>>Nein, ich will nicht weinen!<<, jammerte sie innerlich und unterdrückte weiterhin den Tränenfluss, der sich aus ihre Augen hervorpressen wollte. >>Ich will nicht weinen, nicht wegen ihm. Nicht wegen so etwas wie Liebe...Ich will ihn nicht lieben!<<
Schlurchzend fiel Lena auf die Knie und drückte das kleine Handtuch, welches sie immer noch zwischen ihren Händen festhielt, in ihr Gesicht, auf dem sich nun doch vereinzelt ein paar kleine Tränenbäche zeigten, welche silbrig glitzerten. Selbst jetzt, als sie weinend und verzweifelt vor dem Waschbecken am Boden kniete, leugnete sie ihre wahren Gefühle für Jean. Sie hatte es einfach nicht wahrhaben wollen, das selbst ihr kleines Herz so etwas wie Liebe für jemanden empfinden konnte. Und dann auch noch Jean. Er war ihr bester Kumpel, ein guter Freund mit dem man ab und an dumm Quatschen konnte, aber mehr nicht. So hatte sie es sich jedenfalls immer eingeredet, sobald in ihr so ein merkwürdiges warmes Gefühl emporgestiegen war, wenn sie sich in seiner Nähe befunden hatte. Doch nun musste sie sich schmerzlichst eingestehen, wenn auch widerwillig, das in ihrem Inneren doch eine kleine Knospe der Liebe gewachsen war, so sehr sie es sich auch dagegen entschieden und sich gewehrt hatte.
"Jean und ich sind Freunde. Und außerdem liebt er Amber.“, stellte sie leise nuschelnd fest und schluchzte noch einmal tief auf. Dann wischte sie sich mit ihrem zittrigen Handrücken die lästigen nassen Salzbäche aus dem Gesicht und stand auf. entschlossen sah sich sich noch einmal im Spiegel an und konnte es irgendwie gar nicht glauben. Nun sahen ihre Augen nicht nur total müde und erschöpft aus, sondern auch noch verheult. Na klasse. Das letzte mal als sie ungewollt Tränen vergossen hatte war an dem Abend gewesen, als ein Polizist vor ihrer Tür aufgetaucht war. Er hatte ziemlich mitgenommen ausgesehen und irgendwie fiel es ihm schwer zu sprechen. Während ihr Vater, noch ein wenig irritiert über die Erscheinung des Polizisten, sich mit diesem an der Haustür gedämpft unterhielt, hörte Lena von oben her, aus einem offenen Fenster, dem Gespräch zu. Und was sie da hörte ließ sie vor Schreck erstarren. „Ihre Frau hatte einen Autounfall.“, erklärte der Polizist mit gedrückter Stimme und senkte immer wieder den Blick, um nicht in die entsetzten Augen von Lenas Vater zu schauen. „Sie ist mit dem Auto gegen einen Baum geprallt. Der Aufprall des Autos war so groß, so dass es sich in zwei Hälften teilte. Der Krankenwagen war sofort da, jemand der hinter ihr gefahren war hat den Unfall mitbekomm und sofort reagiert. Sie ist nun im Krankenhaus. Es tut mir Leid ... “
Das war das Schlimmste was in Lenas Leben bisher geschehen war, oder ihrer gesamten Familie. Ihr Vater hatte dann sie und Maya sofort in ein Auto gepackt und mit ihnen ins Krankenhaus gefahren, in dem seine Ehefrau lebensgefährlich verletzt auf der Intensivstation lag. Der zuständige Arzt hatte Lenas Vater dann mitgeteilt, wie es um seine Frau stünde, und was er ihmganz im Vertrauen, unter vier Augen erzählte, ließ ihren Vater sofort kreidebleich werden.
"Sie hat starke innere Blutungen, die wir nicht stillen können. Ihr Zwerchfell hat auch einen enormen Schaden davon getragen, den wir leider Gottes nicht beheben können. Wir haben sie unter Medikamente gesetzt und sie so in ein künstliches Koma gelegt. Aber ..." Der Arzt in dem schneeweißen Kittel, der in dem Neonlicht wie ein rettender Engel aussah, blickte ohne einen Funken Hoffnung in seinen Augen in das bleiche, vor Schock erstarrte Gesicht von Lenas Vater. Es fiel ihm sichtlich schwer, die richtigen Worte zu finden.
"Ich denke ... sie wird aus dem Koma nicht mehr erwachen. Höchstwahrscheinlich gewinnen wir nur ein paar Tage, bis ihr Körper gänzlichst den Kampf aufgibt. Und ihr Herz schließlich versagt ..."
Stumm nickte ihr Vater, wissend, dass es nun keine Hoffnung mehr gab, seine Frau womöglich doch noch wie durch ein Wunder retten zu können. Das Leben, die Realität, machte dies leider unmöglich. Denn da gab es keine wunderlichen Ereignisse.
Schließlich dauerte es nur ganze 3 Tage und Lenas und Mayas geliebte Mutter schlief seelenruhig in ihrem Krankenbett, umgeben von lauter medizinischer Instrumente. Ihr Herz gab endlich den sinnlosen Kampf auf und kehrte an einen friedlicheren Ort zurück, den man auf Erden wohl nie finden würde. Weinend lag Maya damals in den Armen ihres Vaters, hemmungslos schluchzend, während Lena nur still dagessen , wie eine Mumie, und vor sich hingestarrt hatte.
Nachdem sie ihre geliebte Mutter und Ehefrau zu Grabe getragen und ordentlich verabschiedet hatten, ging es mit der jetzt 15 Jährigen steil bergab. Obwohl sie äußerlich den Anschein machte, als hätte sie dieses Erlebnis so einigermaßen gut überstanden, so war dem nicht wirklich so. Lena hätte damals die Trauer, die Wut über den Tod der plötzlich verstorbenen, geliebten Mutter und die dazugehörigen Tränenausbrüche zulassen sollen. Doch sie hatte genau das Gegenteil davon gemacht. Sie hatte so weiter gelebt wie bisher, nur verzog sie sich immer mehr in ihr Schneckenhaus, war meistens geistig wie weggetreten und übte ihre üblichen alltäglichen Tätigeiten wie in Trance aus. Bis zu dem Moment, wo sie nicht mehr so weitermachen konnte. Wo ihr Inneres den Druck der unterdrückten Trauer und Wut nicht mehr im Zaum halten konnte, passierte es. Sie ging über die stark befahrene hauptstraße, welche zu ihrer Scule führte, wie gewohnt, doch plötzlich blieb sie mitten auf der Fahrbahn stehen. Eine innere Stimme der tiefen Traurigkeit hatte ihr gesagt anzuhalten und es geschehen zu lassen, was immer auf sie jetzt zukommen mag. Und dann fuhr ein Auto direkt und rasend schnell auf sie zu. Energisch hupend. Doch Lena hatte sich nicht vom fleck bewegt. Ihre sonst so voller Leben leuchtenden smaragdgrünen Augen waren vollkommen leer.
