Mutter fährt schnell. Manchmal zu schnell. Fast immer zu schnell. Neulich ist sie innerorts angehalten worden. Hat den obersten Knopf ihrer Bluse geöffnet, die Brüste nach oben gedrückt und den Rock nach hinten gezogen, bevor der Polizist neben dem Auto stand. Mutter liess dann das Fenster herunter. "Guten Tag", sagte sie, "Guten Tag", sagte der Polizist. "Kann ich Ihren Fahrzeugausweis sehen?" "Natürlich", sagte Mutter, schaute nach rechts zum Handschuhfach hinüber, öffnete es, begann zu suchen. Der Polizist schaute auf ihren Rücken, dann auf ihren Hintern, der leicht abgedreht war, schaute auf den String Tanga, der ein wenig aus ihrem Rock schaute. Mutter bewegte ihren Hintern ein wenig hin und her, sagte dann: "Hier ist er, ich habe ihn." Sie überreichte dem Polizisten den Ausweis. "Ist heiss heute", sagte sie und öffnete einen weiteren Knopf an ihrer Bluse. "Sie sind zu schnell gefahren", sagte der Polizist. "Meine Mutter liegt im Krankenhaus im Sterben, ich muss mich beeilen. Wenn wir zu spät kommen, werde ich mir das nie verzeihen können." Dabei setzte meine Mutter den traurigen Blick auf, den sie im letzten Theaterstück mit der Laiengruppe Ost so gut herübergebracht hatte. Der Polizist schaute zuerst in ihre Augen, dann in ihren Ausschnitt und sagte dann: "Na gut, wenn das so ist, dann drücke ich jetzt beide Augen zu. Hier haben Sie Ihren Ausweis zurück. Lassen Sie Ihr Auto stehen und steigen Sie mit Ihrem Sohn in mein Auto. Ich werde Sie mit Blaulicht zum Krankenhaus fahren."


© René Oberholzer


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