Sie stand dort, wo sie eigentlich immer stand, zumindest symbolisch, auf dem Strich, nur dass dieser Strich die Grenze war, zwischen dem Licht einer funzeligen Straßenlaterne und der tiefen Schwärze eines leeren Parks um Mitternacht.

Er hatte trotz des Ausgehverbots seine Wohnung verlassen und war in den Park gegangen. Es war nicht weit, er kannte sich aus und wusste, wie man hineinkommen konnte, obwohl das Haupttor verschlossen war. Er brauchte wenigstens einmal am Tag frische Luft und musste sich dringend die Beine vertreten, und wenn es mitten in der Nacht war, sonst käme er in seiner kleinen, stickigen Wohnung ohne Balkon, ohne Garten noch um. Auch im Gefängnis gab es jeden Tag einen Hofgang, sagte er sich, um das strikte Ausgehverbot zumindest für sich selbst zu rechtfertigen. Die Virusattacke war plötzlich und heftig über das Land gekommen und die Regierung sah keinen anderen Ausweg, die Katastrophe einzudämmen, als ein striktes Ausgehverbot für alle verhängen, die nicht unbedingt das Haus verlassen mussten, die keiner "systemrelevanten" Beschäftigung nachgingen und zu dieser Gruppe gehörte er schon lange nicht mehr. So verließ er jeden Abend seine Wohnung und ging in den Park, zu einer Zeit, zu der er sich vor Kontrollen sicher sein konnte. Dort vermied er es, in den Lichtkegeln der spärlichen Laternen zu geraten, die die ganze Nacht über brannten, obwohl sich niemand mehr in dem Park aufhalten durfte, weder bei Tag noch in der Nacht. Vielleicht war es ein organisatorisches Versehen, vielleicht war es noch niemandem aufgefallen, der etwas hätte veranlassen können oder es war aus welchen Gründen auch immer, zu aufwändig, die Laternen auszuschalten. Er drehte seine Runde, beobachtete die zahlreichen Insekten, die um die Leuchten schwirrten und lauschte den Gesängen der Nacht, ein paar Zikaden oder Grillen, manchmal eine Nachtigall, eine Nachtigall in diesen grässlichen Zeiten, welch schönes Geschenk, allein schon deswegen lohnten sich die nächtlichen Ausflüge.

An diesem Abend war er in einen Teil des Parks gegangen, den er nicht oft aufsuchte, weil er dort auf andere Leute treffen konnte, die wie er die Ausgangssperre umgingen und er hatte keine Lust, in Gespräche verwickelt zu werden oder überhaupt jemandem zu nahe zu kommen, schließlich galt die allgemeine Kontaktsperre nicht ohne Grund und er war sich durchaus der möglichen Gefahren bewusst, die allein schon dadurch entstehen konnten, dass man sich mit jemandem unterhielt, dessen feuchter Atem auf die Schleimhäute im Gesicht treffen konnte. In dieser Nacht aber, er wusste selbst nicht warum, zog es ihn in den "belebten" Teil, aber er war der Einzige, der sich hierher verirrt hatte, glaubte er zumindest, bis er die Frau sah. Er sah sie erst so richtig, als er schon fast vor ihr stand, denn sie vermied es zu einen, von dem Lichtschein getroffen zu werden, zum andern hatte sie aber vermutlich Angst, sich allein in der dichten Dunkelheit aufzuhalten. Außerdem hatte sie einen guten Grund, wenigstens halb sichtbar zu sein, einen Grund, den er schon sehr rasch erkannte. Sie war keineswegs erstaunt oder gar erschrocken, als er sich dem Lichtkreis genähert hatte, war auch nicht weggegangen, vielmehr fragte sie ihn, was er hier mache, um diese Zeit, in dem verschlossenen Park. Und noch ehe er eine unbedeutende Begründung anbringen konnte, die sie auch gar nicht interessierte, fing sie unvermittelt an, zu weinen. Dann redete sie und ihre Stimme überschlug sich fast und er merkte, wie wichtig es ihr war, dass sie jemanden hatte, der zuhörte.