„Lena, geh beiseite!“, schrie Jean ihr von der anderen Straßenseite panisch zu, in sein Gesicht war von Entsetzten gezeichnet. Ohne lange zu überlegen rannte er auf die immer noch wie erstarrte Lena zu und packte sie grob am Handgelenk, weshalb Lena kurz „Au!“ aufstöhnte. Anschließend zog er sie hastig zu sich und drückte sie an seine Brust, während das Auto hupend vorbeifuhr, und der Fahrer ihm noch einen Vogel zeigte. Wie ein ängstliches Kind klammerte sich die damalige Lena an Jean, ihr ganzer Köper zitterte wie Espenlaub. Die beiden hockten mittlerweile auf dem Fußweg, da Jean sie ohne zu zögern auf die andere Straßenseite geschoben hatte. Um sie herum starrten andere Passanten die beiden verblüfft und fassungslos zugleich an.
„Lena, was...ist in dich gefahren?“; stieß Jean fassunglos hervor, während Lena ihr Gesicht weiterhin an seine Brust schmiegte. Sie brachte es nicht über sich ihm in die Augen zu sehen, so sehr schämte sie sich dafür.
„Wolltest du dich etwa umbringen?“ Er packte sie sanft an ihre Schultern und drückte sie ein wenig weiter von sich weg, so dass er ihr ins Gesicht sehen konnte. Sie hatte den Blick gesenkt, vermutlich weil sie sich dabei unwohl fühlte, nachdem was beinahe gerade eben mit ihr passiert wäre. Trotz des gesenkten Blickes sah er, wie sie weinte und blinzelte ein wenig verwundert. „Ach Lena.“,hauchte er leise und drückte sie wieder an sich, auch wenn sie sich zunächst dagegen wehrte, ließ sie es doch Sekunden Später geschehen. Liebevoll streichelte er ihr über den braunen Schopf und fand ein paar tröstende Worte. „Es wird alles wieder gut. Lass es raus, weine wenn dir danach ist. das ist keine Schande. wein dich richtig aus, dann geht es dir besser. weine so viel du willst, aber mach bitte nie wieder so einen Blödsinn..!“ Allmählich beruhigte sich vollkommen in sich aufgelößte Lena wieder und kam, nach einem wirklich richtig heftigen Heulkrampf, wieder zu sich. Behuitsam stroich Jean ihr anschließend die übrig gebliebenen Tränen vom Gesicht und lächelte voller Zuversicht. „Das wird schon wieder, okay? Ich bin doch für dich da.“, sagte er leise, worauf Lena wissend nickte und sich schlurchzend die Nase rieb. In diesem Augenblick so glaubte sie, hatte sich bereits die kleine Blüte der Liebe angefangen in ihrem Herzen auszubreiten. Doch sie hatte es immer abgestritten und geleugnet. Bis heute.
Noch ein wenig benommen von der kleinen Heulattacke gerade eben stapfte lena in ihr Zimmer hinauf, wo sie auch schon sogleich von der schwülwarmen Luft einen mächtigen Hieb ins Gesicht bekam, als sie die Tür öffnete. Tief ein - und ausatmend trat sie hinein und holte sich ein paar gescheite, locker sitzende Kleidung aus ihrem schrank. Eine schwarze kurze Panty und dazu ein ebenfalls schwarzes Spaghettiträgertop mit der pinken Aufschrift „nicht ansprechbar“ darauf. Wie zutreffend. Heute wollte Lena absolut nicht mehr dumm von der Seite angesprochen werden, und wenn doch, so musste derjenige auch mit ernsthaften Konsequenzen rechnen.
Seufzend setzte sich die Braunhaarige erschöpft auf ihren Drehstuhl und schob diesen stöhnend an ihren Schreibtisch, wo bereits ihre ganzen Schulsachen herumlagen, die sie für die zu erledigenden Hausaufgaben benötigte.
>>ich habe zwar keine Lust, aber vielleicht lenkt mich das ein wenig ab.<< Mit genervtrollenden Augen nahm sie sich das große Biologiebuch i´zur Hand und schlug die Seite auf, die sie ausarbeiten sollte. Tierische und Plfanzliche Einzelle. Wie interessant. Während sie so las spürte sie den druck in ihren augenlider und wie dieser merklich von Satz zu Satz zunahm. Auch wenn die angenehme lauwarme Dusche vorerst den Eindruck vermittelt hatte, sie könnte jetzt noch locker ein paar Stunden in ihren Hausaufgaben arbeiten, so musste sie sich eben eines besseren belehren lassen. Sie war totmüde und daran konnte noch nicht mal eine enstpannte Dusche dabei helfen. was sie brauchte war eindeutig ein wenig Schlaf. Gähnend klappte sie das Biologiebuch wieder zu und schmiss es ahtlos auf ihren schreibtisch zurück. „Ich muss ins Bett...!“,wimmerte sie und rieb sich hektisch die Augen. „Wenigtens muss ich ein, oder zwei Stunden schlafen, dann geht es mir wieder gut. Dann müssen die Hausaufgaben daran glauben.“ Zufrieden grinsend, da sie sich gleich wie eine Feder in ihr Bett gleiten würde, stand Lena von ihrem drehtstuhl auf und schlürfte mit geschlossenen Augen in Richtung der beiden Fenster, welche sich nebeneinander befanden. „Gute Nacht, Sonne.“, murmelte sie vor sich hin, als sie die gelb- blau gestreiftenVorhänge schloss, sodass kein einzoger Lichtstrahl mehr durch brechen konnte.
