Liebe Studierende und Freunde des Längs-, Quer- und Diagonaldenkens,

es scheint mir durchaus sinnvoll, wenn auf Anraten der Virologen und Epidemiologen während des Auftretens von Pandemien größere Menschenansammlungen vermieden werden müssen. Vor allem wenn die Übertragung eines Virus von Infizierten auf Gesunde über Tröpfcheninfektionen stattfindet, also durch Speichelpartikel, die jeder Mensch bei Sprechen, Singen oder Schreien absondert, insbesondere bei explosiven Verschluss- oder Zischlauten.

Zwar haben einige Kollegen im universitären Lehrkörper versucht, bei ihren Vorlesungen Wörter mit dieser Art von Lauten zu vermeiden. Dabei versuchten sie, den dadurch entstehenden Mangel an Verständlichkeit durch Erhöhung der Lautstärke wieder auszugleichen. Die Tröpfchenproduktion blieb auf diese Weise leider gleich, wie wir umgehend in einer belastbaren Laborstudie an drei Testpersonen nachweisen konnten.

In geschlossenen ungelüfteten Räumen kommen als Ansteckungsquelle auch noch Aerosolwolken hinzu, die sich stundenlang in der Luft halten und das Virus ebenfalls auf andere Menschen übertragen können. Schon Berthold Brecht erwähnt diese Aerosolwolken, wie folgende Gedichtzeilen von ihm beweisen:

Und über uns im schönen Sommerhimmel
War eine Wolke, die ich lange sah.

Glücklicherweise ist eine Übertragung im Freien unwahrscheinlicher als in geschlossenen Räumen, einen Sicherheitsabstand von 1,5 m hat Brecht nämlich zu Marie A. nachweisbar nicht gehalten.

Also gilt es es in erster Linie, Körperkontakte zu vermeiden und Abstand zu halten, es sei denn, die in Frage kommenden Personen leben schon seit Wochen eng zusammen, ohne dass es zu einer Infektion gekommen ist, weil beide offensichtlich gesund sind. Das trifft beispielsweise auf Ehepartner oder Familienverbände zu.

Konsequenterweise werden auch Menschenansammlungen bei Gesangsvereinen, Karnevalsveranstaltungen oder Sportereignissen untersagt, denn dort geht es eng zu, und es wird geschrieen oder gesungen, oft auch noch getanzt oder generell herumgetobt.

Dies hat zu Phänomenen wie den sogenannten Geisterspielen geführt, bei denen nur die Sportler selbst tätig werden, die Tribünen für die Zuschauer jedoch leer bleiben.

Müssten aber nicht auch die Sportler selbst geschützt werden? Müsste nicht auch bei diesen jeder Körperkontakt vermieden werden? Bei Sportarten wie Autorennen, Speerwerfen, Tennis oder Golf ist das leicht zu bewerkstelligen, bei Mannschaftssportarten ist es schon sehr viel schwieriger. Staffellauf könnte vielleicht stattfinden, sofern der Stab vor jedem Stabwechsel durch klinisch ausgebildetes Hilfspersonal desinfiziert worden ist. Völlig unmöglich erscheint jedoch die Vermeidung von Körperkontakten bei Disziplinen wie Ringen oder Boxen, um nur zwei besonders riskante Beispiele zu nennen.

Aber auch hier ergeben sich für innovationsfreudige kreative Veranstalter Lösungsmöglichkeiten:

Die erste wäre, diese Zweikampfsportarten in Einzelkämpfersportarten umzuwandeln. Boxer oder Ringer müssten also einzeln gegen sich selbst antreten. Dies böte mehrere Vorteile. Abgesehen natürlich von der Vermeidung von Körperkontakten würden auch noch Verletzungen vermieden und es ergäbe sich bei der Siegerermittlung eine signifikante Vereinfachung. Esoteriker könnten sogar noch ins Feld führen, dass die Sportler auf diese Weise im Kampf mit der eigenen Person gleichzeitig eine Reise in ihre eigene existentielle Mitte antreten und auf diese Weise zu sich selbst und auch zu neuer ausgeglichener Lebensbalance finden könnten.

Im Vorangehenden war von Familienangehörigen die Rede. Hier bietet sich eine zweite Form für die Durchführung der beiden oben erwähnten Zweikampfsportarten an. Man lässt Ehepaare in Box- oder Ringkämpfen gegeneinander antreten. Dabei ergäbe sich wiederum ein zusätzlicher Vorteil. Insbesondere bei problematischen Ehen könnten beide Ehepartner endlich ihre aufgestauten Frustrationen loswerden. Dies würde nicht nur die Anzahl der Scheidungen verringern, es müssten auch keine Unschuldigen hinzugezogen werden wie Sparringspartner, Stapel wertvollen Geschirrs oder Boxsäcke. Nein, die Schläge oder Würgegriffe träfen exakt die Ursache der Frustration, nämlich den Partner.

Aber solche Viruspandemien böten auch noch die Chance, völlig neue Sportarten zu etablieren. Beispielsweise ein Zweikampf der Immunsysteme. Zwei Personen werden von einer dritten, beispielsweise einem hochgradig infizierten Ringrichter angehustet. Geht aus dieser Situation einer der Kontrahenten ohne Ansteckung hervor, so wird dieser zum Sieger erklärt.

Allerdings müsste strengstens überwacht werden, dass im Vorfeld des Zweikampfes keinerlei Doping stattfindet. Nicht nur das Immunsystem stärkende Nahrungsmittel wie Gemüse, Joghurt oder frisches Obst müssten selbstverständlich für Monate vor dem Wettkampf strengstens untersagt werden, auch Bewegung und Aufenthalt in der frischen Luft wären verboten, da diese ja auch das Immunsystem in unzulässiger Weise stärken könnten.

Unter allen diesen Bedingungen ließe sich das Wettkampfgeschehen sogar bei Zweikampfsportarten mit höchstem Körpereinsatz aufrecht erhalten. Es bestünde in diesen Fällen kein Grund mehr, gegen Einschränkungen, Bevormundung oder Beschneidung der Grundrechte zu demonstrieren.

Glücklicherweise werden in diesem Hörsaal keine Zweikämpfe ausgetragen, zumindest keine körperlichen, weshalb Sie alle ja die vorgeschrieben Abstände eingehalten und auch eine Maske getragen haben, falls das Tragen einer Burka diese Maßnahme nicht schon im Vorfeld überflüssig gemacht hat. Die Sportler unter Ihnen werden mir sicher auch dankbar sein, dass ich meine Gedanken nicht in elitärer Abgehobenheit nur auf intellektuelle Themen konzentriert, sondern durchaus auch auf Bereiche ausgedehnt habe, in denen nicht Gehirn- sondern eher Muskelfasern zum Einsatz kommen.

Ich wünsche Ihnen bis zum nächsten Mal Gesundheit und freies Durchatmen und danke ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.




© Peter Heinrichs


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Beschreibung des Autors zu "Über Sport in Zeiten von Pandemien (Episode 31)"

Ein weiterer Vortrag des bekannten, sich ständig am Rande des Wahnsinns aufhaltenden Professors Dr. Anatol Schwurbelzwirn.

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