Wind - Teil 1

© Yupag Chinasky

Wind 1

von Yupag Chinasky

Die leichte Verfärbungen des Himmels, ein rosa Glanz im Osten, den er im Rückspiegel bemerkte, kündigte den neuen Morgen an. Ein spannender Tag lag vor ihm, doch das ahnte er zu dieser frühen Stunde nicht und hätte ihm jemand vorausgesagt, welche Erfahrungen er am späteren Nachmittag machen und zu welchen Erkenntnissen er im Laufe der Nacht gelangen würde, hätte er es bestimmt nicht geglaubt. Um die lange Strecke ohne Stress und Hast und bei Tageslicht zu bewältigen, war er sehr früh aufgebrochen. Der Besitzer des kleinen Hotels hatte ihm am Abend, als er seine Rechnung beglich, bedauernd mitgeteilt, dass er zu so früher Stunde kein Frühstück erwarten dürfe, ihm aber freundlicherweise ein Lunchpaket zusammengestellt: Sandwich, Apfel, Banane, Softdrink. Bevor er aufbrach, hatte er sich auf seinem Zimmer noch einen Pulverkaffee mit kaltem Wasser zubereitet, denn heißes Wasser gab es zu dieser frühen Stunde auch noch nicht. Das musste reichen. Nun war er auf der Landstraße und als die Dämmerung einsetzte und bald danach die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne die Landschaft erhellten, hatte er zwar schon einige Kilometer geschafft, aber noch viele lagen vor ihm.

Gegen Mittag hielt er an einer einsamen Tankstelle. Es war die einzige in einem großen Umkreis und er füllte den Tank, obwohl dieser erst halb leer war. Bei der kleine Frau, die das Geld für das Benzin kassierte und die kaum über den Tresen ragte, bestellte er einen Milchkaffee und nahm sich aus einem Korb ein süßes Gebäck, obwohl er Süßes nicht mochte, aber es gab nichts anderes. Der Kaffee war dünn und heiß, das Gebäck hart und trocken. Vermutlich lag es schon ein paar Tage in dem Korb. Um es hinunter zu würgen, erinnerte er sich an seine Großmutter, die auch nichts Hartes essen konnte und tauchte das Stückchen in die dampfende Tasse und diese Mischung, dünner Milchkaffee und weich getunktes Gebäck, schmeckte nicht einmal schlecht. Dann fuhr er weiter durch die endlose Ebene, die bis zum Horizont reichte, auf einer schnurgeraden Straße, die nur manchmal sanft geschwungen war, aber nie enge Kurven aufwies. Nur ganz selten begegnete er einem anderen Auto und noch seltener überholte er eines oder wurde überholt. Lastwagen waren etwas häufiger anzutreffen, meist große, lange Monstren, die fast immer mit grauen Planen bedeckt waren. Ab und zu kreuzte sich sein Weg auch mit dem eines Reisebusses, der Touristen oder Schüler beförderte, Linienbusse schien es nicht zu geben. Neben der Straße sah er oft Weidezäune, dahinter die spärliche, grün-graue Vegetation, spröde aussehendes Gras, ab und zu niedrige, vom Wind zerzauste Büsche, keine Bäume, viele bräunliche Brachflächen, selten Schafe, manchmal Hasen und öfters Raubvögel, die am Himmel kreisten. Menschliche Ansiedlungen waren höchst selten, gelegentlich eine Hazienda, ganz selten ein Dorf, besser gesagt eine Ansammlung von mehreren Häusern. Die Ansiedlungen kündigten sich dadurch an, dass Bäume auftauchten, denn wo es Bäume gab, gab es Wasser, dort war ein Fluss in der kargen Landschaft. In diesem Land bildeten Flüsse, Bäume und Häuser eine Symbiose eine Einheit, die Keimzelle für menschliche Besiedlungen. Während er fuhr, lauschte er dem einzigen Sender, den das Autoradio in schlechter Qualität empfing und beobachtete den Himmel mit seinen wechselnden Stimmungen. Mal strahlte die Sonne am tiefblauen Firmament, dann zogen graue Wolkenschleier auf und wenn diese sich verflüchtigt hatten, jagten weiße Wolke über den Himmel und ihre Schatten über das öde Land.

Am späteren Nachmittag hatte sich der Wind verstärkt. Er sah es an den Staubwolken, die vor ihm aufgewirbelt wurden und spürte es, wenn eine Böe sein Auto packte und er das Steuer fest halten und die Spur korrigieren musste. Die Landschaft wurde hügeliger und damit abwechslungsreicher. Als wieder eine Tankstelle auftauchte, doch diesmal am Rande eines dieser Flussdörfer, hielt er an, füllte den noch ziemlich vollen Tank und entspannte sich eine Weile in dem angeschlossenen Bistro. Umringt von eine Schar Buben und Mädchen auf Ausflugsfahrt, die sich lautstark entscheiden mussten, was sie bestellen oder als Souvenier mitnehmen sollten, trank er noch einmal Kaffee. Dieser schmeckte diesmal richtig gut, dafür war das Sandwich, im Unterschied zu dem staubtrockenen Süßgebäck, feucht und klunschig. Es war mit geschmacksneutralem Käse und nichtssagendem, gekochtem Schinken belegt und mit einem Salatblatt dekoriert, von dem er gerne gewusst hätte, wie es in diese Gegend gekommen war. Dann hatte ihn die Landstraße wieder und damit der Staub und die endlose Weite und die grünlich-grau-braune Einheitsfarbe der Landschaft. Diese Farbe hatte der Himmel zwar noch nicht angenommen, aber die dichten Wolken waren trüb und grau und an manchen Stellen sehr dunkel und er hatte den Eindruck, dass bald Regen aufkommen werde. Der Wind war noch heftiger geworden, die Staubwolken tanzten immer häufiger und er fuhr ziemlich langsam, um das Auto ohne ständige Korrekturen in der Spur zu halten. Es war spät und auch ziemlich düster, obwohl die Sonne noch am Himmel stand und der Abend laut seiner Uhr noch auf sich warten ließ. Er musste sich eingestehen, dass er wegen der Weite und wegen des Wetters längst nicht so weit gekommen war, wie er es sich vorgestellt hatte.