Als das erledigt war stapfte sie müde und kraftlos zu ihrem Bett, bis plötzlich unerwartet ihr Handy, welches ebenfalls auf dem Schreibtisch herumlag, lautstark vibrierte. Stöhnend ging die Braunhaarige zum Schreibtisch und schielte fragend auf den Display, um zu sehen wer sie gerade beim Heiagehen störte.
Es war Jean.
Vor Wut schnaupend drückte sie ihn weg und lief ohne weiter darüber nachzudenken, wie Jean sich jetzt wohl fühlen musste, da sie ihn einfach wegdrückte, zu ihrem Bett und sprang fröhlich summend hinein. Vollkommen entspannt und immer noch grinsend kuschelte sie ihr Gesicht in ihr weiches Kissen, während sie auf dem Bauch liegend verharrte - ihre Lieblingsschlafposition. Sie wollte jetzt nicht mit Jean reden, geschweige denn mit überhaupt jemandem. Sie wollte einfach nur Schlafen. Wenigstens ein bisschen.
Während Lena allmählich in das süße Land der Träume hieninglitt, wie ein am Himmel dahinsegelnder Vogel, vibrierte ihr Handy auf dem schreibtisch noch ein paar Mal hintereinander auf. Das Gewitter, welches vor einer halben Stunde noch draußen gewütet hatte, hatte sich verzogen und ließ den warmen Sonnenstrahlen endlich wieder Platz um sich zu entfalten. Unten im Hof war Lenas Vater mit seinem Bruder Phil noch immer eifrig und ab und an fluchend damit beschäftigt, die Kartons im Hausflur in den Transporter zu hieven. Die beiden sahen aus wie kleine Kinder, so wie sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe schoben und wegen jeder Kleinigkeit herumstritten.
Wie ein vogel gleitete Lena durch das Land der Träume und fühlte sich dabei genauso frei, wie es wohl auch ein richtiger Vogel tat. Mit weit ausgebreiteten Armen spürte sie den Wind um sich herumwehen und schloss relaxt die Augen, bis sie unter ihren Füßen etwas sandiges, warmes fühlte. Ganz in der nähe hörte sie das Rauschen des meeres und durch ihre Nase drang der Duft von Salzwasser und Seetang. Lächelnd öffnete sie langsam die Augen und blickte auf das große weite Meer hinaus. Wie eine kuschelige Decke schmiegte sich der weiche Sand zwischen ihre Fußzehen, weshalb Lena anfangen musste zu kichern, da es ein wenig kitzelte.
Neugierig blickte sie sich um und sah etwas weiter von ihr entfernt, wie eine etwas ältere Frau mit langen, hellbraunen Haaren am Rand des Meeres stand, und die ab und zu heranrollenden Wellen sich über ihren nackten füße ergossen. sie trug ein leichtes, beinahe durchschimmerndes Sommerkleid, welches mit dem Wind herumwirbelte - genauso wie es ihre langen Haare taten. Auf ihrem Kopf trug sie einen großen, hellen strohhut, den sie mit einer Hand und viel Mühe auf ihren Kopf drückte. bei ihrem Anblick wurde Lena mit einem Mal ganz warm ums Herz. es war fast so, als hätte sie dieses bild schon einmal vor sich gehabt. Eine junge frau am strand, umgeben vom tosenden Meer und dem reißenden wind an ihrer kleidung und an ihrer Kopfbedeckung. Und als sich die Frau zu ihr umdrehte und lächelte, wusste sie auch warum. Es war ihre Mutter. So wie Lena sie jetzt vor sich hatte, hatte sie bei ihrem letzten Urlaub ausgesehen, als ihre Familie gemeinsam einen Ausflug in die Karibik gemacht hatten. Das erste und letzte Mal waren sie zusammen dort gewesen, und bei ihrem Anblick und mit der Gewissheit, das dieses Bild von ihrer Mutter vor ihren Augen nur ein Werk ihrer Erinnerung war, liefen Lena ungehemmt die Tränen über das Gesicht.
„Mama.“, flüsterte sie in den Wind, welcher ihre Stimme direkt zu der älteren Dame am Strand trug. Diese lächelte immer noch und kam auf Lena zu. je näher sie kam, desto unerträglicher wurde die Last auf ihrer Seele. Lenas verletzter Seele, deren Wunden wahrscheinlich niemals heilen würden, da ihr das liebste im Leben genommen wurde.
„Mama, du bist...da. Du bist hier.“ Mit tränenerstickter stimme rannte Lena ihr ein stückchen entgegen, da sie es nicht mehr aushielt, nur darauf zu warten bis ihre Mutter endlich bei ihr war. Sie rannte zu ihr und fiel ihr lautstark schlurchzend in die Arme. „Da bist du ja endlich! Ich hab dich so vermisst! So sehr..“,wimmerte Lena unter Tränen und drückte ihre Mutter oder zumindest das Abbild dieser fest an sich. Sie wollte sie nie mehr gehen lassen, wenn es diese Möglichkeit gegeben hätte. Doch Lena wusste das es nur ein Traum war und das dieser irgendwann vorbei sein würde, egal was sie sich wünschte. Dennoch wollte sie das dieser Traum noch ein bisschen bestand hatte und sich nicht gleich wieder in Luft auflößte. Nichts sehnlichster wünschte sie sich in diesem Moment, als in den Armen ihrer Mutter alle Sorgen und Qualen des realen Lebens zu vergessen. Wenigstens für eine Weile...


