Weder die Grausamkeit der Gedanken, noch das Fehlen passender Ausreden, machen mich in der gewünschten Weise fröhlich, die man von mir zu erwarten scheint. „Dinosaurier sind eben gefühlsneutral“ höre ich jemanden zu mir (ins Ohr) sagen, dazu „Autofahren erfordert dieses gewisse Maß an Gewöhnung, das man zum Leben braucht“.

Dann drehe ich ab und verberge mein Gesicht (in das ich mir nicht mehr schauen kann) im Hinterzimmer der Abscheu. Meine Gedanken reihe ich, wie Perlen darum herum. Dann schlage ich die Bettdecke zurück, weil der Ansturm der Realität kaum noch aufzuhalten ist. Noch einmal bin ich kurioser Sieger geblieben?

Dann gehe ich ans Werk und versuche aus dem mich erwartenden Einheitsbrei ein vernaschbares Tagesmenü zu machen. Die Wertzuege dafür glaube ich zu besitzen: Phantasie und Verstand – lach! Vorher mache ich aber Notizen.

Welche Komponenten gehören zu einem plausiblen Kochrezept? Ich notiere: 1 Marmeladenglas mit Rettichsülze, 2 Strich Apfelbutter in Tüll, 3 genommene Schokoladenchancen auf Zimtstreuseln, sowie 333 Anteile Aprilscherzchen ohne Beweislasten.. Im Fernsehen kommt gerade Sherlock Holmes. Er verfolgt einen, als Monster verkleideten, Briefträger bis in die Kanalisation. Dabei nuckelt er heftig an seiner Pfeife, denn das ist ja nicht auszuhalten.

Auf der Erdoberfläche treiben die geflüchteten Ratten ein munteres Spiel. Sie üben sich im Phrasenweitwurf. Ich überlege mir derweil wie hoch die Miete dieses Jahr wohl wieder ist, die ich an meinen Körper entrichten muss. 10 000 Demütigungen, dazu die Verheizkosten für die Mitmachgesellschaft. Mein Gesicht kommt aus dem Hinterzimmer und belästigt mich.

„Wieviel ist keins und keins?“ Das steht als Werbeaufschrift auf dem Container eines Sattelschleppers, der gerade von der Hauptstraße um die Ecke fährt. Die Fußgängerampel steht auf Rot! Ganz links, meine ich.

Die Dunkelheit ist, wie jeden Tag, nicht weit und die Mitternachtsspitzen torpedieren sehr bald meine empfindlichen Hinterbacken auf’s Kurzweiligste. Ich lache, zwar gequält, aber lachen muss ich schon. Zwar hat der Tort einen Zuckerguss – ich hätte lieber einen Zuckerkuss – aber in der Verscherzung ist die Wahrheit genießbarer.

Rudi Ramschbeutel lässt grüßen. Der Apparat der Verballhornung bläst frischen Wind in die Voliere, worin die Papageien auf ihren Hochsitzen, wie aus Holz geschnitzt, schaukeln. Keine Ahnung woher der Wind weht, wo genau der Ventilator steht. „Keine Ahnung“ darf man sagen. Dabei vergibt man sich nichts. Alles ist eine Interpretationsfrage, solange nur gelacht werden darf! Verboten wird später.

Die Zeit ist immer in Vorbereitung auf die Zeit. Nach dem Spiel ist vor dem Spiel, das Eis, auf dem Bewegung stattfindet, ist für alle Esel gleich dünn, die dünnsten Brettchen haben ihre stattlichen Bohrer gefunden und die Däumchen haben sich weiter gedreht. Was ist passiert?

Am Himmel schiebt sich eine Scheibe vor eine andere Scheibe und hier, auf unserer Scheibe, sieht es so aus als gäbe es eine Sonnenfinsternis. Die Unmöglichkeit der Erstellung einer tatsächlichen Realität flunkert uns aus der Lichtgeschwindigkeit entgegen.

„Hab dich im Herzen“ singen die Chöre der Fischer aus Fritzens Netz, mit dem sie sich selber gefangen haben, um in unverhohlener Geilheit an irgendjemandes Bord gehievt zu werden. „Du versäumst nichts!“ sagt eine andere Stimme, direkt aus der überall vorhandenen Versenkung heraus. Aber – glaube ich das?

„I ame the winzigst“, sagt mein Gesicht, verschwindet wieder im Hinterzimmer, wo es seit Jahren am Puzzle einer Kopfgeburt arbeitet. Ich bin entzückt! „Komm“, sage ich zu mir, „verkenne dich selbst, dann verkennt dich Gott“. Und gleich darauf schreite ich wieder zur Tat.

Gesichtslos geht mein Körper die Liebesbriefe der versprochenen Freiheit durch. Mein Gehirn – ohne Kopf, frei im Raum schwebend – leitet elektrische Impulse durch das Magnetfeld „Seele“ und täuscht sie dadurch über ihre Verkleidung, das Fleisch, hinweg.

„Bald ruhest auch du“ unkt der weise Schuhu und er zwinkert
mir – juchhuu – vom Grünen Zweig aus zu, auf dem er sitzt. Es blitzt! Die Götter werden sich doch jetzt nicht gegenseitig erschlagen, denke ich, von der Grausamkeit der Gedanken erfrischt. Dann fallen mir eine Million Ausreden ein und es gelingt mir ad hoc in der gewünschten Weise fröhlich zu sein.

Ad hoc

© Alf Glocker


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Kommentare zu "Ad hoc"

Re: Ad hoc

Autor: Sonja Soller   Datum: 25.12.2024 20:54 Uhr

Kommentar: Zu deinem Gedankenflug kann man dir nur gratulieren!!

Herzl. Abendgrüße aus dem weihnachtlichen Norden, Sonja

Re: Ad hoc

Autor: Alf Glocker   Datum: 26.12.2024 8:29 Uhr

Kommentar: Herzliche Morgengrüße aus dem Süden

Alf

und Dank!

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