Irgend wann sah er wieder Bäume in einiger Entfernung von der Straße. Dann tauchte eine Kreuzung mit einem Wegweiser auf. Er hielt an und las den Namen des Dorfes. Es war sogar auf seiner Landkarte verzeichnet und er sah auch, dass dann wieder lange nichts kommen würde. Er überlegte, ob es in dem Dorf wohl ein Hotel oder irgend eine andere Art von Unterkunft geben könnte. Er hatte Zweifel, ob er sein angestrebtes Ziel noch vor Einbruch der Nacht erreichen würde. Es war ihm immer wichtig, auf Reisen rechtzeitig ein Zimmer zu haben. Er hasste es, spät irgendwo anzukommen und sich dann auf die Suche nach einer Unterkunft zu machen. Und wohin fahren, hier in dieser Gegend, wenn er nichts fand? Er beschloss den kleinen Umweg durch das Dorf zu machen und nachzufragen. Außerdem wollte er sich nach der langen Fahrerei ein wenig die Beine vertreten und schließlich, auch das war nötig, musst er pinkeln. Eine Pause würde ihm auf jeden Fall gut tun. Er fuhr auf einer unbefestigten Schotterstraße in Richtung Dorf, das er von der Hauptstraße aus nicht sehen konnte, weil es in einem flachen Tal lag. Er merkte erst jetzt, als der Wagen holperte und eine hohe Staubwolke erzeugte, wie gut es war, dass diese Hauptstraße gut ausgebaut und asphaltiert war. Als er die ersten Häuser des Dorfes in einiger Entfernung sah, tauchte direkt am Straßenrand ein einzelnes Haus aus einer Staubwolke auf. Er fuhrt vorbei, wollte ja eigentlich in das Zentrum, wenn es so etwas gab, hielt dann aber doch an, denn beim Anblick dieses verlassenen Hauses, vor dem dunklen Himmel und umspielt von Staubwirbeln, kam ihm die Idee, ein paar Bilder zu machen. Gleichzeitig war der Drang pinkeln zu müssen, immer größer geworden und er wollte sich lieber hier, außerhalb der Ortschaft, erleichtern, als dort nach einer Toilette suchen. An die zweihundert Meter von dem Haus entfernt, stellte er das Auto so ab, dass es die schmale Straße nicht versperrte, mit zwei Rädern auf der Straßenböschung. Als er die Tür öffnete, um auszusteigen, hätte eine Windböe sie ihm fast aus der Hand geschlagen. Im Freien hörte er den Wind viel lauter heulen als im Wagen und er spürte sehr deutlich, wie ihm die Luft über die Haut strich, seine Haare durchwirbelte und an seiner Kleidung zerrte.

Er nimmt seine Parka vom Rücksitz, zieht sie an und steckt einen kleinen Fotoapparat in die Tasche. Die Böe ist vorbei, der Wind hat ein wenig nachgelassen und er kann, ein paar Meter vom Auto entfernt und mit dem Wind im Rücken, pinkeln, ohne sich selbst zu benässen. Dann schließt er das Auto ab und geht zurück, in Richtung des einsamen Hauses. Es ist ein einfaches Gebäude, eher eine große Hütte als ein Haus und es sieht windschief und irgendwie mitgenommen aus, der Tribut, den vermutlich alle und alles diesem rauen Klima in dieser Gott verlassenen Gegend zollen muss. Das Motiv gefällt ihm. Er liebt solche Orte, einsame Häuser, trostlose Straßen, zerstörte Umwelt, melancholische Situationen mit Menschen, die zu solche Szenen passen. Diese Art von Bildern will er mitnehmen, sie sind es Wert, fotografiert zu werden, nicht die schönen, harmlosen Postkartenmotive und um sie zu machen, nimmt er fast jeden Aufwand und so manchen Umweg in Kauf. Er holt die Kamera aus der Tasche und drückt ab. Ja, das könnte etwas werden, denkt er, als er sich das Monitorbild anschaut. Während er die letzten Meter zurück legt, kommen ihm Zweifel, ob das Haus überhaupt bewohnt ist, so schäbig, wie es aussieht. Es steht ein paar Meter von der Straße entfernt, hinter einem Zaun aus groben Brettern. Eine kurze Zufahrt biegt von der Schotterstraße ab, dann kommt ein Gatter, das mit einem großen Riegel den Zugang versperrt. Hinter dem Zaun ist eine Mischung aus Hof und Vorgarten, ein Platz mit großer Unordnung. Hinter dem Haus ragt eines dieser typischen Windräder für die Wasserpumpen in den dunklen Himmel. Vor dem Haus wachsen ein paar Büsche und es gibt Beete, in denen Blumen und irgend einer Art von Gemüse wachsen, vielleicht sind es auch Kartoffeln. Auffallend ist, dass fast überall Scherben und leere Flaschen herumliegen und allerlei Geräte, dazu Getränkedosen und sogar zwei Autoreifen, obwohl er kein Auto sieht, aber vielleicht steht es hinter dem Haus. Das Haus selbst hat gemauerte Wände, kleine Fenster, eine Eingangstür, zu der drei Stufen hinaufführen und ein Wellblechdach von dunklen, undefinierbarer Farbe. Erst jetzt fallen ihm die weißen Stores in den Fenstern auf, ein Hinweis, dass es wohl doch bewohnt ist.

Er hat ein paar Bilder gemacht und beschließt, noch ein Stück weiter zu gehen, um die ganze Trostlosigkeit dieses Anwesens noch besser zu erfassen: ein kleines weißes Haus, vor einem dunklen Himmel, an dem sich die Wolken dramatisch türmen. Der Wind hat ganz plötzlich wieder deutlich zugelegt und bläst und heult und jault und zerrt. Er geht vielleicht Hundert Meter mit gesenktem Kopf gesenkt, zum Glück hat er die Kamera in die Tasche gesteckt, denn auf einmal kommt eine ganz gewaltige Böe auf. Erst hört er ein verstärkte Brausen, dann sieht er, dass kleine Schottersteine neben ihm über die Straße rollen und dann hat ihn der Sturm gepackt und drückt und schiebt und stößt ihn vor sich her und der Staub hüllt ihn ein. Er will sich umdrehen, will sich gegen den Wind stemmen, will so rasch wie möglich zurück zum Auto, aber es ist zu spät. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich von dem Wind treiben zu lassen, als vor dem Wind her zu laufen. Vielleicht hätte ihn die Böe verschont, wenn er sich auf den Boden gesetzt oder flach hingelegt hätte, aber ihm bleibt gar keine Zeit, um nachzudenken oder eine Entscheidung zu treffen. Die Böe hat ihm alle Entscheidungen abgenommen und treibt ihn die Straße entlang. Er muss rennen, ob er will oder nicht. Seine Beine bewegen sich wie von selbst, immer schneller und schneller. Er fürchtet, auf die Straße, auf den Schotter mit den vielen spitzen und kantigen Steinchen geworfen zu werden und dort entlang zu schrappen. Er rennt und es gibt nur noch eine Möglichkeit, der heftigen Attacke zu entkommen. Er muss weg von der Straße, auf das schüttere Gras der Böschung. Nun rennt er direkt auf einen Busch zu, der vor ihm aus der Staubwolke auftaucht und wird mit großer Kraft geschoben und gestoßen und dann lässt er sich voll in das Gestrüpp fallen, stürzt mitten hinein in die Stacheln und Dornen einer halb hohen, vom ewigen Wind zerzausten und weitgehend zu Boden gedrückten Berberitze. Der Busch fängt ihn auf, nimmt ihn mit seinen stacheligen, dornigen Ästen auf, aber der Wind will ihn noch nicht los lassen, will ihn noch weiter treiben. Er muss Halt suchen, muss sich regelrecht festklammern. Seine Hände greifen in den Busch, er spürt die Dornen, achtet jedoch nicht darauf, denn der Wind oder ist es die Dynamik seiner eigenen Masse, reißen ihn wieder aus dem sicheren Busch heraus und werfen ihn auf den Boden. Zum Glück erfolgt dieser letzte Akt etwas langsamer, der Busch hat ihn gut abgebremst und zum weiteren Glück ist die Fläche, auf der er landet, mit Gras bewachsen und weitgehend frei von dem ekligen Geröll, das auf der Schotterpiste liegt. Er wird durch die Wucht noch ein kleines Stück voran geschoben, dann ist die Kraft des Windes versiegt und die Energie, die sich in seinem rennenden Körper angesammelt hat, verpufft. Endlich bleibt er liegen und da ist die Böe auch schon vorbei, über ihn hinweg gezogen, um an anderer Stelle Unheil anzurichten. Schwer atmend beginnt er sich abzutasten, zu prüfen, ob alles in Ordnung ist. Gebrochen hat er sich nichts, nur die Hände tun ihm weh. Er schaut sie an, die Ballen sind abgeschürft, sie Bluten, überall stecken Dornen. Während er noch an sich herumtastet und der aufgewirbelte Staub auf hin herab rieselt, fallen schon die ersten Tropfen. Es wird zu allem Überfluss wohl gleich los schütten, denkt er und steht rasch auf. Erst jetzt merkt er, dass auch die Knie heftig schmerzen. Er schaut hin, sieht aber nur, dass die Hosen an der Stelle zerrissen sind und dass Blut austritt. Dann fällt ihm die Kamera ein, sie ist noch in der Tasche, aber er hat keine Zeit zu prüfen, ob sie heil ist. Er will so schnell wie möglich zurück zum Auto, den Schaden begutachten und dann ins Dorf und dort nachdenken, was zu tun ist. Im Dorf muss es doch eine Möglichkeit geben, wo er sich reinigen und verbinden und auf den Schreck einen Schluck trinken kann. Aber dann schaut er erneut auf seine dreckigen, blutenden Hände, spürt den Schmerz in den Knien und als er die schmutzige Jacke betrachtet und prüft, ob er sich auch den Ärmel aufgescheuert hat, sieht er, wie auf dem Ärmel dunkle Flecken entstehen und merkt erst jetzt, dass auch von seinem Gesicht Blut tropft. Er sieht das Blut und den Staub und den Schmutz auf seiner Kleidung und denkt, dass es sicher besser ist, in dem Haus, an dem er sich gerade befindet, um Wasser zu bitten. Es ist sicher besser, so rasch wie möglich, den gröbsten Dreck abzuwaschen und die Wunden zu reinigen, damit er sich nicht noch zusätzlich eine Infektion einhandelt.