* * *

Zornig riss er die Tür zum Kühlschrank auf und holte sich dort eine kühle Flasche seines Lieblingsbieres hervor, welche er Tage zuvor hineingestellt hatte, um sie nach beschissenen durchlebten Stunden sich ungehemmt den Kopf voll zu schütten. Das musste jetzt mittlerweile schon die 8 Flasche oder so sein, doch genau wusste er es nicht, denn nach so einer mießen Nacht, wo alles nicht so gelaufen war, wie er das gerne gewollt hatte, zählte er nicht wirklich nach. um genauer zu sein war es ihm Scheißegal. „Diese blöde Tussi, wenn die mir nicht dazwischen gefunkt hätte, dann hätte ich jetzt was ich brauche und müsste jetzt nicht hier in Unterhosen und zerknittertem Hemd nicht hier stehen und mich besaufen!“, wütete er lautstakr und leicht lallend vor sich her, während er die Tür des Kühlschranks mit einem lauten Knall zustieß. Dann nahm er ein wenig torkelnd die kalte, von der umgebenen Wärme im Zimmer leicht angelaufene braune Bierflasche und kramte schwankend in einer der Schubladen nach einem Flaschenöffner. „Wo ist denn dieses verflixte Ding?!Scheiße ey, ich... dreh hier echt ...noch durch!“, schimpfte er, wenn auch etwas angehackt und gab die Suche nach dem Öffner auf. Taumelnd schob er die Schublade sanfter als die Kühlschranktür wieder zu und lehte sich mit der Stirn an einen der vielen Hängeschränke an. Dabei schloss er die Augen und atmete ein paar Mal tief durch. Selbst jetzt, als er einfach nur still dastand, wankte er ein wenig von ein Bein auf das andere. „Oh, hier bist du also. Wusste ich es doch...das ich dich irgendwo gesehen ha-habe...!“,nuschelte er leise und mit einem leichten Schluckauf am Ende des Satzes, als er die Augen wieder aufgemacht und den Flaschenöffner schließlich auf der Küchenarbeitsplatte erspäht hatte. Freudig nahm er ihn an sich und befreite das kalte kühle Bier von seinem Verschluss, den er unachtsam zu Boden schleuderte.
„Endlich, das...tut gut. Das ist so geil wenn das kalte Bier einem die Kehle runterläuft.ich würde sogar sagen, es ist noch besser als Blut.“, sagte er zu sich selbst, streckte dabei seinen Kopf nach oben und lächelte zufrieden.
„Rede keinen unsinn!“, hörte er eine ihm vertraute, weibliche Stimme neben sich erschallen, welche ziemlich aufgebracht zu sein schien. Eine junge Frau mit schmalen Körperbau und schulterlangen, lockigen Haaren stand neben ihm und sie sah ziemlich wütend aus. Ihre blutroten Augen funkelten wie zwei rubinartige Sterne.
„So, so, Brüderchen.“, begann sie und seufzte, wendete dabei ihren Blick aber nicht von ihm ab. „Hast du dich nach deinem nächtlichen Ausflug wieder erholt?Wen hast du da gestern bitteschön mitgebracht? Wer liegt blutleer in deinem Bett und rührt sich nicht mehr?!?“
„Ach Eve, jetzt tu nicht so als ob dich das aus der Fassung bringt.“, entgegnete er lachend und nahm anschließend noch einen Schluck von seinem kühlen Getränk, während er seiner Schwester immer noch keines Blickes würdigte - diese allerdings mit ihren Blicken fast tötete. „Sie ist nur eine Obdachlose, niemand wird sie vermissen. Sie hat monatelang, wenn nicht sogar Jahre lang auf der Straße gelebt. Die wird niemand vermissen, glaub mir.“, erwiderte er unbeeindruckt und ruhig und trank mit einem zug die Flasche leer. Anschließend stellte er sie mit einem lauten Krachen auf den küchentisch ab, wo sich breits schon einige andere, leergetrunkene Flaschen befanden. Allerdings waren das weit aus mehr, als nur acht Stück.
„Du bist doch nicht ganz bei Sinnen, du weißt wie die regeln lauten, oder?! Wir dürfen nur von den kranken und alten Leuten trinken, kapiert? Das was du gemacht hast ist ein Verstoß!“
„Dieses eklige Blut von den Alten und Kranken schmeckt aber scheußlich!“,gab er nun ebenfalls etwas laut und gereizt von sich, und krahmte währenddessen ein wenig unbeholfen und immer noch schwankend in seiner Brusttasche seines zeknitterten Hemdes, wo sich die Zigarettenschachtel befand. „Das Blut von denen schmeckt nach Krankheit und nach Tod, was ich aber ab und zu mal brauches ist frisches Blut, was nach Leben schmeckt und nicht nach Verwesung!“
„Ach ja, ist das so, hä? Und das du davon von dem Rat des oberen Hexenkults bestraft werden könntest, ist dir egal, oder?! Die warten nur darauf das sie einem von uns einen Pfahl in die Brust rammen können! Und mal davon abgesehen...“,sprach Eve vor Wut erregt weiter. „Wieso gehts du bitte ohne deine Kontaktlinsen hinaus?Willst du das jemand deine Augen sieht und ihm vor Schreck das Herz stehen bleibt?“ Eve konnte die Nachlässigkeit ihres Bruders nicht verstehen. Ihre blutroten, intensivleuchtenden Augen war das auffallendste Merkmal ihrer Rasse und anstatt es zu verstecken oder zu kaschieren rannte er, Gabriel, so draußen herum, so dass es jeder Mensch sehen konnte. So lief er Gefahr irgendwann entarnt zu werden und die Angst und der Hass der Menschen auf ihre Rasse würde erneut wieder auflodern, so bald sie wussten wer oder was er war. ein Vampir.
„Vergiss nicht, seit vielen Jahtausenden denken die Menschen nicht mehr an uns. Für sie sind wie nur Mythen oder Legenden, entsprungen aus einer irsinnigen Fantasie eines oder mehreren Menschen. Wr dürfen uns ihnen nicht preisgeben.“, erklärte sie mit Nachdruck in der Stimme und wurde, nachdem es ausgesprochen war, wieder ruhiger, während ihr Bruder sich mühselig darum bemühte, die Zigarette, welche an seinem Mund klebte mit einem Feuerzeug anzubekommen. Allerdings wollte das Feuerzeug nicht so wie er es wollte. Als Eve diesem jämmerlichen Schauspiel eine Weile zusah konnte sie nicht anders als ihm die Zigarette aus dem Mund zu reißen.
„Du bist noch keine 18, du darfst noch nicht rauchen. und dich hemmugslos besaufen, auch wenn es nur Bier ist, ist auch tabu.“, entgegnete sie mit ernster Stimme, schnappte sich die zigarette und die dazugehörige Schachtel, welche Gabriel unachtsam neben sich hatte auf der Küchenarbeitsplatte abgelegt hatte, und zerknüllte diese demonstratiev zwischen ihren Händen. Im Anschluss daran warf sie was davon üprig geblieben war in das Spülbecken und war schier fassunglos darüber, wie Gabriel mit seiner Gesundheit umsprang. Und das obwohl vampire nicht krank werden konnten.