Sie sei eine Nutte, warum solle sie das leugnen, sie käme aus dem Balkan, sei schon lange Zeit hier und habe bisher recht komfortabel in einem Bordell gewohnt, obwohl man das eigentlich nicht dürfe, aber der Chef habe es erlaubt, habe ihr ein Zimmer unter dem Dach gegeben, in dem sie schlafen und auch kochen durfte und für die Arbeit habe sie nur zwei Stockwerke tiefer gehen müssen, in ihr Zimmer, zu ihrem Fenster, alles easy und sie habe ganz gut verdient, weil sie gut sei, viel Stammkundschaft gehabt habe, aber auch viel Geld an ihre Eltern daheim überwiesen habe, die ihr Kind großziehen würden und selber nichts hätten und dann auf einmal war alles zu Ende, alles vorbei, das Geschäft total versaut und das nur wegen dem verdammten Virus, wegen dem habe sie alles verloren, die Kundschaft, die Arbeit, das Zimmer und obwohl sie dem Chef leid getan habe, konnte er ihr nicht helfen, er habe das ganze Haus zu machen müssen, Strom, Wasser abgestellt, alles verschlossen, außerdem habe sie ja illegal dort gewohnt und wenn sie geahnt hätte, was da auf sie zukommen würde, wäre sie rasch zurück in ihre Heimat geflogen, mit dem letzten Flugzeug, wenn es möglich gewesen wäre, aber auch die seien ja von heute auf morgen nicht mehr geflogen, weil ja alles so schnell gekommen ist, man habe es ja nicht ahnen können, dann war die Ausgangssperre da und das Kontaktverbot, und jetzt sei niemand mehr da, der etwas von ihr wolle, der sie wolle, auch nicht die Stammkundschaft, die hätten alle Schiss, diese Spießer, und ihr Geld sei nun aufgebraucht, sie habe kaum noch Reserven, wohne in einem Loch, müsse dafür noch viel bezahlen, sie sei verzweifelt und ob er nicht mit ihr hinter die Büsche kommen wolle, für ein paar Euro würde sie alles machen, was er wolle, würde ihm alles geben was er wolle, Hauptsache sie könne weiter über die Runden komme, er müsse auch keine Angst haben, sie sei gesund, sei immer zu der Vorsorge gegangen, er wisse schon, und auch jetzt, kein Husten, kein Schnupfen, kein Fieber, kein Virus, ganz bestimmt nicht, da sei sie sich absolut sicher und er sei doch ein Mann und brauche selbst in diesen Zeiten Entspannung und die könne sie ihm geben, perfekt geben, sie sei gut, anerkannt in ihrem Beruf, er würde es nicht bereuen. Dann schluchzte sie nur noch.

Er war überrascht und irritiert von dem Schwall der Worte, der auf ihn einströmte und in ihm kämpften nun die Angst vor einem intimen Kontakt mit einer Unbekannten, mit der Lust auf ein Abenteuer selbst unter diesen Bedingungen, das Mitleid mit einem Schicksal, das ihm so deutlich gemacht worden war und die banale Furcht, vielleicht doch noch von einem späten Kontrolleur in einer eindeutig-zweideutigen Aktion erwischt zu werden. Das beste würde wohl sein, dachte er gerade, ihr ein paar Euro zu geben und dann rasch zu verschwinden, er war ihr ohnehin schon lange genug sehr nahe gewesen und sie hatte pausenlos auf ihn eingeredet und obwohl er sich in einiger Entfernung aufgehalten hatte, konnte man ja nicht wissen, schließlich war es total windstill. Aber als ob sie das geahnt hätte, das mit dem Verschwinden, trat sie dicht an ihn heran und ergriff seine Hand und bevor er sich wehren konnte, wohl auch gar nicht wehren wollte, zerrte sie ihn über den Rasen zu den dunklen Büschen. Er ließ es geschehen, wehrte sich nicht, im Gegenteil, denn ganz plötzlich, noch während sie geredet hatte, hatte ihn die pure Lust gepackt. Er hatte sie angeschaut, eine Frau, nicht mehr jung, aber auch noch nicht alt, nicht besonders hübsch im Gesicht, aber alles andere als hässlich, mit einem relativ kleinen Busen in einer weißen Bluse und einem sehr runden, sehr ausgeprägten Hintern. Vielleicht war es dieser Hintern, die Vorstellung, ihn zu betatschen und zu drücke, der ihn veranlasste keinen Widerstand zu leisten und während sie vor ihm her ging, ihn an der Hand hielt, starrte er weiter auf ihre ausgeprägten Kurven, die ihr Oberkörper, die Taille, der Hintern und die Beine bildeten und der Wunsch, sie zu vögeln wurde immer drängender. Er folgte widerstandslos einer Frau, die ein dringendes Bedürfnis hatte und ein eindeutiges Ziel, weniger den Wunsch nach Sex oder Liebe oder wie man es nennen will, als der Wunsch endlich ein paar Kröten zu ergattern.

