Seine Hände fuhren den rauen Stamm der alten Eiche hinauf, bis er spürte, was er halb blind durch die hereinbrechende Dunkelheit gesucht hatte. Seine Armmuskeln spannten sich an, während er die Lederriemen auf Hüfthöhe und oberhalb seines Kopfes fester um den Stamm zog. Das sollte halten, allzu schwer war sie nicht und trotz des ganzen Settings wollte er sie nicht von Beginn an so hart rannehmen. Zeit und sein Einfühlungsvermögen waren heute Nacht gefordert. Zeit, bis sie sich eingewöhnt hatte. Danach konnte er sich selbst freilassen. Und sie würde es merken, ab dem Augenblick, wo es begann.

Aber erstmal musste sie zu ihm finden.

Dafür durfte sie sich nur nicht so viel Zeit lassen, wie sie gerne würde. Ein Lächeln umspielte seine Lippen, während sich vor seinem inneren Auge das nächtliche Schauspiel abspulte, welches sie erwartete. Verborgen vor neugierigen Augen, durch tausende Bäume und deren Schatten. Genau so würden die mannshohen Riesen jeden Ton schlucken und nichts nach außen dringen lassen. Höchstens die Laute ihrer Gier nacheinander, auf sie beide zurückwerfen. Ein perfektes Echo.

Mit flinken Bewegungen knöpfte er sein schwarzes Hemd auf, streifte es sich von den Schultern und entblößte seinen kräftigen Oberkörper. Er wollte ihr ja schon etwas bieten, nachdem sie erfolgreich der Spur gefolgt war, die er ausgelegt hatte. Wenn auch nicht zu viel. Er atmete mehrmals tief durch, um sich zu zügeln und eine klare Stimme zu wahren, dann verließ ein gellender Schrei seine Kehle.



Da war es – ihr Startzeichen. Sie besann sich auf ihre ihr bevorstehende Aufgabe und tat den ersten Schritt zwischen die Bäume, hinein in die Dunkelheit. Sie hatte keine Taschenlampe bei sich, ihr Handy hatte er ihr noch am Vorabend abgenommen.

“Schärfe deine Sinne, verlasse dich auf sie. Du wirst mich finden.” Mit diesen Worten hatte er sich rückwärts aus dem gemeinsamen Schlafzimmer gestohlen und war erst zurückgekehrt, als sie schon schlief.

Sie spürte das Herz in ihrer Brust hämmern. Was zur Hölle hatte er vor? Er wusste doch, dass sie panische Angst im Dunkeln hatte. Vermutlich wollte er sie ärgern... ziemlich makaber, wie sie fand. Trotzdem setzte sie einen Fuß vor den anderen und blinzelte, um mehr erkennen zu können. Auf ihre Sinne verlassen. Großartig. Ihre Augen stellten sich aktuell als nutzlos heraus. Sie stolperte über eine Wurzel, fluchte und rappelte sich wieder auf.

Das hier war ein ganz schlechter Scherz.

Sie atmete tief durch, ihr Körper war zum Zerreißen gespannt, während sie bewegungslos auf einer Stelle stand, die Augen schloss und lauschte.





Sie war ein schlaues Mädchen, das wusste er. Sie würde zu ihm finden. Sie musste nur ruhig werden und sich darauf besinnen, warum sie hergekommen war. Sich nicht ihrer Angst hingeben. Sich auf ihn fixieren und einen Schritt nach dem anderen tun. Dann würde alles gut werden.





Sie schlug die Augen auf und bemerkte die feine Linie zwischen den zwei Stämmen unweit von sich entfernt. Langsam ging sie näher und streckte eine Hand aus. Es war ein Baumwollfaden. Einzelne Flusen verfingen sich unter ihren Nägeln, als sie der Spur mit der Hand folgte, da ihr ein Licht aufging, wie genau sie ihn finden sollte. Und mit dieser Erkenntnis zog sich ihr Unterleib zusammen. Sie holte ein letztes Ma tief Luft, dann hangelte sie sich an der Spur entlang.





Er fuhr sich mit der Hand über die Augen, suchte die Gegend vor sich ab. Noch sah er keine Bewegung zwischen den Bäumen. Sie würde kommen. Noch hatte sie etwas Zeit. Ansonsten würde er ihr entgegen gehen...

Und dann stand sie plötzlich vor ihm.

Seine Atmung beschleunigte sich, als sie aus dem Schatten der Bäume hinter sich trat, auf ihn zukam und zwei Schritte bevor sie ihn hätte berühren können, stehen blieb. Sie trug ihr schwarzes knielanges Kleid und schwarze Turnschuhe. Keine Strumpfhose drunter. Offene Haare und nicht wie so oft zum Pferdeschwanz gebunden. So wie er es ihr am Vorabend befohlen hatte. Ihre Blicke kreuzten sich. Sie schluckte hörbar, als sie seinem sich verdunkelnden Blick begegnete. Sie kannte diesen Blick. Sie wusste, was jetzt kommen würde. Und es erregte ihn, dass sie ab jetzt nur noch seine Handlungen erwartete. Dann würde er sie nicht mehr allzu lange zappeln lassen.

“Komm` her zu mir.” Er war vollkommen gefasst. Seine erhöhte Atmung war Vergangenheit. “Trägst du den Slip, den ich dir gestern Abend auf den Wäschekorb gelegt habe?”

“Ja, Herr.”

“Ich kann dich nicht hören”, sein Blick verfinsterte sich. Wie sehr sie das liebte... Und das wusste er nur zu gut.

“Ja, Herr”, sie betonte jede Silbe, um ihn nicht wütend zu machen. Wenn er das nicht sowieso schon war...

“Auf die Knie.”

Hatte sie es doch gewusst. Sie hatte ihn provoziert. Sie tat was er verlangte und sah demütig zu Boden.

“Zieh dein Kleid hoch, so dass deine Beine frei sind.”

Sie befolgte die Anweisung. Schwieg. Wartete. Und empfing den erwarteten Schmerz, den ihr sein Gürtel zufügte. Ihre Oberschenkel leuchteten in einem zarten Rotton. Linda schloss die Augen und biss sich auf die Unterlippe – doch es passierte nichts mehr. Dann hörte sie plötzlich ein dumpfes Geräusch, was sie die Augen wieder aufschlagen ließ. Ihr heimlicher Blick erhaschte die fließende Bewegung, mit der er sich seine Hose abstreifte.

Ihr Herz pulsierte wie verrückt.


© MajaBerg


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