Kapitel 2
Fungi und seine neue Armee aus Ratten machten sich auf den Weg zurück zum Ort der Gefangenen. Ein paar der Ratten tuschelten und lachten. Fungi grinste ebenfalls, die hielten sich wohl für besonders schlau, aber wer hier schlau war, würde sich ja spätestens wenn seine Festung fertig war, zeigen. Sabberschnauze tauchte neben ihm auf. „Woher haben sie die Sklaven eigentlich herbekommen, Gebieter?“
„Eigentlich geht es dich nichts an, Abschaum, aber ich habe sie aus Redwall.“
„Redwall?!“. Sabberschnauzes Augen vergrößerten sich und er dachte an die Geschichte über Cluny, die jeder kannte. Cluny hatte einst die Abtei Redwall stürmen und erobern wollen. Seine Pläne hatte Matthias aber durchkreuzt. Matthias war sowieso unter den Ratten sehr gefürchtet, da er sogar die Schlange Asmodeus erlegt hatte.
„Haben sie denn keine Angst, dass Matthias..?“, fragte er vorsichtig, aber Fungi unterbrach ihn: „Was soll der alte Knacker noch tun?“
Dann lachte er und marschierte weiter. Sabberschnauze aber lief zurück zu einer der anderen Ratten und tippte ihn an.
„He, Schneidezahn!“ , flüsterte er und tippte ihn weiter an. Der sah auf und stumpte ihn barsch weg.
„Was willst du, Sabberschnauze?“, brummte er genervt.
„ich habe Informationen die dich vielleicht interessieren könnten.“, erzählte Sabberschnauze mit einem fiesen Grinsen und ging dann wieder nach vorne. Er wusste, dass Schneidezahn bald von selbst zu ihm käme, denn seine Informationen waren Gold wert. Massenhaft Gold. Innerlich jubelnd gesellte er sich wieder mit einer ernsten Miene zu Blutbacke, der gerade einen Plan ausheckte, wie er Fungi reinlegen konnte.

„Wir sind verloren…“, sagte Lisa, aus deren Augen nun alle Hoffnung verflogen war. So ähnlich wie bei Simon. Emil wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Simons Worte hatten ihm zu denken gegeben. Wenn es nun stimmte und sein Vater wirklich nicht kommen könne? Nein, so durfte er nicht denken. Sein Vater war ein Held und er würde sie alle ganz sicher retten. Da könnte man Martins Schwert verwetten so sicher war das. Genauso sicher wie das Cluny tot war. Aber wenn sein Vater kommen würde, woher sollte er dann wissen, dass sie hier gefangen waren? Da kam Emil auf einmal eine Idee.
„vielleicht hilft uns das Fenster ja doch!“, freute er sich.
„Wie soll das Fenster uns helfen? Ist dir etwas was eingefallen?“. Lilianas Augen funkelten voller Tatendrang auf.
„Ja, wir binden einfach etwas da draußen fest. So können unsere Eltern sehen das wir dort sind! Hat jemand von euch ein Halstuch oder eine Kette oder so etwas?“
Kato sah sein Halstuch an. Er hatte es von seinem Vater bekommen und trug es stolz, seitdem er ganz klein war. Langsam berührte er es mit seinen Pfoten. Dann nahm er es ab und reichte es seinem Freund.
„Danke, Kato. Ich weiß, was es dir bedeutet.“, nickte Emil und sah dann Lisa an. „Du bist ein Eichhörnchen, also kannst du dort hoch klettern und es festbinden. So, dass man es von außen sehr gut erkennen kann, okay?“
„Mhm.“, zögerte Lisa. „Ich-ich habe schreckliche Höhenangst.“
Ungläubig musterten die anderen sie. Nun, sie war schon immer sehr ängstlich von Natur aus. Ganz im Gegensatz zu ihrem Vater Sam und ihrer Großmutter Jessie. Ihre Großmutter Jessica hatte sogar einmal auf dem Dach, hochoben, gegen angriffslustige Schwalben gekämpft, die sie für einen Dieb hielten. Basilius und Matthias hatten sie aber gerettet.