Hinter den Büschen, nur noch im fahlen Licht eines halben Mondes, kamen sie recht zügig und wenig romantisch zur Sache. Nachdem er ihr die gewünschten Scheine gegeben hatte, sie hatte dann doch noch ziemlich herum gezockt und den Preis nach oben getrieben, aber das war ihm egal, es gab sowieso kaum Möglichkeiten Geld auszugeben, und die Lust hatte ihn nun fest im Griff, nachdem sie also die Scheine irgendwo in ihrer Kleidung verstaut hatte, knöpfte sie seine Hose auf, ging vor ihm auf die Knie und lutschte vehement an seinem Schwanz, der Fahrt aufnahm, in Form kam und genau dasselbe wollte, was auch sein Kopf wollte. Ihm blieb, wegen der Position, in der beide waren, kaum eine Möglichkeit, die Frau zu befummeln. Er beugte sich zwar zu ihr hinab, suchte in der Bluse nach ihren Brüsten, tat sich aber schwer mit dem stramm sitzenden BH und ihr Hintern, auf den er so scharf war, war praktisch unzugänglich und ihr Mund war mit seinem Schwanz beschäftigt, so dass es auch keine Möglichkeit gab, sie zu küssen, was er gerne gemacht hätte, denn eigentlich hatte sie ja gesagt, er könne haben was er wolle, sie würde ihm alles geben und zudem hatte sie nun doch eine ganz anständige Vorauszahlung erhalten, für die man etwas mehr erwarten konnte, als nur am Schwanz gelutscht zu werden. Aber genau das machte sie ganz gut. Ihre Zunge und ihr Lippen, ihr ganzer Mund, waren eifrig in Bewegung, dabei zuckte auch ihr Körper und aus ihrer Kehle kamen Laute, die einen perfekten Orgasmus vortäuschen sollten. Sie drückte mit einer Hand zudem seine Eier, während sie saugte und lutschte und ihr Mund die Rolle der Vagina übernahm und die Stöße, die er eigentlich anbringen wollte, selbst ausführte. Dazu kamen raffinierte Zungenspielchen, als sie mit ihrer Zungenspitze seine pralle Eichel umschmeichelte und so zusätzliche, subtile Erregungen verursachte, weil alle bloß liegenden Nervenenden an diesem sensiblen Ort verrückt gemacht wurden und eine Kaskade von wollüstigen Gefühlen in seinem ganzen Körper hervorriefen. Kurz und gut, schon nach kurzer Zeit fühlte er, wie seine Säfte aufstiegen und darauf drängten, ausgestoßen zu werden und er konnte sich schon sehr bald nicht länger zurückhalten und kam in ihrem Mund, was sie als völlig normal betrachtete, ja es schien so, als ob ihr dieser Moment der Wahrheit selbst ein wenig Lust bescheren würde, denn ihre Hände, die zwischenzeitlich seinen Hintern umfasst hatten, drückten diesen an ihr Gesicht und ihr orgiastischen Laute klangen auf einmal ganz überzeugend. Aber, der Höhepunkt war auch schon der Schluss, es gab kein Nachspiel, kein bisschen knutschen oder fummeln und in der kurzen Zeit war es ihm nicht einmal gelungen, mit einer Hand so richtig an ihre nicht allzu großen Brüsten zu kommen, geschweige dann, mit der anderen zwischen Rock und Bluse und Unterhose bis zu der nackten Haut ihres Hinterns vorzudringen. Ihm blieb nur noch ein leichtes Tätscheln desselben, denn sie drängte nun auf raschen Aufbruch, es könne jemand kommen, sogar um diese Zeit, man müsse vorsichtig sein und es sei schön mit ihm gewesen, er solle wiederkommen, dann könne man auch variieren, ganz sicher, das würde sie ihm versprechen. Und dann war sie auch schon in der Dunkelheit entschwunden, mit leichten, fröhlichen Schritten, die Lichtkegel meidend. Während ihm nichts weiter zu tun blieb, als seine Hose zuzuknöpfen und sich auf den Weg nach Hause zu machen und sich dabei zu überlegen, ob sich das Risiko, es war unbestritten eines, nun gelohnt hatte oder nicht und warum sie eigentlich kein Kondom benutzt hatte, fiel ihm plötzlich ein, ob das noch ein zusätzliches Risiko für ihn gewesen war. Der Zweifel, ob er wohl heil aus dieser Chose herauskommen würde, die er sich leichtsinnig und zusätzlich zu der allgemeinen Scheißsituation eingehandelt hatte, begleitete ihn noch die ganze Nacht.

Das Geschäft ist versaut

© yupag chinasky


© yupag chinasky


1 Lesern gefällt dieser Text.





Kommentare zu "Das Geschäft ist versaut"

Es sind noch keine Kommentare vorhanden

Kommentar schreiben zu "Das Geschäft ist versaut"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.