Er geht die Straße zurück, zu der Einfahrt, öffnet den Riegel, schiebt das Gatter auf, das laut quietscht und will zur Haustür gehen, als auf einmal ein Hund, der sich hinter dem Haus aufgehalten hatte, um die Ecke schießt und laut bellend auf ihn zu rennt. Es ist ein großer Hund, irgend ein Schäferhund, der wütend ist und böse aussieht. Zum Glück ist er aber angekettet und die Kette reicht nicht bis zum Gatter, dafür aber bis zur Haustür. Er hat Angst vor dem Tier, traut sich nicht weiter zu gehen, ruft, will sich bemerkbar machen, hofft, dass ihn jemand im Haus hört, doch der Wind trägt seine Worte davon. Dann will er den Hund verscheuchen oder beruhigen, aber wie? Dieser zerrt immer wilder an der Kette, stellt sich auf die Hinterbeine, bellt wie verrückt und es gibt keine Möglichkeit, an ihm vorbei zur Haustür zu gehen. Er will schon aufgeben, sich zurück ziehen, doch lieber zum Auto gehen und in das Dorf fahren, als sich die Haustür öffnet. Eine Frau steht im Türrahmen und ruft dem Hund etwas zu, der sich langsam beruhigt und schwanzwedelnd zu seiner Herrin kriecht und sich hinlegt. Sie bückt sich und streichelt ihn, dann richtet sie sich wieder auf und winkt dem Mann am Gatter zu, er solle näher kommen.

Während er, immer noch zögernd, nicht sicher, wie er sich wegen des Hunds verhalten soll, in Richtung Haustür geht, doch der ist anscheinend gut erzogen, er bleibt liegen und muckst sich nicht mehr, hat er Gelegenheit, das Bild der Frau in sich aufzunehmen. Sie ist klein und gedrungen, vielleicht Mitte dreißig, Anfang vierzig und besitzt, ihrem scharf geschnitten Gesicht und den schwarzen, langen Haaren nach zu urteilen, vermutlich eine Portion Indioblut in den Adern. Trotz des strengen Gesichts sieht sie ganz gut aus. Sie trägt eine intensiv violette Bluse mit einem großzügigen, dreieckigen Ausschnitt, den ein Volant mit schwarzer Applikation verziert und einen kurzen, hellen Rock mit bunten Blümchen. Die Hüfte ist ausgeprägt, die Taille kaum vorhanden, dafür ist der Po wohlgeformt und unter der Bluse zeichnet sich neben dem festen Busen auch ein deutlicher Bauchansatz ab. Die Beine sind kompakt und stämmig, die Füße stecken in einfachen Plastiksandalen. Er wundert sich, dass die Frau so leicht bekleidet ist, aber in der Wohnung ist es vermutlich warm. Wenn sie sie bei diesem Wetter ins Freie geht, denkt er, wird sie sich wohl etwas anziehen. Dann steht er auch schon vor der Haustür und erklärt ihr radebrechend und ziemlich aufgeregt sein Anliegen. Sie mustert ihn misstrauisch, doch noch während er redet, verändert sich ihr Blick und ihre dunklen Augen werden freundlicher. Sie unterbricht ihn, indem sie ihn am Arm fasst und in das Haus zieht, damit sie die Tür wieder schließen kann und der heulende Wind draußen bleibt.

Das war in der Tat erforderlich, denn in dem Haus gibt es keinen Flur. Er steht direkt im Wohnraum und die Frau bietet ihm einen Stuhl an einem großen Tisch, ziemlich in der Mitte des Raums, an. Kaum sitzt er, fängt er noch einmal von vorne an, sein schockierendes Erlebnis und sein Problem zu schildern und seinen Wunsch nach Wasser für die Reinigung zu äußern. Selbstverständlich, antwortet sie ohne zu zögern, könne er hier bleiben, sich sauber machen und den Dreck abwaschen und dann werde sie ihm auch noch einen Kaffee kochen. Er versteht nicht alles, was sie sagt. Sein Spanisch ist nur mäßig und die Frau spricht schnell und wiederholt nur dann etwas, wenn er ausdrücklich nachfragt. Doch zu seiner Überraschung kann sie ein wenig Englisch und so klappt ihre Verständigung ganz gut. Zumindest verstehen beide in der Folge, was sie verstehen wollen und können sich sagen, was sie sich zu sagen haben. Jetzt hat er ihr erst einmal zu sagen, wie wichtig es für ihn ist, dass er vor dem gnadenlosen Wind geschützt ist, vor diesem Antreiber, diesem Mörder, dessen Kraft er sich bisher nie hatte vorstellen können und dass er so froh ist, weil er im Trockenen und Warmen sitzen dürfe und vor dem Regen geschützt sei, der inzwischen sicher eingesetzt habe. Die Worte sprudeln nur so aus ihm heraus, aber die Frau hört wieder nicht zu, sie hat, noch ehe er mit seinen Erklärungen und seinem Gerede fertig ist, eine Schüssel mit warmem Wasser geholt, auf den Tisch gestellt, ein Handtuch und Seife daneben gelegt und eine kleine Flasche mit braunem Inhalt. Das sei Jod, erklärt sie, das brauche er für die Wunden. Dann geht sie noch einmal und bringt einen Krug Wasser und ein Glas, füllt es und reicht es ihm. Dankbar trinkt er und verkündet dann, dass in manchen Situationen kühles, klares Wasser das beste Getränk sei, das man sich wünschen könne.