„Ich bin einmal von einem sehr goßen Baum in einen Bach gefallen und beinahe ertrunken. Seitdem habe ich mir geschworen nie wieder zu klettern. Vor allem nicht so hoch.“
„Ach was, das ist doch nicht hoch. Ein Eichhörnchen wie du schafft das doch mit verbundenen Augen.“, ermutigte Kato sie. Es schien zu wirken. Sie stand auf und holte tief Luft, nahm dann das Halstuch und ging auf die Wand zu. Ihr wurde schon schwindelig vom Hochsehen, aber sie durfte die anderen einfach nicht endtäuschen. Sie setzte ihre Pfoten an die Wand und suchte herausstehende Steine, was bei dieser alten Mauer kein Problem darstellte. Immer höher und höher kletterte sie, bis sie endlich das kleine Fenster erreicht hatte. Die Sonnenstrahlen taten gut. Sie fing an das Halstuch gegen einen Herausstehenden Stein an der Außenseite zu binden. Es erwies sich als schwierig.
„Ich schaffe es nicht!“, rief sie unsicher den anderen zu.
„Doch, du kannst es schaffen! Glaub an dich und gib dich nicht so schnell auf!“, kam Lilianas Antwort.
Gut, ich schaffe das, dachte Lisa ermutigend, bald sind wir alle hier draußen und gerettet, weil unsere Eltern das Tuch sehen werden und uns finden! Ja, so wird es sein!
Sie band es fest, gerade rechtzeitig, denn in diesem Moment wurde die Tür aufgeschlossen und geöffnet. Lisa erschrak so sehr das sie vom Fenster auf den Rücken fiel. Liliana, Kato und die anderen stürmten zu ihr. Böses Lachen ertönte.
„Du kommst hier nicht raus, kleines dummes Ding.“, zischte Fungi und Lisa fing an zu Weinen. Erbost sah Emil Fungi an. Dieser erwiderte den Blick, scheinbar unbeeindruckt. „Ihr solltet schlafen, ihr Termiten. Morgen brechen wir auf.“ Mit diesen Worten verließ Fungi den Raum und es kehrte die alte Stille, die nur ab und an von Lisas schluchzen unterbrochen wurde, ein. Wenn sie morgen aufbrechen würden, war alles umsonst und das Tuch würde ihre Eltern sogar in die Irre führen!

In der Zwischenzeit suchte Mattimeo Freiwillige für die Rettung der Kinder. Tess meldete sich als erste.
„Das ist viel zu gefährlich für dich, Tess.“. Liebevoll schlang er die Arme um seine Frau, die sich damit aber nicht zufrieden gab. „Was soll das heißen zu gefährlich? Ich wurde mit dir entführt, erinnerst du dich nicht?“
„Ich hatte damals schon Angst, dass dir etwas zustößt. Ich will das nicht noch einmal durchmachen.“, versuchte er ihr sanft zu erklären. Sie blieb aber stur. Als hätte sie nicht genug Kraft dazu ihren Sohn zu retten.
„Ich will das aber auch nicht durchstehen, also begleite ich dich.“, funkelte sie ihn an. Kornblume hielt sie am Arm fest. „Aber Tess, wir brauchen hier deine Hilfe. Bei den ganzen Verletzten. Lass Mattimeo gehen, er bringt Emil zurück, da bin ich mir mehr als sicher. Er ist doch mein Sohn und als seine Mutter weiß ich so etwas.“
„Möglicherweiße hast du recht, Kornblume.“, flüsterte sie nachdenklich. Mattimeo lächelte seine Mutter dankbar an.
„Ich komme mit!“, sagte Tim Kirchenmaus entschlossen. Tess, die seine Schwester war, schluckte schwer.
„Ich natürlich auch!“, lächelte der, inzwischen Erwachsengewordene, Lauser zuversichtlich. Basilius Hirschhase kam hinter ihm hergehoppelt und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Basilius Hirschhase meldet sich erneut zum Dienst!“, lachte er.
„Nein, nein. Du bist zu alt, Basilius.“, winkte Mattimeo ab. Empört verzog der alte Hase das Gesicht. „hör mal, ich habe schon deinem Vater und deinem Großvater geholfen! Da ist das für mich ein Hasensprung!“
„Ja, und vielleicht auch dein letzter!“, mahnte Mattimeo ihn. „Ich weiss, du bist mutig und stark, aber es ist einfach zu riskant, dich ein weiteres Mal mitzunehmen.
„vergiss es, Mattimeo.“, sagte Konstanze, die aus dem Krankenflügel herausgekommen war. „Gegen den alten Sturkopf kommt man nicht an. Der macht eh was er will.“
„Da hörst du’s!“, nickte Basilius zufrieden und Mattimeo gab auf.
