An Montagen pflegte ich zum Stammtisch zu gehen und zwar in ein Gasthaus meines Wohnortes (dass es der Hohlweger war, verrate ich nicht). Dort saß ich dann mit Arbeitern, Gemeindevertretern, Pensionisten, Kaufleuten und anderen Mitgliedern der Dorfgesellschaft zusammen. Da jeder einzelne aus der Runde der Freiwilligen Feuerwehr, dem Kameradschaftsbund oder der Musikkapelle angehörte (die meisten konnten alle drei Mitgliedschaften vorweisen), waren die Gespräche thematisch praktisch vorgegeben. Zu fortgeschrittener Stunde hörte sich das dann etwa so an: „Den Huaba nehma ned auf, der mecht die Fohne trogn. Wo kamad ma do hin? Na, den Huaba nehm ma ned auf. Wei des wa jo nu des Schena. Na, den Huaba nehma ned auf!“ „Wiaso soid ma an Huaba ned aufnehma? Wos hod da denn der do? Ha, wos hod da der do? Nix hod a da do! Nua, wei du die Fohne trogn mechtast (dieser Konjunktiv wird nicht missachtet), wüsd an Huaba ned aufnehma, des is da Grund und sunst goa nix,….“ Das ging dann oft so hin und her, gelegenlich wurde der Ton rauer, aber nach einem „Irene, bingt dem Krakeler do a Viertal!“, war jeder innerer und äußerer Aufruhr wieder beigelegt.
Hin und wieder fuhr ich nach solch erbaulichen Diskussionen in mein zweites Stammlokal, in den „Zirkel“ um dann ebenfalls zu einer Runde in diesem Salzburger Lokal zu stoßen. Diese setzte sich aus Landesbeamten, Universitätsprofessoren, Schriftstellern, Stadtpolitikern und Zufallsgästen zusammen. Die Leute unterschieden sich im Aussehen nicht wesentlich von den Gegebenheiten im dörflichen Gasthaus, im Wortlaut aber sehr wohl. Im Inlokal hörte sich das dann etwa so an: „Also, Hofrat Huber können wir unter keinen Umständen in den Verein kooptieren. Der möchte sich doch nur profilieren, wenn er bei diversen Umzügen die Fahne voran tragen dürfte. Wo kämen wir hin, wenn jeder Neue gleich prestigeträchtige Vereinsfunktionen übernehmen könnte? Wo, frage ich, kämen wir da hin? Nein, Hofrat Huber kann und darf nicht aufgenommen werden, wir würden den Bock zum Gärtner machen, Gott bewahre uns vor einer ungestümen Entscheidung. Geht ihr mit mir konform“? „Typisch Dr. Schreiner! Woher kommt eigentlich deine Aversion gegen Hofrat Huber? Die resultiert doch nur aus deinen eigenen Ambitionen, die Standarte voanzutragen und quasi den Verein coram publico zu repräsentieren. Das erscheint mir das präsumtiv vordergründige Moment in dieser Causa zu sein, lieber Dr. Schreiner , … „
Welch unterschiedliche Interessen Menschen doch verfolgen können!


© ingo.baumgartner


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Kommentare zu "Stammtisch in Puch und Salzburg"

Re: Stammtisch in Puch und Salzburg

Autor: castagnabella   Datum: 29.11.2014 16:29 Uhr

Kommentar: Lieber Ingo Baumgartner, auch wenn die Protagonisten der Geschichte unterschiedlicher Herkunft sind, so sind doch die Ziele immer gleich. Eine subtile, aber auch kurzweilige Geschichte. Gefällt mir.
LG Castagnabella

Re: Stammtisch in Puch und Salzburg

Autor: ingo.baumgartner   Datum: 29.11.2014 18:11 Uhr

Kommentar: Castagnabella, Danke für den Kommentar und (vielleicht auch fürs Schmunzeln) LG Ingo

Re: Stammtisch in Puch und Salzburg

Autor: Uwe   Datum: 29.11.2014 19:37 Uhr

Kommentar: Na, dene Huaba, dene moag i a net aufnemme,
oaber dene Boamgoartner, gell, dene imma!

Und abgeben kann ich auch etwas, eine kleine, süße Schadenfreude. Ingo Baumgartner, diesem Deutsch- und Sprachkünstler par excellence, passiert in seinem letzten Satz: Interessen verfolgen die Menschen, ha.
(Aber verdirb mir ja nicht den Abend und behaupte, das war Absicht.)

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