Nun sind die Vorbereitungen getroffen und er kann mit der Reinigung beginnen. Die Hände haben aufgehört zu bluten, sind aber noch voller Dornen. Als er sie in das Wasser taucht und sie mit der Seife in Berührung kommen, zuckt er zusammen und zieht sie sofort wieder heraus. Die Hautabschürfungen schmerzen unerwartet heftig. Die Frau sieht, wie er sein Gesicht verzieht, doch statt Mitleid zu äußern, lacht sie laut auf und hält sich dabei die Hand vor den Mund, um nicht noch lauter zu prusten. Er ist pikiert und fragt sie, warum sie lacht, das sei doch nicht zum Lachen, so wie er dran sei. Aber die Frau kichert weiter und meint, er solle sich doch mal im Spiegel betrachten, in der Küche sei einer, über dem Spülstein. Sie wolle sich nicht über ihn lustig machen, aber als er sein Gesicht gerade so verzogen habe, hätte sie einfach lachen müssen. Er steht auf, geht zu dem Spiegel und sieht einen Fremden. Das Gesicht eines schwarzen, dreckigen, blutenden, wilden Mannes schaut ihn an. Es ist voller Staub, an einigen Stellen aufgekratzt, auf einer Wange hat geronnenes Blut eine Bahn bis zum Kinn gebildet, die Haare sind zerzaust und aschgrau. Er macht ein paar Grimassen und lacht nun ebenfalls, wenn auch ziemlich gequält wegen der Schmerzen. Dann geht er zurück zum Tisch und will mit der Säuberung fort fahren. Erst jetzt merkt er, dass die Dornen des Buschs nicht nur in seinen Handflächen stecken, sondern sich auch auf der Parka verteilt haben. Er wird auch die Parka säubern müssen, zudem merkt er auf einmal, dass es in dem Raum sehr warm ist. Er zieht die die dicke, olivgrüne Jacke aus und blickt dabei auf seine Hose. Sie sieht schlimm aus. An den Stellen, die auf dem Boden entlang scheuerten, ist sie dreckig und zum Teil zerrissen. Besonders auf den Knien sind große Löcher und er sieht die nackte Haut, doch nicht nur die, sondern stellenweise sogar rohes Fleisch. Auf einmal schmerzt alles, die aufgekratzten, mit Dornen gespickten Hände, die geschundenen Knie, das verschrammte Gesicht. Auf einmal weiß er gar nicht, wo er anfangen, was er zuerst machen soll und schaut die Frau, die sich neben ihn gesetzt hat, hilfesuchend, ja fast verzweifelt an. Sie betrachtet die Bescherung nun auch eingehender, schüttelt den Kopf und bietet ihm an, ihn zu säubern, denn das, was da zu tun sei, könne er ja gar nicht allein machen. Er nickt dankbar. Als erstes entfernt sie die Dornen aus seinen Handflächen. Dann taucht sie das Handtuch in das Wasser und beginnt vorsichtig, den Dreck abzureiben. Als die Hände sauber sind, ist das Wasser in der Schüssel rot von dem Blut und bräunlich von der Erde und dem Staub. Bevor sie frisches Wasser holt und sich seinem Gesicht widmet, träufelt sie Jod auf die Wunden. Es brennt höllisch, er zuckt zusammen und muss sich sehr beherrschen, um nicht aufzuschreiben. Ihr Blick wird mitleidig. Als sie auch mit dem Gesicht fertig ist und ihm auch hier Jodqualen beschert hat, wenn auch nicht so schlimme, weil nur ein einziger Kratzer im Gesicht war, sagt sie ganz selbstverständlich, er solle die Hose ausziehen, wenn sie mit den Knien fertig sei, die seien ja ganz schlimm, könne sie auch noch versuchen, die Hosen ein wenig zu flicken. Einerseits ist er auch über dies Angebot froh, die Knie müssen unbedingt versorgt werden, andererseits geniert er sich und will die Hose nicht so einfach vor einer fremden Frau fallen lassen. Sie bemerkt sein Zögern und lacht, rau und kehlig. Ob er glaube, dass sie noch nie einen nackten Mann gesehen habe, ob er glaube, dass sie ein kleines, dummes, prüdes Mädchen sei. Er solle sich nicht lächerlich machen, außerdem könne er ja seine Unterhosen anbehalten, sie wolle ja gar nicht alles von ihm sehen. Er wird rot und zieht erst die Schuhe, dann die Hose aus.

Die Frau hat gar nicht hingeschaut, als er die Hose abgestreift hat. Sie hat erneut frisches Wasser geholt und inspiziert nun seine Knien. Zum Glück, sagt sie, sind es keine tiefen Wunden, sondern nur oberflächliche Abschürfungen. Sie kniet sich vor ihn hin und geht wieder geschickt und sanft und vorsichtig ans Werk, fast wie eine Krankenschwester. Während sie mit dem Handtuch reibt und tupft und sich tief über die Knie beugt, ermöglicht sie ihm einen sehr offenherzigen Einblick in ihren weiten Ausschnitt. Er empfindet diesen Anblick als Wohltat, als Ablenkung und als Trost für die Schmerzen und betrachtet hingebungsvoll die Rundung ihrer Brüste, sieht manchmal die Ansätze der Brustwarzen und kann seine Vermutung bestätigen, dass sie keinen BH trägt. Dafür entdeckt er aber in diesem Intimbereich etwas anderes, etwas, das ihm bisher nicht aufgefallen ist, ein kleines goldenes Kreuz an einem dünnen Goldkettchen. Dieses Kreuzchen hat eigentlich seinen Platz zwischen ihren Brüsten, verlässt ihn aber, wenn die Trägerin sich weit vorbeugt und hüpft dann sogar über den dunklen Rand der lila Bluse. Wenn sie sich wieder zurück lehnt und das neugierige Kreuzlein nicht mehr in den Schattenbereich findet, befördert sie es mit einer kurzen Handbewegung auf seinen angestammten Platz zwischen den Halbkugeln. Es ist wie ein Ritual, wie eine Zwangshandlung und er könnte fast vorhersagen, wann der point of no return erreicht ist und das Kreuzchen Hilfe für die Heimkehr braucht. Die Ablenkung hält nicht lange an, denn am Ende ihres Kniefalls und seiner Kniereinigung kommt natürlich auch hier das Jod zum Einsatz, als ob sie, ein kleiner Teufel, die gerade genossenen Wonnen ihm wieder gründlich vergällten wollte.