„Na, meinetwegen. Pass aber gut auf.“, stöhnte er leicht genervt.
Jubel zwengte sich durch die Menge. „Ich komme auch mit, schließlich sind meine Kinder da!“ Seiner Frau Amandine schien das gar nicht zu gefallen. Sie ging auf Jubel zu und packte ihn an der Schulter. „Und was ist mit Lydia und Baby Kasimir?“, sagte sie ärgerlich, während sie auf die beiden anderen Kinder deutete. „Du kannst mich hier nicht mit zwei Kindern alleine lassen, Jubel!“
„Aber,aber..“, lächelte Kornblume zuversichtlich. „Er lässt dich doch nicht allein. Wir sind ja auch noch da und können dir helfen. Willst du Simon und Bastian denn nicht wiedersehen?“
„Doch schon.“ Die Igelin wirkte verunsichert. „Ich habe aber Angst das alle drei nicht mehr zurückkommen…“ Eine Träne kullerte über ihre Wange.
Jubel umarmte sie und versprach ihr er würde auf jeden Fall zurückkommen. Sie lächelte und wischte sich ihre Tränen weg.
„Ich komme auch mit!“ Sonja Wiesel kam lächelnd auf die kleine Gruppe zu. Sie war neu auf Redwall und fasziniert von den Heldengeschichten, die sich dort schon alle abgespielt hatten. Die anderen nickten ihr zu.
„Also ist es beschlossen!“, sagte Mattimeo und hob das Schwert von Martin hoch in die Luft. „Wir werden unsere Kinder befreien! Für Redwall!!!“
Jubel ertönte und sie machten sich auf den Weg. Vor der Abtei befanden sich fest in den Boden gepresste Reifenspuren eines wohl schwerbeladenen Holzwagens.
„Die können nicht falsch sein.“, sagte Basilius überzeugt und sie folgten ihnen fürs erste.

Auf Redwall redeten alle wie wild durcheinander. Aufgeregt und Angespannt. Konstanze schaffte es aber tatsächlich Ruhe herzustellen.
„Leute! Beruhigt euch doch mal! Ich bin sicher, sie bringen die Kinder unversehrt heim!“, schrie sie und schlug ein Glas auf den Tisch um die Aufmerksamkeit zu gelangen. „Im Moment ist es wichtig, dass wir uns um unsere Kranken und Verletzten kümmern, klar?“
Ernste Gesichter nickten ihr entgegen. Sie nickte ebenfalls und ließ dann den Koch das Essen für alle servieren.
Sam Eichhorn humpelte zu Konstanze. Schmerzverzerrt verzog er das Gesicht. „Ich hoffe, Lisa ist nicht endtäuscht, dass ich nicht komme um sie zu retten.“, sagte er mit trauriger Stimme.
„Ach was, sie wird verstehen, das du dich verletzt hast. Keine Sorge.“, lächelte Konstanze ihn ermutigend an und half ihm dann zu seinem Platz.

Schleichend wurde der Tag von der Dunkelheit eingehüllt. Sonnenstrahlen wurden langsam zum Mondschein. Auch wenn es erst frühe Dämmerung war, so fühlte man sich wie mitten in der Nacht. Alles war schwarz und aussichtslos.
Simon und Lisa waren eng zusammengerückt, denn beide hatten furchtbare Angst. Sowohl vor der Dunkelheit, als auch vor der Zukunft. Liliana atmete flach und versuchte zu schlafen, aber die Angst hatte mittlerweile den ganzen Raum so eingehüllt, dass andere Gefühle oder Erholung kaum Platz darin fanden. Ihre Gedanken schweiften ab. Sie dachte an die schöne Zeit, die sie bis jetzt in Redwall verbracht hatte und an ihre Eltern, Verwandten und Freunde. Emil dachte an das gleiche. Er dachte daran, wie sein Vater ihm Angeln beibrachte und sie beinahe aus dem Boot kippten oder wie Konstanze und er fangen gespielt hatten und er natürlich jedes Mal gewann, wie Basilius immer seine Witze riss und jeder darüber lachen musste, ob man wollte oder nicht.