„Es ist nicht zu fassen, wie du mit deinem Köper umgehst!“, schimpfte sie und stemmte ihre Hände gegen ihre Hüften.
„Obh bitte, ich bin keine 17 mehr. Ich bin schon viel Älter, schon Jahrhunderte älter, also darf ich auch machen was ich will!“, stieß er aufgebracht hervor und stierte ein wenig wehleidig auf den Akt der Zerstörung, welchen seine Schwester über seine geliebte Zigarettenschachtel gebracht hatte. Sie behandelte ihn immer noch wie einen minderjähigen, noch nicht volljährigen 17 jährigen und das obwohl er schon Jahrhunderte, wenn nicht sogar schon Jahrtausende darüber hinaus war. er konnte mit seinem Leben machen was er wollte, und damit basta.Immerhin war es sein ewiges Leben und nicht ihres.
„Ich bin kein Baby mehr, Schwesterherz.“,hauchte er gelassen und schien auch rein äußerlich wieder etwas gelassener zu sein. „Ich kann für mich selbst Sorgen, danke. Und außerdem müssen Vampire ja keine Angst haben das sie Lungenkrebs oder so etwas bekommen. Nicht wahr?“, fügte er noch mit sarkastischem Unterton in der Stimme hinzu und grinste seine schwester beim vorbeigehen nur schief an. Dann verschwand er auch schon wie ein wankendes Boot auf offenem meer, welches von der einen zur anderen seite kippte, den langen Hausflur entlang, in sein, durch dicke Vorhänge, verdunkeltes Schlafzimmer. Jedes Fenster im Haus war mit einem dieser dicken Vorhänge versehen oder es war ein Rollo angebracht, sodass kein einziger Lichtsrahl der hellen Sommersonne hineingelangen konnte. Denn auch wenn normale Menschen es schön fanden, für Eve‘s Familie war das Sonnenlicht äußerst ungeeignet, da es ihre Köper beim kleinsten aufeinandertreffen verbrennen würde, bis nichts mehr außer Asche von ihnen zu sehen wäre.
"Mein Bruder ist nicht normal. Er tut fast so als wäre alles ein Spiel und säuft sich ungehemmt die Birne zu!",zischte Eve immer noch vor Wut brodelnd, als sie in das große mit dunklem Parkettboden belegte Wohnzimmer stapfte, wo ihr Ehemann, ein großer Mann mit markanten Gesichtszügen und etwas langen, nach hinten gekemmten braunen Haaren auf einem der Sessel saß, welche aussahen, als wären sie aus der Barockepoche abhanden gekommen.
"Ach liebes, lass ihn doch. Ich denke er will damit nichts böses und im Grunde weiß er ganz genau, welche er Regeln er befolgen muss und welche nicht. Und naja, das er so viel trinkt...tja",gab der stattliche vornehmaussehende Herr ruhig und betont von sich und rückte dabei seine Brille etwas zurecht, welche ihm während des Lesens eines außerordentlich großen Romans wohl von der Nase geruscht war. Als er so sprach blickte er dabei unverwandt zu Eve, welche ihn liebevoll anlächelte und es schien als wäre ihr Zorn wie weggeblasen. Mit einer geschmeidigen Bewegung trat sie nahe genug an ihren Ehemann heran und gab ihm kichernd und ganz unverblühmt einen kleinen Kuss auf die Lippen. er sah viel Älter aus als sie, jedoch hieß das nicht das er hässlich oder so war, im Gegenteil: er sah für sein Alter recht ahnsehnlich aus.
"Für was war das?",flüsterte ihr Mann ihr verwundert ins Ohr, während sie sich so ohne weiteres auf seinem schoß plazierte, was ihn aber anscheinend nicht störte, und liebevoll ihren Arm um seinen Hals schlang. "Ich liebe dich, Clark. Dafür das du mich immer aufheiterst egal wie mir gerade zumute ist. Ich brauch dich nur anzusehen und schon bin ich glücklich.", säuselte sie liebevoll und legte ihren Kopf gegen seine Brust und obwohl dem nicht so war glaubte sie sein Herz schlagen zu hören. träumerisch schloss sie die Augen während er ihr liebevoll ein paar ihrer blonden lockigen Strähnen aus dem gesicht streichte.
"ich liebe dich auch, Liebling.", antwortete er sogleich darauf und legte das schwerer Buch, durch das er gerade eben noch für Stunden begeistert geblättert hatte, beiseite, auf den kleinen schöngeschuwungenen Tisch, welcher direkt neben ihm stand. "Ich weiß auch nicht warum Gabriel es so maßlos mit dem Alkoholkonsum übertreibt, aber ich bin mir sicher er passt auf sich auf und auf die Auswirkungen seines Handelns.", erwiderte Clark nach einer angenehmen kurzen Zeit des Schweigens zwischen den beiden, worauf Eve auf seinem Schoß sitzend sich mit ernstem Blick aufrichtete. "Ja wenn du meinst. Ich glaube ja auch nicht das er etwas dummes machen würde. Nun ja, ein was dummes hat er sich ja erlaubt. Weißt du das ein totes Mädchen in seinem Bett herumliegt?", brachte Eve ein wenig empört über ihre schmalen Lippen und hätte schon allein bei dem Gedanken an das unbedachte Handeln ihres kleinen Bruders schon wieder in die Luft gehen können, doch Clarks sanftes Lächeln hielt sie davon ab. Zum Glück.
"Ich werde nachher ein paar unserer Mitarbeiter dazu beauftragen die "Sauerrei" in Gabriels Zimmer wegzuräumen.", flüsterte Clark leise und spielte zärtlich mit ein paar von Eve's goldblonden Locken, was ihr gefiel, da sie ihm liebevoll zulächelte. "Und ich hoffe inständig das es nur ein einmaliger Ausrutscher von ihm war."