Während die Frau ihn säubert, lässt er sie erneut wissen, wie froh er ist, weil sie ihn nicht abgewiesen hat und dass es ihm guttue, mit jemandem über das Ereignis zu reden, über diesen vermaledeiten Windstoß, etwas, was er so noch nie erlebt habe und das er auch nie mehr erleben wolle. Dieses vom Wind umgeschmissen werden, das habe ihn schon sehr mitgenommen, nicht nur weil er hingefallen sei oder weil er in einem Dornenbusch gelandet sei oder wegen der Scheißverletzungen, das auch, vor allem aber, weil er sich bisher einfach nicht habe vorstellen können, dass ihn etwas umhaut. In diesen paar Sekunden, mehr waren es ja nicht, als er in dem Busch lag und dann auf dem Boden dahin schlitterte, sei ihm deutlich geworden, wie schwach der Mensch sei, wie sehr er der Natur ausgeliefert sei und wie rasch er zu Schaden kommen könne. Dann beklagt er ausgiebig seinen Zustand, den Dreck, die Verletzungen, die kaputte Hose und entschuldigt sich, dass er hier, in der Wohnung, solch eine Sauerei mache und sie, die freundliche Gastgeberin, so belästige. Er redet sich den Frust von der Seele, die Gastgeberin schweigt und lächelt nur ab zu. Und während er und redet und gereinigt wird, aber auch danach, als er wieder proper, wieder hergestellt ist, hat er genügend Zeit, nicht nur die Frau und das fürwitzige Kreuzchen, sondern auch die Wohnung ausführlich zu betrachten. Das Wohnzimmer ist karg eingerichtet, hat weiße, getünchte Wände, einen Fußboden aus Holzdielen, auf denen an einigen Stellen, abgeschabte Teppiche liegen und eine Decke aus runde Bohlen. Das Inventar besteht im Wesentlichen aus dem Tisch, an dem beide sitzen, aus drei Stühlen, einem grün bezogenen Sofa, einem großen Schrank und einer Kommode, auf dem ein altertümlicher Fernseher vor sich hin flimmert. An einer Wand hängt ein Werbekalender für Bier mit dem Bild eines schneebedeckten Bergs, vermutlich irgendwo in den Anden. Als er später genauer hinschaut, erkennt er das Matterhorn. Neben dem Kalender hängt ein Transistorradio. Die Küche ist in einem abgegrenzten separaten Bereich, der aber durch keine Tür vom Wohnraum getrennt ist. Dort steht ein richtiger Spülstein vor dem Fenster, mit Wasserhahn, der aber, wie die Frau ihm irgend wann sagt, nicht funktioniert. Darüber ein Regal mit Geschirr und Küchengeräten, daneben der Spiegel. Unter der Spüle der Vorratsbehälter für das Wasser, das sie von Zeit zu Zeit aus dem Brunnen holen muss, eine große, blaue Tonne mit Deckel. Dann ist da noch sehr großer Kühlschrank und natürlich ein Herd, in dem ein Feuer brennt und behagliche Wärme verbreitet. Es ist ein altertümliches Modell für Holz und Kohlen mit Kochstellen, deren Durchmesser mit konzentrischen Ringen verstellt werden können und, an der Seite, ein großer eingebauter Wasserboiler. Die Haustür führt aus dem Wohnraum direkt ins Freie zu dem Vorhof oder Vorgarten, eine zweite, mit einer Glasscheibe versehene, aus der Küche auf einen Hinterhof. Die dritte Tür im Raum ist verschlossen, sie führt vermutlich in das Schlafzimmer, denn ein Bett kann er nicht entdecken. Bei aller Kargheit der Einrichtung hat er sich sofort willkommen und behaglich gefühlt, bedingt auch durch den Wind, der immer noch laut heult und an den Türen zerrt und an den Fenstern rüttelt und weil der Regen, der nun voll eingesetzt hat, an die Scheiben prasselt und auf das Wellblechdach donnert. Der Hund vor dem Haus jault, ein paar Hühner gackern, sie sind vermutlich in einem Stall im Hinterhof, denn von dort kommt das Geräusch, ab und zu kräht ein Hahn. Es ist verdammt gemütlich hier, denkt er und ist froh, im Trockenen und im Warmen zu sitzen und diesem vermaledeiten Wind nicht ausgeliefert zu sein.

Nachdem er sein Missgeschick ausgiebig beklagt hat, fängt die Frau an zu reden, stellt aber erst einmal nur Fragen. Sie will viel wissen, woher er kommt, wohin er will, wie lange er schon im Land ist, wie lange er noch bleiben will. Dann fragt sie nach seiner Familie, ob er verheiratet ist, mit einer Frau, fragt sie seltsamerweise nach, sie habe gehört, dass in seinem Land, - Deutschland das sei doch richtig - , auch zwei Männer heiraten könnten, madre de dios, das müsse man sich vorstellen, zwei Männer oder auch zwei Frauen, die dann sogar vom Priester getraut würden. Sie schüttelt sich entsetzt, sieht ihn an und meint, als er sich angesichts ihres Entsetzens amüsiert gibt, er sei doch nicht, Gott bewahre, schwul. Ob er also ein Frau habe und Kinder und wie alt sie seien, die Frau, die Kinder und er selbst und wann er Geburtstag habe, in welchem Sternzeichen er geboren sei. Er antwortet etwas zögerlich, will nicht alles über sich Preis geben, ihre Neugier nicht zu sehr befriedigen, andererseits will er auch nicht unhöflich oder undankbar sein. Während sie sorgsam die Stacheln aus seiner Kleidung zieht, will sie wissen, was er von Beruf ist, ob er viel Geld verdiene und ob es in seinem Land, - Deutschland West oder Deutschland Ost -, kalt sei und ob es gerade Winter sei und wie es sei, mit dem Schnee. Hier, sagt sie, ohne seine Antwort abzuwarten, hier sei es gar nicht so schlimm mit der Kälte, auch nicht im Winter, nur wenn der Wind heftig weht, würde man sie spüren, aber sogar an den verdammten Wind könne man sich gewöhnen.

Sie ist mit den Reinigungsarbeiten fast fertig und wechselt wieder ganz unvermittelt das Thema. Nun fragt sie ihn, ob er an Gott und an die Jungfrau Maria glaube oder ob er ein Mennonit sei und ob er meine, dass er in den Himmel komme. Sie, und damit sagt sie zum ersten Mal etwas über sich selbst, sie komme bestimmt nicht in den Himmel, bei all den Sünden, die sie begehen würde. Das habe jedenfalls der Priester zu ihr gesagt, früher, als sie noch in die Kirche ging. Sie käme nicht in den Himmel, weil sie von ihren Sünden nicht lassen würde, obwohl es gar nichts mehr zu sündigen gäbe. Wieder ertönt ihr raues, kehliges Lachen. Er weiß nicht, ob er ihr sagen soll, dass er gar nichts glaube, zieht es aber vor, nur etwas Unbestimmtes zu murmeln, um sich ihre Sympathie nicht zu verscherzen. Er hat ja keine Ahnung, was sie hören will, aber wegen einer dummen Antwort das gemütliche Heim zu verlassen, das will er nicht riskieren. Sie klärt ihn nicht auf, um welche Sünden es sich bei ihr handelt und gibt auch keinen Hinweis, was sie selbst glaubt, aber etwas muss sie glauben, sonst würde sie nicht das kleine, goldene Kreuz um den Hals tragen, das jede Gelegenheit nutzt, seinen sicheren Platz zwischen den Hügeln zu verlassen. Sie lässt die Sache mit Gott und dem Glauben auf sich beruhen und fragt stattdessen, ob er Hunger habe. Dabei fällt ihr etwas ein. Sie schlägt sich an die Stirn, legt das Handtuch hin und sagt, dass sie eine schlechte Gastgeberin sei, weil sie ihrem Gast noch nicht einmal etwas rechtes zum Trinken angeboten habe, dabei habe sie ihm doch einen Kaffee versprochen. Er murmelt etwas von macht nichts, aber ein Schluck auf den Schrecken und die Schmerzen und um den letzten Dreck aus der Kehle zu spülen, wäre nicht verkehrt. Die Frau steht auf und holt aus dem großen Schrank eine Flasche ohne Etikett und aus der Küche ein zweites Glas. Sie habe hier einen guten, selbst gebrannten Gin von den Walisern, die im Dorf wohnen. Er solle auf den Schreck trinken, dann würde es ihm wieder besser gehen. Sie füllt beide Gläser mit dem wasserklaren Gin , hebt das ihre und sagt „salud“. Sie trinken. Der Gin ist sehr stark. Er schüttelt sich, aber der Alkohol tut ihm gut, noch mehr Wärme durchströmt seinen Körper.