Blutkralle betrat mit schweren Schritten den Raum und beobachtete sie. Dann zerrten zwei Helferratten den, sich lautstark wehrenden, Bastian hinein und schmissen ihn neben Simon auf den Boden. Sabberschnauze brachte Blutkralle ketten, an denen sie dann versuchten, die Kinder festzumachen. Emil versuchte so gut es ging, nicht angekettet zu werden, aber Blutkralle und Sabberschnauze hatten zu viel Kraft. Kichernd verließen sie den staubigen, alten Raum und die fünf waren wieder allein. Angekettet wie die Hunde.
„Es reicht!“, schrie Emil und stand auf. Die anderen vier sahen ihn verwirrt an. „Wir können uns doch nicht einfach so von Fungi unterdrücken lassen! Wir sind von Redwall!!“
Liliana musste lächeln. Emil war genauso ein Krieger wie sein Vater und sein Großvater. Er war mutig und stark und würde sie befreien, hoffte sie zumindest.
„Aber was sollen wir tun?“, jammerte Kato und deutete auf die festen Metallfesseln, die um ihr linkes Bein und den linken Arm gebunden waren. „Im Moment sind wir machtlos. Wir hängen alle aneinander.“
„Sie können wir uns wenigstens nicht verlieren.“ Simon fand den Optimismus seine Bruders Bastian in dieser Situation zwar unangebracht, aber trotzdem irgendwie ermutigend.
„Wir schmieden einen Plan! Noch heute Nacht und morgen setzen wir ihn in die Tat um.“ Emil hatte die Augen zusammengekniffen und überlegte angestrengt. Nach einiger Zeit fand er eine Lösung.
„Also hört gut zu…“, flüsterte er. Die anderen versammelten sich um ihn und lauschten seinem Plan.

Lauser gähnte. Sie waren nun schon den ganzen Tag den Wagenspuren gefolgt, hatten aber noch kein weiteres Zeichen gefunden. Mattimeo ging zusammen mit Basilius zielsicher voran, während die anderen müde hinterher watschelten.
„Es ist schon dunkel.“, bemerkte Lauser.
„Das ist dir aber früh aufgefallen, Kamerad.“, neckte Basilius ihn. Sonja Wiesel kicherte und Jubel konnte sich sein Grinsen nicht verkneifen.
„Ha Ha.“ Lauser verdrehte die Augen. Tim Kirchenmaus gähnte laut. Dann sah er sich um.
„Es hat keinen Zweck heute Nacht noch weiterzusuchen.“, sprach er Mattimeo an. „Bald werden wir nicht mal mehr die eigene Hand vor den Augen sehen, so dunkel ist es schon. Wir sollten rasten und morgen bei Tageslicht weitersuchen.“
„Nein, Nein!“, wehrte sich Mattimeo gegen diesen Gedanken. „vielleicht sind sie morgen auch weitergezogen.“
„Niemand, der noch ganz bei Verstand ist, zieht mit Sklaven in eine schwarzen Nacht. Dazu wäre ein zu großes Fluchtrisiko.“, konterte Sonja Wiesel. Tim Kirchenmaus nickte zustimmend.
„Niemand, der noch ganz bei Verstand ist, hält überhaupt Sklaven.“ Die Miene von Basilius hatte sich verfinstert oder lag das nur an der rabenschwarzen Nacht? Mattimeo wurde klar, dass es wirklich keinen Zweck hatte in der Nacht zu wandern. Nachdem er geschätzte fünf Mal gegen ein und denselben Stein gelaufen war, erschien auch ihm eine Rast ziemlich logisch. Es war ein leichter Wund aufgekommen und Raben schrien durch die Nacht hindurch.
„Gruselig. Raben in einer Rabenschwarzen Nacht, wenn das mal kein schlechtes Zeichen ist, dann weiß ich auch nicht.“, sagte Sonja unsicher und schloss dann ihre Augen.

Zuhause in Redwall lag Kornblume in ihrem Bett. Allein, da Matthias ja in der Krankenstation war. Sie machte sich große Sorgen. Sowohl um ihren Sohn Mattimeo und ihren Enkel Emil, als auch um ihren Mann. Matthias war standhaft, das wusste sie natürlich am Besten, aber im Alter lässt einen der Körper natürlich öfters im Stich. Wieso mussten die schlimmen Dinge eigentlich immer in Redwall geschehen?
