Kaffee Togo ohne Negerküsse

Er geht durch die Fußgängerzone und ärgert sich über die vielen Anglizismen, die ihn nerven. Warum wird man in einem Information Centre upgedatet? Warum findet im 4-you-Shop Sale statt? Warum sind das Candle-light-dinner und das Beauty Special im Wellness Resort ein Event? Was passiert eigentlich, wenn man im Callcentre ein Callgirl on demand ordert? Könnte man das nicht auch auf Deutsch sagen? Seltsamerweise geht man ja immer noch durch die Fußgängerzone und nicht durch eine pedestrian precinct oder shopping promenade. Vor einem Stehcafe mit dem Namen Back-Factory bleibt er stehen und fragt sich, was eigentlich eine Zurückfabrik ist.

Er geht hinein. Er ist der einzige Kunde. Die Frau hinter der Theke fragt:

„Was hätten Sie gern?“
„Einen Kaffee Kamerun.“
„Was wollen Sie?“
„Einen Kaffee Kamerun. Haben Sie keinen?“
Er sagte [too:goo].
„Wenn Sie Kaffee Togo haben, könnten sie doch auch Kaffee Kamerun haben.“
„Hä? Was soll das mit Togo und Kameruun?“ Sie betont das u.
„Sagen Sie bloß, sie kennen nicht Togo und Kamerun? Zwei Staaten Afrika.“
„Ach ja? Die kenn ich nicht, aber ich war schon mal im Urlaub in Afrika, in Tunesien. Warten Sie mal, da fällt mir ein, neulich kam mal was im Fernsehen. Wie hieß das gleich? So ähnlich wie Tabak, wie...“ Sie denkt nach. „Wie Tobacco. Ach ja, Tobago, meinen Sie vielleicht Tobago?“
„Nein, außerdem liegt Tobago nicht in Afrika.“
„Nein? Aber es gibt da Neger. Die habe ich im Fernsehen gesehen.“
„Neger sagt man nicht, das ist eine Beleidigung.“
„Wieso Beleidigung? Es stimmt doch, es sind doch Schwarze, halt Neger. Aber jetzt sagen Sie mir doch mal, warum Sie einen Kaffee Kameruun wollen.“
„Na ja, weil ich schon so oft Kaffee Togo getrunken habe, den bekommt man in jedem Stehcafe, hier ja auch, aber Kaffee Kamerun habe ich noch nie getrunken. Vielleicht schmeckt der ganz anders.“
„Was soll der Unsinn? Wir haben doch gar keinen Kaffee Togo.“
„Wieso nicht? Da steht doch ganz groß „Kaffee to go“. Er deutet auf das Schild, das über der Preisliste angebracht ist. Sie schaut hin und lacht.
„Was Sie für einen Schmarren reden. Das heißt doch Kaffee to go.“
Sie spricht das to go Englisch aus [tu gou], wenn es auch mehr nach [tu go] klang.
„Das ist Kaffee zum Mitnehmen, in Pappbechern, verstehen Sie?“
„Wenn das Kaffee zum Mitnehmen ist, warum schreiben Sie nicht hin Kaffee zum Mitnehmen oder Kaffee in Pappbechern?“.
„Der heißt halt so, Kaffe to go. Klingt doch besser als Kaffee zum Mitnehmen, finden Sie nicht?“
„Nein, finde ich nicht. Aber ich nehme einen und trinke ihn trotzdem hier, weil ich dann an Togo denke. Da möchte ich nämlich mal hin.“
Sie wartet, bis der Kaffee durchgelaufen ist, nimmt die Tasse und stellt ihn auf die Theke.
„Wünschen Sie noch etwas? Ein Stück Kuchen?“
„Ja, einen Negerkuss.“
„ Einen was?“
„Einen Negerkuss. Wissen Sie nicht, was das ist?“
„Nein, nie gehört.“
„Vielleicht darf man das heute auch nicht mehr sagen. Aber Afrikanerkuss oder Menschen-mit-schwarzer-Hautfarbe-Kuss klingt ja richtig bescheuert. Man sagt auch Mohrenkopf. Kennen Sie Mohrenköpfe, diese schwarzen Halbkugeln mit weißem Schaum drin?“
„Ja, Mohrenköpfe, die kenn ich. Die gibt es immer auf dem Jahrmarkt. Aber so was haben wir hier nicht. Wir sind ja eine Bäckerei und keine Konditorei. Wir haben frische Butterbrezeln im Angebot, drei für den Preis von zwei, Wollen Sie?“
„Nein, keine Butterbrezeln, die sind mir zu exotisch, die kommen aus dem Schwobeländle, aus Stuaget. Ich hätte lieber viele Negerküsse und deswegen will ich ja auch nach Togo fahren.“
Sie lacht.
„Was Sie da so reden. Viele Negerküsse in Togo. Sie meinen jetzt bestimmt schon wieder etwas anderes. Ich weiß, was Sie meinen, Sie sind vielleicht witzig.“
Sie wendet sich, immer noch lachend, einem neu eingetretenen Kunden zu, der einen Kaffee to go und eine Butterbrezel bestellt.


© yupag chinasky


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Kommentare zu "Kaffee Togo ohne Negerküsse"

Re: Kaffee Togo ohne Negerküsse

Autor: Verdichter   Datum: 18.02.2020 21:31 Uhr

Kommentar: Dickes Like! Ach, sorry, äh, tschuldigung, "gefällt mir"!
Na bitte, geht doch!

Gruß, Verdichter

Re: Kaffee Togo ohne Negerküsse

Autor: yupag   Datum: 18.02.2020 22:51 Uhr

Kommentar: In Mannheim gibt es das Capitol, früher ein Kino, heute für Veranstaltungen genutzt. Über der Bar prangt als Werbung ein Sarottimohr seit undenklichen Zeiten. Vor einiger Zeit kam die Diskussion auf, dass dieser Mohr weg muss, Rassismus, Kolonialismus etc. Jetzt hat ein Künstler ihn in Leinen gepackt, a la Christo. Wenn heute einer Neger sagt, steht er schon mit einem Fuß im Knast.

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