Die Frau hat das Glas ohne mit den Wimpern zu zucken geleert. Sie hat wohl Übung, denkt er. Nach einer kurzen Weile des Genießens und des Schweigens, kommt sie auf die Frage zurück, ob er Hunger habe. Den Kaffee hat sie vermutlich schon wieder vergessen, er erinnert sie aber nicht, dafür nickt er. Ja, er habe heute noch nicht viel gegessen und er erzählt ihr von dem kargen Frühstück mit kaltem Pulverkaffee, dem trockenen süßen Gebäck und dem lätschigen Sandwich. Wieder ertönt ihr Lachen und ein irgendwie verschmitzter Gesichtsausdruck erscheint auf ihrem breiten Gesicht mit der kleinen Nase, dem großen Mund und den ausgeprägten Wangenknochen. Wenn sie lacht, wird die Verschmitztheit durch viele kleine Lachfältchen in den Augenwinkeln noch verstärkt. Diese Augen haben es ihm angetan. Er hat, seit er in ihrer Wohnung ist, nicht nur auf den Busen gestarrt, der sich deutlich unter dem Lila der Bluse abzeichnet und auf den formidablen Po unter dem Blümchenrock, er hat auch immer wieder in in ihre Augen geschaut, in diese dunklen Augen, die zum einen Skepsis, zum andern aber auch Wärme ausstrahlen. Augen, die ihm gefallen und, das bildet er sich nicht ein, die auch ihn wohlwollend betrachten. Während sie vom Essen redet, sucht er wieder den Augenkontakt und sie wird nicht verlegen, blickt nicht weg.

Viel anbieten könne sie ja nicht, fährt sie mit dem Thema fort. Sie könne höchstens ein Huhn schlachten, wenn er zum Abendessen da bleiben wolle. Er glaubt sich verhört zu haben und murmelt etwas von Hühnchensandwich. Nein, ein richtiges Huhn, sie habe ja einen Stall voller Hühner und dazu noch Schafe und ab und zu schlachte sie eins. Am Sonntag oft ein Huhn und an besonderen Feiertagen ein Schaf. Ein Schaf könne sie nicht anbieten, lacht sie, das mache zu viel Arbeit, aber ein Huhn zu schlachten und zu kochen, das sei kein Problem, dann sei eben heute Sonntag und schließlich würde es sich in Gesellschaft viel schöner essen als allein und Gesellschaft habe sie nicht oft und deswegen würde er ihr eine große Freude machen, wenn er die Einladung annähme. Er stimmt zu, ohne lange nachzudenken, sie ist zufrieden. Nun ist er wieder dran, mit fragen. Er will wissen, wie sie es eigentlich hier aushält, in dieser Einsamkeit, bei diesem Wind und dem harten Klima und überhaupt, wie man in solch einer Gegend ständig leben könne, er könne das jedenfalls nicht. Sie geht auf seine Bemerkungen ein und redet über das Dorf, diese schmächtige Ansammlung von Häusern, dieses Kaff, wie sie es nennt.. Es kämen nicht viele Menschen in die Gegend, hier gäbe es nichts, keine Attraktionen, keinen Grund zu kommen oder zu bleiben. Alle seien immer nur auf der Durchreise. Und seit es die autopista gäbe, würde keiner mehr die carretera benutzen, die durch das Dorf führt und die früher alle nehmen mussten. Seit die autopista da ist, habe der Verkehr in der Gegend deutlich zugenommen, aber kaum einer würde den Umweg durch das Dorf machen.

Er windet sich ein wenig, weil er nicht zu neugierig erscheinen will, aber eine Frage habe er, eine etwas indiskrete, ob sie allein lebe oder verheiratet sei. Sie lebe allein, antwortet sie, ohne sich zu zieren. Sie sei Witwe, ihr Mann sei schon vor Jahren bei einem Unfall gestorben, kurz nachdem sie her gezogen waren, kaum das sie das Haus gebaut hatten. Sie wollten eine Ranch gründen, sie hatten große Pläne und etwas Geld, weil die Regierung solche Unternehmen in der Gegend gefördert hatte. Ihr Mann sei von einem wild gewordenen Pferd getreten worden. Nach ein paar Tagen des Leidens, hier in diesem Haus, in ihrem gemeinsamen Bett, dort drüben im Schlafzimmer, sei er gestorben. Ein Arzt sei nicht gekommen und auch kein Priester, solche Typen, sie sagt es ziemlich despektierlich, habe es damals hier gar nicht gegeben, weil es auch das Dorf noch gar nicht gab, sie seien unter den ersten gewesen, die sich hier angesiedelt hatten. Er sei gestorben und sie war froh, als er Erlösung gefunden hatte. Sie bekreuzigt sich, als sie das sagt. Es wäre bestimmt nichts Rechtes mehr aus ihm geworden, mit den vielen Knochenbrüchen und dem eingedrückten Brustkorb. Geröchelt habe er die ganze Zeit und Blut gespuckt und gejammert und sich Sorgen gemacht, wie es mit ihr weitergehen würde. Ihm sei klar gewesen, dass er sterben müsse, als er in ihrem Ehebett lag, das sie viel zu kurz gemeinsam benutzt hatten. Er sei ein guter Ehemann gewesen und ein tapferer Mann. Sie habe viel geweint, in diesen Tagen und auch noch danach. Dann habe sie aber aufgehört zu weinen und jetzt würde sie nicht mehr weinen, nie mehr, wegen nichts und niemandem würde sie weinen. Auch wegen ihm hätte sie nicht geweint, wenn der Scheißwind ihn zu Tode gejagt hätte. Sie lacht und er weiß nicht, wie ernst gemeint diese Bemerkung war. Sie habe ein paar Schafe und Hühner, fährt sie fort, und bekäme sogar eine kleine Rente vom Staat, weil es ja ein Unfall gewesen war, in einem vom Staat geförderten Gebiet. Kinder habe sie keine und ihre Verwandten würden in einem ganz anderen Teil des Landes wohnen. Sie kämen nie hier her und sie würde sie nie besuchen. Sie hätten ihr auch nicht geholfen, damals in der schweren Zeit. Wie auch, sie hätten ja selbst nichts. Sie habe sich überlegt, wieder nach Hause zu gehen, aber das wollte sie dann doch nicht. Zum einen hatte sie ja das Land und das Haus und die Tiere und wenn sie alles verkauft hätte, hätte man sie, eine junge Witwe, doch nur über den Tisch gezogen, sie verarscht und sie hätte außerdem den Regierungskredit zurückzahlen müssen. Und dann wollte sie auch nicht als Gescheiterte, als Bittstellerin in den Kreis der Familie zurückkehren, diese Schande wollte sie nicht erleben. Sie habe also beschlossen, die Ranch allein zu führen. Das sei nicht einfach gewesen. Sie habe niemanden als Hilfe gehabt, nur manchmal einen Gaucho aus Chile, einen Peon, einen Wanderarbeiter, der die schweren Arbeiten erledigte, wie Schafe scheren und Weidezäune reparieren. Der käme im übrigen immer noch, jedes Jahr, eine treue Seele, der Carlos. Rinder habe sie nie gehabt, das gäbe das Land nicht her, nur Schafe und Hühner und am Anfang auch ein paar Schweine, aber die würden oft sterben, für die sei das Leben in der Pampa nichts. Zum Glück hätte sie einen eigenen Brunnen, mit sauberem Trinkwasser, wegen des Flusses, der ganz in der Nähe ist. Leider und dabei lacht sie etwas unmotiviert, müsse sie zur Zeit das Wasser immer mit Eimern aus dem Brunnen holen, weil die Pumpe defekt sei und sie niemanden habe, der sie reparieren könne und eine neue habe sie noch nicht gekauft. Das Windrad sei nur noch Dekoration, sie hätte ja Strom und sogar ein eigenes Auto, wenn es auch alt und verrostet und das Benzin ziemlich teuer sei, einerseits ein reiner Luxus, andererseits aber doch lebensnotwendig in dieser Gegend. Dann fährt sie fort, in der Erinnerung zu kramen. Für sie sei das Land fast auch nichts gewesen. Der Anfang so ganz allein sei wirklich sehr schwer gewesen, aber dann habe sie es doch geschafft und die Ranch in den Griff bekommen. Das was sie jetzt erwirtschafte, würde zumindest zum Leben reichen und manchmal verkaufe sie Hühner und Eier oder ein Schaf und das brächte ein wenig Bargeld in die Kasse. Diesmal ist ihr Lachen ein wenig bitter.