So ähnlich ging es auch Tess. Sie sah auf den freien Platz neben sich im Bett und betete, das es Mattimeo und Emil gut ging. Sie betete auch für Tim und alle anderen. Die Erinnerungen an ihre eigene Entführung kamen wieder hoch. Slagar hatte sich damals als Zauberer in Redwall eingeschlichen und allen Schlafmittel in die Getränke gestreut. Danach hatte er sie, Mattimeo, Tim, Cynthia, Jubel und Auma entführt. Sie erinnerte sich gerne an Auma. Diese war eine richtig gute Freundin von ihr geworden, aber im Moment war sie mit ihrem Vater auf Reisen. Tess wünschte sie könnte es ihr erzählen. Sie wünschte überhaupt, sie könnte mit jemandem reden, aber im Moment war die Stimmung in Redwall ziemlich angespannt und Gerede überflüssig.
„Mattimeo.“, betete sie mit feuchten Augen. „Bitte beeil dich.“
Sie brauchte eine Weile bis sie endlich einschlafen konnte. Sie träumte von Mattimeo, wie er zusammen mit Emil und den anderen heimkam und sie alle ein fröhliches feierten und plötzlich tauchten überall Ratten auf. Sie töteten alle und zerstörten Redwall. Als sie, als eine der einzigen Überlebenden, Hilfe holen wollte, lief sie einer Ratte, deren Gesicht ihr bekannt vorkam, direkt in die Krallen.
Schweißgebadet wachte sie auf. ihre Stirn war heiß. Man könnte Eier darauf braten. Sie stand auf und zündete eine Kerze an. Mit dieser ging sie dann in Richtung Hütte von Matthias und Kornblume. Sie klopfte schnell und laut, bis Kornblume völlig verschlafen die Tür öffnete.
„Tess? Weißt du eigentlich wie viel Uhr es ist?“, fragte sie und versuchte erst einmal richtig wach zu werden. Tess betrat die Hütte.
„Ja, das weiß ich. Tut mir leid.“, entschuldigte sie sich und setzte sich auf den nächstbesten Stuhl den sie sah. „Ich hatte einen schlimmen Traum.“
Mitleidig sah Kornblume sie an. Dann ging sie zur kleinen Küche und holte ein bisschen Brot heraus. Das beschmierte sie mit frischer Erdbeermarmelade und streckte es Tess hin. Dankend nahm diese es an und biss hinein.
„Erzähl mir von dem Traum“; forderte Kornblume sie auf. „Manchmal ist es gut, über das zu reden, was einem Angst macht.“
Also erzählte Tess ihr von dem Traum. von den vielen gefährlichen Ratten, von den vielen Toten. Kornblume hörte ihr zu. Als Tess geendet hatte, sagte sie besorgt: „In vielen Träumen steckt ein bisschen Wahrheit. Vielleicht sollten wir zur Sicherheit Wachen aufstellen lassen.“
„Ja, lass es uns gleich Konstanze mitteilen.“, schlug Tess vor. Kornblume nickte zustimmend und die beiden machten sich auf den Weg ins Hauptgebäude, in dem Konstanze schlief. Vor dem Wandteppich hielten sie kurz an um ihn anzugucken.
„Martin wird uns schützen.“, lächelte Kornblume. „Das hat er schon immer getan.“
Tess sah zu dem großen Wandteppich, den einst Cluny mit seinen Ratten geklaut hatte, auf.
„Hoffentlich.“, murmelte sie und ging dann zusammen mit Kornblume in Richtung der Schlafräume. Plötzlich huschte ein Schatten an den beiden vorbei. Vor lauter Schreck viel Tess die Kerze, die sie in ihrer Hand trug, herunter und erlosch. Nun war es finster. Kornblume und Tess standen inmitten der Dunkelheit und irgendwo in diesem Raum befand sich eine dritte Person, von der sie nicht wussten, wer sie war.

„Rein da! Rein mit dir!“
Man konnte die Peitsche gut knallen hören. Sie waren hier ganz in der Nähe. Verschreckt wachten die fünf Kinder auf.
„Wollen sie uns jetzt schlagen?“, fragte Lisa, die sich an Simon klammerte, mit zittriger Stimme. Emil legte die Hand auf seine Lippen und zeigte ihr, sie solle ruhig sein. Dann lauschte er. Schritte und Geräusche kamen immer näher.
