Die Stadtmaus und die Kirchenmaus


Es lebte einst die Maus Wackelschwanz in der großen Stadt. Sie war eine typische Stadtmaus. Sie hatte es sehr gut, denn sie lebte in Saus und Braus.
Selbst in kalten Wintern konnte sie sich an den Öfen und Kaminen aufwärmen.
Sie war trotzdem unzufrieden, geizig und streitsüchtig.
Die Maus Schnupperline war das ganze Gegenteil.
Sie war fleißig, freundlich und hilfsbereit. Ihr zu Hause war die große Kirche mit den fünf Türmen. Sie war eben eine zufriedene Kirchenmaus.
Eines Tages kam ganz unverhofft die Stadtmaus Wackelschwanz zu Besuch. Die Kirchenmaus Schnupperline freute sich sehr über den Besuch von Wackelschwanz.
Sie bewirtete ihren Besuch auf das Beste. Die Stadtmaus blieb neun lange Tage,
und da die Vorräte der Kirchenmaus zu Ende gingen, verabschiedete sich die Stadtmaus. Sie dachte, hier ist sowieso nichts mehr zu holen.
Beim Abschied sagte Wackelschwanz: „Wenn du Lust hast, kannst du mich
auch einmal besuchen.“
Es war inzwischen schon der Monat November angebrochen. Auf den Feldern
fand Schnupperline keine Nahrung mehr. In der Kirche lagen immer seltener
Oblatenkrümmel auf dem Kirchenboden.
Sie hungerte oft, und war schon ganz dünn geworden. Die Kirchenmaus dachte,
du wirst die Stadtmaus aufsuchen, denn die hat bestimmt eine volle Speisekammer.
Gesagt, getan, und die Kirchenmaus ging in Richtung Stadt. O weh, sie kam in ein großes Gewitter. Ihren Regenschirm hatte sie vergessen. Auf dem Bauernhof von Bauer Mühsam fand sie unter einer Wanne einen sicheren Unterschlupf.
Doch sehr bald lief das Regenwasser unter die Wanne. Schnupperline hatte ein Unwohles Gefühl, wenn sie an die Katzen des Bauern dachte.
Trotz dem heftigen Regen setzte sie ihren Weg fort.
Nass, frierend und müde kam sie bei der Stadtmaus an. Die Stadtmaus war über den Besuch nicht erfreut. Sie schimpfte ganz laut, wer soll denn meine schöne Wohnung reinigen, du machst ja alles nass und schmutzig. Die Kirchenmaus entschuldigte sich einige Male und Tränen kullerten über ihr schmales Gesicht.
Die Stadtmaus Wackelschwanz sagte bösartig, dort stehen Eimer und Schrubber, du kannst dich gleich an die Arbeit machen.
Wackelschwanz gab Schnupperline nur altes, hartes Brot zu essen. Zu Trinken gab es nur abgestandenes Regenwasser, jedoch die Stadtmaus speiste nur vom Feinsten.
Die Kirchenmaus war von der vielen Arbeit und der kargen Kost mehr als erschöpft.
Nachts lag sie hungernd und frierend auf ihrem Bett.
Sie sagte zur Stadtmaus Wackelschwanz: „Ich gehe jetzt wieder nach Hause.“
Ganz überfreundlich sagte die Stadtmaus: „Du hast es doch bei mir gut, du brauchst dich um Nichts zu sorgen.“
Die Kirchenmaus ließ sich jedoch nicht beschwatzen, sie blieb ihrem Vorsatz treu.
Der Heimweg war sehr beschwerlich. Es hatte in der Nacht gefroren und die Straßen und Wege waren spiegelglatt. Schnupperline rutschte mehrmals aus, sie fiel auf
Ihren Popo. O, das tat sehr weh.
Nach einer längeren Wegstrecke traf sie auf den Hamster Nimmersatt. Nimmersatt hatte seinen schützenden Bau verlassen, er wollte wieder frische Luft atmen.
Als er die Kirchenmaus sah, rief er: „ Schnupperline, wie siehst du bloß aus, bist du etwa krank?“ Die Kirchenmaus berichtete dem Hamster, wie es ihr bei der Stadtmaus
ergangen war.
„Potz Donnerwetter“ sagte der Hamster „ das ist ja mehr als gemein, die Stadtmaus soll der Teufel holen.“ Worauf die Kirchenmaus nichts einzuwenden hatte.
Nimmersatt fragte: „ Um deine Nahrung wird es sicher auch schlecht bestellt sein.“
Die Kirchenmaus schluckte mehrmals und ihr versagte die Stimme.
„ Schon gut, schon gut“ sagte der Hamster „ wir kommen morgen bei dir vorbei und bringen dir viel Essbares.“
Am nächsten Morgen kam Nimmersatt und sein Sohn Fettbacke. Sie hatten einen ausgehöhlten Kürbis bei sich.
Der Kürbis war bis zum Rand mit Körnern und Erbsen gefüllt. Nun hatte die Maus
Reichlich zu essen. Freudig und glücklich bedankte sie sich bei den Hamstern.
Aus Dankbarkeit strickte die Kirchenmaus den Hamstern je eine Jacke aus Haferstroh.
Im zeitigen Frühjahr traf Schnupperline auf den Hamster Nimmersatt. Er fragte sie,
wie sie über den kalten Winter gekommen sei.
Sie antwortete: „ Gut, sehr gut, dank eurer Hilfe.“
Der Hamster setzte sich vorsichtig auf seine Hinterbeine und sagte: „ Man muss sich heutzutage seine Freunde genau ansehen, sonst fällt man auf die Nase, und ist der Betrogene.“

Die Maus beherzigte von Stund an seinen Ratschlag…


© Jürgen


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