Ich schaffe nur mal schnell den Müll vor die Tür und alte Erinnerungen kommen wieder und da sitzt plötzlich mein Doppelgänger auf dem Sofa und guckt sich alte Familienfotos an. Ich unterstelle ihm, ein feindlicher Agent zu sein und er bezichtigt mich, der Doppelgänger zu sein. ER sei das Original. Ich wäre nur ein Stellvertreter um den Schein zu wahren, behauptet mein Doppelgänger. Ich bekomme umgehend eine Identitätskrise, da ich plötzlich nicht mehr sicher bin, ob ich nicht vielleicht wirklich nur eine Kopie bin und man mir falsche Erinnerungen an mein Leben eingetrichtert hat. Andererseits frage ich mich, ob es eine Rolle spielt, ob ich eine Kopie bin. Dann bin ich eben eine Kopie. Aber ich habe mich jetzt schon so an mein Leben gewöhnt, dass ich keine Lust darauf habe, für das Original den Platz zu räumen. Also erschlage ich meinen Doppelgänger mit dem erstbesten Gegenstand, den ich zu fassen kriege. Das Überraschungsmoment ist auf meiner Seite. Aber es dauert gut zwei Stunden, bis mein Doppelgänger endlich tot ist, da ich nur mit einer Fliegenklatsche zuschlage. Ich verpacke meinen Doppelgänger in handlichen kleinen Stücken in Sondermülltüten und stelle sie schön ordnungsgemäß vors Haus. Natürlich nicht vor mein eigenes Haus sondern vor das meines Nachbarn. Soll der mal schön Ärger dafür kriegen, dass er mich umgebracht hat. Dieser elende Denunziant. Wäre mir ganz recht, wenn sie meine Leiche (nein, die meines Doppelgängers) finden und mich für tot erklären. Dann kann ich endlich wieder meine gefälschten Essensmarken wieder selbst in den Supermarkt tragen und mir Schokolade ergaunern und Prager Schinken und Limonade. Aber ich sollte schon herausfinden, wer mir meinen Doppelgänger aufgehalst hat und wieso. Die Regierung. Schon klar. Aber wieso? Zu welchem Zweck? Wieso wollte man mich austauschen? Werden jetzt alle unliebsamen Bürger ausgetauscht?

Mein hassgeliebter Doppelgänger

© by Björn Coen


© by Hartmut Holger Kraske


3 Lesern gefällt dieser Text.



Unregistrierter Besucher


Beschreibung des Autors zu "Mein hassgeliebter Doppelgänger"

Habe versucht mir vorzustellen, wie David Lynch schreiben würde, wenn er Eugen Egner wäre. Ist er aber nicht. Also musste ich den Text halt selber schreiben. Aus meinem ewig unfertigen Roman DIE REVOLUTION DES ZUFALLS

Diesen Text als PDF downloaden




Kommentare zu "Mein hassgeliebter Doppelgänger"

Re: Mein hassgeliebter Doppelgänger

Autor: Bluepen   Datum: 02.02.2020 12:57 Uhr

Kommentar: Lieber Hartmut,

deine Doppelgänger Geschichte ist sehr glossenhaft geschrieben und auch super zu lesen. Geflällt mir sehr gut!

LG - Bluepen

Kommentar schreiben zu "Mein hassgeliebter Doppelgänger"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.