„Wenn das mein Vater mitbekommt!!“, ertönte die Stimme eines Mädchens. „Dann können sie was erleben!!“
„Dein Vater bekommt gar nichts mehr mit.“, lachte Fungi. „Nachdem wir mit dem fertig waren, hat der keinen Mucks mehr gemacht.“
Ein paar Begleitratten lachten. Sie brachten ein junges Ottermädchen in den Raum. Sie war ein wenig älter als Emil und seine Freunde. Zappelnd hing sie an den Ketten und wurde an die anderen festgemacht.
„Na warten sie!!“, schrie sie. „Ihr hässlichen Froschgesichter werdet euch noch wundern! Mein Held wird mich retten.“
Fungi lachte erneut auf. „Dein Held? Und der wäre?“, fragte er ungläubig.
„Das weiß ich nicht.“, knurrte sie. „Aber irgendwo gibt es ihn und er wird kommen und mich holen, darauf können sie ihre dreckigen Pfoten verwetten!“
„Na dann, viel Spaß beim Warten.“, grinste Fungi und verließ mit dämlich lachenden Ratten den Raum.
Emil beäugte das Ottermädchen und Liliana stupste ihn genervt an und flüsterte: „Die ist zu alt für dich! Vergiss es!“
Emil verdrehte die Augen. Typisch Mädchen. Dachten immer nur an das gleiche. „sie ist vielleicht nützlich. Energie hat sie zumindest viel, wenn sie genauso viel Ausdauer hat, dann bin ich aber echt beeindruckt.“
Auch die anderen sahen das Mädchen erwartungsvoll an. Ihr Blick war schon die ganze Zeit auf den Boden gerichtet. Als sie aufsah, war sie sehr verunsichert, da sie bemerkte, dass alle Augen auf sie gerichtet waren.
„Ähm…Hallo.“, fing sie an.
„Guten Tag.“, erwiderte Lisa freundlich.
„Naja, gut würde ich ihn nicht nennen und Tag ist es auch nicht so wirklich.“, versuchte das Mädchen zu lachen.
„Wer bist du?“, fragte Emil interessiert. Sie wirkte immer noch sehr verunsichert und war sich wahrscheinlich nicht sicher, was sie sagen sollte.
„M-mein Name ist Asuma. Ich komme aus Noonvale.“, brachte sie nach einigen Anläufen hervor.
Noonvale? Emil dachte stark nach. Rose von Noonvale! In der Geschichte von Martin dem Krieger ging es darum. Sie war seine wahre Liebe und wurde in der letzten großen Schlacht von Badrang getötet. Danach schwor Martin nie wieder zu kämpfen und gründete die Abtei Redwall. Die Rosen an der Abtei waren nach ihr benannt. Sie hießen Laterose.
„Kennst du die Geschichte von Martin dem Krieger?“, fragte Liliana, der das mit Noonvale wahrscheinlich auch aufgefallen war.
„Ja.“, antwortete Asuma nachdenklich. „Ich finde sie sehr traurig.“
„Ich auch.“, steuerte Lisa bei. „Wir kommen aus der Abtei Redwall.“
„Wirklich?“ Asumas Gesichtsausdruck erhellte sich. „Dann kennt ihr Matthias, den Krieger und seinen Sohn Mattimeo, die die Abtei vor Cluny beschützt haben?“
Alle Blicke fielen auf Emil, der jetzt ganz gelassen antwortete: „Na klar, kennen wir die. Ich bin der Sohn Mattimeos. Mein Name ist übrigens Emil. Mathis Emil von Redwall.“
„Es ist mir eine Ehre dich kennenzulernen.“, lächelte Asuma. „Dann ist dein Vater sicher schon auf dem Weg hierher um uns zu retten, stimmt‘s?“
„Das wissen wir nicht.“, gab Emil traurig zu. „Deswegen haben wir uns schon einen Fluchtplan ausgedacht. Rück mal näher her, wir müssen ihn dir ganz leise verraten, damit es niemand anderes mitkriegt.“
Asuma rückte an die kleine Gruppe heran und lauschte gespannt deren Plan.

Währenddessen hielt Sabberschnauze vor der Tür wache. Das wurde ihm mit der Zeit langweilig und er begann ein Lied zu singen.
„Tod dem Krieger Redwall.
Clunys Wille erfüllt.
Doch Gefahr droht in Redwall.