Eve nickte wissend, jedoch wurde es ihr augenblicklich um ihr erkaltetes herz noch kälter,als sie sich die Worte ihres Mannes nocheinmal durch den kopf gehen ließ. >>Die Sauerrei wegräumen.<<, dachte sie und wurde auf einmal tief traurig. Ihr Lächeln verschwand, was Clark natürlich nicht entging. Mit besorgtem Blick hob er sachte ihr Kinn, so dass sie ihn ansehen konnte. was sie auch tat, allerdings waren ihre tiefroten Augen nicht mehr so strahlend, wie sonst, sondern eher matt.
"Was ist los, Liebes?", fragte er sie und strich ihr sanft ein paar Haarsträhnen beiseite, die ihren Blick auf ihn etwas behinderten. Eve seufzte, sah ihn erst kurz bittend an, doch schlagartig blickte sie wieder weg, zur Seite. Dann schloss sie langsam ihre Lider und schien sehr nachdenklich zu sein.
"Dieses tote Mädchen...", flüsterte Eve dann nach ein paar Sekunden des unangenhemen Schweigens. "Willst du sie einfach so verbrennen und ihre Asche wegwerfen, wie Müll? Immerhin...bestimmt hatte sie irgendwo eine Familie gehabt, die sie sehr liebt. Und sie dann einfach so unwürdig beiseite räumen. Das tut mir sehr Leid." Sachte streichelte sie Clark über die harte Brust, welche von einem lilafarbenen langärmligen Hemd eingehüllt war. Dieser genoss ihre Zärtlichkeiten sichtlich, denn er schloss ebenfalls für einen kurzen Moment die Augen. Doch Eve's Worte ließen ihn diese zärtliche Berührung nicht lange zu. Mit weicher Miene sah er in die Augen seiner viel jüngerer aussehenden Frau.
"Ich weiß was dir auf dm Herzen liegt, Liebes. Aber das geht leider nicht. Wir können diesem Mädchen keine angemessene Bestattung geben. Und, selbst wenn, wo sollten wir sie denn begraben? Im Garten?", fragte er sie mit ernster Stimme, wobei auch eine Spur von Belustigung herauszuhören war. Er verstand Eve's Mitleid zwar, jedoch war es unmöglich ihr diesen Wunsch zu erfüllen, das Mädchen, welches Gabriel auf dem Gewissen hatte, angemessen zu bestatten. Weder im Garten noch auf einem der hier gelegenen Friedhöfe.
"Aber...wir haben doch einen riesigen Garten. wir könnten ihre Asche in eine Urne tun und sie zwischen den vielen rosafarbenen, blühenden Rosensträuchern tun. ich bin mir sicher rosa war ihre Lieblingsfarbe, immerhin ist das die Lieblingsfarbe von vielen jungen Mädchen.",entgegnete Eve vor Freude aufblühend, wie eine Knospe im Frühling, doch Clark senkte seinen Kopf und verneinte ihre Idee kopfschüttelnd.
"Das geht nicht, Schatz. Auch wenn es eine schöne Vorstellung wäre, aber...es ist nun mal unser Garten und kein friedhof. Außerdem gehört uns dieses Anwesen nur solang wie wir hier sind. Wir haben es nur gemietet."
Bestürzt über die so treffenden Worte ihres Ehemannes stand Eve auf und funkelte ihn aus einem verärgerten rotaufblitenden Augenpaar finster an. Warum er sich so dagegen sträubte die Asche des Mädchens in ihren Garten zu begraben? Es würde doch keiner Mitkriegen. Außerdem hatte sie ja nicht vor einen riesigen Grabstein zwischen den Rosenbüschen zu stellen. Zumal sie den Namen und das geburtdatum des Mädchens eh nicht kannte und sie war sich sicher das es ihr kleiner naiver Bruder auch nicht wusste.
"Aber..wieso denn nicht?", protestierte sie desshalb lautstark, worauf Clark etwas genervt mit den dunkelroten Augen rollend sich von seinem uraltaussehenden Sessel erhob. "Wir haben doch den Platz, und außerdem habe ich nicht vor ein Grabstein dort hinzulegen oder ein Holzkreuz anzubringen!Es würde also niemand außer uns wissen das jemand dort liegt!" Mit flehenden Augen sah sie Clark an, welcher nun in voller Größe mit seiner schwarzen Stoffhose, seinem lilafarbenen langärmlichen Hemd, dessen Ärmeln er allerdings hochgekrempelt hatte, weil es ihm besser gefiel wenn die Unterarme frei lagen. Seine Gesichtszüge waren weich und entspannt.
Er sah nicht wütend aus oder dergleichen, nein, eher im Gegenteil: er verstand Eve's Mitleid, den sie für dieses arme junge Ding, welches zum Opfer einer übermenschlichen Naturgewalt -Gabriel- geworden war: Eve war schon immer, in jeder Hinsicht ein sehr mitfühlender, emotionales Geschöpf gewesen. Damals als Mensch war es so gewesen und jetzt als Vampir, war es sogar noch intensiver.
Clark lächelte seine viel jünger aussehende Ehefrau liebevoll an und diese erwiderte sein Lächeln nach kurzem Zögern ebenfalls und verzog ihre Mundwinkel leicht nach oben, was ihn natürlich sehr freute, da er es nicht ausstehend konnte seinen blonden "Engel" wütend oder gar verletzt zu sehen - auch wenn diese Verletzungen nicht von außen sichtbar waren, außer durch die trüben, nicht funkenden rötlichen Augen.
"Nun gut, Liebling.", sagte er schließlich und senkte für sekunden den Blick. "Wir werden das Mädchen zwischen den Rosenbüschen draußen im Garten vergraben. Ist das nun so in deinem Sinne? Hast du mich jetzt wieder lieb?", fragte er sie belustigt lachend und aus seinem eben noch süßen, zartschmelzenden Lächeln wurde ein breites Grinsen.
"Ja, sicher ist das in meinem Sinne.", entgegnete Eve freudestrahlend und fiel ihrem Liebsten sofort um den Hals. Sie sprang wie ein junges Mädchen auf ihn und umklammerte mit ihren schlanken, zierlichen Beinen seine Hüften. Er hielt sie dabei bestimmend am Po fest, was sie nicht unangenehm fand, denn sie ließ es mit einem Grinsen geschehen.
"Ich liebe dich, mein Schatz!", hauchte Eve zärtlich in sein Ohr und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Stirn. Ihre Arme hatte sie um seinen Hals geschlungen, damit sie nicht nicht rücklings runterzufallen drohte.
