Die typische Tupperwareberaterin heutzutage ist Ende 30 und wiegt zwischen 120 und 140 Kilo. Sie hat im besten Falle nichts mehr von ihrem Leben zu erwarten, denn mehr wird sie durch diese Plastikgeselschafft auch nicht bekommen. Ihr einziges Erstreben wird es sein die neusten und absolut unverzichtbaren Produkte zu erwerben und anzupreisen, möglichst als erste.
Spaßeshalber hab ich mich rekrutieren lassen und bin zu einer Produktvorstellungsveranstaltung hin, mal einen Blick hinter die Kulissen werfen.
Schon bei der Begrüßung wurde klar, hier ist Authentizität nicht zu erwarten. Es regnete Umarmungen und Küsschen, für die Sektenmitglieder, aber man blieb selbstverständlich beim "Sie", denn eigentlich kennt man sich ja kaum und will es vermutlich auch gar nicht.
Der Eindruck änderte sich auch nicht, als wir in den Vorführraum gelangten. Eine Bühne, semiprofessionell ausgeleuchtet, damit auch niemanden entging, welches Highlight zu erwarten war.
Das Licht ging aus, ein Spotlight wurde auf die Bühne gerichtet, Musik an. Eine deutlich untersetzte, mitte 60igerin, stürmte bewaffnet mit Mikrophon, unter tosendem Jubel der Menge (ca 30 Frauen), die Bühne.
Ab da war mir klar, das wird heute ein harter Kampf mit meiner Selbstbeherrschung.
Der weibliche Guru richtete sein Wort an seine Anhänger und andächtige Stille trat ein.
So viele Besonderheiten hatten uns zu erwarten. Neue Produkte und gekocht wurde auch. Ab dem Moment war das Spotlight überflüssig. Die Augen der anwesenden, Plastikverfechter, erleuchteten die Bühne voll und ganz.
Die vorgeführten Produkte haben schon was, denke ich, nach mittlerweile eineinhalb stündiger Gehirnwäsche.
Plötzlich wurde das Wort an mich gerichtet, mein Aufnahmeritual begann. Ich ging auf die Bühne und schaute in die Augen der Meute. Es war offensichtlich, sollte ich auch nur mit einem Gedanken an irgendwas hier zweifeln, würde ich für immer von der Bildfläche verschwinden, spurlos!
Ich stellte mich vor, gab an zu welchem Team ich gehörte und begründete (scheinbar glaubhaft) warum ich fortan den Tuppergott anbeten wollte.
Dann war es endlich soweit. Der Guru überreichte mir den heiligen Gral einer jeden, angehenden Beraterin- den Produktratgeber.
Nun war ich ein offizielles Mitglied der Plastik-Armee.
Im Nachgang wurde noch eine Dame unter viel Applaus wahrscheinlich zum Papst erklärt, aber dem konnte ich nicht mehr so ganz folgen. Hatte ich wirklich meine Seele verkauft für eine Kaffekanne und das obwohl ich nicht mal Filterkaffee trank?
Das war definitiv einer der skurrilsten Abende, die ich bisher erlebt hatte.
Kommentar:Viele Menschen brauchen irgendwas, wo sie hinterher hecheln. Irgendwelche sauteuren Kochpötte, oder so einen Tupperscheiß. Und natürlich mit ausgeschaltetem Gehirn. Ach, die haben gar keins ...
Deine Geschichte gefällt mir. Wie du siehst, regt sie mich an und auf.
Du bist ja noch ganz frisch hier bei Schreiber Netzwerk, also erst mal herzlich willkommen, liebe d.F.m.d.r.H. (Kurzform von deinem unmöglich langen Namen, der aber Fantasien über dein Aussehen anregt ...)
Liebe Grüße und eine gute Nacht
Wolfgang
Kommentar:Habe mich köstlich amüsiert! :)
Ich glaube, es gibt kaum einen Haushalt, der nicht irgendetwas von Tupper besitzt. Deren Verkaufsstrategie funktioniert, obwohl die Produkte mächtig überteuert sind.
Vielen Dank für den tollen Text, liebe DieFraumitdenrotenHaaren!
( der Name ist wahrlich schön, aber...hui...so lang) ;)
Liebe Grüße
Ella
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