Dem der das Geheimnis nicht enthüllt.“
„Welches Geheimnis?“
Zu Tode erschrocken stolperte Sabberschnauze und sprang um nicht zu fallen gegen die harte Steinwand. Ein paar Steine von oben wurden dadurch ausgelöst, rollten runter und fielen dem armen Kerlchen dann auch noch direkt auf den Kopf. Ja, Sabberschnauze hatte nicht sonderlich viel Glück. Er war wohl eher ein Pechvogel. Überall wo er hinging, zerstörte er etwas oder verletzte sich oder beides. Nun wendete er sich an den, der ihn so erschreckt hatte.
„Was sollte denn das, Schneidezahn?“, meckerte er ihn an.
„Ich bin hier um deine Informationen zu bekommen.“
„Dann gib mir erst meine Belohnung.“, forderte Sabberschnauze ihn auf. zögernd nahm Schneidezahn ein kleines Beutelchen aus seiner Tasche und warf es ihm hin. Sabberschnauze hob es gierig vom Boden auf und beäugte es. „Das is‘ aber klein.“. misstrauisch zog er eine Augenbraue hoch.
„Dafür ist es aber gefüllt mit dem besten Käse der Welt.“, zischte Schneidezahn. Sabberschnauze riss den Beutel auf und überprüfte. Anscheinend stimmte, was Schneidezahn behauptete.
„Jetzt pack schon aus mit deinen Informationen! Und wehe du hast mich reingelegt!“, drohte Schneidezahn und Sabberschnauze wusste, dass er diese Drohung ernst nehmen musste. Er wusste aber auch, dass seine Informationen sehr gut waren.
„Naja, ich habe erfahren, dass Mattimeos Sohn hier bei uns festgehalten wird.“, krächzte er. Schneidezahn knurrte und legte die Krallen um Sabberschnauzes Hals. Dann drückte er so fest wie es ging zu.
„Das war alles?! Mehr hast du nicht zu sagen, du Idiot?!“ Er drückte immer fester und fester zu bis Sabberschnauze versuchte wieder etwas zu sagen. Er ließ ihn los. Schweratmend und mit rauer Stimme fing Sabberschnauze wieder an zu sprechen: „Ich dachte, du kannst es dir selbst zusammenreimen, aber wenn man nicht den Grips dazu hat.“ Er hustete kläglich und fuhr dann fort. „Sein Vater Mattimeo wird natürlich sich auf die Suche nach ihm machen und wer beschützt in der Zeit Redwall?“
Schneidezahns Augen funkelten im Mondlicht auf als er das hörte. Wie lange hatte er darauf gewartet?
„S-Sabberschnauze! Das ist genial!“, rief er von Glück überströmt in die Nacht hinein.
„Ist ja auch von mir.“, hustete Sabberschnauze, dem es immer noch schwerfiel zu Atmen. Mann, dieser Schneidezahn hatte ja Kraft in den Händen. Es fühlte sich so an, als wäre Sabberschnauzes ganzer Hals zerquetscht.
„jetzt müssen wir nur noch den Boss dazu bringen, Redwall anzugreifen.“, lachte Schneidezahn boshaft.
„Wieso wir? Das ist deine Sache. Ich habe meine Belohnung bekommen.“, fauchte Sabberschnauze ihn an. Mit dieser Sache wollte er nichts mehr zu tun haben, sonst würde er am Ende selbst noch draufgehen.
„Du wirst noch viel mehr Belohnungen bekommen, wie du dir je erträumen könntest, kleiner Freund! Ein kluges Köpfchen wie dich kann ich für meinen Plan die Abtei zu stürmen gut gebrauchten.“ Er legte den Arm um Sabberschnauze, welcher sich dem Arm gleich wieder entwand.
„Mein kluges Köpfchen soll aber noch lange auf meinem Hals sitzen, also halte ich mich da raus. Viel Spaß gegen den Chef.“ Er wollte gerade gehen, als Schneidezahn ihn zurückzog und ein scharfes Messer an seine Kehle hielt.
„Wann möchtest du deinen Kopf verlieren? Lieber jetzt oder später?“, knurrte er gefährlich.
