PROLOG

Der Aufstand dauerte an. Es machte Sophia wenig aus, zwischen stinkenden Bauern und schwitzenden Männern zu stehen, um sich das Spektakel anzusehen. Schließlich sollten drei wahllos herausgesuchte Menschen hingerichtet werden, unter anderem ein Waisenkind. Niemand würde es vermissen, so lauteten die Worte ihres Bruders, doch die Menschen würden sich fürchten.
Die junge Frau verspürte zu diesem Zeitpunkt einen Hass, der sie dazu bringen würde zu töten, doch sie hielt sich zurück, beobachtete und arbeitete sich langsam in der Menge nach vorne. Sie wollte helfen, selbst wenn sie nur den ungefähr acht-jährigen Junge retten konnte, es würde etwas sein, sie musste es zumindest versuchen.
„Sophia!“
„Versucht mich nicht aufzuhalten Alec!“, rief sie, auch wenn sie sich noch nicht sicher war, von wo die Stimme ihres jüngeren Bruders kam.
„Warte! Du kannst nichts tun!“
Und ob sie das konnte, etwas dagegen zu tun, musste nicht heißen Erfolg zu haben, doch man tat etwas. Man versuchte zumindest zu helfen und stand nicht beobachtend daneben wie all die anderen Menschen.
Sophia war die erste Tochter des Königs und nach ihrem älteren Bruder Sokrates die Thronfolgerin, somit die einzige Prinzessin im Hause der Bodmar, des Königs Namen. Alec ihr jüngerer Bruder wurde nicht als ehrenhaft gesehen, er war schon immer ein Unruhestifter, und Bodmar selbst würde diesen jungen Rebell nie zum König ernennen wollen. Nicht über seine Leiche. So war Alec dazu verdammt, als Prinz zu leben. Eine ewige Verdammnis, so nannte er es, denn er konnte weder an Macht gelangen, noch als normaler Mensch leben, er war ein Außenstehender. Sokrates dagegen übte seine Macht mit größter Interesse aus, er amüsierte sich an den Qualen die er anderen zufügen konnte, doch Bodmar war blind, und sah nur das Gute in seinem ersten Sohn. Der König war krank und lag im sterben, die Königin schon einige Jahre tot, es würde also nur eine geringe Zeit sein, in der das Volk noch etwas ändern könnte, und Sophia wusste, dass sie die einzige sein würde, die dazu im Stande war.
Sie spürte eine Hand, sich auf ihre Schulter legend und im selben Moment fuhr sie um. Sophia blickte in die ernsten Augen ihres jüngeren Bruders.
„Ich werde dir helfen, Sophia“, erklärte er, gerade laut genug, um das Schreien der Bevölkerung zu übertönen.
„Alec...“
„Was soll schon passieren? Mein Leben ist nahezu überflüssig.“
„So darfst du das nicht sehen, Bruder...“
„Wie denn dann?“, der 20-Jährige blickte sie hilflos an.
Sophia klopfte ihrem Bruder auf die Schulter.
„Gut, zusammen. Wir werden dem Volk zeigen, dass es auch gute Mensch unter Bodmar gibt!“
„Das werden wir!“
So griff Sophia zu ihrem Schwert, einem schmalen Stück Eisen, dessen Griff mit feinstem Leder umwickelt war und bis zu diesem Augenblick wusste sie nicht, was für einen jüngeren Bruder sie hatte, wozu er in der Lage war. Sie sah ihn immer als Rebell, nie jedoch als Krieger, oder Kämpfer. Doch dieser Junge führte seine Klinge wie ein Meister.
Sie sprangen auf das Podest, nur wenige Sekunden später ertönte der Jubel des Volkes und Sophia schwang ihr Schwert, durchtrennte das erste Seil, und die junge Frau kam frei. Dankend sah sie auf und verschwand danach in der Menge.
Jetzt hörten sie das Brüllen, dass den Geschwistern so bekannt war, das Brüllen Sokrates. Dieser Ton schwoll mit Wut, mit Hass, mit Überheblichkeit, doch die beiden führten ihr Vorhaben fort.
Alec hielt die Wachen fern, die sich durch die Menge kämpften um die beiden Unruhestifter aus dem Weg zu räumen.
Sokrates kam geradewegs auf die Galgen zu, er nahm sein Schwert und es schien ihm egal gewesen zu sein wer da sein Feind war, seine eigene Familie.
Sophia trennte das nächste Seil und der Mann verschwand genau so schnell wie die Frau in der Menge, doch die Prinzessin war nicht schnell genug. Sokrates legte den Hebel um und der Waisenjunge schien so weit weg, dass es unmöglich war ihm zu helfen.
Alec blickte auf. Er ließ die Wachen Wachen sein und stürmte zum Galgen. Wenige Sekunden, die das Leben bedeuten konnten, dauerte es und er war da, nahm seinen Dolch durchtrennte das Seil und hielt den nach Luft ringenden Jungen in seinen Armen.
Alec blickte zu Sophia. In ihr steckte das Messer Sokrates.
„Wie konntest du deine eigene Schwester umbringen?! Sag es mir!“, höhnte es aus der Kehle des jungen Rebellen.
„Wie konntet ihr so dumm sein, dass ihr euch mir in den Weg stellt?“ Sokrates lachte. Er lachte über den Tod seiner Schwester, als wäre er besessen von seiner Klinge.
Aus sämtlichen Gassen kamen Soldaten und Alec erkannte, dass er keine Chance haben würde, nicht allein. Doch sein Orden war nicht hier. Sein geheimer Orden hatte zu diesem Moment anderes vor und so verschwand Alec, zusammen mit dem Waisenjungen, dessen Leben ungewiss war. Sein Ziel war es zu helfen und Alec wusste, dass er seinen Orden stärken musste, er wusste, dass er helfen musste und er wusste, dass viele Leben in seiner Hand liegen würden, dass viele Entscheidungen über seine Lippen kommen würden und ihm war gewiss, dass er jeden Tag mit dem Tod spielen würde.


© svenja.lepa


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Beschreibung des Autors zu "Prolog - Sophiaorden"

Prinzessin Sophia versucht vergeblich gegen das Vorgehen ihres älteren Bruders anzukämpfen.

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