Sinnliches Gewitter - Fortsetzung !

© 2025 Ella Sommerhain

Der Morgen war da, ohne zu fragen. Das Gewitter hatte sich verzogen, aber der Geruch der Nacht hing noch fest zwischen Sofa und Vorhang – süßlich, rauchig, zu dicht. Licht tastete sich durch den schweren Stoff, warf blasse Streifen auf zerdrückte Kissen, über unsere nackten Füße. Alles war zu still. Nicht die Stille von Frieden – sondern die nach einem Sturm, wenn die Welt sich erst neu sortieren muss.

Aya lag noch auf dem Sofa. Halb eingerollt in die Decke, ein Knie frei, der Arm über dem Bauch, als hätte sie sich selbst umklammert. Ihr Gesicht war zum Fenster gedreht, das Haar ein wilder, schöner Scherbenhaufen. Ich lag verdreht daneben – irgendwie auf dem Rücken, ein Bein vom Polster gerutscht, die Haut kühl. Wir hatten nackt geschlafen. Und geblieben war ich trotzdem.

Eine Haarsträhne fiel ihr ins Gesicht. Ich sah sie, spürte den Drang, sie wegzustreichen, noch bevor mein Körper sich bewegte. Kein Pflichtgefühl, keine große Geste – nur dieses „Ich muss“. Ich wollte sie berühren. Nicht, weil sie es brauchte. Sondern, weil ich nicht anders konnte. Der Vorwand war die Haarsträhne – die Wahrheit war, dass ich sie einfach berühren wollte. So liebevoll, wie eine Mutter ihr Kind streichelt, sanft, fast heilig. Meine Fingerspitzen glitten über ihre Stirn, flüsterten Berührung, und sie atmete weiter, ruhig. Ich musste lächeln. Sie war das schönste Chaos, das ich je gesehen hatte.

Dann zwang ich mich aufzustehen.

Der Boden war kühlwarm. Ich griff das erstbeste Shirt und zog es über, es war unangenehm feucht und roch nach Alkohol und Rauch, als würde es mich daran erinnern wollen, wie die Nacht war. Dann eine Jogginghose, schlurfte zum Fenster, die Helligkeit war zu grell. Ich suchte die Sonnenbrille – fand sie halb unter dem Tisch. Aya murmelte etwas Unverständliches, rollte sich tiefer in die Decke, wie ein schlafendes Tier, das nichts wissen will vom Tag.

Die Tür fiel leise hinter mir zu.

Draußen war die Luft frisch. Der Himmel zu hell für die Uhrzeit. Auf dem Gehweg klebten Reste vom Sommerregen, Blütenblätter, zerdrückte Kippen. Ich war zu früh für alles – und trotzdem unterwegs. Weil es leichter war, mich zwischen Tür und Brötchentüte zu verlieren, als in dem warmverquollenen Echo meines eigenen Herzschlags zu bleiben.

Der Bäcker roch nach Hefe und Mohn. Zwei alte Männer blätterten in Zeitungen, einer hustete in seinen Ärmel. Ich kaufte zwei Kaffee, vier Brötchen, irgendwas von „zum Mitnehmen“ und stand dann wieder auf der Straße, mit Tüte und Pappbechern, als wär ich ein Teil von etwas, das ich noch nicht ganz begriff.

Der Rückweg zog sich. Vielleicht, weil ich wusste, dass Aya da war. Dass sie wach sein könnte. Oder nicht. Und dass wir nicht mehr ganz dieselben waren wie gestern. Mein Schatten lief vor mir her, zu lang für die Uhrzeit.

Als ich die Tür öffnete, roch alles noch wie vorher. Wie Nacht. Ich stellte die Tüte ab, sortierte Teller, stellte Kaffee ein, versuchte, mich in der Bewegung zu verlieren. Aya kam langsam ins Zimmer. Barfuß. Das Shirt, das ich gestern getragen hatte, hing ihr schief über die Schulter. Ihre Haare sahen aus wie Kunst. Ihre Stimme war rau, als sie fragte, ob das für uns sei. Ich nickte.

Wir setzten uns. Aßen. Kein großes Gespräch. Nur das Kratzen von Brötchen auf Porzellan. Zwischendurch sah sie mich an, mit diesem einen Blick, den man nicht lernt – der einfach da ist, wenn man jemandem vertraut, obwohl alles neu ist.

Ich wusste nicht, was das jetzt war. Aber es war da. Und es blieb. Für diesen Moment jedenfalls.

Sie grinste, als hätte sie mich gerade beim Lügen erwischt. So ein schräger, halb verschlafener Blick, als ob sie genau wusste, wie ich dagestanden hatte – mit Sonnenbrille, Brötchen und Herzklopfen, das mehr mit ihr zu tun hatte als mit dem Koffein. "Du bist süß, wenn du denkst, ich merk das nicht, dass du mir die Strähne aus dem Gesicht gestrichen hast", gähnte sie im Halbwachen Zustand, kicherte und nahm sich das Mohnbrötchen.

Ich tat, als hätte ich’s nicht gehört, aber wurde knallrot, riss eine Butter auf, suchte nach dem Messer, das ich nie hingelegt hatte. Aber sie ließ’s einfach so stehen, als wäre das völlig normal – dass man morgens um halb sieben mit nackten Füßen in der Küche hockt, in einem Shirt, das nicht ihres war, der Restglanz der Nacht noch auf der Haut, und zwischen uns dieses leise Nachbeben, wie ein Flackern, das nicht fragt, ob es bleiben darf.

Ich beobachtete, wie sie in ihr Brötchen biss, wie ein paar Krümel auf ihren Oberschenkel fielen. Und ich wollte nichts lieber, als sie mit einem Daumen wegzuwischen. Wieder berühren, ohne dass es komisch ist. Oder zu viel. Oder schon wieder.

Ich nahm mir ein Honigbrötchen, biss hinein – zu hastig, zu gierig. Honig klebte an meinem Kinn, ein Tropfen landete auf der Nase. Ich versuchte, ihn mit der Zunge zu erwischen, verfehlte natürlich. Aya sah mich an, wie ein Kätzchen kurz vor dem Sprung. „Willst du noch Marmelade?“ fragte sie beiläufig. Ich nickte Richtung Schrank. „Oben rechts.“

Sie stand auf, streckte sich, holte das Glas. Auf dem Rückweg zu ihrem Stuhl beugte sie sich zu mir runter – und küsste mir den Honig vom Gesicht. Ohne Vorwarnung. Kurz, intensiv, warm. Ich erstarrte. Mein Brötchen glitt mir aus der Hand, landete auf dem Teller, klebte an der Butterpackung.

Aya lachte leise. „Oh, du bist lecker“, sagte sie, setzte sich zurück und biss in ihr Brötchen, als wäre nichts gewesen. Aber in ihren Augen war da etwas – ein Glimmen, das irgendwo zwischen Hunger, Übermut und dieser Art Zärtlichkeit lag, die sich nicht erklären lässt.

Und ich saß da, mit Honig im Gesicht und einem Herz, das aus dem Takt geraten war. Ich war verliebt. Ganz eindeutig. Und sie wusste es längst.


© 2025 Ella Sommerhain


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