Eigentlich war es ein Morgen, wie jeder andere auch, aber heute war ein besonderer Tag für Richard.
Heute feierte er sein 25 jährigen Arbeitsjubiläum. Soviel Jahe schon stand er an der Holzsäge der Firma 'Wichtl' und sei 25 Jahren hatte er täglich diesen eigenartig, schönen Waldduft des frischen Holzes in seiner Nase.
Heute nun, wollte man ihn zu Ehren, eine kleine Feier veranstalten.

Seine Frau Vera hatte bereits das Frühstück vorbereitet, sie saßen zusammen in der Küche, redeten und blickten dabei zum Fenster hinaus. Sie sahen über weite Wiesen, dunklem Wald und bestellte Felder. Im Dunst des frühen Morgen sahen sie in weiter Ferne die Gipfel der Vogesen.

Vera hatte ihrem Mann eine neue Krawatte geschenkt, er sollte heute besonder gut aussehen. Sie verabschiedeten sich mit einen Kuss wie sie es immer taten, Vera sah ihm nach, wie er mit dem Rad zur Sägemühle fuhr.
Ja, ihr Richard war ein fleißiger Mann, er fehlte nie und packte immer mit an wo es nötig war.

In der Sägemühle angekommen, wurde er von seinen Kollegen begrüßt und sie wünschten Ihm 'für weitere 25 Jahre' Glück!
Nach den langersehnten Tönen der Mittagssirene gingen sie alle hinüber zu Schuppen drei, der war gerade leer und so wurden dort Biertische und Bänke aufgestellt.
Ein großer Grill vor dem Schuppen ließ Gutes erwarten!

Jetzt kam auch der Chef, Herr Wichtl, er war ein großer, älterer Herr mit grauem Haar. Er stellte sich vor seine Mitarbeiter und hielt eine kurze, aber herzliche Rede, in der er Richard für seine langjährige Treue dankte und ihm eine goldene Taschenuhr überreichte.
In seinen Worten sprach er von Pünktlichkeit, Ehrlichkeit und Treue.
Es gab einen festen Händedruck und dann wurde gegessen und getrunken, viel geredet und gelacht.
Richard war eigentlich ein ruhiger Typ, die Worte von Herrn Wichtl ließen ihn nachdenklich werden.
Er hatte jeden Tag seine Aktentasche mit Abfallholz gefüllt und mit heim genommen. Die Winter in den Vogesen waren kalt und lang, das Holz wärmte die kleine Stube angenehm.

Daran dachte Richard in diesem Moment, er erhob sich und ging zu Herrn Wichtl: "Ich möchte Ihnen etwas sagen, ich habe in den 25 Jahren jeden Tag eine Aktentasche voller Abfallholz mit nach hause genommen"!
Herr Wichtl nickte gönnerhaft, doch dann überlegte er und sagte plötzlich:" Mann, Sie haben mir ja in den 25 Jahren einen Waggon Holz geklaut"!
"Geben Sie sofort die Uhr zurück , Sie sind fristlos entlassen!
Richard war es, als würde der Boden unter seinen Füßen schwanken, er war ganz blass, langsam ging er hinaus, überquerte den Hof, ging zu seinem Schrank, nahm die paar Sachen heraus, setzte sich auf's Rad und fuhr heim.
Seine Frau war sehr erschrocken als er ihr alles erzählte, dann sagte sie... zieh Dich um und gehe zu Pfarrer Lorenz der kennt Dich und dem kannst Du alles erzählen.

Richard ging mit schweren Schritten zur Kirche, am Weg stand ein "Marterl", Richard kniete nieder zu einem kleinen Gebet.
Als er vor dem Beichtstuhl saß , sah er hoch zum Kirchenhimmel, es war ein wunderschönes Gemälde mit der Mutter Maria und vielen kleinen Engeln.

Richard beichtete dem Pfarrer, dass er in 25 Jahren einen Waggon Holz gestohlen habe, Pfarrer Lorenz war ganz still, aber dann sagte er: "Du bist ein selten dummer Kerl, hättest Du jeden Tag nur eine Aktentasche voll mitgenommen, hätte keiner etwas bemerkt "!


© GünterWeschke


0 Lesern gefällt dieser Text.


Beschreibung des Autors zu "Das Holz der Anderen"

Lügen haben kurze Beine....Diebe haben keine.
Aber so ist das nun einmal, Ehrlichkeit wird nicht immer belohnt.

Diesen Text als PDF downloaden




Kommentare zu "Das Holz der Anderen"

Es sind noch keine Kommentare vorhanden

Kommentar schreiben zu "Das Holz der Anderen"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.