Sie habe, wenn ihn das interessiere und warum solle sie nicht darüber reden, durchaus überlegt, wieder zu heiraten. Sie möge Männer. Männer seien etwas Gutes, ein Geschenk des Himmels, aber sie habe keinen richtigen mehr gefunden. Vielleicht findet man nur einmal im Leben den Richtigen und den hatte sie ja gehabt, wenn auch nur kurz. Und jetzt sei es zu spät. Wegen der neuen autopista kämen kaum noch caballeros vorbei und sie könne nicht weg und sich einen suchen, wegen der Tiere. Überhaupt habe sie all die Jahre keine Zeit gehabt, sich einen Mann zu suchen, ob er das glaube oder nicht und jetzt habe sie keine Lust mehr, zum suchen, fügt sie verschmitzt hinzu. Und Anzeigen, fragt er, Zeitungsanzeigen oder eine Heiratsagentur? Davon halte sie nichts, das würde ja doch nicht funktionieren, da kämen nur Typen, die ihr Geld wollten und das bräuchte sie selber. Woher sie das so genau wisse? Aus dem Fernsehen, da würden sie doch immer vor solchen Typen warnen, die einsame Frauen ausnehmen. Am Anfang sei es hart gewesen, ohne Mann, aber mit der Zeit habe sie sich mit dem Gedanken abgefunden, allein zu bleiben. Er dürfe sie jedoch nicht missverstehen, wieder dieses raue, diesmal ein wenig verlegene Lachen, sie wolle zwar allein leben, ohne Heirat und ohne den Segen des Priesters, aber sie möge Männer. Sie sei ja weder Jungfrau noch Heilige, sie wisse einen Mann im Bett durchaus zu schätzen. Das sei im Übrigen der Grund, warum der Priester meine, dass sie nicht in den Himmel käme. Die Männer, die sie verführt habe, nicht die, die sie verführen wollten, die armen, verführten Männer würden vor der Himmelstüre stehen und sie nicht reinlassen. Ob er es glaube oder nicht, aber das habe dieser Priester gesagt und mit seinem Gerede habe er die anderen Frauen im Dorf gegen sie aufgebracht. Die hätten Angst, dass sie ihre Männer verführen würde, wenn sie zu Besuch käme. Diese ehrbaren Weiber seien aber in Wirklichkeit nur eifersüchtig und neidisch, weil sie immer mit dem gleichen Waschlappen ins Bett gehen müssten, während sie angeblich Dutzende habe. Aber auch ihre Männer, die, die zu ihr kämen, sie heimlich oder offen aufsuchten, seien arme Schweine, weil sie immer mit derselben Frau schlafen müssten und wenn sie mal Lust auf Abwechslung hätten und zu einer wie ihr kämen, dürften sie sich nicht erwischen lassen. Abwechslung sei doch eine gute Sache, aber die habe auch ihren Preis. Wie immer im Leben müsse man auch dafür bezahlen. Bei ihr sei der Preis, dass sie ziemlich einsam leben würde. Es käme nur selten jemand vorbei, der nicht mit ihr ins Bett wolle und eingeladen würde sie noch seltener. Sie fühle sich ziemlich ausgestoßen, früher, als sie noch in die Kirche ging, habe sich niemand neben sie gesetzt. Das sei schon hart, jawohl. Sie bekräftigt ihre Aussage mit einem Schluck Gin, das Leben hier sei hart und einsam und die zärtlichen Momente selten. Aber sie wolle sich nicht beklagen, sie habe ein Dach über dem Kopf, genug zu essen, habe ihren Hund und ihre Schafe und Hühner und sei unabhängig, und das sei ihr ganz wichtig. Und ab und zu habe sie auch ein bisschen Vergnügen. Neben den Männern aus dem Dorf, die sich, selten genug, von ihren Frauen davon schlichen, kämen auch andere caballeros und würden ihr Geld geben oder Geschenke mitbringen, Lebensmittel, Kleider oder andere Dinge, die sie gebrauchen könne, denn hier könne man ja rein gar nichts kaufen. Und dafür gäbe sie ihnen Wärme und ein wenig Spaß und ein bisschen Abwechslung und das, von dem sie glaubten, es sei Liebe. Es kämen aber fast nur solche, die sie kennen würden, nur die würden den kleinen Umweg machen. Dann schaut sie ihren Zuhörer auf einmal scharf an und fährt ein wenig heftig fort, wenn er nun glaube, dass sie eine Hure sei und es mit jedem treibe, würde er sich gründlich irren. Sie ließe nur Männer in ihr Haus, die sie mag. Die sie nicht mag, hätten keine Chance, nicht bei ihr. Sich an die Straße stellen und das Röckchen heben und mit dem Arsch wackeln, um die Männermotten anzulocken, das täte sie nicht, das habe sie nicht nötig. Der grimmige Ausdruck auf ihrem Gesicht verstärkt sich. Sie stürzt den letzten Rest Gin hinunter und stellt das Glas mit einem lauten Knall auf den Tisch. Und jetzt, sagt sie laut und es hört sich fast wie eine Drohung an, gehe sie Kaffee kochen.