"Ich liebe dich auch, Liebling.", antwortete Clark ebenso sanft und schließlich gaben sich beide einen leidenschaftlichen Kuss.

Immer noch leicht unbeholfen, da der Alkoholpegel in seinem erkaltetem Körper zu rebellieren schien, taumelte Gabriel in sein Schlafzimmer, auf dessem dunkelblauen Teppichfußboden unzählige benutzte oder unbenutze männliche Kleidung herumlag - darunter lagen auch ein paar dreckige und schon mehr als ausgetragene Turnschuhe, eine ausgewaschene, von Frauen getragene, Jeans und ein T-Shirt einer beliebten Sportmarke, welcher aber schon seit Jahren aus der Mode war. Auf dem Bett lag noch eine dunkle mit Blut besudelt, ebenfalls an manchen Stellen von Motten durchlöcherte Strickjacke und ein Stückchen weiter weg lag ein Bündel Fleisch auf dem Bauch liegend, nur noch in Untewäsche gekleidet. Der Verschluss ihres BH's war hinten offen, jedoch hatte sie ihn noch über dem Busen. An ihrem Hals entlang befanden sich schon getrocknete Blutflecken, die ihren Rücken hinunterführten, bis auf das Bettlacken, welches in seinem früheren Leben bestimmt mal weiß ausgesehen hatte. Und jetzt? Jetzt war es mit getrockneten Blutspritzern und Blutlachen besudelt. Füchterlich.
"Irgendwo hier muss ich doch welche versteckt haben. Mist!", fluchte er, während er schon beinahe panisch sein Zimmer nach ein paar Zigaretten durchwühlte. Er war sich absolut sicher das er erst vor kurzem ein paar Zigarettenschachteln gekauft und sie irgendwo in seinem Zimmer unterggebracht hatte, wo seine geliebte fürsorgliche Schwester garantiert nicht danach suchen würde. Aber nur wo?
>>Ah, hier sind sie. Wusste ich es doch!<<, dachte er, nachdem er zwischen all seinen frisch gewaschenen und fein zusammengelegten Unterhosen eine Zigarettenschachtel erspähte, und atmete erleichtert aus, so als wäre sein belangloses Dasein hier auf Erden somit gerettet.
Stürmisch nahm er sich eine Zigarette, zündete diese rasch an, und das obwohl er so derartig damit beschäftigt war, sein Gleichgewicht zu halten. Genüsslich zog er den grauen giftigen Qualm in seine erstarrten Lungen und atmete ihn gleich darauf ebenso inbrünstig wieder aus. Seine Augen hielt er dabei bewusst geschlossen, denn wenn man etwas in vollen Zügen genoss, dann schloss man meistens seine Augen und lächelte zufrieden. Auf einmal tauchte vor ihm das Bild von letzter Nacht vor seinem inneren Auge auf, als er das junge Mädchen in zerlumpter Kleidung, welches nun leblos und blutverschmiert auf seinem Bett lag, in der Dunkelheit auf dem Gehweg begegnet war. Das junge Mädchen hatte traurig auf einer Bank gesessen und in den sternenübersehten Himmel gestarrt.Neugierig war er daraufhin stehengeblieben und hatte sich zu ihr gesetzt. Und wie er dann so bei einem kleinen plausch herausgefunden hatte, war sie wohl obdachlos und wusste nicht wo sie schlafen sollte. Und deshalb säße sie jetzt dort auf der Bank herum. Gabriel hatte so getan, als wäre er ein heiliger Sameritär und ihr angeboten die Nacht bei ihm zu verbringen und das sie vor ihm keine Angst haben müsse, das er so was wie ein Serienkiller war oder so. Dabei hatte er sie so unwiderstehlich wie nur möglich angegrinst.
Das junge Mädchen war so naiv gewesen und hatte dem ohne Bedenken zugestimmt. Sie war sich wohl absolut sicher das Gabriel ihr nichts böses wollte, so wie er es ihr versichert hatte. Und sie hatte es geglaubt. Schlechte Entscheidung und ein schwerwiegender Fehler, denn wie sich Stunden später herausgestellt hatte, hatte Gabriel seine spitzen weißen Hauer in ihren Hals gerammt, nachdem er sich noch sexuell an ihr und mit ihr ausgelassen hatte - versteht sich. Ohne zu Zögern hatte er dem Drang ihr Blut in sich aufzunehmen nicht wiederstehen können, und als sie da so erschöpft nach dem Akt der Liebe unter ihm gelegen hatte, sah er die Gelegenheit und griff an. Mit schmerzverzerrtem Gesicht und weit aufgerissenen Augen hatte sie sich ihrem Schicksal hingegeben. Was hätte sie auch gegen ihn ausrichten können, er war übermenschlich stark. Gegen ihn konnte kein Normalsterblicher ankommen und schon gar nicht so ein junges Ding, welches schon seit Wochen nichts mehr richtiges gegessen, und somit nicht gerade vor Energie gestrotzt hatte. Und dann hatte sie mit ihm auch noch mehrmals hintereinander, ohne Pause, geschlafen, so war es also kein Wunder, das sie, während er ihr ganzes Blut in sich aufsaugte, nichts im geringsten gegen ihn unternehmen konnte. Sie war ihm hilflos ausgeliefert, so wie alle seine Opfer. Und nun war sie Tod. Doch das schien Gabriel nicht sonderlich zu interessieren. Schließlich war sie ja nur eine Heimlose Herumstreunerin gewesen, also niemand den man vermissen würde.
Unbeeindruckt davon taumelte er zum Fenster, welches durch einen dicken Vorhang bedeckt war, um die für ihn überaus tödlichen Sonnenstrahlen sicher abwehren zu können. Dort ließ er sich dann seufzend auf das Fensterbrett nieder, um gechillt seinen Gedanken nachzuhängen, anstatt vielleicht endlich mal das "Maleur" aus seinem Bett beiseite zu schaffen. Doch er hatte dazu jetzt absolut keine Lust. Viel lieber wollte er einfach nur still dasitzen, mit angewinkelten Beinen auf dem Fensterbrett, und ein wenig über vergangene Zeiten nachdenken. An Vergangene Geschehnisse und an jemanden, den er, auch wenn er es ungern zugeben würde, jetzt in diesem Moment, und womöglich bis in alle Ewigkeit, schmerzlich vermisst.