„S-s-später!!“, schrie Sabberschnauze entsetzt. Schneidezahn hielt die Klinge, die das Mondlicht wiederspiegelte, immer noch an seine Kehle. „Ich-ich mach ja mit! Aber heb‘ jetzt das Ding da weg! Damit könntest du jemandem sehr wehtun.“
„Dafür ist das Ding ja auch.“, sagte Schneidezahn und verdrehte die Augen. „DU bist nicht so blöd wie du immer tust. Wieso schauspielerst du so?“
„Weil die Dummen immer am Schluss draufgehen oder irgendwie entkommen weil niemand sie für psychisch klug genug hält, um abzuhauen. Aber das kann ich ja jetzt vergessen, wo du mich sowieso enttarnt hast.“, zeterte er Schneidezahn an.
„Nicht schlecht, kleiner. Spielst deine Rolle ja ziemlich gut. Mach weiter so dann schöpft niemand Verdacht. Und denk dir einen Plan aus, wie wir Redwall stürmen können und so. dann muss ich meine Birne nicht anstrengen.“
„und wenn ich das nicht tue?“ Sabberschnauze hatte seine Arme verschränkt und sah Schneidezahn herausfordernd an. Schneidezahn zückte nur seine Klinge und grinste.
„Schätze du kannst es dir vorstellen.“ Lachend ging er davon und ließ Sabberschnauze stehen. Dieser kochte innerlich vor Wut.
„Na warte. Irgendwann wird ich’s dir zeigen, Idiot.“

Tess lief verängstigt ein paar Schritte rückwärts. Dabei stieß sie gegen irgendetwas und fiel hin. Kornblume tastete nach der Kerze und zündete sie als sie sie nach langer Suche endlich gefunden hatte an. Sie leuchtete auf Tess. Die hatte ihre Augen vor lauter Angst zusammengekniffen. Neben ihr saß der kleine Kasimir Igel. Kornblume kicherte. „Ich hätte nicht gedacht, dass du so ängstlich bist, Tess.“
Tess öffnete vorsichtig ihre Augen und erblickte ebenfalls Kasimir. „Kasimir Igel, wieso bist du nicht bei deiner Mutter?“, tadelte sie ihn erleichtert lachend.
„Is‘ hatte H-hunner.“, lispelte der kleine unsicher und Kornblume hob ihn vom Boden auf.
„Na dann machen wir dir einen Brei, gehen dann zu Konstanze und bringen dich zu Mama zurück.“
„Kasimir!“ Amandines Stimme klang sehr besorgt. Sie rannte auf die drei zu und atmete erleichtert auf. Lydia lief ihr auf ihren kleinen, kurzen Beinchen hinterher, so gut wie sie es schaffte. Amandine nahm Kasimir ansich. „du darfst nicht weglaufen!“, sagte sie. „Mami war krank vor Sorge, verstehst du?“
„Er hatte Hunger.“, erklärte Kornblume lächelnd.
„Dann wird‘ ich dir wohl jetzt etwas zu essen geben, mein Schatz. Komm Lydia!“, äußerte sich Amandine und winkte den beiden Frauen zum Abschied zu.
Kornblume und Tess machten sich auf den Weg zu Konstanzes Schlafkammer. Selbst wenn sie verletzt war, würde sie nie freiwillig in der Krankenstation schlafen. Sie klopften und Konstanze öffnete sofort. Sie sah nicht danach aus als habe sie geschlafen. Sie war blass und ihre Pupillen waren geweitet. Sie bat die beiden herein und auf diese Einladung folgten Tess und Kornblume natürlich zu gerne. Sie klärten Konstanze über den Traum auf.
„Mh.. wir können aber nicht aufgrund eines Traumes Wachen aufstellen lassen.“, bemängelte diese.
„Das verstehe ich natürlich, aber erinnere dich daran was das letzte Mal passiert ist als Mattimeo und Matthias nicht da waren.“, mahnte Kornblume besorgt. „General Eisenschnabel. Schon deswegen – zur Vorbeuge- können wir Wachen aufstellen.“
Konstanze war einverstanden. Auch sie hatte nicht vergessen wie es war, als sie alleine gegen General Eisenschnabel und seine Rabengefolgschaft kämpfen mussten, also konnte dieser Extraschutz nicht schaden. Sie mussten nur noch Abt Mortimer den 2. darüber informieren.


© Nikki


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Beschreibung des Autors zu "Entführt - Redwall Kapitel 2"

vorgeschichte dazu immer noch von meinem Held Brian Jaques *-* ich danke ihm dafür, das er diese welt erschaffen hat <3

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