Sie hat sich in Rage geredet, aber als sie kurz danach mit dem Kaffee kommt, hat sich wieder der Schalk in ihrem Gesicht eingenistet und während sie den Kaffee schlürft, schaut sie ihn mit einem etwas seltsamen, prüfenden Blick an. Schließlich stellt sie fest, sie fragt nicht, nein, sie stellt fest, es sei also abgemacht und er bleibe zum Nachtessen. Sie wartet seine Antwort gar nicht ab und fährt fort, dass sie sich gleich dran machen würde, das Huhn zu schlachten und zu kochen. Er nickt. Sie steht aber nicht auf, um mit dem Werk zu beginnen. Sie bleibt sitzen, obwohl die Tasse nun leer ist, sie druckst etwas herum, dann erscheint ein vorsichtiges Lächeln auf ihrem Gesicht und schließlich rückt sie mit dem Vorschlag heraus, dass er auch hier im Haus schlafen könne. Nicht unbedingt in ihrem Bett, das müsse nicht sein, fügt sie hastig, fast etwas erschrocken hinzu, aber dort auf dem Sofa. Das sei zwar etwas zu kurz für ihn, aber eine Nacht würde er schon überstehen. Nach dem Essen, begründet sie ihren Vorschlag, sei es ohnehin Abend und er könne dann nicht mehr weiter fahren. Allein könne man in der Nacht hier nicht fahren, die Straßen seien schlecht und es gäbe Banditen. Er würde also hierbleiben, wieder wartet sie gar nicht erst ab, dass er sich zu dem Vorschlag äußert, seine Freude oder seine Dankbarkeit bezeugt, sie geht wohl davon aus, dass man solche Vorschläge nicht ablehnen könne. Also, wenn er hier bleiben wolle, müsse er ein Bad nehmen. Ja, das sei notwendig, sie habe vorgehabt, selbst ein Bad zu nehmen, das Wasser im Boiler sei heiß genug, aber nun könne er es haben, keine Widerrede. Er solle ihr helfen, die Wanne zu holen und dann baden und das würde ihm verdammt gut tun und ihr auch, denn sie habe das Gefühl, dass die Reinigung mit der Waschschüssel nicht ausgereicht habe und außerdem, sie verzieht ihr Gesicht in gekünstelter Abscheu, würde er stinken. Bei diesen Worten schnüffelt sie in seine Richtung und verzieht das Gesicht noch mehr und muss dann vor lauter Lachen prusten. Er glaubt wieder, sich verhört zu haben. Sie hat von bano geredet und das kann Bad aber auch Klo bedeuten. Aber während er noch über ihre Worte nachdenkt, wiederholt sie ihre Aufforderung, er solle mit kommen und ihr helfen die Wanne zu holen. Bevor er zustimmen oder ihr Angebot ablehnen kann, ist sie aufgestanden, hat die Tür zum Hinterhof geöffnet und winkt ihm zu, er solle endlich kommen.

Sie gehen in einen Schuppen, der direkt hinter dem Haus steht, daneben, in einem kleinen, abgegrenzten Hof, der Hühnerstall, dessen Bewohner aufgeregt umher rennen, als sie vorbei gehen. Hinter dem Hühnerstall steht das Auto, ein museumsreifer Renault von undefinierbarer Farbe, aber mit vielen gut definierbaren Beulen und Abschürfungen. Der Hund kommt aus seiner Hütte gekrochen und freut sich über die Abwechslung. Er schnüffelt an seinen nackten Beinen, die Hose hat er sich gar nicht anziehen können, so eilig hatte sie es, nur in die Schuhe ist er geschlüpft. In dem Schuppen herrscht chaotische Unordnung, dieselbe Unordnung wie in dem Vorgarten. Allerlei Geräte stehen und hängen herum, aber das, was sie holen wollen, sieht er sofort, eine altmodische, ovale, mittelgroße Zinkwanne, die umgedreht in der Mitte des Schuppens auf dem Boden liegt. Sie tragen die Wanne gemeinsam in die Wohnung, obwohl er es bequem hätte allein machen können. Bei dem kurzen Gang ins Freie, hat er gemerkt, dass der Wind inzwischen regelrecht tobsüchtig geworden ist und der Regen auch noch nicht aufgehört hat. Sie stellen die Wanne in die Mitte des Wohnraums und dann bekommt er den Auftrag, das heiße Wasser zu holen, ein Blecheimer stehe unter der Spüle. Sie müsse mal kurz Pipi machen. Ach ja, sie habe ihm ja noch gar nicht gesagt, wo das bano sei. Es sei das Häuschen hinter dem Schuppen, er müsse nur um den Schuppen herum gehen. Man habe, fügt sie mit ihrem verschmitzten Lächeln hinzu, einen weiten Blick, wenn man die Tür aufließe, aber meistens sei es besser, sie zuzumachen, sonst würde einen der Wind in den Abtritt blasen. Und noch etwas, wenn er nachts müsse, solle er die Taschenlampe mitnehmen, die liege auf der Kommode neben dem Fernseher. Wenn er jetzt gleich müsse, könne er auch zuerst gehen. Nein? Also, dann gehe sie. Doch bevor sie tatsächlich geht, hat sie noch eine Anweisung für ihn. Er solle sich, wenn er mit dem Wasser fertig sei, schon mal ausziehen. Wenn sie zurück sei, sie brauche nicht lange, nur Pipi, würde sie das Badewasser mit kaltem Wasser richtig temperieren, wie in einem Grand Hotel, das müsse er nicht machen, das könne sie besser.

Während sie durch die Hintertür verschwindet, fühlt er sich schon wieder überrumpelt. Traut sie ihm nicht einmal zu, das Badewasser richtig zu temperieren? Kann sie nicht wenigstens seine Antwort abwarten, ob er die Nacht im Grand Hotel verbringen will oder tatsächlich ein Bad vor dem Essen nehmen möchte? Diese Frau neigt dazu, die Leute zu bevormunden. Kein Wunder, dass sie keinen neuen Mann gefunden hat und ihr Leben quasi als Dorfnutte fristen muss. Andererseits hat sie ja durchaus recht. Hier in ihrem Haus ist es gemütlich, richtiggehend behaglich. Er nimmt die Behaglichkeit doppelt wahr, seit er gespürt hat, welche Naturgewalten in dieser Gegend herrschen können. Doch es ist nicht nur der Wunsch nach Geborgenheit und relativem Komfort, der ihn wohlwollend über ihr Angebot nachdenken lässt, es ist da noch ein Gefühl, eines, das er schon lange nicht mehr gespürt hat, ein Kribbeln in seinem Bauch, das sich bis in die noch tieferen Regionen hin ausbreitet. Dieses Gefühl ist eindeutig mehr, als nur reine Sympathie für diese praktische, entschlossene, wenn auch etwas bevormundende Frau, die ihn so spontan eingeladen hat, bei ihr zu bleiben und das Badewasser, das Sonntagshuhn und vielleicht sogar das Bett zu teilen. Es ist der Wunsch, mit ihr zusammen zu sein, sie zu berühren, zu umarmen, zu küssen, mit ihr zu schlafen. Warum eigentlich nicht? Er ist doch ein Mann, der etwas empfindet, wenn er eine attraktive Frau sieht. Warum eigentlich nicht, sinniert er, jetzt gleich oder heute Nacht. Und was heißt da schon Dorfnutte. Er schämt sich fast für seine Gedanken. Diese Frau hat es nicht leicht. Jeder muss zusehen, wie er zurecht kommt. Während er das heiße Wasser einfüllt und darauf wartet, dass die Chefin des Etablissements zurückkommt, kann er sich nichts schöneres vorstellen, als mit dieser Frau die Nacht zu verbringen.

Teil 2 folgt

Diese Erzählung ist als print on demand book und e-book unter dem Titel "Yupag Chinasky - Verirrungen" bei www.epubli.de erschienen und kann im Internet auch bei anderen Anbietern wie Amazon bezogen werden.


© Yupag Chinasky


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