"Elizabeth ... " , wisperte er leise in den Raum, seine Stimme klang dabei sehr angespannt und traurig. Rasch zündete er sich noch eine Zigarette an und zog diese mit einem kräftigen Zug bis zum Filter binnen Sekunden wieder hinunter. Immer wenn er an Elizabeth dachte überkamen ihn Gefühle, die er einfach nicht mehr duldete oder akzeptieren wollte. Gefühle der Angst, der Wut. Und sogar der tiefen Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen - seines geliebten Menschen. Klar liebte er seine große Schwester ebenso sehr, sie war immerhin sein Fleisch und Blut - auch wenn er und sie nur die Blutlinie der Mutter verbannt. Sie beide hatten nicht denselben Vater, was ihn jedoch nicht mehr bekümmerte, da das schon weit im Vergangenen lag. Und an diese Zeit erinnerte sich gar nicht mehr. Er hatte sie mit Bravour aus seinen Erinnerungen verbannen können, oder zumindest hatte er ihnen eine Decke drübergelegt, so dass er nicht mehr dazu gezwungen war, ihnen gedanklich zu begegnen.
Ein wenig traurig schweifte Gabriels Blick, nachdem er noch eine Zigarette, und dann innerhalb von Sekunden wieder eine aufgeraucht hatte, nach oben zur schneeweißen Decke. Sehnsüchtig schloss er seine rubinroten, funkelnden Augen. Währenddessen stellte er sich vor seinem inneren Auge die zerbrechliche Gestalt Elizabeth vor, deren wallendes, kupferrotes langes Haar im aufkommenden Wind aufgewirbelt wurde. Sie stand reglos und völlig nackt am Ufer eines kleinen, klaren Sees und es schien sie nicht zu stören, das Gabriel sie so ohne ein Kleidungsstück an ihrem ausgehungerten Leib erblicken konnte.nach einer Weile wand sie den Blick von der ruhigen Wasseroberfläche ab, auf der sich die vielen Baumkronen spiegelten, welche schützend um den kleinen See herum standen. Liebevoll suchten ihre smaragdgrünen, leuchtenden Augen nach ihm - Gabriel, welcher ebenfalls ohne irgendein Kleidungsstück am Leib, ein wenig weiter weg vom Ufer saß, unter einer riesigen Trauerweide, deren Blätter in den immer wieder aufkommenden, sanften Windböen ein angenehmes Rascheln verursachten.
Bei seinem Anblick, so wie Gott ihn erschaffen hatte, kam Elizabeth nicht drum herum sich ein schmunzelndes Lächeln zu verkneifen. Ihr Körper war schmal gebaut, ihre Beine lang und dünn, und ihre Arme wirkten wie die Oberschenkel eines Kleinkindes. Außerdem zeigte ihre blasse Haut Spuren von blauen Flecken, von kleinen Blutergüssen und Kratzern von Fingernägeln, welche ihren zarten Rücken zierten.
Wie ein kleines, fröhliches Mädchen kam sie zu ihm gehüpft und sank neben Gabriel auf die weiche, saftige Grün der Wiese. Sachte schmiegte sie ihren ebenfalls schmalen, kleinen Kopf mit den kupferroten, langen Haaren an ihn und schloss zufrieden lächelnd die Augen. Bei der Berührung von ihren nassen Haarsträhnen auf seinem immer noch erhitzten Körper zuckte Gabriel etwas zurück, worauf Elizabeth lachend zu ihm hochschielte. Intensiv sah sie in seine grün-braunen Augen und er erwiderte ihren Blick ebenso leidenschaftlich. Ohne lange nachzudenken berührten die Finger seiner rechten Hand behutsam ihr Kinn und streichelten sanft darüber. Sie genoss diese Berührung sichtlich und schloss entspannt und seufzend ihre Lider. Dann hob er ihr Kinn sachte nach oben, zu ihm, so dass er sie küssen konnte. Ihre Augen blieben dabei geschlossen.
Zögernd berührten sich für Sekunden ihre Lippen, prallten aufeinander, nur um dann sich dann wieder voneinander zu lösen. Doch irgendwann reichten diese zögerlichen Küsse nicht mehr aus, da das feuer der Leidenschaft, welches ihn ihnen erneut aufloderte, diese Zurückhaltung nicht länger zuließ.
Gierig richtete sich Elizabeth zu ihm auf und hielt dabei mit einer Hand seinen Nacken fest, mit der anderen tätschelte sie sanft seine leicht gebräunte Wange.
"Ich liebe dich so sehr.", hauchte sie ihm außer Atem von den vielen intensiven Küssen in den Mund, worauf er kurz inne hielt und sie sehnsuchtsvoll ansah. Nichts konnte das beschreiben was er für sie in diesem Moment empfand. er würde sie immer lieben und sie wäre auf immer sein. Denn genau das hatten sich beide an dem Nachmittag an dem Ufer des kleinen Sees geschworen, nachdem sie ein zweites Mal in Liebe vereint gewesen waren.
Wütend und abrupt stand Gabriel auf und schrie seine Verzweiflung und seine Traurigkeit darüber, seine einzige große Liebe für immer verloren zu haben, ohne Zurückhaltung hinaus. Voller Wut über diese schwachsinnigen Gedanken über seine Vergangenheit schmiss er seine Zigarettenschachtel und die noch darin enthaltenen 3 oder 4 Zigaretten auf den Boden und stürmte schnaubend aus seinem Zimmer, den langen Flur entlang. Der Dämmerzustand, in den ihn der enorme Alkoholkonsum gebracht hatte, verschwand augenblicklich.
Draußen ging bereits die Sonne langsam unter und der Himmel färbte sich bereits onrangerot. Und die Sonne, welche langsam an Kraft verlor, konnten man nur noch zum Teil am Horizont sehen.
Nun würde es nicht mehr lange dauern und Gabriel könnte endlich da weitermachen, wo er letzte Nacht, oben auf dem Dachboden eines fremden Hauses, aufgehört hatte. Er würde seine Suche fortsetzen und hoffentlich würde diese dann auch von Erfolg gekrönt sein.

Kapitel Zwei - Ende


© Kristin Rahnfeld


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