Die Großmutter hat mir, als sie noch lebte, oft Legenden über die Welt außerhalb des Zuchthauses erzählt. Sie selbst war, genau wie ich, in diesen Hallen aufgewachsen und auch hier verstorben. Die meisten von uns verließen das Zuchthaus selbst nie. Sie wurden höchstens in eine andere Abteilung gebracht. Großmutter hatte gesagt, dass es den schwarzen Raum gäbe. Von dort war nie jemand zurückgekehrt.
Sie war nicht wirklich meine Großmutter, sie war nur eine der ältesten im Haus. Niemand von uns war verwandt. Die Begriffe stammten aus der Welt außerhalb der Hallen. Es hieß draußen hätten die anderen eigene Häuser und Kinder. Und dass es dort richtiges Essen gab. Nicht nur die Nahrungsriegel, die wir bekommen. Und dass es noch Getränke gäbe, mit Geschmack. Das kam mir so unwirklich vor. Ich hatte mein ganzes Leben in dieser Halle verbracht. Mit vielen Anderen zusammen. Als Große erzählte, dass es etwas gab das sich Privatsphäre nannte, war ich völlig baff. Mit dem Konzept konnte ich gar nicht viel anfangen. Es gab hier keine Wände. Es gab nur die Weite der Halle, Betten und Waschbereiche.
Hin und wieder kamen die Wärter. Sie nahmen jemanden mit oder brachten jemanden rein. Die Neuen hatten selten eine Erinnerung an das, was vor der Halle war. Ob sie aus einer anderen Halle kamen oder ganz frisch waren. Manchmal konnte man das am Geruch erkennen. Wenn sie frisch waren, dann rochen sie leicht süßlich.
Großmutter hatte uns erklärt, dass die Frischen aus Zuchthaus 1 kamen. Das hatte ihr ein Wärter mal aus Versehen erzählt. Was genau "Frisch" am Ende hieß, wusste aber keiner. Wir wussten nur, dass sie in allen Altersstufen vorkamen.
Wir nahmen sie immer gern in unserer Gemeinschaft auf. Nach kurzer Zeit gehörten sie genauso dazu wie jeder andere. Manchmal verließen sie uns besonders früh wieder. Es kamen fast wöchentlich Wärter und nahmen eine oder zwei Personen mit.
Die waren dann einfach fort und kamen auch nicht mehr zurück. Wir gingen davon aus, dass jeder von Ihnen tot ist. Aber was mit ihnen passierte, wollte ich selbst herausfinden. Also fragte ich einen Wärter, als es wieder so weit war.
"Ihr Klone seid nur Organspender für die Reichen und jetzt hau ab", sagte er. Ich wusste weder was ein Klon war, noch was es hieß reich zu sein.
Aber was ein Organspender war konnte ich mir erschließen und es ließ mir den Atem stocken.
Wenn Macht regiert durch Angst und Schrecken,
Blutspuren manch Bürgersteig bedecken.
Mord und Totschlag den Tag „versüßen“,
Menschen mit ihrem Leben büßen.
Licht malt helle Leuchtspurbahnen
in den Alterungsprozess,
Dinge, die von weither kamen,
setzen sich in Träumen fest,
die dir längst Vergangenes bringen
und dein Hiersein noch [ ... ]
Du findest die Hose! Aber die
Strümpfe sind weg. Du suchst die
Strümpfe. Und findest das Hemd.
Und findest die Schuhe. Und den
Schal. Nur nicht die Strümpfe.
Dann setzt Du die Brille auf. [ ... ]
Heute habe ich die Wahl der Qual, denn ich will mir die Zeit vertreiben, die mich vertreibt, damit ich nicht auf ewig etwas Übles anstellen kann. Soll ich mich, aus Verlegenheit, einfach [ ... ]